FLAMING BESS, Band 2: DER MONOLITH - Christian Dörge - E-Book

FLAMING BESS, Band 2: DER MONOLITH E-Book

Christian Dörge

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Beschreibung

30.000 n. Chr. – Auf der Suche nach der Erde wird das Sternenschiff NOVA STAR unter Flaming Bess von einem Wurmloch angesaugt und im System einer roten Riesensonne wieder ausgespuckt.

Bevor sie Kontakt mit den Bewohnern des einzigen Planeten aufnehmen kann, werden sie und ihre Leute in eine Stasis-Kammer transferiert, denn für die Macht Baron Storks, des planetaren Herrschers, ist die Mannschaft der NOVA STAR eine tödliche Bedrohung: Die Vorfahren seiner Untertanen sind nach einem apokalyptischen Krieg in unterirdische Kavernen geflohen, wo sie seither in dem Glauben leben, ihr Planet sei verseucht und unbewohnbar.

Stork hütet ein schreckliches Geheimnis. Doch Rhonn Endor und seine Rebellen sind entschlossen, es zu lüften. Und Flaming Bess hat plötzlich einen persönlichen Grund, mit ihm für die Freiheit zu kämpfen...

FLAMING BESS – DER MONOLITH: die Romane 6 bis 9 der legendären Space Opera des unvergessenen Thomas Ziegler (*1956, + 2004) – erstmals zusammengefasst in einem Band!

Ergänzt wird diese vollständig durchgesehene Neu-Ausgabe um den die Serie abschließenden 10. Roman Der Monolith von Ronald M. Hahn und Christian Dörge (als deutsche Erstveröffentlichung).

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THOMAS ZIEGLER/

RONALD M. HAHN/CHRISTIAN DÖRGE

Flaming Bess, Band 2:

Der Monolith

5 Romane in einem Band

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

Der Autor 

 

VI. STERNBARONAT ROTER RIESE von Thomas Ziegler 

VII: DAS GALAKTISCHE ARCHIV von Thomas Ziegler 

VIII: DIE ELEKTRISCHEN RITTER von Thomas Ziegler 

IX. DIE ERDE von Thomas Ziegler 

X. DER MONOLITH von Ronald M. Hahn und Christian Dörge 

 

THOMAS ZIEGLER 1956 - 2004 

 

Das Buch

30.000 n. Chr. – Auf der Suche nach der Erde wird das Sternenschiff NOVA STAR unter Flaming Bess von einem Wurmloch angesaugt und im System einer roten Riesensonne wieder ausgespuckt.

Bevor sie Kontakt mit den Bewohnern des einzigen Planeten aufnehmen kann, werden sie und ihre Leute in eine Stasis-Kammer transferiert, denn für die Macht Baron Storks, des planetaren Herrschers, ist die Mannschaft der NOVA STAR eine tödliche Bedrohung: Die Vorfahren seiner Untertanen sind nach einem apokalyptischen Krieg in unterirdische Kavernen geflohen, wo sie seither in dem Glauben leben, ihr Planet sei verseucht und unbewohnbar.

Stork hütet ein schreckliches Geheimnis. Doch Rhonn Endor und seine Rebellen sind entschlossen, es zu lüften. Und Flaming Bess hat plötzlich einen persönlichen Grund, mit ihm für die Freiheit zu kämpfen...

FLAMING BESS – DER MONOLITH: die Romane 6 bis 9 der legendären Space Opera des unvergessenen Thomas Ziegler (*1956, + 2004) – erstmals zusammengefasst in einem Band!

Ergänzt wird diese vollständig durchgesehene Neu-Ausgabe um den die Serie abschließenden 10. Roman Der Monolith von Ronald M. Hahn und Christian Dörge (als deutsche Erstveröffentlichung).

Der Autor

Thomas Ziegler.

(* 18. Dezember 1956, + 11. September 2004).

Thomas Ziegler war das Pseudonym des deutschen Schriftstellers, Übersetzers und Drehbuch-Autors Rainer Friedhelm Zubeil. Im Jahr 1977 debütierte er mit dem Dämonenkiller-Roman Eisvampire, welchen er unter dem Pseudonym Henry Quinn verfasste; dies Pseudonym nutzte er später auch für gemeinschaftliche Werke mit Uwe Anton und Ronald M. Hahn.

Mit Die Stimmen der Nacht gelang ihm ein einmaliges Kunststück: gleich zweimal erhielt er dafür den Kurd-Laßwitz-Preis - 1984 für die ursprüngliche Erzählung und 1994 für den daraus entstandenen Roman mit demselben Titel. Er schrieb in den 80er-Jahren für die Science-Fiction-Serien Die Terranauten (wiederum unter dem Pseudonym Robert Quint) und Perry Rhodan; bei beiden Serien war er zeitweise auch als Exposé-Autor verantwortlich und prägte diese nachhaltig. Darüber hinaus schuf er die Science-Fiction-Taschenbuchreihe Flaming Bess (neun Bände) sowie die mit zwei Bänden unvollständig gebliebene Fantasy-Serie Sardor. Der als Abschluss vorgesehene dritte Teil wurde als Fragment in Zieglers Nachlass gefunden. Die fehlenden Kapitel wurden von Markolf Hoffmann ergänzt und schließlich 2013 veröffentlicht.

Als herausragend gelten überdies seine SF-Story-Sammlungen Unter Tage (1982), Nur keine Angst vor der Zukunft (1985), Lichtjahrewelt (1986), Eine Kleinigkeit für uns Reinkarnauten (1998).

Neben Science Fiction schrieb er skurrile, vorwiegend im Kölner Raum angesiedelte Kriminalromane wie beispielsweise Überdosis (1988), Koks und Karneval (1990) und Tod im Dom (1991).

Als Übersetzer lag sein Schwerpunkt bei Science Fiction-Romanen sowie bei Kompendien und Sachbüchern zu Star Wars. Von besonderer Bedeutung sind seine zahlreichen Übersetzungen der Werke von Philip K. Dick: u.a. die Valis-Trilogie (bestehend aus Valis, Die Göttliche Invasion und Die Wiedergeburt des Timothy Archer), Eine Handvoll Dunkelheit, Planet für Durchgangsreisende, Die Konservierungsmaschine, Die Kriecher, Androiden und Menschen, Kosmische Puppen und andere Lebensformen, Warte auf das letzte Jahr.

Rainer Zubeil verstarb im September 2004 . Seinen literarischen Nachlass verwaltet der Schriftsteller Ronald M. Hahn.

VI. STERNBARONAT ROTER RIESE

von Thomas Ziegler

1

Dunkel und schwer, mit hypnotisierender Regelmäßigkeit, hallte der wummernde Herzschlag des Paratriebwerks durch die NOVA STAR.

Die dritte Überlichtetappe innerhalb von vierundzwanzig Stunden neigte sich dem Ende entgegen, und allmählich spürte Glory Moon, dass ihre Kräfte nachließen. Die goldenen Pole der Neurokontakte an den Schläfen und im Nacken brannten wie Feuer, während der Navigationscomputer einen unaufhörlichen Strom von Informationen in ihr erschöpftes Bewusstsein leitete.

Die Psychonautin war eins mit dem Schiff.

Das silbrig schimmernde Metall des Rumpfes war wie eine zweite Haut, die Maschinenanlagen und Kraftwerke waren Organe wie ihr Herz, ihre Lunge, und die Ortungsgeräte und internen Monitorsysteme hatten die Funktion ihrer Augen und Ohren übernommen. Ihr Nervensystem und das Netzwerk der Bordelektronik waren eine symbiotische Einheit, ein kybernetisch-organisches Überbewusstsein, das Informationen mit der Schnelligkeit eines Computers verarbeiten konnte. Jeder Gedankenimpuls wurde ohne Zeitverzögerung von den Maschinenschaltungen in Handlung umgesetzt.

Das war es, was Psychonauten von normalen Raumpiloten unterschied.

Nur das gedankenschnelle Reaktionsvermögen eines Psychonauten war den plötzlichen tödlichen Veränderungen in der Raum-Zeit-Struktur des Pararaums gewachsen. Nur ein Psychonaut konnte bei einem Flug mit vieltausendfacher Lichtgeschwindigkeit den Untiefen, Riffen und Wirbelströmungen ausweichen, die überall im Farbenmeer der fremden Dimension lauerten.

Aber jetzt lag die Regenbogensee des Pararaums glatt wie ein Spiegel vor der NOVA STAR, ein stiller Ozean aus Mitternachtsblau, hier und dort von schlierig schillernden Bändern durchzogen, am parsecweiten Horizont wie von der Morgensonne gerötet. Getrieben vom wummernden Herzschlag des Paratriebwerks durchkreuzte der pyramidenförmige Sternenschiffkoloss das Farbenmeer und eilte den unendlichen Räumen des galaktischen Randes entgegen, wo sich das Ziel der langen Reise befand.

Die Erde... Die vergessene, verlorene Urheimat aller Menschen.

Mit tiefen, regelmäßigen Atemzügen kämpfte Glory Moon gegen die zunehmende Müdigkeit an.

Um sich von der einschläfernden Monotonie der Regenbogensee abzulenken, wandte sie ihre Aufmerksamkeit dem internen Monitorsystem zu. Ihre Augen waren geschlossen, doch die elektronischen Augen des Schiffes lieferten ihr weit schärfere Bilder.

Sie sah sich selbst in der Zentrale der NOVA STAR liegen, vor dem schräg geneigten Sichtfenster des Hauptbildschirms, eine kaffeebraune, zierliche Frau mit katzenhaft schönen Gesichtszügen und mandelförmigen Augen, die festen Brüste wie zwei Äpfel unter dem weißen Stoff ihrer tief ausgeschnittenen hautengen Montur.

Die Zentrale war abgedunkelt, nur zwei der Kontrollpulte auf den terrassenförmig zur Galerie ansteigenden Ebenen waren besetzt.

Fortunato Stengel, der wuschelhaarige Servotechniker mit den treuherzigen Augen und der leicht schusseligen Art hatte die Deckplatte seines Terminals hochgeklappt und hantierte mit einer Prüfsonde an den Mikrochipschaltungen. Stengels Werkzeugcontainer - ein schwarzer, koffergroßer Kasten auf Rädern und mit biegsamen Plastikarmen - rollte emsig auf der Galerie hin und her und suchte vergeblich nach defekten Kontrolldioden.

