Es war kein Zufall - Patricia Vandenberg - E-Book

Es war kein Zufall E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Für Dr. Norden ist kein Mensch nur ein 'Fall', er sieht immer den ganzen Menschen in seinem Patienten. Er gibt nicht auf, wenn er auf schwierige Fälle stößt, bei denen kein sichtbarer Erfolg der Heilung zu erkennen ist. Immer an seiner Seite ist seine Frau Fee, selbst eine großartige Ärztin, die ihn mit feinem, häufig detektivischem Spürsinn unterstützt. Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Die Serie von Patricia Vandenberg befindet sich inzwischen in der zweiten Autoren- und auch Arztgeneration. Es war der schwerste Tag in Markus Mauritz' Leben, als seine so sehr geliebte Mutter beerdigt wurde. Wie es ihr letzter Wille gewesen war, war die Stunde der Beisetzung geheim gehalten worden. Nur er, die Pflegerin Marie, der Anwalt Dr. Romanus und Julia Borchert standen am Grab. Sie hatte Markus allerdings keines Blickes gewürdigt, und als sie dann auf ihn zutrat, wandte er sich ab. Er entfernte sich so schnell, dass Marie ihm gar nicht folgen konnte, aber sie hielt sich auch zurück, als sie sah, wie Julia Borchert ihm nachlief. Sie bemerkte es mit Skepsis und Unwillen. Markus sah die junge Frau verächtlich an, als sie ihn am Arm packte und so festhielt, dass er sich nicht gleich befreien konnte. »Das hättest du dir sparen können«, sagte er eisig, »oder denkst du etwa, dass sich für dich etwas ändert, nachdem Mutter nun gestorben ist?« »Sei doch nicht so ungerecht, Markus«, sagte sie. »Ich tauge eben nicht zur Krankenpflegerin. Du hast das alles missverstanden. Ich habe doch meinen Beruf, und der lässt mir wenig Zeit fürs Privatleben.« »Jetzt hast du sie«, erwiderte er gleichmütig. »Aber du müsstest doch wissen, dass es nicht allein um meine kranke Mutter ging.« »Was du mir mit Günther Herrmann unterstellt hast, stimmt doch nicht«, stieß sie hervor. »Herrgott, kann man mit dir gar nicht mehr vernünftig reden?« Er maß sie mit einem langen, so verächtlichen Blick, dass sie zusammenzuckte. »Du existierst nicht mehr für mich, und jetzt verschwinde ein für alle Mal aus meinem Leben.« Julia Borchert wusste, dass sie keine Chance mehr bei

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Dr. Norden Bestseller – 237 –

Es war kein Zufall

… denn hier war es Schicksal

Patricia Vandenberg

Es war der schwerste Tag in Markus Mauritz’ Leben, als seine so sehr geliebte Mutter beerdigt wurde.

Wie es ihr letzter Wille gewesen war, war die Stunde der Beisetzung geheim gehalten worden. Nur er, die Pflegerin Marie, der Anwalt Dr. Romanus und Julia Borchert standen am Grab. Sie hatte Markus allerdings keines Blickes gewürdigt, und als sie dann auf ihn zutrat, wandte er sich ab.

Er entfernte sich so schnell, dass Marie ihm gar nicht folgen konnte, aber sie hielt sich auch zurück, als sie sah, wie Julia Borchert ihm nachlief. Sie bemerkte es mit Skepsis und Unwillen.

Markus sah die junge Frau verächtlich an, als sie ihn am Arm packte und so festhielt, dass er sich nicht gleich befreien konnte.

»Das hättest du dir sparen können«, sagte er eisig, »oder denkst du etwa, dass sich für dich etwas ändert, nachdem Mutter nun gestorben ist?«

»Sei doch nicht so ungerecht, Markus«, sagte sie. »Ich tauge eben nicht zur Krankenpflegerin. Du hast das alles missverstanden. Ich habe doch meinen Beruf, und der lässt mir wenig Zeit fürs Privatleben.«

»Jetzt hast du sie«, erwiderte er gleichmütig. »Aber du müsstest doch wissen, dass es nicht allein um meine kranke Mutter ging.«

»Was du mir mit Günther Herrmann unterstellt hast, stimmt doch nicht«, stieß sie hervor. »Herrgott, kann man mit dir gar nicht mehr vernünftig reden?«

Er maß sie mit einem langen, so verächtlichen Blick, dass sie zusammenzuckte. »Du existierst nicht mehr für mich, und jetzt verschwinde ein für alle Mal aus meinem Leben.«

Julia Borchert wusste, dass sie keine Chance mehr bei ihm hatte, dass es nun restlos vorbei war, und so hatte sie sich das doch nicht gedacht.

