Fast zerstörte er ihr Leben - Patricia Vandenberg - E-Book

Fast zerstörte er ihr Leben E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Für Dr. Norden ist kein Mensch nur ein 'Fall', er sieht immer den ganzen Menschen in seinem Patienten. Er gibt nicht auf, wenn er auf schwierige Fälle stößt, bei denen kein sichtbarer Erfolg der Heilung zu erkennen ist. Immer an seiner Seite ist seine Frau Fee, selbst eine großartige Ärztin, die ihn mit feinem, häufig detektivischem Spürsinn unterstützt. Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Die Serie von Patricia Vandenberg befindet sich inzwischen in der zweiten Autoren- und auch Arztgeneration. Margot Forbes saß Dr. Norden blass, aber gefasst gegenüber. »Sie müssen mir alles sagen, Herr Doktor«, bat sie. »Es geht ja nicht nur um mich. Ich muss doch auch an Katrin denken. Wenn es Krebs ist, muss ich mich damit auch abfinden.« »Wir brauchen nicht gleich das Schlimmste zu denken, Frau Forbes, aber operiert werden müssen Sie auf jeden Fall, und möglichst bald. Sie spüren doch selbst, dass es so nicht mehr weitergehen kann.« Margot war eine sehr ansehnliche Frau von fünf­undvierzig Jahren, aber jetzt war ihr feines Gesicht von Schmerzen gezeichnet. Die Schmerzen quälten sie schon Wochen, aber sie hatte sich nicht aufraffen können, Dr. Norden aufzusuchen. Dabei kannte sie ihn schon mehrere Jahre und schätzte ihn sehr. Sie hatte jetzt die Hände gefaltet. »Nur gut, dass Ka­trin schon neunzehn ist und mit der Schule fertig«, meinte sie leise. »Und ganz mittellos werde ich sie ja nicht zurücklassen.« »Nun denken Sie aber bitte nicht gleich ans Sterben, Frau Forbes«, sagte Dr. Norden aufmunternd. »Sie werden doch zu uns Ärzten wenigstens ein bisschen Vertrauen haben. Dr. Leitner wird noch eine ganz genaue Untersuchung vornehmen, und die Operation wird auch in der Leitner-Klinik durchgeführt, und ich werde ganz bestimmt dabeisein. Sie dürfen sich jetzt nicht konfus machen. Sie sind doch eine tatkräftige Frau.« Ja, tatkräftig war Margot Forbes immer gewesen. So schnell ließ sie sich nicht unterkriegen, aber es war eben doch etwas anderes, wenn man gesund mit Misslichkeiten fertig werden musste, als wenn man dem Tod ins Auge blicken musste, und wenn die Angst nicht mehr

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Dr. Norden Bestseller – 226–

Fast zerstörte er ihr Leben

Patricia Vandenberg

Margot Forbes saß Dr. Norden blass, aber gefasst gegenüber. »Sie müssen mir alles sagen, Herr Doktor«, bat sie. »Es geht ja nicht nur um mich. Ich muss doch auch an Katrin denken. Wenn es Krebs ist, muss ich mich damit auch abfinden.«

»Wir brauchen nicht gleich das Schlimmste zu denken, Frau Forbes, aber operiert werden müssen Sie auf jeden Fall, und möglichst bald. Sie spüren doch selbst, dass es so nicht mehr weitergehen kann.«

Margot war eine sehr ansehnliche Frau von fünf­undvierzig Jahren, aber jetzt war ihr feines Gesicht von Schmerzen gezeichnet. Die Schmerzen quälten sie schon Wochen, aber sie hatte sich nicht aufraffen können, Dr. Norden

aufzusuchen. Dabei kannte sie ihn schon mehrere Jahre und schätzte ihn sehr.