Auf der Pultebene unter Stengel saß Di-Analytiker Grey, hager und bleich, als hätte er nie einen Sonnenstrahl zu Gesicht bekommen, die dünnen Lippen zu einem sinistren Lächeln verzogen. Vor ihm auf dem Pult stand ein tragbares Lesegerät mit handtellergroßem Bildschirm, über den Nelson »Biggs« Beiderbeckes neuester Cozmo-Lyrik-Thriller flimmerte: Nein, ich habe nichts dagegen, dass Sie mich in die Geschlossene Abteilung verlegen.

Bis auf das dumpfe Wummern des Paratriebwerks und das gelegentliche Zetern des frustrierten Werkzeugcontainers war es still in der Zentrale.

Im ganzen Schiff war es still.

Flaming Bess und die anderen Crewmitglieder schliefen ebenso wie die meisten der fünftausend Flüchtlinge an Bord.

Bald, dachte Glory Moon, kann ich auch schlafen...

Ein elektronischer Impuls erreichte ihr Bewusstsein. Noch eine halbe Stunde bis zum Ende der Überlichtetappe. Dann würde das Raumschiff in einer Aura aus Regenbogenfarben in den Normalraum zurückkehren, zwischen den Sternen jenes galaktischen Spiralarms, zu dem auch das irdische Sonnensystem gehörte.

Vorausgesetzt, die Daten in den alten kartografischen Speichern des Navigationscomputers stimmten.

Aber warum sollten sie nicht stimmen?, dachte sie. Menschen der Erde haben den Computer programmiert, und Bess hat die Daten persönlich überprüft. Kein Grund zur Besorgnis.

Sie sah mit den elektronischen Augen des Schiffes hinaus in die farbenprächtige See des Pararaums. Die Farben waren nur eine Illusion, ein Versuch des menschlichen Gehirns, das Unvorstellbare vorstellbar zu machen. Aber einer Psychonautin, die auf die Rechenkapazität des Navigationscomputers zurückgreifen konnte, lieferten die Farben eine Fülle von Informationen.

Die mitternachtsblaue Region - das Meer der Ruhe - lag inzwischen hinter der NOVA STAR. Vor ihr erstreckte sich die Zone der Morgenröte wie helles, quecksilberschnell fließendes Blut, das in der Ferne geronn und am Blickfeldrand zu schwarzem Schorf erstarrte.

Eine Sturmzone.

Glory Moon gab dem Navigationscomputer eine Reihe von Gedankenbefehlen.

Träge scherte die NOVA STAR aus dem Kurs aus, bewegte sich eine halbe Minute lang seitlich zu ihrer bisherigen Flugbahn und kehrte dann, als das bedrohliche Schwarz am Horizont wieder beruhigendem Orange wich, auf ihren alten Kurs zurück.

Die Psychonautin entspannte sich.

Sturmgebiete, in denen gegensätzliche Energie ströme aufeinander prallten und sich mit zerstörerischer Gewalt entluden, waren im Pararaum ein relativ häufig auftretendes Phänomen. Eine aufmerksame Pilotin konnte ihnen ohne Mühe ausweichen, und ein gutes Schiff wie die NOVA STAR war auch einem Parasturm gewachsen.

Keine Gefahr.

Glory Moons Gedanken schweiften wieder ab und wandten sich den Ereignissen der letzten Tage zu: Die Begegnung mit dem Kauffahrer Trimalorius und die Expedition zur Raumfestung Arak-Nor, wo Flaming Bess von dem Erdmenschen Orat-Madur die Schlüssel zur Erde erhalten hatte.

Plötzlich schreckte Glory Moon auf.

Etwas warnte sie. Irgendetwas stimmte nicht.

Alarmiert spähte sie hinaus ins Farbenmeer. Nichts. Alles war ruhig. Nicht mal ein Ausläufer der fernen Sturmzone tangierte den Kurs des Schiffes. Nur das fließende Morgenrot, der orange glühende Horizont.

Aber intuitiv wusste sie, dass sich etwas verändert hatte.

Ihre Müdigkeit verflog. Sie war hellwach. Maschinencheck, befahl sie dem Navigationscomputer.

Ihre Gedankenimpulse wurde sofort ausgeführt. Eine Flut von Informationen brach über ihr Bewusstsein herein. Die Datenauswertung enttäuschte und erleichterte sie zugleich.

Keine Störungen.

Das Paratriebwerk funktionierte einwandfrei, die Energieversorgung war gesichert, das Schiff befand sich mit der richtigen Geschwindigkeit auf dem richtigen Kurs.

Aber das Gefühl einer drohenden Gefahr blieb bestehen.

Erneut öffnete Glory Moon ihren Geist den fließenden Farben des Pararaums, tauchte ein in die See der Morgenröte, verschmolz mit der Gischt, die wie helles Blut am Bug der NOVA STAR empor spritzte, tastete mit ihren Gedanken zum Horizont aus Orange und Fink.

In weiter Ferne vernahm sie das Grollen und Tosen, das wilde Brausen des Parasturms, der dort den Raum aufwühlte, gewaltige Verwerfungen erzeugte und die Zeit in tausend Ebenen spaltete, doch die Sturmzone wanderte in die entgegengesetzte Richtung davon. Mit jeder Sekunde verminderte sich der infernalische Lärm, bis es nur noch die Stille des spiegelglatten Farbenmeers gab.

Eine unheimliche Stille.

Trügerisch.

Nur vom regelmäßigen Herzschlag des Paratriebwerks durchbrochen.

Woher drohte die Gefahr?

Glory Moon zwang sich zur Ruhe. Vielleicht täuschte sie sich. Vielleicht war sie nur überreizt. Drei Überlichtetappen in knapp vierundzwanzig Stunden...

Es ist nur die Erschöpfung, sagte sie sich. Ich bin einfach zu müde, um noch klar zu denken. Höchste Zeit, dass der Paraflug endet. Ich muss schlafen. Mich erholen. Ich muss...

Dann begann die Katastrophe.

Übergangslos wölbte sich vor der NOVA STAR das Farbenmeer in die Höhe, wuchs zu einer scheinbar massiven Wand aus feurigem Rot empor, in das sich mit beängstigender Schnelligkeit pechschwarze Flecken mischten, und das Rot verschlang das Schiff.

Der Schock war schlimmer als alles, was Glory Moon jemals erlebt hatte.

Eins mit dem Raumschiff, spürte sie die Energien, die sich an der stählernen Zelle entluden, als pulsierenden, sengenden Schmerz. Sie schrie, aber sie hörte ihre eigenen Schreie nicht. Mit verzerrtem Gesicht bäumte sie sich in ihrem Spezialsitz auf, während der Schmerz ihr das Gehirn verbrannte.

Und auch das Schiff schrie: Das Wummern des Paratriebwerks steigerte sich zu einem wahnwitzigen Stakkato, die Fusionsmeiler schickten ihr metallisches Gebrüll bis hinauf zu den Flüchtlingsdecks, die gesamte Schiffszelle dröhnte wie unter dem Schlag eines kosmischen Schmiedehammers.

Heftige Erschütterungen durchliefen die NOVA STAR.

Mit einem Teil ihres Bewusstseins nahm Glory Moon wahr, dass sich die Sicherheitsgurte automatisch um ihren verkrümmten Körper schlossen, dass Di Grey und Fortunato Stengel in ihren Sesseln durchgeschüttelt wurden, dass Stengels Werkzeugcontainer gegen das Zentralschott prallte, umkippte und hilflos mit den Armen rudernd auf dem Rücken liegen blieb.

Wimmernd erwachten die Alarmsirenen zum Leben.

An den Schaltwänden verwandelte sich das Grün der Dioden reihenweise in warnendes Rot.

Und das Schiff tanzte wie ein Korken auf den Wogen des aufgewühlten Farbenmeers.

In einer verzweifelten Anstrengung kämpfte Glory Moon den Schmerz nieder, der sie in den Abgrund der Bewusstlosigkeit zu stürzen drohte.

Draußen hatte sich der Pararaum in eine Hölle aus wirbelnder Schwärze verwandelt, undurchdringlich selbst für die elektronischen Augen des Schiffes. Widerstreitende Gewalten zerrten an der NOVA STAR. Steuerlos trudelte sie durch die strudelnde Nacht, im Griff übermächtiger Energien, gegen die selbst die Kraft des auf Volllast laufenden Paratriebwerks verpuffte.

Das war kein gewöhnlicher Parasturm.

Parastürme brachen nicht von einer Sekunde zur anderen los. Sie benötigten Zeit, um sich zu entwickeln, und im Vergleich zu diesen entfesselten Naturgewalten waren sie kaum mehr als ein laues Lüftchen.

Glory Moon stöhnte.

Sie wurde von Panik erfasst.

Ihre kybernetischen Sinne waren geblendet, betäubt, ihre Steuerimpulse blieben ohne Wirkung. Das Schiff war außer Kontrolle, ein Spielball der paradimensionalen Elemente.

Vernichtungsgefahr!, meldete der Navigationscomputer mit nüchterner Beharrlichkeit. Vernichtungsgefahr!

Durch die Decke gellte der Alarm, schrill und hysterisch, als hätte sich das Raumschiff in ein lebendes Wesen verwandelt, das seine Angst vor dem Tod hinausschrie. In den Maschinendecks schwoll der Lärm der überlasteten Kraftwerke zu ohrenbetäubender Lautstärke an. Blitzgewitter tobten in den Transformatorhallen. Über allem lag das rasende Stakkato des Paratriebwerks, das noch immer gegen den Sog der fremden Energien ankämpfte.

Ein neuer Paraschock.

So stark, dass die Widerstände der Neurokontakte versagten und der Schmerz wie ein glühendes Messer in Glory Moons Gehirn schnitt.

Einen schrecklichen Moment lang drohte sie das Bewusstsein zu verlieren. Gedämpft und gespenstisch verzerrt vernahm sie die hartnäckigen Warnimpulse des Navigationscomputers: Vernichtungsgefahr! Vernichtungsgefahr!

Plötzlich spürte sie etwas Kaltes an ihrer Halsschlagader. Ein Zischen. Belebende Kräfte durchströmten sie und lichteten den Schmerznebel. Mit den Kameras der Zentralüberwachung sah sie Di Grey an ihrer Seite stehen, in der Hand die Injektionspistole, mit der er das Aufputschmittel in ihre Halsschlagader geschossen hatte.

»Danke«, krächzte sie.

Di Grey gestikulierte und sagte irgendetwas, aber sie hörte nicht zu. Nur am Rande nahm sie wahr, wie sich das Zentralschott öffnete und Flaming Bess, Ken Katzenstein und Vira Mandala hereinstürmten. Die Psychonautin konzentrierte all ihre Kräfte darauf, die Kontrolle über das Schiff zurück zu gewinnen und gegen den Sog der paradimensionalen Wirbelströmung anzukämpfen.

