Folge der Stimme des Herzens - Toni Waidacher - E-Book

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Toni Waidacher

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Beschreibung

Als Philipp Deininger in St. Johann auf dem Gelände der Deininger Bräu Baustelle erscheint, ist Jürgen Deininger ­erfreut, denn Philipp war immer sein Lieblingsneffe. Aber angesichts der Zwistigkeiten mit dem anderen Zweig der Deininger-Brauerei, befürchtet Jürgen, dass Philipp ihn nur ausspionieren soll. Der Bergpfarrer ›begutachtet‹ den ­jungen Mann auf einer Wanderung und gibt Entwarnung, er hält ihn für ehrlich. Und so soll Philipp den Job als Braumeister bekommen. Dazu passt auch, dass der junge Mann sich in Nicole verliebt hat. Philipps Zukunft in St. Johann sieht rosig aus. Doch ausgerechnet Nicole ertappt ihn bei ­einem verdächtigen Gespräch … Es war eine finstere Nacht. Mond und Sterne wurden von einer tief hängenden Wolkendecke verdunkelt und kein einziger Lichtstrahl erreichte die Erde. Aus keinem der Fenster des alten Jagdschlosses Hubertusbrunn fiel Lichtschein, denn es war nach Mitternacht und alles schlief, sowohl das Personal als auch die Jugendlichen, die derzeit als Gäste auf dem Schlösschen weilten. Ein Personenwagen fuhr langsam den Wirtschaftsweg entlang, der mitten durch den Ainringer Forst zum Schloss führte. Der Wagen glitt langsam durch die Finsternis, als ein Waldweg abzweigte, steuerte der Lenker des Wagens diesen hinein, hielt an und stellte den Motor ab. Die Schweinwerfer erloschen. »Okay«, sagte der Mann am Steuer, »ihr wisst Bescheid. Lauft etwa hundert Meter die Straße entlang, dann seht ihr rechter Hand das Schloss. Erledigt die Sache schnell und haut ab, ehe die Schlossbewohner reagieren. Geld gibt's nur, wenn ihr eure Sache gut macht. Das ist euch doch hoffentlich klar.« »Wir haben das letzte Mal auch gute Arbeit geleistet«, knurrte einer der anderen. »Ja, ja, ist schon gut. Worauf wartet ihr?« Drei dunkel gekleidete Männer stiegen aus, einer öffnete den Kofferraum des Fahrzeugs, griff hinein und holte Baseballschläger heraus, die er seinen Kumpanen reichte. »Gehen wir!« Die drei Kerle liefen am Straßenrand entlang und erreichten nach etwa hundert Metern Schloss Hubertusbrunn. Die Auffahrt verlief um eine runde Blumenrabatte, mit einem Brunnen in dessen Mitte.

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Der Bergpfarrer (ab 375) – 474 –

Folge der Stimme des Herzens

Alles kam anders, als gedacht …

Toni Waidacher

Es war eine finstere Nacht. Mond und Sterne wurden von einer tief hängenden Wolkendecke verdunkelt und kein einziger Lichtstrahl erreichte die Erde. Aus keinem der Fenster des alten Jagdschlosses Hubertusbrunn fiel Lichtschein, denn es war nach Mitternacht und alles schlief, sowohl das Personal als auch die Jugendlichen, die derzeit als Gäste auf dem Schlösschen weilten.

Ein Personenwagen fuhr langsam den Wirtschaftsweg entlang, der mitten durch den Ainringer Forst zum Schloss führte. Der Wagen glitt langsam durch die Finsternis, als ein Waldweg abzweigte, steuerte der Lenker des Wagens diesen hinein, hielt an und stellte den Motor ab. Die Schweinwerfer erloschen.

»Okay«, sagte der Mann am Steuer, »ihr wisst Bescheid. Lauft etwa hundert Meter die Straße entlang, dann seht ihr rechter Hand das Schloss. Erledigt die Sache schnell und haut ab, ehe die Schlossbewohner reagieren. Geld gibt’s nur, wenn ihr eure Sache gut macht. Das ist euch doch hoffentlich klar.«

»Wir haben das letzte Mal auch gute Arbeit geleistet«, knurrte einer der anderen.