Sie hatte jetzt die Hände gefaltet. »Nur gut, dass Ka­trin schon neunzehn ist und mit der Schule fertig«, meinte sie leise. »Und ganz mittellos werde ich sie ja nicht zurücklassen.«

»Nun denken Sie aber bitte nicht gleich ans Sterben, Frau Forbes«, sagte Dr. Norden aufmunternd. »Sie werden doch zu uns Ärzten wenigstens ein bisschen Vertrauen haben. Dr. Leitner wird noch eine ganz genaue Untersuchung vornehmen, und die Operation wird auch in der Leitner-Klinik durchgeführt, und ich werde ganz bestimmt dabeisein. Sie dürfen sich jetzt nicht konfus machen. Sie sind doch eine tatkräftige Frau.«

Ja, tatkräftig war Margot Forbes immer gewesen. So schnell ließ sie sich nicht unterkriegen, aber es war eben doch etwas anderes, wenn man gesund mit Misslichkeiten fertig werden musste, als wenn man dem Tod ins Auge blicken musste, und wenn die Angst nicht mehr zu bannen war.

»Sie gehen morgen zu Dr. Leitner, Frau Forbes.« Eindringlich sah Dr. Norden sie an. »Ich werde mich dann eingehend mit ihm beraten, und wir setzen den Operationstermin fest.«

»Aber erst für nächste Woche«, murmelte Margot. »Ich muss noch viel erledigen. Schließlich habe ich ja auch ein Geschäft, das ich nicht so einfach zumachen kann.«

Es war sogar ein sehr hübsches Geschäft, eine Geschenkboutique wurde das jetzt genannt, aber Margot hatte es Kramstadl getauft und so sollte es auch bleiben. Man konnte hübsche Sachen kaufen, nicht nur Geschenkartikel, sondern auch handgestrickte Pullover und Jacken, die von Margot und ihrer Nichte ­Katrin, und von Bertl Inninger gefertigt wurden.

Ja, Bertl musste sie einweihen, ging es Margot durch den Sinn, als sie heimwärts fuhr. Und vielleicht konnte dann auch Katrins Freundin Sissi ab und zu im Geschäft helfen. Es musste alles überlegt werden, und so bewies Margot doch, dass sie auch an die Zukunft dachte, dass sie sich noch nicht ganz aufgab, aber vor allem musste für Katrin gesorgt werden, die sie liebte, als wäre sie ihr eigenes Kind.

Als Margots Schwester Traudel vor mehr als neunzehn Jahren mit dem Kind unter dem Herzen zu ihr gekommen war, so voller Traurigkeit und Resignation, da hatte es für sie schon festgestanden, dass sie die jüngere Schwester und auch ihr Kind nicht im Stich lassen würde. Wenn es auch ein uneheliches Kind war, und das hatte es in der Familie Forbes noch nicht gegeben. Eine ehrbare, christliche Familie war es, und jeden Sonntag ging man in die Kirche, aber für ein Kind, das keinen Vater hatte, wäre da kein Platz gewesen, wenn eben nicht Margot gewesen wäre. Schwer genug hatte sie es gehabt, als Traudel dann kurz nach der Geburt gestorben war, zerbrochen an ihrer großen Liebe, die keine Erfüllung gefunden hatte.

Und Margots Verlobung ging wegen des Kindes auseinander, das sie um keinen Preis der Welt mehr hergeben wollte. Die kleine Katrin hätte sich keine liebevollere Mutter wünschen können, und manchmal hatte es Margot gereut, dass sie Katrin nicht einfach als ihre Tochter ausgegeben hatte. Aber sie war als Tochter von Gertraud Forbes geboren und registriert worden. Vater unbekannt, hatte Traudel eigensinnig angegeben, und nur Margot kannte den Namen des Mannes.

Sie hegte einen tiefen Groll gegen diesen Mann, der verheiratet gewesen war und dennoch zu Traudel von Liebe gesprochen hatte. Weinend hatte Traudel erzählt, wie sehr sie ihn liebe, und wenigstens das Kind haben wollte. Aber ihre Kraft hatte nicht ausgereicht, dieses Kind auch nur einmal an die Brust zu nehmen.

Es war fast zwölf Uhr, als Margot ihr »Kramstadl« betrat, und sie war froh, dass sie nun bald Mittagspause machen konnten.