Wieder heftige Erschütterungen. Sie wurden stärker, sobald sich das Paratriebwerk dem Sog entgegenstemmte.

Glory Moon biss die Zähne zusammen und verringerte die Triebwerkleistung. Augenblicklich ließen die Erschütterungen nach. Aber damit war nichts gewonnen. Noch immer lieferten die Ortungsgeräte keine klaren Daten. Versuchsweise fuhr sie das Triebwerk wieder hoch - und sofort traf ein schwerer Stoß das Schiff.

Offenbar reagierte der verzerrte Raum empfindlich auf die Triebwerksimpulse.

Resignierend schaltete sie das Paratriebwerk herunter. Das Schrillen des Alarms verstummte, das Dröhnen der überlasteten Fusionsmeiler mäßigte sich.

Doch die Ruhe täuschte nur darüber hinweg, dass die NOVA STAR manövrierunfähig war. Im Raumstrudel gefangen, raste sie mit ungeheurer Geschwindigkeit einem unbekannten Ziel entgegen.

Vielleicht in den Tod, dachte Glory Moon.

Sie fröstelte.

»Glory? Ist mit dir alles in Ordnung?« Es war typisch für Bess, dass ihre erste Sorge nicht dem Schiff, sondern der Pilotin galt.

»Keine Probleme«, antwortete Glory Moon über die Lautsprecher des Interkomnetzes. Sie hoffte, dass die synthetisch erzeugte Stimme nichts von ihrer Furcht und ihrer Erschöpfung verriet. »Aber die NOVA STAR... Ich habe keine Kontrolle mehr über den Kurs. Eine Art Wirbelströmung hat das Schiff erfasst. Die Maschinen sind nicht stark genug, um uns aus dem Sog zu befreien...«

»Ein Parasturm?«, fragte Bess.

»Nein, kein Parasturm. Ich habe so etwas noch nie erlebt. Es geschah so plötzlich, dass ich keine Chance hatte, der Gefahrenzone auszuweichen.«

»Wir könnten alle Kraftwerke auf das Paratriebwerk schalten«, schlug die Kommandantin vor. »Es ist riskant, aber eine kurzfristige Überlastung...«

»Es wird das Schiff zerreißen«, unterbrach Glory Moon. »Tut mir leid, doch ich fürchte, uns bleibt nichts anderes übrig, als abzuwarten.«

Jemand fluchte. Katzenstein. »Klingt großartig«, knurrte er. »Wirklich großartig.«

Glory Moon sagte nichts.

Sie wandte ihre Aufmerksamkeit wieder nach draußen, ins strudelnde Schwarz des Mahlstroms, und die hochempfindlichen elektronischen Augen des Schiffes registrierten im gleichen Moment eine Veränderung.

Hier und dort mischte sich Grau in Schwarz, dünne, graue Linien, die sich rasch zu einem schlauchförmigen Netzwerk verknüpften. Bald war die NOVA STAR von einem dreidimensionalen Spinnennetz umgeben. Die Fäden wurden heller und heller, bis ihr Licht zu einer scheinbar massiven Wand verschmolz.

Ein Schacht aus purem Licht war entstanden, und am tiefen Grund sah Glory Moon etwas, das sie mit schrecklicher Furcht erfüllte. Abrupt verschwand der strahlende Schacht.

Was blieb, war verzerrter Raum.

Körniger Raum, träge wallend, in zäher, schleimiger Bewegung, wie gemahlene Schlacke auf einem Magmasee. Am äußersten Rand des Blickfeldes - unerreichbar - das Morgenrot des Pararaums, der dort, wo er in die körnig-verzerrte Zone überging, merkwürdig gekrümmt war, in zahllose Rotschattierungen zerlegt, die verrückte Winkel bildeten, bei deren Anblick Glory Moon schwindelte.

Im Zentrum der körnig wabernden Zone ein Loch.

Als wäre dort eine kreisrunde Öffnung in den Raum gestanzt worden, ein Tor ins Nichts, in die Abwesenheit von Raum und Zeit, die große Negation der grausigen, alles verschlingenden Leere.

Und die NOVA STAR fiel direkt auf dieses Loch zu, haltlos ins Nichts jenseits aller Dinge, aller Vorstellung.

Glory Moon stöhnte auf.

Mit einem Mal wusste sie, mit was sie es zu tun hatten.

Sie hatte davon gehört, vor Jahren, während ihrer Ausbildung in der Psychonauten-Akademie von Centrus, aber sie hatte nie geglaubt, jemals mit dieser Gefahr konfrontiert zu werden.

»Es ist ein String«, sagte sie heiser. »Ein Defekt in der Raum-Zeit, Überbleibsel aus der Frühzeit des Universums. Ein String.. . Bei der Göttin! Ein Riss in der Welt, ein Riss, der alles ansaugt, was in seinen Einflussbereich gerät, und hinter dem Riss das Nichts, das absolute Nichts, und wir...«

Ihre Stimme versagte.

Das Loch im Raum war zu einem gewaltigen Schlund angewachsen, und plötzlich war ein Rauschen in ihrem Kopf, und das Rauschen wurde zu einem brüllenden Lärm, und der Lärm war überall im Schiff. Die Luft schrie auf, der Strahl, das Fleisch, die Materie selbst, während sie bei ihrem Sturz aus dem Raum ins Nichts jeden Zusammenhalt verlor, zerbröckelte, zerfiel, sich auflöste...

Das letzte, was Glory Moon spürte, war ein grausamer flackernder Schmerz und eine grenzenlose Traurigkeit, dass sie, der man die Sicherheit des Raumschiffes und seiner fünftausendköpfigen Besatzung anvertraut hatte, dieses Vertrauen auf so tödliche Weise enttäuschte.

Dann hatte der String, der Riss in der Welt, das Maul der ewig hungrigen Leere die NOVA STAR verschlungen.

2

Baron Stork bebte vor Zorn.

Er war ein schlanker, fast knochiger Mann mit silbergrauen Haaren, kohlschwarzen Augen und einem totenbleichen Gesicht, wie es typisch für die Bewohner der Höhlen von Argylon war.

Doch jetzt glühten seine Kohlenaugen, und der Zorn trieb ihm das Blut in die Wangen, so dass sie fast so rot leuchteten wie sein kostbares Brokat- und Seidengewand.

»Es ist unglaublich!«, fauchte er. »Einfach unglaublich! Wie konnten die Rebellen auch nur in die Nähe der Waffenkammern gelangen? Beim Roten Riesen, haben die Wachen geschlafen?«

Der Mann am Fuß der Steintreppe, die zum wuchtigen Thronsessel des Barons hinauf führte, zuckte unter dem scharfen Tonfall zusammen. General Zortan, Oberbefehlshaber der Stahlhandtruppe, war groß und muskulös. Ein Hüne, der durch den schweren gepanzerten Kampfanzug noch massiger wirkte. Aber unter Storks anklagenden Blicken schien er zu schrumpfen. Schweiß glänzte auf seiner Stirn, und sein Gesicht war noch bleicher als gewöhnlich.

»Sie müssen über einen bisher unentdeckten Felskamin in die Inneren Höhlen eingedrungen sein«, sagte er mit vor Nervosität kehliger Stimme. »Meine Leute wurden von dem Angriff völlig überrascht. Ehe Verstärkung eintreffen konnte, waren die Rebellen auch schon wieder verschwunden.«

»Und mit ihnen fünfzig Energiegewehre!«, erwiderte Stork.

»Der ganze Überfall dauerte nur wenige Minuten«, verteidigte sich Zortan. »Alles ging so schnell, dass...«

»Ausflüchte«, fiel ihm Stork ins Wort. »Immer nur Ausflüchte. Zuerst der Anschlag auf die Kraftwerke in den Östlichen Höhlen, dann der Aufstand in den Minen, und jetzt das. Die Stahlhand ist nicht einmal in der Lage, mit einer Handvoll zerlumpter Rebellen fertig zu werden.«

Der Stahlhandgeneral straffte sich. »Mit Verlaub, Baron, aber bei der Organisation Morgenrot handelt es sich keinesfalls nur um eine Handvoll zerlumpter Rebellen. Wir haben es mit einer gut bewaffneten, straff geführten Widerstandsbewegung zu tun, die immer mehr Zulauf erhält.«

»Gut bewaffnet in der Tat«, höhnte Stork. »Dank der Nachlässigkeit Ihrer Leute!«

Zortan schwieg. Er wusste aus Erfahrung, dass es klüger war, den Baron nicht unnötig zu reizen, wenn er sich in dieser Stimmung befand. Im Baronat waren Menschen schon aus geringerem Anlass hingerichtet worden. Schweigen war in dieser Lage klüger. Früher oder später würde Stork seine kühle Überlegung zurück gewinnen.

»Ich bin von Versagern umgeben«, sagte Stork. »Das ist das Problem. Offenbar habe ich den falschen Mann zum Oberbefehlshaber der Stahlhand ernannt. Vielleicht sollte ich Sie durch einen zuverlässigeren, tüchtigeren Offizier ersetzen. Durch jemanden, der in der Lage ist, die Sicherheit des Baronats zu gewährleisten.«

Der General hob den Kopf. »Wenn Sie meinen Rücktritt fordern, Baron...«

Er winkelte den rechten Arm an, um den stählernen, bis zum Ellbogen reichenden Waffenhandschuh abzustreifen, der der Stahlhand ihren Namen verliehen hatte, aber Stork wehrte ungeduldig ab.

»Unsinn. Ich fordere nicht Ihren Rücktritt, sondern die Zerschlagung der Rebellenorganisation. Und vor allem fördere ich den Kopf von Rhonn Endor. Er ist die treibende Kraft hinter dieser Verschwörung. Ohne Endor wird der Widerstand über kurz oder lang zusammenbrechen.«

Der General nickte zustimmend. Stork hatte Recht. Endor hatte Morgenrot erst zu dem gemacht, was sie heute war. Aber wie sollte man einen einzelnen Mann in einem Höhlenlabyrinth finden, das sich über Hunderte von Kilometern erstreckte und aus unzähligen größeren und kleineren Kavernen bestand, die durch ein unübersichtliches Gewirr von Stollen, Kaminen und Durchbrüchen miteinander verbunden waren. Nicht einmal ein Zehntel der Höhlen von Argylon waren bewohnt, und der Rest war nur zu einem Bruchteil erforscht.

Endor konnte überall und nirgends sein.

Vielleicht hält er sich sogar im Gebiet der Inneren Höhlen auf, dachte Zortan. Er fröstelte. Es konnte noch mehr verborgene Stollen und Kamine geben, ideale Schleichwege für die Rebellen. Wer wollte das schon mit Sicherheit ausschließen? Endor kannte die Inneren Höhlen besser als jeder andere.