»Ja, ja, ist schon gut. Worauf wartet ihr?«

Drei dunkel gekleidete Männer stiegen aus, einer öffnete den Kofferraum des Fahrzeugs, griff hinein und holte Baseballschläger heraus, die er seinen Kumpanen reichte. »Gehen wir!«

Die drei Kerle liefen am Straßenrand entlang und erreichten nach etwa hundert Metern Schloss Hubertusbrunn. Die Auffahrt verlief um eine runde Blumenrabatte, mit einem Brunnen in dessen Mitte. Die drei dunklen Gestalten liefen geduckt zu den Beeten und trampelten darin herum. Minutenlang zertraten sie alles, was ihnen unter die Füße kam. Dann rannten sie zum Schloss weiter, wo zu beiden Seiten der Eingangstür jeweils eine hüfthohe, tönerne Amphore, die mit Rosen bepflanzt war, stand.

Die Vermummten führten ihr zerstörerisches Werk fort. Doch jetzt wurde es laut. Krachend trafen die Baseballschläger die mit Erde gefüllten Amphoren und sie zerplatzen mit einem dumpfen Laut in tausend Scherben. Dann klirrte es laut, als sie die Fenster zu beiden Seiten der Tür einschlugen. Das alles geschah innerhalb weniger Augenblicke.

»Okay, verschwinden wir!«, rief einer der Kerle.

Sie rannten davon. Als hinter einigen Fenstern des Schlosses Licht anging, waren sie wie ein Spuk in der Nacht verschwunden.

Auch der Verwalter und seine Frau waren von dem Lärm aus dem Schlaf gerissen worden. Georg Meyerling war aus dem Bett gesprungen, hatte das Fenster aufgerissen und sich hinausgebeugt, er hatte die drei Schemen gerade noch mit der Finsternis verschmelzen sehen.

Von ihrem zerstörerischen Werk war in der Dunkelheit nichts zu erkennen. Stimmen und einzelne Rufe erklangen, denn auch aus den Fenstern der Schlafräume beugten sich die Jugendlichen, die von dem Klirren und Krachen geweckt worden waren, und fragten sich, was geschehen war.

»Was ist denn los, Georg?«, fragte jetzt auch Franzi. »Warum sagst du nix? Was war das für ein Krach?«

»Ich hab’ drei dunkle Gestalten davonrennen sehen«, sagte Georg über die Schulter. »Und ich fress’ einen Besen, wenn das net wieder ein hinterhältiger Anschlag war. Ich geh’ mal hinunter und schau’ nach.« Georg wandte sich vom Fenster ab, zog einen Bademantel über seinen Pyjama und verließ das Schlafzimmer. Mit einer Taschenlampe bewaffnet lief er, da die Verwalterwohnung in der ersten Etage lag, die Treppe hinunter.

Im Erdgeschoss hatte Lukas Berger, der die Jugendlichen während ihres Aufenthalts auf Hubertusbrunn betreute, eine kleine Wohnung inne. Auch ihn hatte der Krach geweckt. »Sieht aus, als ginge der Terror weiter!«, stieß der junge Mann hervor.

»Es waren drei«, erklärte Georg. »Ich hab’ sie gerade noch gesehen, ehe sie in der Dunkelheit verschwunden sind.«

Sie gingen hinaus in den Schlosshof und Georg leuchtete mit der Taschenlampe in die Runde.

»Ach du Schande!«, entfuhr es Lukas, als der Lichtfinger über die zerschlagenen Fenster, zerstörten Amphoren und zertrampelten Blumenbeete glitt.

»Wir müssen sofort den Bergpfarrer informieren!«, stieß Georg hervor. »Und natürlich auch die Polizei. Ich ruf’ Max Trenker an. Sag’ du dem Pfarrer Bescheid, Lukas.«

Sie eilten ins Haus zurück …

*

Als Sebastian eine halbe Stunde später auf Hubertusbrunn eintraf, war sein Bruder schon vor Ort.

»Die zweite Warnung«, gab Max zu verstehen, nachdem er Sebastians Gruß erwidert hatte. Auch Georg Meyerling und Lukas Berger befanden sich im Schlosshof. Die Jugendlichen, die die Neugier aus ihrer Unterkunft getrieben hatte, waren von Max zurückgeschickt worden. Sie hätten womöglich wertvolle Spuren zerstört.