Katrin bediente gerade einen jungen Mann, der anscheinend sehr wählerisch war, aber Margot wusste es ja, dass man sich von einem so reizenden Mädchen eben gern viele Dinge zeigen ließ und dabei auch Gelegenheit zu einem Flirt suchte. Aber Katrin hatte ihre Grundsätze. Sie war freundlich, aber distanziert. Bange war es Margot nicht um ihre Katrin.

Der junge Mann, er sah auch sehr gut aus, wie Margot feststellte, hatte viel gekauft. Und ihm war es sichtlich unangenehm gewesen, dass Margot gerade da das Geschäft betrat, als es ans Zahlen ging.

»Machst du das, Tante Margot«, sagte Katrin, »ich packe die Sachen ein.«

»Es eilt nicht. Ich zahle jetzt und könnte die Sachen nachmittags abholen«, meinte der junge Mann. »Ich habe noch etwas zu erledigen.«

»Wir schließen aber bis halb drei Uhr«, sagte Margot.

»Das macht nichts. Ich komme dann gegen fünf Uhr.«

Wenn jemand für mehr als zweihundert Euro kaufte, musste man schon entgegenkommend sein, aber zu Margots Überraschung war Katrin diesmal bedeutend freundlicher als sonst.

»Mein Name ist Severin«, stellte sich der junge Mann vor. »Ich werde öfter kommen.«

Nun wurden beide verlegen. Margot musterte den jungen Mann forschend, Katrin errötete.

»Sie haben wirklich besonders hübsche Sachen«, sagte er lächelnd. »Wenn Sie mal einen Pullover in meiner Größe bekommen, denken Sie bitte an mich.« In seinen grauen Augen funkelte es übermütig, als sein Blick zu Katrin wanderte.

»Bis später«, sagte er, als er an der Tür stand. »Ich wünsche guten Appetit.«

*

»Was sagt man dazu«, murmelte Margot. »War er schon mal hier?«

»Nein, zum erstenmal, aber sonst bist du doch sowieso immer im Laden, Tante Margot. Was sagt Dr. Norden?«

»Darüber reden wir später, Katrin. Alle Achtung, heute hat die Kasse geklingelt.«

»Wenn jeder so viel kaufen würde, wie Herr Se­verin, könntest du dich freuen, Tante Margot.«

»Wir könnten uns freuen, Kleines. Traust du dir zu, das Geschäft ein paar Wochen allein zu führen?«

Katrin stutzte. »Musst du zur Kur?«, fragte sie leise.

»Ich muss operiert werden. Es ist nicht mehr aufzuschieben, Katrin. Mach dir bloß nicht zu viel Gedanken. Dr. Norden sagt, dass es gar nicht schlimm ist. Es dauert halt nur, bis ich dann wieder herumlaufen kann.«

Katrin hatte den Atem angehalten, und ihr Herz schlug dumpf. Eine höllische Angst war plötzlich in ihr, aber sie nahm sich zusammen, um Margot das Herz nicht noch schwerer zu machen, denn sie spürte, dass auch sie nicht frei war von Furcht.

»Es wird bestimmt wieder gut, Tante Margot«, sagte sie leise. »Wer wird dich operieren?«

»Dr. Leitner. Es wird eine Totaloperation werden, aber es ist kein bösartiger Tumor.«

Sie sagte es so bestimmt, als wüsste sie es, und dann brachte sie sogar ein Lächeln zustande. »Und jetzt wird gegessen. Ich habe Hähnchen mitgebracht.«

Das war noch warm und sah lecker aus, aber richtigen Appetit hatten sie beide nicht, obgleich sie das nicht deutlich zeigen wollten. Sie blieben dann auch bei ihren Gewohnheiten. Margot legte sich ein halbes Stündchen aufs Ohr, und Katrin drehte auf dem Fahrrad eine Runde an der frischen Luft. Aber ihr ging so viel durch den Sinn, dass sie sich auf den Verkehr nicht konzentrieren konnte und bald wieder umkehrte.