Unwillkürlich blickte sich Zortan in der Thronhalle um, als erwarte er, dass der Rebellenführer im nächsten Moment aus dem Nichts auftauchte. Er sah zu den Schatten hinauf, die im flackernden Licht der Energiefackeln wie große schwarze Vögel in der Luft tanzten und die unermesslich hohe Decke verbargen. Die Wände bestanden aus rohem, dunklem Fels und waren mit roten und weißen Einschüben durchsetzt und von glitzernden Kristalladern durchzogen.

Der Steinboden stieg zur Rückwand hin leicht an und war von einer fingerdicken federnden Schicht Phosphormoos bedeckt, das von innen heraus in fahlem Grün zu glühen schien.

Im Hintergrund, unbeweglich wie Statuen, standen die Leibwächter des Barons, ein Dutzend Männer in bronzefarbenen Kampfanzügen und mit dem Waffenhandschuh der Stahlhand.

»Die fünfzig Strahlgewehre, die die Rebellen erbeutet haben«, riss ihn Storks Stimme aus seinen Gedanken, »sind nicht das Problem. Nicht Gewehre machen die Rebellen so gefährlich, sondern ihre Lügen. Die Oberfläche ist wieder bewohnbar! Die Welt ist grün! Zurück ans Licht der roten Sonne! Pah!« Stork schnaubte. »Hirngespinste, Wahnideen, unverantwortliche Lügenmärchen. Aber im Baronat gibt es genug Dummköpfe, die auf diese Parolen hereinfallen. Wenn es uns nicht bald gelingt, den Einfluss Endors zurückzudrängen...«

Zortan nickte bedächtig. Der Baron hatte Recht; im Volk gärte es. Der Zulauf, den die Rebellen erhielten, war nur ein Indiz für die weit verbreitete Unzufriedenheit.

Und wie verführerisch Rhonn Endors Parolen waren!

Seit Jahrhunderten träumten die Menschen von Argylon davon, die unterirdischen Höhlen zu verlassen und an die Oberfläche des Planeten zurückzukehren, der einst Zentrum eines mächtigen galaktischen Reiches gewesen war, des Sternbaronats Roter Riese.

Aber es war unmöglich.

Die Oberfläche war öd und leer, eine radioaktiv verseuchte Wüste, gezeichnet von den Narben eines furchtbaren Bürgerkrieges.

Der Mensch hatte sich selbst zum Dasein in der Finsternis verdammt. Es gab kein Zurück. Jedes Kind wusste das.

Trotzdem behauptete Endor, es sei möglich, an der Oberfläche zu leben. Und nicht nur das: Seine Anhänger verbreiteten, er wäre bereits an der Oberfläche gewesen und hätte dort ein unberührtes Naturparadies vorgefunden, das nur darauf wartete, von den Menschen aus den Höhlen besiedelt zu werden.

Zortan verzog die Lippen zu einem dünnen Lächeln.

Zweifellos war Endor verrückt. Aber das machte ihn umso gefährlicher.

»Vielleicht sollten wir die Rebellen ziehen lassen«, brummte der Stahlhandgeneral. »Sollen sie doch zur Oberfläche hinaufsteigen! Wer glaubt, dass oben das Paradies wartet, hat es verdient, in der radioaktiven Staubwüste zugrunde zu gehen. Auf diese Weise könnten wir alle Unruhestifter auf einen Schlag loswerden.«

Er sah selbstzufrieden drein.

»Eine einfache, saubere Lösung.«

Stork kniff die Augen zusammen. »Niemand darf die Oberfläche betreten!«, sagte er schneidend. »So lautet das Gesetz, und solange ich Herrscher über das Baronat bin, wird dieses Gesetz befolgt. Verstanden?«

»Natürlich«, versicherte Zortan hastig. »Ich wollte nicht...«

»Ich weiß«, fiel ihm Stork ins Wort. »Aber ich habe gewisse Pflichten gegenüber meinen Untertanen. Zwar haben Endor und die Rebellen den Tod verdient, aber es gibt viele Mitläufer, leichtgläubige Naturen, Verführte, die auf den rechten Weg zurückgebracht werden müssen.« Er stach dozierend mit dem Finger in die Luft. »Ihnen gilt meine Fürsorge. Außerdem gibt es keinen Weg zur Oberfläche. Alle Verbindungen wurden unmittelbar nach dem Exodus in das Höhlensystem gesprengt, wie allgemein bekannt ist. Endor lügt, wenn er behauptet, an der Oberfläche gewesen zu sein.«

»Gewiss«, sagte Zortan pflichtschuldig.

»Endor war schon immer ein Träumer«, fügte der Baron mit einem verächtlichen Lächeln hinzu. »Und ich war zu nachsichtig mit ihm und seinen Phantastereien. Aber durch sein aufrührerisches Verhalten hat er jede Nachsicht verwirkt. Er ist ein Verräter und muss wie ein Verräter behandelt werden.«

Er beugte sich vor. Sein bleiches spitzes Gesicht hatte plötzlich etwas Raubvogelhaftes an sich.

»Die Rebellen müssen so schnell wie möglich aufgespürt und unschädlich gemacht werden, Zortan. Wir wissen, dass sie sich irgendwo in den Äußeren Höhlen verbergen. Also suchen Sie danach! Nehmen Sie sich so viele Männer, wie Sie brauchen, von mir aus die ganze Stahlhand, aber finden Sie ihren Schlupfwinkel und räuchern Sie sie aus. Haben Sie mich verstanden?«

»Eine gründliche Durchsuchung des Äußeren Höhlensystems wird Jahre in Anspruch nehmen«, wagte der General einzuwenden.

»Keine Ausflüchte!«, schnappte Stork. »Ich befehle, dass die Rebellenpest mit Stumpf und Stiel ausgerottet wird. Und vor allem will ich Rhonn Endor!«

Der Stahlhandgeneral neigte den Kopf. »Ich werde tun, was ich kann, Baron«, murmelte er.

»Ich erwarte, dass Sie Erfolg haben. Ich verlassen mich auf Sie.« Stork lehnte sich zurück. »Also enttäuschen Sie mich nicht - schon in Ihrem eigenen Interesse...«

Zortan nahm die unverhüllte Drohung mit ausdrucksloser Miene entgegen. Er salutierte, indem er den Arm mit der stählernen Waffenhand ruckartig nach vorn stieß, dann wandte er sich ab und stapfte mit klirrendem Kampfanzug davon.

Baron Stork sah ihm finster nach. Der Rebellenüberfall auf die Waffenkammern bereitete ihm größere Sorgen, als er Zortan gegenüber eingestanden hatte. Die Rebellen hatten sich bisher auf einzelne Sabotageakte beschränkt, aber mit den erbeuteten Energiewaffen konnten sie sich der Stahlhand auch im offenen Kampf stellen.

Doch das eigentliche Problem war Rhonn Endor.

Das bleiche Gesicht des Barons verzerrte sich vor Hass.

Wie sehr hatte er ihm vertraut! Und wie war dieses Vertrauen belohnt worden! Mit Verrat, mit Rebellion.

Abrupt erhob sich Stork von dem kostbaren Thronsessel aus uraltem Rotholz, der noch aus der Zeit stammte, in der die Menschen des Sternbaronats Roter Riese an der Oberfläche des Planeten gelebt hatten, und stieg mit schnellen, leichtfüßigen Schritten die Steintreppe hinunter.

Herrisch winkte er dem Anführer seiner Leibwache zu.

Der Mann, bleich und schwarzäugig wie alle Höhlenbewohner, eilte mit klirrender Kampfpanzerung herbei.

»Baron?«

»Steht der Gleiter bereit?«

»Im Hauptstollen, Baron«, nickte der Stahlhandsoldat.

»Gut. Wir brechen sofort auf.« Herablassend fügte er hinzu: »Ich habe mich entschlossen, heute gemeinsam mit meinen geliebten Untertanen die Mahnstunde zu verbringen, als Ermutigung für meine treuen Anhänger und als Warnung für alle, die mit den wahnsinnigen Plänen der Rebellen sympathisieren.«

»Sehr wohl, Baron.« Der Offizier gab seinen Leuten ein Zeichen.

Ohne sich umzuschauen, steuerte Stork auf den Ausgang der Thronhalle zu. Als er den mit Holz getäfelten Stollen betrat, der zu einem der großen Hauptstollen des Inneren Höhlensystems führte, spürte er plötzlich, schmerzhaft wie einen Faustschlag, die Last des Gesteins.

Im Thronsaal und in den meisten anderen Großhöhlen stiegen die Wände in schwindelerregende Höhen und vermittelten die Illusion eines freien Himmels aus undurchdringlichem Schwarz, doch hier in dem niedrigen Gang überfiel ihn Beklemmung. Er spürte den Fels. Die Holztäfelung verbarg ihn, aber er war da. Millionen Tonnen massiven Gesteins.

Und im Gestein eingeschlossen, in vergleichsweise winzigen Blasen, die urzeitliche geologische Prozesse geschaffen hatten, die Menschen, gefallenen Engeln gleich, von ihrer selbst beschworenen Götterdämmerung ins dunkle Reich der Tiefe verdammt.

Ein Schauder überlief Stork.

Es ist nur gerecht, sagte er sich. Für das, was sie getan haben, kann es als Strafe nur die ewige Verdammnis geben. Die grünen Wälder verbrannt, die fruchtbaren Ebenen in Wüsten verwandelt, die Flüsse und Meere vergiftet... Gibt es ein größeres Verbrechen?

Der Gang beschrieb einen Knick und endete an einem halbrunden, geschlossenen Stahltor, vor dem vier Stahlhandsoldaten postiert waren.

Im kalten fahlgrünen Licht des Phosphormooses schimmerten die Metallscharniere ihrer Kampfanzüge, als hätten sie Grünspan angesetzt, und ihre Gesichter waren fremd und hart, wie lederne Masken.

Sie salutierten mit nach vorn ruckendem Waffenarm und traten zur Seite, um Baron Stork und seine Leibwache passieren zu lassen. Untermalt vom Summen eines starken Elektromotors schwangen die Torflügel auf.

Stork atmete tief durch, als er den breiten, hohen Hauptstollen betrat, der von mannshohen Energiefackeln in warmes Licht getaucht wurde. Armdicke Kristalladern durchzogen die nackten Felswände, die senkrecht nach oben stiegen und sich dann in der Finsternis verloren. Weiter vorn, dort, wo sich der Stollen verbreiterte, bildeten mächtige Steinblöcke eine Barriere. Auf dem Mauersims waren starke Scheinwerfer installiert, und hinter Brustwehren aus dicken Metallplatten hielten Soldaten der Stahlhand Wacht.