Eine Frau für schwere Tage war sie nicht, davor hatte sie sich immer gedrückt, aber sie hatte auf ihre Wirkung gesetzt, auf jenen Einfluss, den sie einmal, vor noch nicht so langer Zeit, auf Markus Mauritz ausüben konnte. Sie war überzeugt gewesen, dass er zu ihr zurückkehren würde. Aber sie ahnte noch immer nicht, wie sehr sie von der schon so kranken Katharina Mauritz durchschaut worden war.

»Ich habe immer dein Glück gewünscht, mein Junge«, hatte sie noch kurz vor ihrem Tod zu Markus gesagt, »und wie gern hätte ich es erlebt, dass ich deine Frau kennenlerne, eine Frau, wie ich sie dir wünsche. Julia ist nicht diese Frau. Denke nicht, dass ich euch aus purem Egoismus auseinanderbringen wollte. Sie ist wahrer Liebe und Treue nicht fähig. Sie schielt nur nach dem Erbe, wenn ich keinen Einfluss mehr nehmen kann.«

»Ich weiß Bescheid, Mama, du brauchst nicht mehr zu sagen. Ich war blind, aber du hast mir die Augen geöffnet, und dann wurde ich sehend. Sprich nicht so, als würdest du mich morgen schon für immer verlassen.«

»Gönne es mir doch, mein Junge«, hatte sie leise gesagt. »Ich habe so oft gebetet, dass es nicht allzu lange dauern wird. Es wäre schön, wenn ich einschlafen und nicht mehr aufwachen könnte.«

Eine Woche später war dieser Wunsch in Erfüllung gegangen, und nun war sie neben ihrem Mann, der schon vor zwanzig Jahren gestorben war, zur letzten Ruhe gebettet worden. Markus konnte sich kaum noch an seinen Vater erinnern. Er war jetzt siebenundzwanzig und ein kleiner Junge gewesen, als sein Vater bei einem Banküberfall von den Gangstern erschossen worden war. Er war Bankdirektor gewesen und hatte sich gewehrt, den Gangstern die Tresorschlüssel herauszugeben. Er hatte den Alarm ausgelöst, und ohne Beute waren die beiden Männer verhaftet worden. Ein sinnloses Sterben war es für Manfred Mauritz gewesen. Eine überaus glückliche Ehe hatte ein grausames Ende gefunden, und ganz hatte Katharina Mauritz den Tod ihres Mannes nie überwunden, wenn sie sich auch bemühte, ihrem Sohn nicht immer Tränen und ein trauriges Gesicht zu zeigen.

Sie war die zärtlichste, liebevollste und auch verständnisvollste Mutter gewesen, die ein Sohn sich wünschen konnte. Man konnte es gewiss nicht als Affenliebe bezeichnen, wie Julia es getan hatte, denn sie ließ Markus jede Freiheit. Sie stammte aus einer vermögenden Familie, und Manfred Mauritz hatte für seine Frau und seinen Sohn auch vorgesorgt. Die Lebensversicherung war hoch, das Haus war schuldenfrei, und es war ein schönes Haus, aber es gab auch noch Eigentumswohnungen, die gut vermietet waren, Aktien, die einen beträchtlichen Wert darstellten, Goldbarren und Münzen. Und das alles hatte Julia Borchert in Erfahrung gebracht. Da war Markus erst recht interessant für sie geworden.

Markus hatte studiert, Volkswirtschaft und Rechtswissenschaften, und er war als Gesellschafter in die Firma eingestiegen, die der Familie seiner Mutter gehörte. Alles war solide, fest fundamentiert.

Es war verständlich gewesen, dass Katharina Mauritz eine Frau wie Julia Borchert nicht gefallen konnte, denn ihr hing der Hauch eines abenteuerlichen Flairs an, sosehr sie auch bemüht war, die große Dame zu spielen, die Managerin, um die man sich riss.

Bis zuletzt war Katharina Mauritz im Vollbesitz ihres Verstandes gewesen, und Dr. Gerd Romanus, der schon ein Freund ihres Mannes gewesen war, hatte alle Erkundigungen für sie eingezogen, die sie erbat.

