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Fabolon, die Welt der Farbmagie Irgendwo da draußen, in einem anderen Universum, existiert ein Planet namens Fabolon. Diese Welt wird von Wesen beherrscht, die die Vorstellung eines normalen Erdenmenschen übersteigen. Als den Brüdern Pipp und Nio nichts Besseres einfällt, als Hilfe bei einem unbekannten Wesen zu suchen, werden versehentlich vier Erdenbewohner mitten aus einer Frankfurter Gesamtschule herauskatapultiert, um im Tempel des Wassers wieder aufzutauchen. Ob die Erdenmenschen tatsächlich helfen können, ist zweifelhaft, eine Rückkehr scheint unmöglich, obendrein verschwindet Lisa spurlos ... Leseprobe »Weshalb verzauberst du mich?«, brachte er heiser hervor und fixierte dabei ihre vollen Lippen. »Es liegt in meiner Natur und du gefällst mir. Du stellst Fragen, interessierst dich für so Vieles. Die meisten Männer tun so etwas nicht, sie lassen sich von der Magie treiben, ergeben sich ihrem Reiz, ohne Sinn und Verstand.« Sie zauberte ein Lächeln um ihre Mundwinkel, das seine Magie in Nios Herz entfaltete. Es donnerte in seiner Brust und entfachte das dringende Verlangen, seine Lippen auf die ihren zu legen. »Und ist es befriedigend, einen Mann ins Meer zu entführen, der sich nur aufgrund der Magie angezogen fühlt?« Entgegen der inhaltlichen Kritik säuselte er die Frage, als hätte er ihr ein Kompliment gemacht. Nalana reagierte mit einem traurigen Blick, der ihm beinahe das Herz zerriss. »Das trifft den wunden Punkt unserer Seele«, antwortete sie traurig. »Wie sollen wir jemals um unserer Selbst geliebt werden können, wenn wir zu einem großen Teil aus dieser Magie bestehen, die die Männer verzaubert? Das, was einige wenige von uns als Segen empfinden, ist im Grunde ein Fluch. Die Magie ist Teil von uns, kann nicht ausgeschaltet werden. Wir sind, was wir sind, betörend, verzaubernd und unser magischer Teil lässt uns nur überleben, wenn wir geliebt werden.« Bunte Alle-Age-Fantasy, angereichtert mit Magie und gewürzt mit Romantik, empfohlen ab zwölf Jah
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FarbelFarben - XXL Leseprobe
Isabella Mey
Band I
Das Buch Fabolon widme ich meiner Tochter Lara, die die Geschichte durch ihre unzähligen fantastischen Ideen bereichert hat.
Frankfurt, Sonntag, 25. November
Der Schmerz verflog genauso schnell, wie er gekommen war. Lisa hob ihre Fingerkuppe vor die Augen, wo ein einzelner Blutstropfen hervorquoll und in dieser Position verharrte. Vorsichtig verrieb sie ihn zwischen den Fingerspitzen. Es kam kein Blut mehr nach, doch ein winziger roter Punkt zeichnete sich auf ihrem linken Daumen ab, sah aus wie ein Insektenstich.
Verwirrt sah sich Lisa um, doch weder kleine Tiere noch stachelige Büsche waren zu sehen. Der Wind hatte aufgefrischt und zerrte an ihrem grünen Kleid, wirbelte ihr das lange Haar ins Gesicht. Mit gespreizten Fingern kämmte sie es zurück, um einen Blick über die Düne hinweg zum Meer zu werfen. Unwillkürlich vollführte ihr Herz einen Hüpfer, als sie den hübschen jungen Mann zwischen den Felsen erspähte. Die Gischt umspülte seine nackten Füße, während er in Shorts gekleidet auf einem schroffen Stein hockte und mit einem Stock im losen Untergrund herumstocherte, der von den auslaufenden Wellen hin und her bewegt wurde, als spielte das Wasser mit den Kieseln.
Doch Lisas freudige Erregung erlosch ebenso schnell, wie sie entflammt war, denn sie spürte sofort, dass mit ihm etwas nicht stimmte. In Gedanken versunken, hatte er Lisa nicht bemerkt, aber selbst auf die Distanz konnte sie die tiefe Trauer spüren, die er ausstrahlte, eine Schwermut, die auch sie mitzureißen drohte.
Was ist passiert?