Seit dem Angriff der Rebellen auf die Waffenkammern im Inneren Höhlensystem waren die Sicherheitsmaßnahmen verschärft worden.

Lautlos bog Storks gepanzerter Gleiter um eine bizarr geformte Felssäule, die den Durchgang zu einer Nebenhöhle verbarg. Auf einem flimmernden Prallfeldkissen schwebte die Maschine heran und kam vor Stork zum Halt; an den hochgewölbten, mit Panzerplatten verstärkten Seiten prangte das Emblem des Sternbaronats: eine stilisierte rote Riesensonne.

Stork schwang sich auf den Sitz neben dem Piloten, während seine Leibgarde auf den schmalen hinteren Bänken Platz nahm.

Der Gleiter beschleunigte und schoss auf die Steinbarriere zu. Rumpelnd sank ein meterbreites Teilstück der Mauer in den Boden und gab den Weg in die phantastische Stein- und Kristalllandschaft der Inneren Höhlen frei.

Hier, wo es nur vereinzelte Energiefackeln gab, wucherte das lichtempfindliche, sich von mineralischen Stoffen ernährende Phosphormoos ungehemmt. Boden und Wände, Felsvorsprünge und Steinnadeln waren von dem weichen phosphoreszierenden Teppich überzogen. Erst als sich der Stollen zu einer gewaltigen Höhle hin öffnete, trat wieder der nackte Fels hervor.

Buckelige Kristallstrukturen und weiße, bis zu zwanzig Meter hohe Tropfsteinformationen zwangen den Gleiter zu einem Zickzackkurs, der ihn schließlich zu einem sanft ansteigenden Felsplateau führte. Auf der anderen Seite fiel das Plateau steil ab, und am Fuß der Erhebung breitete sich eine riesige freie Fläche aus, gesäumt von schwarzen, titanischen Säulen, aus deren schüsselförmigen Aufsätzen meterhohe Flammen schlugen.

Und auf dem großen Platz, eng gedrängt, Tausende Männer, Frauen und Kinder in groben, einfach geschnittenen Gewändern, die Gesichter bleich, die Augen schwarz und blicklos ins Leere starrend.

Aber als der Gleiter auf dem Plateau landete und Baron Stork ausstieg und an den Rand der Felsinsel trat, ging ein Raunen durch die Menge. Vereinzelte Hochrufe würden laut.

Die Stahlhandsoldaten nahmen neben Stork Aufstellung.

Der Baron hob die Arme.

Die Hochrufe verstummten, das Raunen verebbte. Erwartungsvolle Stille trat ein.

Stork nahm nur selten an der Mahnstunde teil, zu der sich die Bewohner der Inneren Höhle in regelmäßigen Abständen zu versammeln hatten, um sich der Untaten ihrer Ahnen zu erinnern.

»Wir sind die Verdammten«, rief Stork mit weithin hallender Stimme. »Wir sind die, die in der Finsternis leben müssen. Das blühende Paradies, das unsere Welt einst war, wurde von unseren Vorfahren zerstört. Und mit der Natur starben auch die Menschen. Nur wenige überlebten das Inferno, und sie mussten vor dem strahlenden Tod in die Tiefe fliehen...«

Er machte eine Pause und lauschte dem rollenden Echo seiner Worte.

»Seht!«, donnerte er. »Seht, was die Ahnen aus unserer Welt gemacht haben!«

Über den Köpfen der Menge begann die Luft zu flimmern. Ein holografisches Feld baute sich auf, projiziert von den im Plateau verborgenen Geräten, die noch aus der Zeit des Exodus stammten. Das dreidimensionale Bild wurde scharf.

Wüste, grau in grau. Sturmgepeitscht. Ein Himmel, rot und schmutzig wie eine entzündete Wunde. Eine aufgeblähte rote Sonne, halb hinter den wirbelnder Staubschwaden verborgen. Da und dort, wie kariöse Zähne, ragten Ruinen aus dem Sand hervor, schwarz glasiert, mit leeren Fensterhöhlen, trostlos wie die umgebende Ödnis. Nirgendwo Grün, nirgendwo Leben.

»Seht die Hölle von Argylon«, rief der Baron pathetisch. »Seht, was rücksichtslose Ausbeutung der Natur und der Wahnsinn des Krieges aus dem Paradies gemacht haben. Seit Jahrhunderten ist die Oberfläche wüst und leer. Niemand kann dort leben. Niemand.« Er ließ seine Worte einwirken, die Bilder für sich sprechen.

»Das ist die bittere Wahrheit«, fuhr er fort. »Wir haben keine andere Wahl, als uns ihr zu stellen. Ich weiß, dass es viele unter euch gibt, die am großen Traum von der Rückkehr an die Oberfläche festhalten. Ich verstehe sie. Auch ich träume von den offenen Himmeln der alten Heimat, von den Wiesen und Wäldern, den klaren Flüssen und den fischreichen Seen der alten Zeit. Aber die Bilder, die uns die automatischen Kameras von der Oberfläche liefern, sind eindeutig. Dort oben wartet nicht das Paradies auf uns, sondern der Tod.

Nur Wahnsinnige können die Wahrheit der Bilder leugnen. Nur Wahnsinnige können verlangen, die Sicherheit der Höhlen aufzugeben. Hört nicht auf die Einflüsterungen dieser Kreaturen! Sie versprechen euch eine goldene Zukunft, aber wenn ihr ihnen folgt, werden sie euch in den Untergang führen.«

In der Menge entstand Unruhe. Stork breitete die Arme aus. »Die Höhlen geben uns Trost und Schutz. In ihnen werden wir die Zeit der Verdammnis überdauern, in ihnen werden wir das Erbe der Menschheit bewahren, bis die Oberfläche wieder bewohnbar ist. Von uns wird keiner diesen Tag erleben, aber die Kinder unserer Kindeskinder werden das Licht der roten Sonne sehen und die Welt wieder urbar machen. Für diese zukünftige Generation müssen wir unser Schicksal ertragen. Verspielt nicht die Zukunft eurer Kinder, indem ihr den Lügen und Täuschungen eines wahnsinnigen Renegaten erliegt, der sich gegen alles Gute und Wahre verschworen hat. Haltet aus! Seid stark!«

Die Menge brach in Hochrufe aus und begann Parolen zu skandieren.

»Es lebe Baron Stork!«

»Tod den Rebellen!«

»Nieder mit Rhonn Endor!«

Stork lächelte zufrieden, während er die Ovationen der Menge entgegennahm. Wie stets hatten die eindrucksvollen Bilder von der verwüsteten unfruchtbaren Oberfläche ihren Zweck erfüllt. Der Anblick der grauen Ödnis, der lebensleeren Ruinenlandschaft war von niederschmetternder Wirkung.

Selbst dem Baron schauderte es angesichts des trostlosen Panoramas. Und wenn er sich schon der Wirkung der Bilder nicht entziehen konnte, wie mussten sie dann die Menge berühren, die nicht ahnte, dass sie uralte Archivaufnahmen sahen?

Es gab keine automatischen Kameras an der Oberfläche.

Abrupt wandte sich Baron Stork ab und stieg in den gepanzerten Gleiter. Seine Leibwache folgte ihm, und das schwere Fahrzeug setzte sich mit einem Ruck in Bewegung.

Stork lehnte sich zurück und schloss die Augen.

Plötzlich fühlte er sich müde, erschöpft. Einen Moment spielte er mit dem Gedanken, die Gemächer seiner Konkubinen aufzusuchen. Beim Roten Riesen, wie lange hatte er sich keine Entspannung mehr gegönnt. Aber dann verwarf er den Gedanken wieder.

Es gab wichtigere Dinge.

Lochmoch erwartete ihn.

Die letzten Berichte seines Chefwissenschaftlers waren äußerst beunruhigend gewesen. Wenn Lochmoch Recht hatte, war der String wieder aktiv geworden, die raumzeitliche Verwerfungszone am Rand des Argylon-Systems, die wie ein kosmischer Staubsauger wirkte und über Lichtjahre hinweg alles an sich riss: Interstellare Staubwolken, Kometen, Meteore, Asteroiden, die Trümmer geborstener Planeten. Und manchmal auch Raumschiffe...

3

Als Baron Stork den unmittelbar an den Thronsaal und seine privaten Gemächer angrenzenden Labortrakt betrat, fand er seine geheimen Befürchtungen bestätigt.

Lochmoch stürzte ihm bereits entgegen, ein kleiner, gebeugt gehender Mann mit ungesundem grauen Teint, streng nach hinten gekämmten schütteren Haaren und eulenhaften Augen. Sie waren albinorote und glänzten fiebrig, sein mausgrauer Anzug schlotterte um die knochige Gestalt.

»Ein Raumschiff, Baron, es ist ein Raumschiff!«, stieß der Chefwissenschaftler erregt gestikulierend hervor. »Vor wenigen Minuten hat der String es ausgespuckt. Habe ich nicht vorausgesagt, dass der String wieder ein Schiff fangen wird? Und jetzt ist es da, draußen im Raum, zwischen all den Trümmern, und es ist groß, größer als jedes andere Schiff...!«

Stork schnitt eine Grimasse.

Die schrille Stimme des gnomenhaften Mannes bereitete ihm körperliche Pein. Wahrscheinlich würde er sich nie daran gewöhnen.

»Kommen Sie, kommen Sie«, drängte Lochmoch. »Ich habe es in der Ortung, ganz deutlich, ein Irrtum ist ausgeschlossen. Es ist kein Trümmerbrocken, kein Asteroid, es ist ein Raumschiff, das erste Schiff seit über sechs Jahren.«

»Haben Sie es identifiziert?«, fragte Stork barsch. »Haben wir es mit Menschen zu tun, oder mit Fremdwesen?« Er dachte an das Schiff der Echsenrasse, das vor rund zwanzig Jahren, kurz nachdem er von seinem Vater die Regierungsgeschäfte übernommen hatte, im Sternbaronat aufgetaucht war.

»Ich weiß es nicht«, schrillte der Chefwissenschaftler. »Es ist ein neuer Typ, ein noch nie gesehener Typ. Ich habe in den Archivunterlagen nachgeschaut - dieser Typ ist nicht verzeichnet. Vielleicht sind es Menschen, vielleicht sind es Fremdwesen. Alles ist möglich, alles. Kommen Sie, Baron, kommen Sie, überzeugen Sie sich selbst.«

Lochmoch hastete davon.