Sie wäre glücklich gewesen, wenn diese positiv ausgefallen wären, aber sie verstand auch, dass ein nicht sehr erfahrener junger Mann solchem raffinierten Wesen, wie Julia Borchert eines war, auf den Leim ging. Sie war attraktiv, intelligent und sehr raffiniert. Sie steckte ihre Nase überall hinein, wo sie profitieren konnte. Man musste ihr zugute halten, dass sie sich dabei nicht auf die faule Haut legte und sich unter Wert verkaufte. Nein, Julia Borchert hatte nie die Absicht gehabt, sich zu verkaufen, sie wollte zum Höchstpreis erworben werden. Sie wollte alles zugleich, gesellschaftlichen Rang, Geld, Luxus, aber dazu auch einen möglichst bequemen Ehemann. Doch darin hatte sie sich ausgerechnet bei Markus getäuscht, obgleich sie doch gerade den ins Visier genommen hatte.

Julia Borchert befand sich in miesester Laune, als sie vom Friedhof heimkehrte und ärgerte sich über verschwendete Zeit, aber schnell hatte sie auch schon wieder eine Idee. Sie rief Dr. Norden an und erklärte ihm mit besorgter Stimme, so was gelang ihr immer bestens, dass sie auf dem Friedhof den Eindruck gewonnen hatte, dass Markus sich in einem völlig desolaten Zustand befände und er sich doch mal um ihn kümmern solle, da selbst sie nichts hätte ausrichten können.

Dr. Norden versicherte, dass er dazu gern bereit sei, aber Julia wusste nicht, dass er von ihr auch eben keine allzu gute Meinung hatte. Immerhin wusste er, wie nahe Markus der Tod seiner Mutter doch gegangen war.

Dr. Norden war gekommen, als Markus ihn vor vier Tagen angerufen hatte. Er hatte dem jungen Mann nur noch sagen können, dass seine Mutter friedlich eingeschlummert sei. Und er hatte in ein schmerzzerrissenes Gesicht geblickt.

»Sie war der einzige Mensch, den ich bewusst geliebt habe«, hatte Markus tonlos gesagt. »Was soll ich jetzt allein in diesem Haus?«

»Behalten Sie Marie, sie wäre doch gewiss dankbar, bleiben zu können«, erwiderte Dr. Norden.

»Wirklich? Aber sie wird doch auch weiter als Pflegerin gebraucht. Es gibt so wenige Menschen, die so opferbereit sind. Ich bin ihr sehr dankbar, Dr. Norden, aber eine Pflegerin brauche ich nicht.«

»Ich könnte ihr auch weiterhin Pflegeplätze vermitteln, und sie würde bestimmt auch gern Miete zahlen«, sagte Dr. Norden. »Sie musste ihre Wohnung räumen, weil das Haus abgerissen wurde, deshalb habe ich ihr damals diese Tätigkeit vermittelt. Die Jüngste ist sie nicht mehr, und sie kann sich nicht daran gewöhnen, jeden Tag woanders zu sein, aber sie war immer gern hier, und Ihre Mutter mochte Marie auch, Herr Mauritz.«

»Das weiß ich. Sie ist ja auch ein guter Mensch. Natürlich kann sie hier wohnen bleiben. Ich möchte mich sehr bei Ihnen bedanken für alles, was Sie für Mama getan haben, und dass Sie sich jetzt auch noch um mich kümmern. Ich bin nicht krank, ich habe nur so unendlich viel verloren.«

»Ich verstehe Sie, aber Sie sind jung, Herr Mauritz«, sagte Daniel Norden, obgleich ihm dies in diesem Augenblick auch als billiger Trost erschien.

»Jung«, wiederholte Markus schleppend. »Da macht man so manches falsch.»

»Man lernt doch nur aus Erfahrungen«, stellte Dr. Norden fest.

»Das mag sein«, gab Markus zu.

*

Nun waren seither drei Monate vergangen, und der Sommer war gekommen. Spät in diesem Jahr, das schon so viele Unwetter und Unglücke mit sich gebracht hatte.

Markus hatte sich in die Arbeit vergraben. Die Firma Scheffers hatte keinen Nachfolger dieses Namens mehr, Markus Mauritz war jetzt der einzige Gesellschafter, der durch seine verwandtschaftlichen Bande selbstverständlich auch als der junge Boss betrachtet wurde. Er kehrte das nie heraus, und er hatte sich schnell große Sympathie verschafft. Natürlich fand er auch bei den weiblichen Angestellten größte Aufmerksamkeit und manch eine gab sich die erdenklichste Mühe, seinen Blick auf sich zu ziehen, aber das war vergebliche Liebesmüh.

Markus war an sich nicht der Typ Mann, auf den Frauen flogen. Er war ernst, reserviert, schon recht markant für seine noch jungen Jahre, aber vor allem wirkte das nach, was hinter ihm stand.