»Sie haben sechs Fenster zerschlagen«, berichtete Georg, »außerdem die beiden Amphoren. Die Blumen beim Brunnen sind auch nicht mehr zu retten. Der Schaden dürfte sich im unteren vierstelligen Bereich bewegen.«

Sebastians Gesicht war ernst und verschlossen. Vor nicht allzu langer Zeit hatte jemand hier auf Hubertusbrunn einen Geräteschuppen in Brand gesteckt. Und nun dies! Und sofort geisterte ein Name durch Sebastians Bewusstsein: Heribert Lebegern.

Der schwerreiche Unternehmer aus München, der beabsichtigte, im Ainringer Forst eine Sommerrodelbahn zu errichten, hatte sich in den Kopf gesetzt Schloss Hubertusbrunn zu erwerben. Sebastian hatte ihm jedoch deutlich gesagt, dass das Jagdschloss unverkäuflich sei. Bald danach war in der Nacht der Geräteschuppen ausgebrannt. Und jetzt, nur kurze Zeit später, wieder eine Attacke aufs Schloss. Sicher, der Schaden hielt sich in Grenzen. Aber demjenigen, der diesen Überfall angezettelt hatte, ging es nicht darum, großen Schaden anzurichten. Er wollte zermürben, sein Ziel war es, ihn, den Besitzer von Hubertusbrunn, zu entnerven.

Max fragte: »Was denkst du? Wer steckt dahinter?«

»Es wär’ gefährlich, es laut auszusprechen, nachdem gegen mich eh schon eine Anzeige wegen falscher Verdächtigung läuft«, antwortete Sebastian Trenker. »Du weißt, von wem ich spreche.«

Max nickte. »Auch wenn du den Namen net aussprechen willst, weiß ich, an wen du denkst.« Er hob die Hände, ließ sie wieder sinken und endete: »Mir bleibt es nur, die Kripo in Garmisch zu verständigen, damit sie ein Team herschickt, das sich umsieht und Spuren sichert.«

»Außer den Fußspuren in den ­zertrampelten Blumenbeeten und Scherben werden sie wenig finden. Das wird net ausreichen, um die Täter zu identifizieren oder einen Schluss auf den Auftraggeber zuzulassen«, murmelte Sebastian skeptisch.

»Vielleicht solltest du ein paar Überwachungskameras installieren lassen«, schlug Max vor. »Denn es ist sehr wahrscheinlich, dass die Kerle noch ein weiteres Mal zuschlagen.«

»Ja«, murmelte Sebastian nachdenklich nickend, »das werde ich wohl.« Er wandte sich an den Verwalter. »Wir sollten den Vorschlag meines Bruders so schnell wie möglich in die Tat umsetzen, Georg. Würden Sie sich darum kümmern? Ich will, dass die gesamte Anlage videoüberwacht wird.«

»Sicher, Hochwürden, ich kümmer’ mich drum«, nickte Georg Meyerling.

»Und rühren Sie nichts an, solange die Kripo-Leute aus Garmisch net alles besichtigt, fotografiert und eventuelle Spuren gesichert haben«, mahnte Max.

»Natürlich net«, versicherte der Verwalter. »Diese elenden Kerle. Ich könnt’ weinen, wenn ich unsere schönen Blumenbeete anschau’. Wir können alles ausreißen und auf den Kompost schmeißen.«

»Den finanziellen Schaden können wir ersetzen«, sagte Sebastian. »Die Sorge aber, dass diese gemeinen Vandalen ein weiteres Mal zuschlagen, bleibt uns. Drum sehen S’ zu, dass die Kameras so bald wie möglich installiert werden.«

»Keine Sorge, Hochwürden«, erklärte Meyerling. »Wird sofort erledigt.«

»Ich verlass’ mich auf Sie. Hier werd’ ich wohl nimmer gebraucht«, meinte Sebastian. »Sagen S’ mir aber Bescheid, Georg, wenn S’ den Auftrag erteilt haben.«

Der Verwalter sicherte es zu und der Bergpfarrer verabschiedete sich von ihm und Lukas.

Sebastian ging zu seinem Auto und fuhr gleich darauf davon. Der erneute Anschlag hatte ihn zutiefst getroffen. Es war sicher nur eine Frage der Zeit, bis er erneut zuschlug. Und es war nicht auszuschließen, dass der nächste Anschlag weitaus mehr Schaden verursachte, als der in dieser Nacht verübte. Möglicherweise gerieten dann sogar Menschen in Gefahr. Den Tätern und ihrem Auftraggeber musste das Handwerk so schnell wie möglich gelegt werden.