Stork folgte ihm durch ein Gewirr niedriger, kalkweiß getünchter Felsstollen, die vom übrigen Höhlensystem hermetisch abgeschottet waren. Nur eine Handvoll Eingeweihte wussten von der Existenz des Labortrakts, und nur Stork und Lochmoch kannten alle seine Geheimnisse.

Schließlich gelangten sie in einen schmalen, schräg nach unten führenden Stollen, der sich wie ein Wurmkanal durch den gewachsenen Fels bohrte.

Nach zahlreichen Windungen mündete der Stollen in einen kugelförmigen Hohlraum.

Ein massives Stahlschott war in die gegenüber liegende Wand eingelassen. Es öffnete sich automatisch und gab den Weg in eine metallverkleidete Kaverne frei. Schmale Gänge führten zwischen wuchtigen Maschinenblöcken, Computerkonsolen, Schaltpulten und Monitortürmen entlang.

Die Rückwand wurde von einem riesigen Großbildschirm eingenommen, der wie ein Fenster in eine andere Welt war.

»Da ist es, Baron, schauen Sie, schauen Sie«, schrillte Lochmoch. »Habe ich nicht gesagt, dass es ein völlig neuer Typ ist?«

Stork schob sich an dem gnomenhaften Mann vorbei und trat vor den Bildschirm.

Er zeigte den Weltraum, rund eine Milliarde Kilometer von Argylon entfernt. Eine automatische Ortungsstation, die lange vor der großen Katastrophe und dem Rückzug in das Höhlensystem zur Überwachung des Strings in eine sonnenferne Umlaufbahn gebracht worden war, lieferte die Bilder- und Messdaten.

Eine Wolke aus kosmischen Staub und Myriaden von großen und kleinen Trümmerbrocken verdunkelte das Licht der Sterne, und am Rand der Wolke, mit gleich bleibender Geschwindigkeit durch das All treibend, befand sich das fremde Raumschiff.

Es war tatsächlich groß, wie die eingeblendeten Daten verrieten: ein Koloss aus schimmerndem Stahl, aus achteckigen Segmenten zusammengefügt, die sich nach oben und unten hin pyramidenförmig verjüngten. Das größte Segment durchmaß fünfhundert Meter, die Gesamthöhe des Schiffes betrug einhundertzehn Meter. Die Spitze wurde von einer durchsichtigen Kuppel gekrönt.

Im freien Fall stürzte es durch den Raum, ein Opfer des Strings wie die kosmischen Trümmer. Irgendwo jenseits der Grenzen des Systems musste es in eine Verwerfungszone geraten sein, in ein Gebiet verzerrter Raum-Zeit-Struktur, wie der String sie in seiner aktiven Phase noch in vielen Lichtjahren Entfernung erzeugen konnte. Wie ein gewaltiger Magnet hatte der String das Schiff angezogen, verschluckt und im Sternbaronat Roter Riese wieder ausgespuckt.

Es war nicht das erste Raumschiff, das dieses Schicksal ereilte. Allein in Storks Amtszeit war es zwei Mal geschehen, und aus den Unterlagen im Archiv wusste er, dass auch seine Vorgänger mit diesem Problem konfrontiert worden waren. Stork kniff grimmig die Lippen zusammen. Nun, es gab eine Lösung für dieses Problem: Die Stasishalle. Aber er musste schnell handeln.

Besucher aus dem Weltraum waren für die Stabilität der Sternbaronats eine noch größere Gefahr als Rhonn Endors Rebellen. Er wagte sich gar nicht vorzustellen, was geschehen würde, wenn es den Fremden gelang, auf Argylon zu landen und in das Höhlensystem einzudringen. Sein ganzes Lebenswerk war bedroht...

Abrupt fuhr er zu Lochmoch herum. Der Wissenschaftler stand gebeugt vor dem Schaltpult, mit dem sich der sonnenferne Ortungssatellit steuern ließ und beobachtete Stork aus den Augenwinkeln. Etwas eigenartig Lauerndes lag in seinem Blick, und einen Moment lang erschien es dem Baron, als ob sich Lochmoch insgeheim über seine Schwierigkeiten amüsierte.

Ahnte er etwas?

Kannte er den wahren Grund für seine Furcht vor Besuchern aus dem Weltraum? Unmöglich! Niemand weiß etwas, dachte Stork. Niemand kennt das Geheimnis. Nicht mal Rhonn Endor, ganz gleich, was er behauptet. Der einzige Weg zum Wissen führt durch die Stasishalle, und zu ihr hat niemand außer mir Zutritt. Und wer es dennoch wagen sollte, sie zu betreten, stirbt einen langsamen, schrecklichen Tod...

»Die Besatzung ist wahrscheinlich bewusstlos«, sagte Lochmoch. Er wies auf einige Displays. »Die Energieechos sind sehr schwach. Der String-Durchgang muss die gesamte Bordelektronik kurzgeschlossen haben.« Er kicherte. »Aber sie werden bald wieder zu sich kommen. Wenn wir uns nicht beeilen, könnten sie Schwierigkeiten machen. Sie wissen ja, Baron, was beim letzten Mal geschehen ist.«

Der Zwischenfall, auf den der Wissenschaftler anspielte, lag sechs Jahre zurück, doch Stork hatte das Gefühl, als wäre es gestern geschehen.

Der String war aktiv geworden, und zusammen mit einem Schwarm Eisenmeteoriten war ein würfelförmiges Raumschiff aus der kosmischen Bruchzone heraus gefallen. Der Meteoritenschwarm hatte den Ortungssatelliten getäuscht - erst nach Stunden, als die Besatzung längst wieder aus der Bewusstlosigkeit erwacht war, hatte er Alarm gegeben, aber zu diesem Zeitpunkt befand sich das Schiff bereits im Anflug auf Argylon.

Im letzten Moment war es Stork und Lochmoch gelungen, die Eindringlinge auszuschalten. Hätten sie nur einige Minuten länger gezögert, hätte nicht und niemand mehr das Schiff an einer Landung auf Argylon hindern können.

Der Baron runzelte die Stirn.

Warum erwähnte Lochmoch ausgerechnet jetzt diesen Vorfall? Eine Wiederholung war ausgeschlossen. Die Besatzung jenes Schiffes hatte es nur ihrer besonderen Zähigkeit zu verdanken gehabt, dass sie sich so rasch von dem Durchgangsschock erholt harte. Es waren Menschen gewesen, doch Menschen besonderer Art - Klone, Geschöpfe aus der Retorte, genetisch auf extreme Belastbarkeit programmiert, Soldaten aus der Biofabrik eines fernen Sternenreiches.

Stork bezweifelte, dass es sich bei den Neuankömmlingen ebenfalls um Klonsoldaten handelte.

Die silbern schimmernde Pyramide dort draußen war ein völlig anderer Schiffstyp.

Dennoch, Lochmoch hatte Recht. Sie mussten schnell handeln. Solange sich die Fremden an Bord ihres Raumschiffs befanden, stellten sie eine Gefahr für die Sicherheit des Sternbaronats dar. Er spielte keine Rolle, dass es sie gegen ihren Willen in das System des Roten Riesen verschlagen hatte.

Jeder Kontakt zwischen den Bewohnern der Höhlen von Argylon und Besuchern aus dem All musste verhindert werden.

»Ihre Befehle, Baron?«, schrillte Lochmoch. »Welche Befehle haben Sie?«

»Die Eindringlinge sind auszuschalten«, sagte Stork. »Was ist mit den Nullzeitsphären in der Stasishalle? Haben Sie die notwenigen Vorbereitungen getroffen?«

»Die Nullzeitsphären sind voraktiviert«, versicherte der gnomenhafte Mann. »Schon beim ersten String-Alarm habe ich alles in die Wege geleitet. Aber schauen Sie, Baron, schauen Sie - die Biotastwerte! Äußerst ungewöhnlich, finden Sie nicht auch?«

Stork beugte sich über das Schaltpult. Er pfiff leise durch die Zähne. Die Displayanzeige des Biotasters meldete eine Biomasse, die der von fünftausend Menschen entsprach! Entweder bestand die Besatzung des pyramidenförmigen Schiffes aus fünftausend Personen, oder es war von Fremdwesen bemannt, die erheblich größer und schwerer waren als die Menschen.

Also doch wieder intelligente Echsenabkömmlinge wie vor zwanzig Jahren?

Stork zuckte die Schultern. Derartige Überlegungen waren sinnlos. Er würde bald erfahren, mit wem sie es zu tun hatten.

»Die Stasishalle ist groß genug, um selbst fünfzigtausend neue Gefangene aufzunehmen«, knurrte er unwillig.

Lochmoch fuhr sich nervös über das schüttere Haar. »Ich habe kein gutes Gefühl, wirklich nicht«, sagte er schrill. »Vielleicht wäre es besser, sie zu ignorieren. Was schadet es schon? Sie können uns nicht gefährlich werden. Selbst wenn sie Argylon anfliegen - was finden sie schon? Ruinen und Wüste, eine strahlenverseuchte Welt ohne Leben. Wenn wir sie unbehelligt lassen, werden sie bald wieder...«

Der Baron brachte ihn mit einem eisigen Blick zum Schweigen. Schuldbewusst senkte er den Kopf.

»Es war nur ein Vorschlag, Baron, nur ein Vorschlag«, murmelte der Wissenschaftler.

»Sicher«, sagte Stork kalt. »Aber Ihre Vorschläge interessieren mich nicht. Also machen Sie sich an die Arbeit. Wir haben genug Zeit verschwendet.«

»Natürlich, natürlich.« Lochmoch wagte keinen weiteren Einwand. Der Tonfall des Barons verriet ihm, dass er schon zu weit gegangen war. Gehorsam nahm er an dem Kontrollpult Schaltungen vor. Displays erhellten sich, Dioden flammten auf, und aus der Tiefe drang das Dröhnen anlaufender Maschinen.

Ein Fadenkreuz überlagerte das Bild auf dem Großmonitor. Im Zentrum der konzentrischen Ringe das fremde Raumschiff. Der Maschinenlärm wurde lauter. Spürbar begann der Boden zu vibrieren.

An einem benachbarten Monitorturm blinkte eine Diode.

Irritiert blickte Lochmoch auf. »Ein Anruf?«, schrillte er. »Aber wer...?«

»Es wird Zortan sein«, unterbrach Stork. »Machen Sie weiter.«

Beunruhigt trat er an den Turm. Hatten die Rebellen wieder zugeschlagen? Verdammt, der Stahlhandgeneral wusste, dass er nicht gestört werden wollte, wenn er sich im Labortrakt befand! Es musste schon etwas Ungewöhnliches vorgefallen sein, wenn Zortan es wagte, gegen seinen ausdrücklichen Befehl zu handeln.