Dass er Marie im Hause behalten hatte, sollte er keinen Augenblick bereuen. Sie nahm zwar Pflegefälle an, die Dr. Norden ihr vermittelte, denn von vornherein hatte sie gesagt, dass sie außer der freien Wohnung kein Geld von Markus annehmen würde, aber er brauchte nie etwas zu vermissen. Immer fand er beste Ordnung vor, immer auch einen gefüllten Kühlschrank, und wenn sie den ganzen Tag über abwesend war, bereitete sie ihm auch schon am Vorabend ein Essen.

Er ging nicht gern in Restaurants. Das musste er schon, wenn er zu einem Geschäftsessen einladen musste. Ihm behagte das einfache Essen, das die sparsame Marie bereitete, und das schmeckte immer.

Zweimal in der Woche kam nach wie vor die Zugehfrau, aber viel fand sie in dem stets ordentlichen Haus nicht zu tun. Da mussten mal die Fenster geputzt werden, denn dazu kam Marie wirklich nicht, und Markus hatte es ihr auch strikt verboten, auf den Leitern herumzusteigen, dann mussten auch die hohen Bücherregale vom Staub befreit werden, aber seit Marie im Hause war, hatte es auch Frau Schneider recht gut, und ihr gefiel das. Sie sagte dann sogar zu Marie, dass sie ihr ruhig mehr zu tun überlassen könne.

Aber natürlich wollte sie auch Marie gern ein bisschen aushorchen, denn Julia hatte sich nun hinter sie gesteckt, um zu erfahren, ob es in Markus’ Leben eine neue Frau geben würde.

Marie, ohnehin nicht mitteilsam, sah Frau Schneider bei solchen Fragen nur verwundert an.

Julia Borchert sah wahrhaftig keine Chance mehr, doch noch an Markus heranzukommen, und kostbare Zeit wollte sie auch nicht vergeuden.

Dr. Norden erfuhr jedoch von Marie einiges mehr, aber nur das, dass Markus ganz für sich lebte, dass er immer freundlich und höflich sei und dazu auch überaus ordentlich.

»Mich tät’ es schon freuen, wenn er wieder ein bisserl Spaß am Leben finden tät’«, meinte Marie.

An dem Tag, an dem Katharina ihren sechzigsten Geburtstag gefeiert hätte, fuhr Markus schon früh zum Friedhof. Es war ein Samstag. Er war mindestens jeden zweiten Tag am Grab und sorgte dafür, dass immer frische Blumen dort standen, doch an diesem Tag kam er mit einem Arm voll Rosen, sechzig Rosen, und ihm war hundeelend zumute.

Sechzig Jahre, was wäre das schon gewesen, nicht einmal diesen Geburtstag hatte seine Mutter erleben können. Warum durften andere Menschen so alt werden, die oft nicht so geliebt und dann auch so vermisst wurden, das fragte er sich immer wieder.

Eine Reise hatte er mit ihr machen wollen, nach Griechenland und Kreta, wo sie schon ein paarmal gewesen waren, aber als er ihr das vorschlug, war sie schon so matt, und sie sagte: »Ich werde froh sein, wenn wir zur Resi an den Tegernsee fahren können, Markus, und dort bleiben wir dann zwei Tage. Da ist doch alles nach unserem Geschmack. Der Kuchen, das Essen, auch die Zimmer. Mich ziehts nicht mehr hinaus in die Welt. Ich habe dann Angst, ich könnte dort auch sterben.«

Markus meinte, ihre Worte zu hören, als er am Grab stand und die Rosen in eine große Vase ordnete. Da gingen ein paar alte Leute vorbei, und eine sagte: »Das ist doch viel zu schön für ein Grab, aber wenn man’s hat …« Markus hörte gar nicht richtig hin.

»Liebste Mama«, murmelte er, »was ich auch immer tue, ich werde zuerst denken, wie du es gewollt hättest.«

Und dann fuhr er hinaus zum Tegernsee, zu der kleinen Pension, in der er so oft mit seiner Mutter gewohnt hatte. Die Resi hatte sie schon aus der Jugendzeit gekannt. Da war nämlich Resis Vater Hausverwalter beim Vater von ihr gewesen. Und Resi hatte dann den Peppi Wanninger geheiratet.

Ohne seine Mutter war Markus niemals hier gewesen, und als er dann vor dem schmucken Haus stand, wäre er am liebsten wieder umgekehrt, so sehr wurde er von den Erinnerungen überwältigt, aber da kam schon die Resi aus dem Haus, rund und frisch.