Lisa rührte sich nicht. Weder konnte sie sich von seinem Anblick lösen noch wollte sie ihn stören. Eine Weile stand sie reglos da, bis sie plötzlich eine Veränderung im Wasser erfasste: Ein graues Etwas trieb unaufhaltsam auf den jungen Mann zu. Es breitete sich aus und umzingelte ihn in einem weiten Bogen, als wollte es ihn verschlingen. Lisa wusste nicht, was es war, doch mit jeder Pore ihres Seins spürte sie die große Gefahr, die davon ausging. Sie wollte schreien, ihn warnen, doch der Schock schnürte ihre Kehle zu. Immerhin setzten sich ihre Beine wie von selbst in Bewegung und ein Keuchen entwich ihrer Kehle, welches jedoch vom Wind fortgetragen wurde, während sie durchs Dünengras preschte. Noch bevor die Düne in felsigen Untergrund überging, versanken ihre Füße so tief im Sand, dass sie stolperte und stürzte. Der Schwung ließ sie vorne überkippen. Noch im Fallen sah sie, wie das graue Verderben unaufhaltsam auf den jungen Mann zurollte.
Nein! Nein!
»Nein!«, schrie Lisa und richtete sich ruckartig in ihrem Bett auf.
Die Erkenntnis, dass alles nur ein böser Traum gewesen war, tröpfelte erst allmählich in ihr Bewusstsein. Noch immer donnerte ihr Herz wie wild, kalter Schweiß stand auf ihrer Stirn. Erschöpft ließ sie sich zurück ins Kissen sinken. Die Sonne war noch nicht aufgegangen, dafür sandten die Scheinwerfer eines vorbeifahrenden Autos helle Streifen durch die Ritzen des Rollos.
Warum immer wieder dieser Traum?
Schon zum dritten Mal hatte sie immer dasselbe geträumt und alles hatte so echt gewirkt, der Wind, das Rauschen des Meeres, der Sand in ihren Schuhen … Das musste etwas zu bedeuten haben, doch Lisa hatte nicht die blasseste Ahnung, was es sein könnte. Weder kannte sie den jungen Mann noch war ihr diese Umgebung am Meer vertraut und für einen symbolhaften Traum hatte wiederum alles viel zu real gewirkt.
Das Verrückte jedoch war, dass Lisa dieser junge Mann nicht mehr aus dem Kopf ging, seit sie das erste Mal von ihm geträumt hatte. Gesichtsform und Haarschnitt erinnerten sie an den Prinzen aus »Drei Haselnüsse für Aschenbrödel«, allerdings hatte Lisas Prinz dunkelblondes, statt schwarzes Haar und eine blaue Iris. Das wusste sie ganz genau, obwohl sie seine Augen im Traum von der Düne aus gar nicht hatte erkennen können.
Wer ist das nur? Existiert er überhaupt in der Wirklichkeit?
Unruhig wälzte sie sich von einer auf die andere Seite, doch der Schlaf wollte einfach nicht mehr kommen. Schließlich schob Lisa ihre Füße aus dem Bett und tapste ins Bad. Nach dem Toilettengang streckte sie ihre Hände in den kalten Wasserstrahl überm Waschbecken. Da blieb ihr Blick plötzlich an ihrem linken Daumen hängen.
Ist das da tatsächlich ein Stich?
Lisa trocknete ihre Hände ab und betrachtete den roten Punkt auf der Fingerkuppe von allen Seiten.
Das kann doch nicht wahr sein? Ich träume von einem Stich in den Daumen und habe danach tatsächlich einen? Oder träume ich etwa noch immer?
Sie schloss die Augen und atmete tief durch.
Nein, ich bin wach, aber wahrscheinlich ist es so abgelaufen, dass ich mich irgendwo im Bett gepiekt habe und das in meinen Traum eingeflossen ist.
Lisa suchte gründlich ihr Bett ab, schüttelte Decke, Laken und Kissen aus, doch wenn dort etwas Spitzes gewesen sein sollte, so lag es jetzt mit Sicherheit irgendwo auf dem Teppich.
Da dieser Traum jedoch viel zu verrückt war, um sich darüber den Kopf zu zerbrechen, schob sie die Angelegenheit in die Schublade der unerklärlichen, aber unbedeutenden Zufälle.
Dennoch dauerte es eine Weile, bis es Lisa gelang, sich erneut zu entspannen und wieder einzudösen.
An diesem Sonntag hätte Lisa ausschlafen können, dennoch wollte sie rechtzeitig wach sein, denn es kam nicht allzu oft vor, dass ihr Vater Zeit fand, den Tag mit ihr zu verbringen. Nach der Scheidung ihrer Eltern wohnte er mit seiner neuen Partnerin in Mainz.