Stork ging auf Empfang.

Ein Bildschirm wurde hell. Das bleiche, grob geschnittene Gesicht des Generals erschien. Es trug einen selbstzufriedenen Ausdruck.

Unwillkürlich atmete Stork auf.

Also hatte Zortan eine gute Nachricht für ihn!

»Was gibt es?«, fragte er knapp.

»Eine Patrouille ist in den Äußeren Höhlen auf einen Trupp der Rebellen gestoßen«, meldete Zortan. »Es kam zu einem Feuergefecht, bei dem vier Rebellen und zwei meiner Leute getötet wurden.«

»Und?«, rief Stork. »Warum belästigen Sie mich damit? Glauben Sie, mich interessiert der Tod von einigen Rebellen?«

Zortan ließ sich nicht irritieren. Ein triumphierendes Lächeln teilte seine Lippen. »Bei einem der Toten haben wir verschlüsselte Unterlagen gefunden. Meine Experten sind noch dabei, sie zu analysieren, aber alles deutet darauf hin, dass es sich um hochbrisantes Material handelt.« Sein Lächeln wurde breiter. »Unter anderen befinden sich darunter Hinweise auf die Lage des Rebellenhauptquartiers.«

Stork war wie elektrisiert. »In Ordnung«, nickte er, seine Erregung nur mühsam verhehlend. »Ich komme sofort.«

Er schaltete ab.

Endlich!, dachte er. Wie lange haben wir auf eine derartige Gelegenheit gewartet! Wir werden das Rattennest ausräuchern und Endors Rebellen einen Schlag versetzen, von dem sie sich nie erholen werden. Und wer weiß, vielleicht fällt uns Endor sogar selbst in die Hände...

»Baron!« Lochmochs schrille Stimme riss ihn aus seinen Überlegungen. »Das Ziel ist erfasst. Transkraft auf hundert Prozent. GL-Generatoren fertig zur Ferntransmission. Nullzeitsphären bereit zur Aufnahme der neuen Gefangenen.«

Stork sah wieder zu dem Großbildschirm hinauf, zu dem fremden Raumschiff, das sich mit konstanter Geschwindigkeit von der kosmischen Trümmerwolke entfernte, die der String im Lauf der Jahrhunderte und Jahrtausende eingefangen hatte.

Er holte tief Luft.

»Setzen Sie das Grüne Leuchten ein«, befahl er. »Holen Sie die Fremden vom Schiff!«

Und in Gedanken fügte er hinzu: Damit das Geheimnis gewahrt bleibt, das ich hüten muss, wie es jeder Baron vor mir gehütet hat...

Dann wandte er sich ab und ging mit schnellen Schritten davon.

Stöhnend kam Flaming Bess zu sich.

Schmerz pochte in ihrem Kopf. Ihre Glieder fühlten sich seltsam taub an. Was war geschehen? Und warum war es so still?

Sie bewegte sich, und sofort wurde der Kopfschmerz stärker. Was war passiert? Sie kämpfte gegen die Benommenheit und den Schmerz an, und plötzlich fluteten die Erinnerungen in ihr Bewusstsein.

Der String, der Riss im Raum! Der String hatte die NOVA STAR gepackt und ins Nichts geschleudert, in die Leere jenseits von Raum und Zeit.

Aber ich lebe, dachte sie fast erstaunt. Wir sind dem String entkommen. Das Schiff ist nicht vernichtet worden. Nur diese Stille... Warum ist es so still?

Bess blieb reglos, mit geschlossenen Augen, liegen und lauschte. Alles, was sie hörte, waren ihre eigenen Atemzüge und das schnelle Pochen ihres Herzens. Die Kopfschmerzen flauten allmählich ab und das Gefühl der Taubheit wich einem Prickeln, das sich schnell zu einem quälenden Brennen steigerte.

Sie biss die Zähne zusammen und öffnete die bleischweren Lider.

Zuerst konnte sie nur verschwommen sehen, aber nach und nach wurden die Konturen klarer.

Halbdunkel. Nur die Notleuchten brannten. Die Displays und Bildschirme an ihrem Pult waren erloschen, grau wie die schräg geneigte Sichtfläche des Hauptmonitors, und an den Schaltwänden entlang der Galerie glühten Dutzende von roten Warndioden.

Ihre Blicke wanderten von der Galerie zu Glory Moons liegenähnlichem Pilotensitz am Fuß des Hauptbildschirms.

Die Psychonautin rührte sich nicht. Wie tot lag sie da.

Ein eisiger Klumpen bildete sich in Bess’ Magengegend. Glory Moon war über die Neurokontakte direkt mit der Bordelektronik verbunden gewesen. Beim Sturz durch den String musste sie unter den Paraschocks viel stärker gelitten haben als jedes andere Mitglied der Besatzung.

Mit zitternden Händen löste sie den Sicherheitsgurt und stand schwankend auf. Ihr wurde schwarz vor Augen, und sie musste sich einige Sekunden lang am Kontrollpult festhalten, bis der Schwächeanfall nachließ.

Aus dem Hintergrund drang ein leises Ächzen.

»Mein Kopf!«, stieß Ken Katzenstein heiser hervor. »Mein Kopf fühlt sich an, als hätte ich zwei Tage und Nächte durchzecht. Und... Verdammt, warum ist es hier so dunkel?«

Bess warf ihm einen kurzen Blick zu. Der Bordingenieur wirkte völlig verwirrt; offensichtlich stand er noch unter Schock. Vira Mandala, die blonde Mediacontrolerin, erwachte ebenfalls aus der Bewusstlosigkeit. Nur Fortunato Stengel bewegte sich nicht.

Und Glory Moon.

Hoffentlich lebt sie noch, dachte Bess.

Mit unsicheren Schritten trat sie an den Pilotensitz, kniete nieder und seufzte vor Erleichterung - die Psychonautin atmete noch. Sehr schwach, aber sie lebte!

Flaming Bess drehte den Kopf. »Katz!«

Der Bordingenieur starrte sie wie eine Erscheinung an. Dann klärte sich sein Blick. Leise fluchend musterte er die erloschenen Kontrollpulte. »Zusammenbruch der Energieversorgung«, stellte er grimmig fest. »Genau das hat uns noch gefehlt. Zum Glück funktioniert das Notstromaggregat, aber...«

»Kümmere dich um Vira und Fortunato«, fiel ihm Bess ins Wort. »Ich versuche Dr. Go zu erreichen. Glory geht es nicht gut. Sie braucht ärztliche Hilfe.«

»Die brauchen wir alle«, murmelte Katzenstein, aber er gehorchte.

Flaming Bess injizierte Glory Moon ein kreislaufstabilisierendes Medikament und ließ sich dann wieder in ihren Servosessel fallen. Sie fühlte sich noch immer schwach, und sie fragte sich, wie die Kinder und die alten Leute unter den Flüchtlingen die Katastrophe überstanden hatten.

Ihre Finger huschten über die Sensortasten des Kontrollpults und schalteten das Interkomsystem auf Notstromversorgung. Sekunden später wurde einer der handtellergroßen Bildschirme hell. Das Lazarett meldete sich, doch zu ihrer Enttäuschung nahm nicht Dr. Go, sondern ein jüngerer Assistenzarzt das Gespräch entgegen.

»Kommandantin!«, rief der Mann erleichtert. »Was bin ich froh, dass...«

»Wir brauchen einen Arzt«, unterbrach Flaming Bess. »Können Sie jemand schicken? Was ist mit Go?«

»Er ist noch bewusstlos, Kommandantin. Wie die meisten anderen. Ich bin erst vor ein paar Minuten zu mir gekommen.« Der junge Arzt machte eine fahrige Handbewegung. »Die Energieversorgung ist ausgefallen. Wir haben keinen Kontakt zu den anderen Decks. Sind wir angegriffen worden?«

»Kein Angriff; ein Unfall«, sagte sie knapp. »Aber wir haben jetzt keine Zeit für lange Erklärungen. Wahrscheinlich sieht es überall im Schiff so aus wie auf Ihrer Station. Also sorgen Sie dafür, dass Ihre Kollegen wieder auf die Beine kommen, damit sie sich um die Schockopfer kümmern können. Und schicken Sie so schnell wie möglich jemand in die Zentrale. Verstanden?«

»In zwei Minuten ist jemand bei Ihnen.«

Bess schaltete ab und versuchte, Verbindung mit den Maschinendecks aufzunehmen. Ohne Erfolg. Sie schimpfte leise. Ein schlechtes Zeichen. Kurz vor dem Sturz durch den String war die NOVA STAR von paraenergetischen Entladungen getroffen worden. Vielleicht hatten die Paraschocks größere Zerstörungen angerichtet als sich bislang absehen ließ.

Mein Gott, dachte Flaming Bess, das Paratriebwerk! Wenn die Energieschocks die Abschirmung durchbrochen haben... Nein, unmöglich. Eine Explosion des Paratriebwerks hätte mehr als nur die Maschinendecks beschädigt. Das ganze Schiff wäre davon in Mitleidenschaft gezogen worden.

Vermutlich waren die meisten Techniker in den Unterdecks noch bewusstlos und reagierten deshalb nicht auf den Anruf.

Sie tippte den Rufcode des Sicherheitsdienstes ein und atmete erleichtert auf, als Muller McLasky auf dem Interkomschirm erschien. Das feiste, stets dunkelrote Gesicht des SD-Chefs hatte eine wächserne Färbung angenommen. Seine wässerigen Augen schauten trübe in die Welt. Ehe er etwas sagen konnte, informierte Bess ihn mit knappen Worten über die Situation und schloss: »Wir bekommen keine Verbindung zu den Maschinendecks. Setzen Sie ein paar von ihren Leuten in Bewegung; ich brauche umgehend einen Lagebericht.«

»Wird erledigt«, nickte McLasky. Er schnaufte und wischte sich mit dem Handrücken über die schweißnasse Stirn. »Wissen Sie schon, wohin es uns verschlagen hat?«

»Der Zusammenbruch der Energieversorgung hat auch die Ortungsgeräte lahm gelegt.« Sie zuckte die Schultern. »Katz wird sich darum kümmern. Ich informiere Sie, sobald wir näheres wissen.«

Der SD-Chef nickte und schaltete ab.

Flaming Bess sah wieder zu Glory Moon. Die Psychonautin war noch immer bewusstlos. Verdammt, wo blieb der Arzt?

Sie drehte sich mit ihrem Servosessel. »Vira, du versuchst, die einzelnen Decks zu erreichen und die Flüchtlingssprecher über die Lage zu informieren. Wir müssen verhindern, dass es zu einer Panik kommt.«

Die blonde Mediacontrolerin bestätigte und beugte sich über ihr Pult.