Margot hatte auch nicht schlafen können. Sie saß an ihrem Schreibtisch und überlegte. Langsam und bedächtig schrieb sie dann: Sehr geehrter Herr Larsson, ich wage es, mich mit diesem Schreiben an Sie zu wenden. Dann hob sie lauschend den Kopf. Sie hörte Katrin kommen und schob den angefangenen Brief in die Schublade. Aber Katrin kam nicht herein. Sie war anscheinend in die Küche gegangen.

Von Rastlosigkeit erfüllt und im Zweifel ob das, was sie sich da vorgenommen hatte, richtig war, ging nun Margot auch hinunter.

»Warum ruhst du dich nicht aus, Tante Margot. Ich komme schon allein zurecht«, sagte Katrin bittend.

»Ich kann mich jetzt bald lange genug ausruhen. Es wird mir langweilig werden, Katrin.«

»Ach was, dann kommst du endlich mal wieder zum Lesen und kannst Radio hören. Einen Fernseher kannst du auch im Zimmer haben«, sagte Katrin hastig, um sich über die Beklemmung hinwegzureden, der sie noch immer nicht Herr geworden war. »Und jetzt trinken wir ein Tässchen Kaffee, und dann machst du es dir noch gemütlich. Wenn viel Betrieb ist, rufe ich dich, aber montags geht es ja nie so zu.«

»Sieht man es mir schon an, dass es mir nicht gut geht?«, fragte Margot leise.

»Ein bisschen sehr blass bist du«, meinte Katrin besorgt. »Dr. Norden wird schon recht haben, wenn er meint, dass bald etwas unternommen werden muss. Zu ihm kann man Vertrauen haben.«

Und Katrin hatte sich schon vorgenommen, mit ihm zu sprechen. Aber nun blieb Margot tatsächlich noch in der Wohnung und schrieb den angefangenen Brief fertig. Und dann brachte sie ihn auch gleich zur Post, damit sie es sich nicht doch noch einmal überlegte.

*

Obgleich es Montag war, ging das Geschäft gut. Ostern stand vor der Tür. Es wurden Bastelsachen gekauft, Decken, die man selbst besticken konnte und Eier, die man auch noch selbst bemalen konnte.

Zehn Minuten vor fünf Uhr kam Florian Severin. Der Visitenkarte, die er dagelassen hatte, hatte es Katrin entnommen, dass er Florian hieß. Er wirkte jetzt ein wenig abgehetzt, und seine Augen blitzten nicht so fröhlich. Er sah Katrin bittend an.

»Könnten Sie mir auch so einen hübschen Osterstrauß zusammenstellen?«, fragte er leise. »Nicht zu groß, aber so fröhlich und aufmunternd. Ich möchte ihn meiner Mutter in die Klinik bringen.«

Unwillkürlich sah ihn Katrin erschrocken an, und sie schaute sich nach Margot um. Aber die war mit einer Kundin hinten im Laden.

»Meine Tante muss auch bald in die Klinik«, flüsterte sie gedankenlos. »Und vielleicht ist sie Ostern auch in der Klinik, während Ihre Mutter dann hoffentlich wieder daheim sein wird.«

»Nein, leider nicht«, gab er zur Antwort. »Ich habe es heute erfahren, dass es noch Wochen dauern kann. Nun haben wir etwas gemeinsam«, murmelte er, »die gleichen Sorgen.«

»Ich mache Ihnen einen ganz besonders hübschen Strauß, Herr Severin, und die anderen Sachen habe ich gut eingepackt.«

»Die sind für meine Schwester bestimmt. Sie wollte noch vor Ostern heiraten, aber nun wird alles aufgeschoben. Und wir dachten, es wäre nur ein kleiner Eingriff.«

Katrin wurde die Kehle eng. »Es tut mir leid«, sagte sie bebend, »wirklich leid. Ich hoffe das Beste für Ihre Mutter, Herr Severin. Und auch...« Aber da kam Margot mit der Kundin, und schnell schwieg Katrin.

»Nun, worüber habt ihr euch denn so angeregt unterhalten?«, fragte Margot, als sie mit Katrin allein im Geschäft war.