*

Tags darauf, es war siebzehn Uhr vorbei. Vor dem Lacknerhof, er lag etwa zehn Gehminuten außerhalb von St. Johann, hielt ein orangefarbener Mini Cooper mit weißem Dach. Soeben hatte die wohlklingende Frauenstimme des Navigators verkündet: ›Sie haben ihr Ziel erreicht.‹

»Gott sei dank«, sagte Jessica Kurz, die am Steuer saß. »Ich dachte schon, St. Johann liegt am Ende der Welt.«

»Es liegt am Ende der Welt«, erklärte Deborah Mahler, die beste Freundin Jessicas, mit Nachdruck. »Wetten, dass sich hier Fuchs und Hase gute Nacht sagen.«

Jessica lachte. »Mag sein. Wenn es so ist, dann ist es doch genau das, was wir gesucht haben. Zwei Wochen Urlaub auf dem Bauernhof, zwei Wochen ohne Stress, ohne Hektik, in denen wir uns richtig erholen können.« Sie befreite sich vom Sicherheitsgurt, öffnete die Tür und stieg aus.

Auf der Beifahrerseite kämpfte sich Deborah aus dem Mini. Beide Frauen waren fünfundzwanzig Jahre alt. Während Jessica dunkelhaarig und sehr schlank war, war die rot-blonde Deborah eher gut gerundet. Sie schauten sich um.

Jessica sah bewaldete Berge, hinter denen sich der graue Fels des Hochgebirges erhob, abgeerntete Felder und Äcker sowie Wiesen, auf denen riesige, runde Heuballen lagen.

»Schön hier«, murmelte die hübsche junge Frau und lächelte versonnen. »Keine Lifte, keine riesigen Hotels, nichts, was die bildschöne Landschaft stört. Hier könnte ich, glaube ich, leben.«

Deborah war nicht so begeistert, sie verzog den Mund und erwiderte spöttisch: »Dann lach dir einfach einen von den Bauernburschen an. Davon gibt es bestimmt genug. Das kennt man doch aus dem Fernsehen. Du heiratest einen von ihnen, ziehst hierher und kannst jeden Tag diese Schönheit, die so großen Eindruck auf dich zu machen scheint, genießen.«

»Gefällt es dir hier nicht?«

»Doch, schon. Aber es für mich kein Grund, gleich auszuflippen. Äcker, Wald und Wiesen gibt es auch um Lüdenscheid herum.«

»Aber kein Gebirge!«, rief Jessica.

»Doch, das Ebbegebirge«, verbesserte sie Deborah.

Jessica lachte amüsiert auf. »Der höchste Berg dort ist etwas über sechshundert Meter hoch. Gegen diese Berge hier, eher ein Hügel... «

»Na schön, wo du recht hast, hast du recht«, gab sich Deborah geschlagen. Sie wies zu dem Bauernhof hinüber. »Da ist jemand. Wahrscheinlich gehört er zum Hof.«

In der Tat kam ein groß gewachsener, schlanker Mann mit blonden, kurzen Haaren auf sie zu. Er trug Jeans und ein weißes T-Shirt, seine Füße steckten in schwarzen Sportschuhen. »Grüß Gott. Sie sind sicher die beiden Urlauberinnen aus dem Sauerland, die heut’ ankommen sollen.«

Jessica erwiderte das Lächeln des stattlichen Burschens: »Sehr richtig. Mein Name ist Jessica Kurz. Das ist meine Freundin Deborah Mahler. Und Sie sind?«

»David Lackner, ich bin der Jungbauer. Herzlich willkommen auf dem Lacknerhof. Sie können, wenn S’ wollen, Ihr Auto im Hof abstellen. Sie können S’ aber auch hier stehen lassen. Dann müssen wir halt Ihr Gepäck sein Stückel weiter schleppen.«

»Wenn das so ist«, lachte Jessica, »dann fahre ich bis vor das Haus. Jessica setzte sich wieder ans Steuer, startete den Motor und fuhr langsam auf den Hof.

David und Deborah folgten zu Fuß. »Waren S’ schon mal in den Bergen?«, fragte der Bursche.