Die Leidenschaft für die Musik und das Talent hatte Lisa von ihren Eltern geerbt, denn sie spielte Querflöte, Klavier und Geige. Ihr Vater, Benjamin Fischer war ein gefragter Pianist und Dirigent und deshalb beruflich häufig unterwegs. Ihre Mutter dagegen spielte die zweite Geige in der Frankfurter Oper – in Festanstellung, sodass sie schon früher oft alleine mit ihrer Tochter zu Hause zurückgeblieben war. Zwar hatte Lisa ihren Vater auch in der Kindheit manchmal vermisst, doch seit der Trennung ihrer Eltern bekam sie ihn kaum noch zu Gesicht – vielleicht war es auch früher schon weniger geworden, aber das hatte sie nicht so richtig wahrgenommen. Wenn sie aber ehrlich war, hatten sich ihre Eltern auch schon vor seiner neuen Liebe voneinander entfernt. Für dieses Argument war ihre Mutter jedoch kaum zugänglich, denn für Tatjana trug einzig und alleine Cecilie Schuld daran, diese glückliche Familie zerstört zu haben.
In ihrem Zimmer über der Haustür hielt Lisa bereits Ausschau nach ihrem Vater.
Kaum erspähte sie sein Auto, rannte sie auch schon nach unten und mit einem »Tschüss Mama!«, zur Tür hinaus. Benjamin hatte gerade eingeparkt, als seine Tochter die Tür aufriss und einstieg. Nachdem die letzten Zusammentreffen ihrer Eltern alles andere als angenehm verlaufen waren, hatte Lisa auf diese Weise einen erneuten Streit vermieden.
»Na, hoppla! Das ging aber schnell, heute«, staunte Benjamin. »Schön, dich zu sehen, Lisa. Was wollen wir unternehmen?«
Vater und Tochter verbrachten einen schönen Tag im Palmengarten, besuchten die verschiedenen Tropenhäuser und fuhren schließlich mit dem Tretboot über den kleinen See. Für November war es noch immer verhältnismäßig warm, sodass sie sogar ihre Mäntel ausgezogen und hinten im Boot verstaut hatten. Ein Geysir schickte seinen kräftigen Wasserstrahl in den Himmel, in den Nebeltröpfchen schillerte ein Regenbogen.
»Fahr nicht zu nah ran, sonst werden wir noch pitschnass!«, mahnte Benjamin seine Tochter, die das Steuer übernommen hatte. Die Entscheidung war Lisa nie ganz leichtgefallen, ob sie Papas Haar eher nussbraun oder dunkelblond bezeichnen sollte, dafür strahlte seine Iris umso eindeutiger in einem sanften Graublau. Neben der schlanken Statur konnte man an seinen feingliedrigen Fingern erahnen, dass er mehr Zeit am Klavier, statt mit Essen oder im Sportstudio verbrachte.
»Keine Sorge, ich will nur um die kleine Insel herumfahren«, erwiderte Lisa und lenkte nach links in den Kanal zwischen Ufer und Insel auf ein Entenpärchen zu.
Ihr stockte der Atem, als sie plötzlich auf dem Pfad, der das Ufer säumte, jemanden entdeckte, den sie nur allzu gut kannte: Felix. Noch hatte er Lisa nicht bemerkt, doch gemeinsam mit zwei Erwachsenen und einem jüngeren Mädchen kam er geradewegs auf sie zu. Unwillkürlich rutschte Lisa tiefer in ihren Sitz, während sie kräftig in die Pedale trat. Sie beobachtete, wie Felix mit säuerlicher Miene vorne weg marschierte. Sein Blick streifte das vorbeifahrende Tretboot, kehrte abrupt zu Lisa zurück und stoppte in ihrem Gesicht, wobei sich seine Miene merklich aufhellte. Hitze schoss in Lisas Wangen, denn sie schwärmte heimlich für ihren Mitschüler Felix, der das zurückhaltende Mädchen jedoch meistens übersah.
»Hi Lisa! Auch auf Familienausflug?«, erkundigte er sich.
Jetzt, wo sie nicht nur in seinen, sondern auch in den Fokus seiner Familie geraten war, spürte sie, wie sich die Farbe ihres Gesichts merklich intensivierte. Aber es half ja nichts, deshalb antwortete sie zaghaft: »Nur mit meinem Vater.« Benjamin nickte dem jungen Mann und seiner Familie am Ufer lächelnd zu. Seine Eltern grüßten freundlich zurück, nur das Mädchen (seine Schwester?) spitzte die Lippen. Unterdessen hatte Lisas Vater geistesgegenwärtig angefangen, rückwärts zu treten, damit das Boot während des Grußes nicht weitertrieb.