»Jesses, der Markus, ist das a Freud! Bub, dass du doch kommst, uns hat es ja so geplagt, dass du gar nichts hast von dir hören lassen.«

»Es musste erst ein bisserl Zeit vergehen, Resi«, sagte er leise. »Heut hätte Mama Geburtstag.«

»Ich habe schon daran gedacht, Markus. Ich will auch nicht dran rühren. Ich weiß, wie es dir ums Herz ist. Setz dich nieder, und stärk dich erst mal. So hätte es die Katharina auch haben wollen. Ihr tät’ es nicht gefallen, dass ihr Bub so schmal und blass daherkommt.«

Ein bisschen leichter wurde es ihm schon, und am Abend saßen sie beisammen, die Resi, der Peppi und die beiden Söhne, zwanzig und dreiundzwanzig Jahre alt. Fleißige Burschen.

Der Rudi war Elektriker geworden und war dabei, sich selbstständig zu machen, und der Peter arbeitete in einem Sportgeschäft. Aber der hatte schon Ambitionen, auch mal Skiprofi zu werden, da er schon ein paar Meisterschaften gewonnen hatte.

»Er soll lieber die Skischule übernehmen«, meinte die Resi resolut.

»Vielleicht ist das wirklich besser«, sagte Markus. »Wenn du dir die Haxen brichst, ist es aus mit dem Profi. Übernimm die Schule, ich bringe dir aus unserem Betrieb genug Leut’.« Da war man auch hier einhellig der Meinung, dass der Markus eben ein Pfundskerl sei, der überhaupt nicht hochgestochen wäre wie so viele, die sich nur auf dem Erbe ausruhten oder solches vergeudeten.

Markus blieb über Nacht, aber am nächsten Vormittag wollte er dann doch wieder zurückfahren. Erst einmal um den See herum, und auch mit dem Schiff hinüber nach Wiessee, wie es seine Mutter geliebt hatte. Die Sonne schien auch so warm wie im vergangenen Jahr, und da hatte man ihr noch gar nicht angemerkt, welche schwere Krankheit sie in sich trug.

Markus fuhr mit dem Schiff. Er war ganz in Gedanken versunken, aber plötzlich stupste eine feuchte Schnauze an seine Hand.

Große, feuchte Hundeaugen blickten ihn an, und eine Pfote legte sich auf sein Knie.

»He, gehörst du niemandem?«, fragte Markus.

»Kasimir«, rief da eine tiefe Männerstimme, und der Hund erhob sich und trottete zurück.

Es war ein Mann mit eisgrauen Haaren und einer imposanten Erscheinung. Neben ihm saß ein zierliches Geschöpf, das nicht aufblickte.

»Entschuldigen Sie die Belästigung«, sagte der Herr, »Kasimir ist sonst nicht so.«

»Es war keine Belästigung«, erwiderte Markus. Er sah, wie der Hund mit dem Schwanz wedelte, und plötzlich erwachte in ihm der Wunsch, dass er wieder zu ihm kommen möge, aber er war nun an die Leine gelegt worden.

In einem Strandcafé in Bad Wiessee sollte Markus dann den Hund, den Mann mit den eisgrauen Haaren und die junge Frau, oder war es doch erst ein Mädchen, wiedersehen.

Kasimir wedelte eifrig mit dem Schwanz, als sich Markus nicht weit entfernt niederließ. Aber jetzt hatte er vor allem seinen Blick auf dieses Mädchen gerichtet, das so unendlich traurig vor sich hin blickte.

Vielleicht hat sie auch ihre Mutter verloren, ging es Markus durch den Sinn, der Mann könnte ja ihr Vater sein, oder nicht?

Es gab ja auch solche Pärchen, bei denen es so einen gewaltigen Altersunterschied gab.

Kasimir bemühte sich sichtlich, von der Leine zu kommen, aber hier durften Hunde nicht frei herumlaufen. Der Mann sagte etwas zu dem Mädchen, und es blickte auf. Markus konnte ihr ins Gesicht sehen. Es war ein sehr junges Gesicht, aber von Schmerz gezeichnet. Und sie war sehr blass.

Noch öfter trafen sich dann ihre Blicke, bis ein Mann in einem uniformähnlichen Anzug an den Tisch trat, den Hund Kasimir an die Leine nahm und sich mit ihm entfernte. Wenig später erhob sich auch der Mann, reichte dem Mädchen die Hand, zog es vom Stuhl empor und legte seinen Arm um die schmale, zerbrechlich wirkende Gestalt.