»Herr Severin hat einen Osterstrauß bestellt für seine Mutter.«

»Aber den kann er doch selbst zusammenstellen, Katrin. Hat er denn keinen Spaß daran?«

»Vielleicht keine Zeit, Tante Margot. Seine Mutter liegt zur Zeit nämlich auch in einer Klinik.«

Margots Augenbrauen schoben sich leicht zusammen. »Liebe Güte, ich habe noch gar nicht daran gedacht, dass ich auch über die Feiertage im Krankenbett liegen muss«, sagte sie stockend, und dabei hatte sie auch daran schon gedacht, aber sie wollte mit Dr. Leitner sprechen, ob die Operation nicht bis nach Ostern aufgeschoben werden konnte.

*

Dr. Leitner sagte kurz und bündig nein, als Margot am nächsten Tag gründlichst untersucht worden war. »So rasch wie nur möglich«, erklärte er. »Es ist besser, wenn ich offen mit Ihnen spreche, Frau Forbes. Die Blutsenkung ist nicht gut, die Ultraschalluntersuchung dagegen lässt hoffen, dass noch keine Metastasen vorliegen.«

»Also ist es doch Krebs«, sagte sie leise.

»Es ist ein Tumor. Ob er bösartig ist, wird die histologische Untersuchung ergeben. Morgen erscheinen Sie, übermorgen wissen wir mehr.«

Er konnte sehr energisch sein, und er wusste von Daniel Norden, mit dem er schon so lange befreundet war, dass man mit dieser Frau energisch sprechen musste.

»Mein Testament habe ich gemacht«, sagte Margot.

»Das habe ich schon lange gemacht«, erklärte Dr. Leitner mit einem flüchtigen Lächeln. »Das ist immer gut, Frau Forbes. Alles Leben liegt in Gottes Hand. Aber wir sollten niemals ohne Hoffnung sein. Der Wille zum Leben hat schon oft Wunder bewirkt. Ich möchte Ihnen ein Beispiel sagen. Ich hatte vor nicht allzu langer Zeit eine Patientin, die ein paar Knoten in der Brust hatte. Ihr Mann war dauernd geschäftlich unterwegs, die Kinder bereits erwachsen und außer Haus. Ihr Lebensinhalt war in Unordnung geraten. Sie musste operiert werden, und plötzlich war die Familie nur noch für sie da, und sie wurde gesund. Liebe, Glück und der Wille zum Leben sind die beste Medizin. Das hat Paracelsus schon vor fünfhundert Jahren gesagt.«

»Ich habe ja nur Katrin«, sagte Margot, »meine Kleine, und ich weiß, dass sie mich liebt und sich jetzt Sorgen macht.«

»Dann zeigen Sie ihr ein zuversichtliches Gesicht und denken Sie bitte, der Leitner und der Norden werden schon helfen.«

»Sie verstehen’s auch so gut wie Dr. Norden«, sagte Margot.

»Wir sind ja auch schon lange genug Freunde. Also bis morgen, Frau Forbes. Schwester Ulla zeigt Ihnen noch Ihr Zimmer, damit Sie gleich wissen, wo Sie sich dann ausruhen können.«

Es war ein hübsches Zimmer, nach Osten gelegen. Das mochte Margot. Sie sah gern die Sonne aufgehen und die Morgenröte am Horizont und wenn sich der Himmel dann langsam färbte vom zarten Türkis bis zum lichten Blau.

Aber mancher Morgen war halt trübe, doch daran wollte sie jetzt nicht denken.

Sie machte sich Mut. Sie erklärte Katrin forsch, dass sie es gleich packen würde, damit sie dann Ostern wieder da wäre. Zehn Tage würden ja reichen, meinte sie, und Katrin nickte dazu, aber sie dachte an das, was Florian Severin gesagt hatte.

»Meinst du, dass Sissi dir ab und zu helfen könnte?«, fragte Margot.

»Das wird sie schon. Mach dir nur darum keine Sorgen. Bertl kann auch mal einspringen, zumindest kann sie einkaufen. Du traust mir doch hoffentlich zu, dass ich mir Mühe geben werde, Tante Margot.«

»Das traue ich dir gewiss zu, aber es kommen ja auch die Lieferungen, und nachbestellt muss auch manches werden. Du weißt doch, wie die Kunden sind, Katrin.«

»Wir haben nette Kunden«, erwiderte Katrin.