»Felix aus meiner Klasse«, raunte Lisa ihrem Vater zu und meinte dann verlegen zu ihrem Klassenkameraden: »Äh, wir müssen dann weiter.«
»Alles klar. Ich hab hier auch noch viele wichtige Dinge zu erledigen.« Felix winkte ihr lachend zu, aber Lisa schien es, als wollte er sich über sie lustig machen, weshalb sie sich maximal dämlich vorkam. Sie trat kräftig in die Pedale, wollte nur noch weg.
In diesem Augenblick sprang das blond gelockte Mädchen plötzlich von hinten vor ihren Bruder und rief »Buh!« Dabei wedelte sie mit den Händen vor seinem Gesicht herum. »Felix ist verliebt!« Lisa sah gerade noch, wie er entnervt ihre Hände wegschlug.
»Au!«, jaulte sie.
»Red nicht so einen Schwachsinn! Du weißt ganz genau, dass ich das nicht leiden kann, Lilli!«, schimpfte Felix.
»War doch nur Spaß!«, jammerte sie vorwurfsvoll.
»Warum streitet ihr schon wieder? Kann man nicht einmal einen Familienausflug in den Palmengarten machen, ohne dass ihr euch in die Haare kriegt?«, beschwerte sich die ältere Version von Felix.
Während sich das Tretboot zunehmend entfernte, warf Lisa noch einmal verstohlen einen Blick zurück: Die Geschwister standen sich grimmig gegenüber, während die Eltern vor allem Felix ins Visier nahmen.
»Du bist doch der Ältere, man sollte meinen, dass du vernünftig genug bist, um mit deiner Schwester nicht in Streit zu geraten«, schallt die Mutter.
»Was kann ich denn dafür, dass sie mich immer wieder ärgert? Und warum haltet ihr jedes Mal zu Lilli?«
Die Antwort konnte Lisa jetzt nicht mehr hören, weil sich das Boot und Felix’ Familie zu weit voneinander entfernt hatten.
»Netter junger Mann, dieser Felix«, bemerkte Papa schelmisch grinsend. »Und du magst ihn, stimmts?«
»Hm, ja, er ist ganz nett«, gab Lisa schulterzuckend zu und schon wieder kämpfte sie gegens Rotwerden.
»Naja, du bist ja schon in einem Alter, wo man sich fürs andere Geschlecht interessiert …«, begann Benjamin zaghaft. »Spricht deine Mutter denn mit dir über diese Dinge, wie … Verhütung?« Er schenkte ihr ein unsicheres Lächeln.
Offenbar sah es Benjamin als seine Pflicht an, Lisa darauf hinzuweisen, obwohl ihm das Thema sichtlich unangenehm war. Sie verdrehte die Augen.
»Papa, mit sechzehn weiß man darüber Bescheid, wie Kinder entstehen und wie man es verhindert. Wir lernen das auch in der Schule.«
»Ach so. Dann ist ja gut.« Sie fuhren eine Weile schweigend weiter, umrundeten die zweite größere Insel, bis Benjamin das Thema erneut aufgriff.
»Und gibt es denn da schon jemanden?«, erkundigte er sich neugierig. »Felix vielleicht?«
Lisa schüttelte wild den Kopf. Sie wollte einfach nicht, dass irgendjemand von ihrem Schwarm wusste, auch nicht ihr Vater. Und von dem Jungen aus ihren Träumen konnte sie ihm erst recht nichts erzählen, sonst würde er sich nur am Ende noch sorgen, dass sie sich in Fantasiewelten flüchtete.
»Was machst du denn sonst so in deiner Freizeit?«
»Das weißt du doch, Papa. Vor allem spiele ich Querflöte.«
»Ich sorge mich ein bisschen, dass du vereinsamen könntest, vor allem seit du nicht mehr fechtest. Unternimmst du denn manchmal was gemeinsam mit Freunden?«
»Ja, manchmal …«, wich Lisa aus. In Wahrheit war sie als empfindsamer Mensch generell eher introvertiert, doch seit der Trennung ihrer Eltern hatte sie sich noch mehr zurückgezogen. Auch das Fechttraining, bei dem sie in ihrer Freizeit noch etwas Gesellschaft gehabt hatte, hatte sie aufgegeben. »Wie geht’s Cecilie mit dem Baby? Wisst ihr schon, was es wird?«, lenkte Lisa ihren Vater auf ein anderes Thema.