»Di Grey?«

Der Di-Analytiker hüstelte. »Wenn du dich nach meinem Befinden erkundigen willst, Bess – ich hab mich noch nie so wohl gefühlt wie heute. Bei jeder Katastrophe blühe ich auf.« Der dünne, blutleere Strich seines Mundes krümmte sich zu einem freudlosen Lächeln.

»Du siehst aus wie das blühende Leben«, gab Bess sarkastisch zurück. »Und damit es so bleibt, wirst du dich um die Ortungsgeräte kümmern und unseren Blindflug beenden. Vielleicht stürzen wir geradewegs auf eine Sonne zu...«

»Die Wahrscheinlichkeit dafür ist äußerst gering«, beruhigte Di Grey, »aber bei unserem Glück ist selbst das möglich.«

Ken Katzenstein hatte indessen Fortunato Stengel ein aufputschendes Mittel injiziert, und der Wuschelkopf war schon dabei, über sein Terminal einen Computercheck der Bordelektronik abzurufen. Katz eilte zur Galerie und machte sich mit einer Prüfsonde an den Schaltwänden zu schaffen.

Knirschend öffnete sich das Zentralschott, und der junge Arzt, mit dem Bess vor wenigen Minuten gesprochen hatte, kam mit einem Diagnosekoffer in der Hand hereingestürmt. Hinter ihm erschienen Ka und Jasper »Chip« Chipansky; der Clansmann und der Bordkybernetiker hatten zum Zeitpunkt der Katastrophe dienstfrei gehabt.

»Bei Grishnu!«, stieß Chipansky hervor und schüttelte seine wallende orangeblau gefärbte Haarmähne. »Rotlicht in der Zentrale? Was hat das zu bedeuten? Eine Orgie?«

Katzenstein warf ihm einen schrägen Blick zu. »Natürlich. Was sonst? Aber du kommst wie immer zu spät, Chip.«

»Falsch programmiert, mein Lieber«, winkte der Kybernetiker mit einer blasierten Handbewegung ab. »Ich hatte ein Rendezvous mit meinen Computern.«

»Und?«, mischte sich Bess ein. »Irgendwelche Schäden?«

Chipansky gähnte. Er machte einen übermüdeten Eindruck, aber solange Flaming Bess ihn kannte, war er übermüdet gewesen. »Der Zustand der Bordrechner ist einwandfrei«, versicherte er. »Und das wird auch so bleiben, bis Grishnu kommt und allem ein Ende macht.« Er blinzelte ihr zu. »Wenn ich hier nicht mehr gebraucht werde, machte ich mich wieder auf den Weg ins Rechenzentrum. Dort ist es nicht nur heller, sondern auch wesentlich ruhiger.«

»Einverstanden«, sagte Bess. Aus den Augenwinkeln verfolgte sie, dass der Arzt neben Glory Moon niederkniete und die Elektroden seines Diagnosekoffers an der Stirn des Psychonautin befestigte. »Du könntest die vorhandenen Daten über den String auswerten. Vielleicht lässt sich so feststellen, wie weit wir vom Kurs abgekommen sind.«

»Wird sofort erledigt.« Chipansky verschwand im Kabinengang.

Bess seufzte und musterte Ka, der sich an seinem Kontrollpult niedergelassen hatte. Das Narbengesicht des Clansmanns war ausdruckslos wie immer, aber das hatte nichts zu bedeuten. Ka hatte gelernt, Schmerz und Schwäche zu unterdrücken.

»Bist du in Ordnung, Ka?«, fragte sie.

Der Clansmann neigte andeutungsweise den Kopf. Er war kein Freund vieler Worte.

»Kommandantin?« Die Stimme des Arztes klang besorgt.

Alarmiert fuhr Flaming Bess herum. »Ja?« Er räusperte sich, und erst jetzt fiel ihr auf, wie jung er wirklich war. Vor kurzem erst erwachsen geworden; nur seine Augen waren die eines alten Mannes.

»Es tut mir leid, aber Glory Moon muss ins Lazarett. Organisch fehlt ihr nichts, doch sie hat einen schweren Schock erlitten. Wahrscheinlich wird es einige Tage dauern, bis sie sich völlig erholt hat. Sie braucht jetzt absolute Ruhe.«

»Natürlich.« Bess war erleichtert. Einen Moment lang hatte sie befürchtet, dass die paraenergetischen Entladungen während des String-Durchgangs nicht nur die Bordelektronik, sondern auch das empfindliche Gehirn der Psychonautin geschädigt hatten. »Sorgen Sie dafür, dass Glory die beste Pflege bekommt. Es wird sowieso ein paar Tage dauern, bis die Maschinen durchgecheckt sind und wir den Flug fortsetzen können.«

Der Arzt wandte sich wieder seiner Patientin zu.

»Di Grey, was macht die Ortung?«, fragte Bess ungeduldig.

»Die primären Systeme sind noch immer blockiert«, meldete der Di-Analytiker. »Ich versuche es mit dem Reservesystem.«

Er betätigte einige Schaltungen, und seine düstere Miene hellte sich auf.

»Reservesystem arbeitet einwandfrei.«

Im gleichen Moment ging ein Flackern über den großen Hauptbildschirm. Das Grau wich dem samtenen Schwarz des freien Weltraums und dem Glitzern ferner Sterne. Der obere Teil des Monitors wurde von einer Wolke leuchtender Tasterreflexe eingenommen - kosmische Trümmerbrocken, angefangen von winzigen Mikrometeoriten bis hin zu kilometergroßen Asteroiden. Im Zentrum der Wolke tobten heftige Energiegewitter und verzerrten die Ortungsergebnisse. Das musste der String sein, der Webfehler in der Raum-Zeit-Struktur.

Knapp eine Milliarde Kilometer weiter glühte eine rote Riesensonne. Unwillkürlich musste Bess an den Roten Riesen im Herzen des dhrakanischen Reiches denken, wo sie auf die Geheimstation der Herculeaner gestoßen waren. Aber diese Sonne war wesentlich kleiner und wurde nur von einem einzigen Planeten umlaufen. Der Computer blendete ein Monitorfenster ein; eine Grafik zeigte die errechnete Flugbahn der NOVA STAR: Wenn sie den Kurs nicht änderten, würde er sie geradewegs in die Sonne führen.

»Ich wusste es«, brummte Di Grey. »Bei unserem Glück war genau das zu erwarten.«

Neue Daten flimmerten über den Bildschirm. Die Umlaufbahn des einzigen Trabanten lag innerhalb des schmalen Bereichs der Biosphäre, in der sich Leben entwickeln konnte. Auch Größe, Schwerkraft und Luftzusammensetzung entsprachen in etwa den Normwerten, aber sie waren noch zu weit entfernt, um mit Sicherheit feststellen zu können, ob dort Leben existierte oder nicht.

Eine steile Falte erschien auf Bess’ Stirn.

Sie fragte sich, wie die Flüchtlinge an Bord auf die Meldung reagieren würden, dass man einen erdähnlichen Planeten entdeckt hatte. Eine starke Minderheit, angeführt von Lady Gondelor und Vordermann Frust, plädierte noch immer dafür, die Suche nach der Erde abzubrechen und sich stattdessen auf einer bewohnbaren Welt weitab vom Sternenbund und den Herculeanern niederzulassen.

Nun, damit konnte sie sich auseinandersetzen, wenn genauere Daten über den Planeten vorlagen.

Zumindest gab es keine Hinweise auf eine technisch hoch entwickelte Zivilisation - die Energietaster standen auf Null und aus dem Funkempfänger drang nur das Prasseln und Rauschen der kosmischen Hintergrundstrahlung.

Aber das war zu erwarten gewesen. Falls der String das Schiff nicht in einen völlig anderen Winkel des Universums versetzt hatte, befanden sie sich noch immer in den sternenarmen Randregionen der Milchstraße. Vor vielen Jahrtausenden hatte es hier von Menschen besiedelte Planeten gegeben, doch von den einst mächtigen Frühen Reichen wie das Eiserne Imperium, die Biokratie von T’aan oder das Sternenbaronat Roter Riese existierten heute nur noch Ruinen.

Die Menschen waren weiter in Richtung des galaktischen Zentrums gezogen, einem geheimnisvollen Drang folgend, der sie immer weiter von der vergessenen Urheimat Erde weg geführt hatte. Dieser Teil der Milchstraße war ohne Leben. Nicht mal die Dhrakanen siedelten hier, jene uralte Echsenrasse, die seit Jahrmillionen im Kosmos herrschte und jeden Kontakt mit den Menschen mied. Pra-Yaswän kam ihr in den Sinn, der dhrakanische Wissenschaftler, der ihr im Sterben das Paratriebwerk seines halbzerstörten Raumschiffes geschenkt und so erst den Flug zur Erde ermöglicht hatte.

Wie schon oft fragte sie sich, was Pra-Yaswän dazu veranlasst haben mochte, das strikte Prinzip der Nichteinmischung in menschliche Angelegenheiten aufzugeben und dem Hilferuf Magister Tamerlans nach Terminus zu folgen. Weil sich die Dhrakanen von den Herculeanern bedroht fühlten? Unwahrscheinlich. Die Macht der Echsen war groß genug, um auch mit Kroms Kriegsflotten und Klonarmeen fertig zu werden.

Bess dachte an Pra-Yaswäns rätselhafte Abschiedsworte: Wir sehen die Sonne aufleuchten, brennen und erlöschen, und wir warten. Wir halten die Fackel, doch unsere Hand ist müde. Vor uns das Nichts, und hinter dem Nichts die Berge des Wissens. Die Gipfel rufen uns, doch unsere Bürde ist zu schwer. Wir stehen auf der Schwelle, und wir können die Schwelle nicht überschreiten...

Vielleicht lag darin die Antwort verborgen, der Schlüssel zum Verständnis der dhrakanischen Mentalität. Vielleicht...

Die Energietaster schlugen aus. Abrupt, von einem Moment zum anderen, zeigten die Displays Werte im Megawattbereich mit sprunghaft steigender Tendenz.

»Der Planet!«, stieß Di Grey hervor. »Der Planet ist die Quelle der Energiestrahlung!«

Also doch bewohnt!, durchfuhr es Flaming Bess. Aber wieso...

Von der Galerie drang ein Entsetzensschrei. Katzenstein!

Sie wirbelte herum. Der Bordingenieur war zum Zentralschott zurückgewichen und streckte abwehrend die Arme aus. Sein Gesicht war verzerrt. Er zuckte wie unter elektrischen Schlägen, krümmte sich, stöhnte vor Schmerz.