»Nicht alle sind nett. Ich bin froh, dass du mit dem Laden schon vertraut bist, Katrin. Macht es dir auch Spaß, oder hast du dir was anderes vorgestellt?«

»Ich denke immer nur, dass ich mit dir beisammen sein möchte, Tante Margot. Ich habe dich so unendlich lieb.«

Bloß nicht weinen, dachte Margot, ihr nur nicht zeigen, wie mir wirklich zumute ist.

»Du hattest auch meine Mutter sehr lieb, sonst hättest du mich ja nicht behalten«, sagte Katrin. »Aber ich habe meine Mutter nie gesehen, für mich bist du alles, Mutter, Freundin, das Liebste auf der Welt.«

»Rühr mich jetzt nicht zu Tränen, mein Herzenskind«, murmelte Margot. »Für mich bist du alles, und nichts auf der Welt bedeutet mir mehr als du.«

Und dann umarmten sie sich und bemühten sich, einander die Tränen nicht zu zeigen, die sich doch in ihre Augen stahlen.

*

Auch Florian Severin hing mit inniger Liebe an seiner Mutter, die sich einer Strumaoperation hatte unterziehen müssen, die sich dann aber komplizierter erwiesen hatte, als zu diagnostizieren gewesen war. Wie Dr. Behnisch sagte, war man vor unangenehmen Überraschungen nicht sicher, aber die Verwachsungen waren so genau auf dem Röntgenbild nicht zu erkennen gewesen.

Hanna Severin hatte viel Blut verloren, und ihre Konstitution war ohnehin vor der Operation schon recht labil geworden, dann hatte auch der Kreislauf nicht mehr mitgemacht, und so waren Florian und Dorothee Severin in Angst und Sorge um ihre Mutter versetzt worden. Für Dorothee war es nur ein Trost, dass ihr Zukünftiger, Gregor Folkert, ein geduldiger und einsichtiger Mensch war. Er meckerte nicht, dass die Hochzeit verschoben werden musste, obgleich die Vorbereitungen schon getroffen waren.

Florians Freundin Isabel hatte allerdings kein Verständnis dafür gezeigt, dass Florian sofort seinen Jahresurlaub genommen hatte und nach München gefahren war, denn dadurch fiel die gemeinsam geplante Reise nach Irland ins Wasser. Überhaupt hatte sich Isabel so benommen, dass Florian sehr nachdenklich geworden war. Und Dorothees Bemerkung, dass sie was anderes von Isabel gar nicht erwartet hatte, stimmte ihn noch skeptischer.

Florian war Maschinenbauingenieur, Isabel war Fremdsprachenkorrespondentin, überaus reiselustig und sehr vielseitig interessiert. Das hatte Florian gefallen, als sie sich auf einer Studienreise durch Griechenland kennenlernten. Er musste beruflich auch öfter ins Ausland, manchmal auch für ein paar Monate, und dafür hatten wenige Frauen Verständnis. Aber Isabel hatte solches gezeigt, und das fand er gut.

Was Isabel nicht gefiel, war die Tatsache, dass für Florian seine Mutter eine Sonderstellung einnahm und dass er alles zurückstellte, als sie ihm mitteilte, dass sie sich dieser Operation unterziehen müsse.

Hanna Severin, das sollte gesagt werden, erwartete dies nicht als selbstverständlich. Sie war eine verständnisvolle und großzügige Mutter, keineswegs egoistisch oder gar rechthaberisch. Sie hatte auch nicht gedacht, dass Florian gleich Urlaub nehmen würde. Sie war immer besorgt, dass auch er jetzt seine Stellung verlieren könnte, da es in seiner Firma kriselte

Um Gregor brauchte sie sich da keine Gedanken zu machen, und so auch nicht um Dorothee. Gregor war bereits Oberregierungsrat, und seine nächste Beförderung stand auch schon wieder vor der Tür. Ohne ein typischer Beamter zu sein, war sein immenses Fachwissen bereits wohlwollend anerkannt worden.