»Nein, wir wollen uns überraschen lassen.«
»Ach so, verstehe …«
Die Tatsache, dass Papas Partnerin schwanger war, erfüllte Lisa mit Wehmut. Einerseits war es zwar aufregend, dass sie ein kleines Halbgeschwisterchen bekommen würde, doch da sie kein Teil dieser Familie war, fürchtete sie, durch das neue Kind noch mehr ausgeschlossen zu werden. Dieses Gefühl wollte sie sich jedoch nicht zugestehen, denn mit sechzehn war sie sowieso kein Kind mehr und könnte theoretisch auch schon ganz alleine leben.
Noch ein paar Minuten schipperten Vater und Tochter auf dem See herum, dann brachten sie das Tretboot wieder zur Anlegestelle. Benjamin wünschte sich, mit der Minieisenbahn durch den Park zu fahren, in Erinnerung an alte Zeiten, in denen Lisa deutlich mehr Enthusiasmus für solche Fahrten gezeigt hatte. Sie durchquerten noch zwei Tropenhäuser, dann wanderten sie zum Ausgang. Den Abschluss bildete ein Besuch im Café am Palmengarten.
Lisa war traurig, dass dieser Tag viel zu schnell wieder vorüber war, obwohl sie noch nicht ahnte, mit welchem Drama er enden sollte.
Benjamin hatte sich gerade im Vorraum des Reihenhauses von seiner Tochter verabschiedet und winkte Lisa noch einmal zu, als seine Exfrau eilig in den Vorraum trat und nach der Hand ihres Exmannes griff.
»Bleib doch noch, Benni«, flehte Tatjana inständig.
Lisa stand erschüttert im Wohnzimmer und hielt es für einen ziemlich schlechten Film, was sich da direkt vor ihren Augen abspielte. Bekleidet mit seinem langen, beigen Mantel gab Benjamin ein entnervtes Keuchen von sich, während er sich mit gesenktem Blick die Stirn rieb.
»Bitte, Tatjana! Nicht vor unserer Tochter …«
Doch ihre Furcht vor Verlust war zu groß. Statt loszulassen, schlang sie haltsuchend beide Arme um ihn.
»Bitte bleib …«, keuchte sie.
Da es dem sanften Gemüt des Musikers nicht entsprach, Gewalt anzuwenden, versuchte Benjamin zu halbherzig, sich aus ihrer Umklammerung zu befreien. Auf diese Weise konnte er ihrer Umarmung allerdings nicht entgehen, dafür wandte er mit gesenkten Mundwinkeln resigniert den Kopf zur Seite.
Wie versteinert verharrte Lisa im Wohnzimmer und starrte durch die offene Tür zum Vorraum hinüber. Sie wollte das nicht mitansehen und doch brachte sie es nicht fertig, sich von diesem leidvollen Szenario zu lösen. Ihr blasser Leib fror fest, während sie das Gefühl überkam, irgendwie neben sich zu stehen.
»Du willst uns doch nicht wirklich verlassen …«, schluchzte Lisas Mutter, wobei sich nun Tränen aus ihren Augen lösten.
»Das bringt doch alles nichts«, keuchte Benjamin. »Lass mich los!« Allmählich mischte sich Wut in seine Stimme. Er packte ihre Finger, um sie von seinem Rücken zu lösen, während er sich aus ihrer Umarmung herauswand. Sie wollte erneut nachfassen, doch Lisas Vater packte ihre Handgelenke und hielt sie auf Abstand.
Da verlor Tatjana nun völlig die Fassung. In die Tränen des Schmerzes mischten sich nun auch Tränen der Wut hinein. »Was findest du nur an dieser Cecilie?«, rief sie heulend. »Ist sie besser als ich, ja?«
»Hör doch auf mit dem Unsinn«, schnaubte Benjamin entnervt. »Du hast doch selbst gemerkt, dass es einfach nicht mehr passt zwischen uns.«
»Gar nichts merke ich davon. Und hast du eigentlich auch mal an unsere Tochter gedacht? Ist sie dir jetzt völlig egal geworden?«
In diesem Moment hätte Lisa ihre Mutter am liebsten auf den Messeturm geschossen. Sie hasste es, wenn Tatjana sie dafür benutzte, ihrem Vater ein schlechtes Gewissen einzureden.
»Nein, natürlich nicht«, schnaubte Benjamin. Sein unglücklicher Blick wanderte an Tatjana vorbei zu Lisa. Mit zusammengepressten Lippen sah er sie traurig an, dann ließ er die Handgelenke seiner Exfrau los, wandte sich abrupt um, öffnete die Tür und flüchtete aus dem Haus.
Tatjanas verletzter Zorn brach jetzt mit voller Wucht hervor.
»Dann hau doch ab!«, schrie sie ihm hinterher. »Geh doch zu deinem Flittchen! Und lass dich nie wieder blicken!«