»Zweimal«, antwortete Deborah. »Einmal in Berchtesgaden, und einmal in der Nähe von Bozen, Südtirol. Aber das ist schon sehr lange her.«

»Hier wird’s Ihnen gefallen. St. Johann hat sich viel von seiner Ursprünglichkeit erhalten. Unser Pfarrer achtet sehr darauf, dass es so bleibt. Typischen Massentourismus, mit Sportanlagen und Party-Trubel, kennen wir hier net. Die Leut’, die zu uns kommen, wollen sich entspannen und einen erholsamen Urlaub erleben. Und das ist bei uns garantiert.«

»Aha.« Deborah drehte etwas den Kopf und schaute hoch in sein Gesicht. ›Ein recht attraktiver Bursche‹, dachte sie.

Er grinste sie an. Die blauen Augen in dem sonnengebräunten, markanten Gesicht blitzten.

Deborah hakte nach. »Heißt das, dass es hier nichts gibt, wo man mal so richtig abtanzen kann? Keine Disko, kein Nachtclub?«

»An den Samstagen ist Tanz im Hotel ›Zum Löwen‹. Da treten dann die ›Wachnertaler Buam‹ auf, hin und wieder auch Sänger oder Volksmusikgruppen.«

Wieder machte Deborah nur: »Aha«. Das musikalische Angebot schien sie nicht gerade zu begeistern.

Sie erreichten den Mini, den Jessica vor dem Wohnhaus abgestellt hatte. Sie war ausgestiegen und hob schon eine Reisetasche vom Rücksitz. Dort waren noch eine weitere Reisetasche und zwei kleinere Koffer deponiert, denn der Kofferraum des Minis war viel zu klein für das Reisegepäck der jungen Frauen.

David half seinen neuen Gästen Taschen und Koffer ins Haus zu tragen.

Aus einer der Türen trat eine ältere Frau. Ihre blau-grauen Augen blickten müde drein. Aber sie lächelte freundlich.

»Darf ich vorstellen«, rief David, »meine Mutter, Katharina Lackner. Mama, das sind unsere neuen Urlaubsgäste. Frau Kurz und Frau Mahler.«

Hinter Katharina Lackner zeigte sich eine dunkelhaarige Frau, etwa fünfundzwanzig Jahre alt. Ihr Gesicht war sonnengebräunt, die Augen waren von einem dunklen Braun.

»Und das ist Johanna«, erklärte David, »der gute Geist unseres Hauses. Johanna geht meiner Mutter, die starkes Rheuma hat, zur Hand. Sie kommt täglich für einige Stunden zu uns auf den Hof und erledigt die Arbeiten, die die Mama nimmer verrichten kann. Ich bin nämlich auch ziemlich eingespannt und müsst’ die Hofarbeit vernachlässigen, wenn ich die Johanna net hätt’. Mein Papa leidet an Asthma und kann auch nimmer recht, sodass sehr viel Arbeit an mir hängen bleibt.«

»Grüaß Gott«, grüßte Johanna freundlich. »Und herzlich willkommen auf dem Lacknerhof.«

»Auch von mir ein herzliches Willkommen«, sagte Katharina. »Ihre Zimmer hat die Johanna schon hergerichtet. Frühstück gibt’s ab sechs Uhr morgens, Abendessen ab achtzehn Uhr. Wenn S’ Fragen haben, oder wenn was net so passt, wie Sie’s wollen, dann machen S’ aus ihrem Herzen keine Mördergrube, sondern wenden S’ sich an die Johanna, den David oder an mich.«

»Dann zeig ich Ihnen mal Ihre Zimmer«, sagte David.

»Die Zimmerschlüssel stecken«, erklärte Johanna Seibold.

*

Sebastian Trenker rief bei seinem Bruder an, als sich der Tag seinem Ende zuneigte. »Haben deine Kollegen aus Garmisch etwas herausgefunden?«

»Außer einigen Schuhabdruckspuren in den Blumenbeeten, die sie gesichert haben, gibt’s nix. Aber das hab’ ich dir ja beim Mittagessen schon erzählt. Die Kripoleute haben vor zwei Stunden die Arbeit beim Jagdschloss beendet und dem Meyerling erklärt, dass er aufräumen kann. Was Neues hat sich net ergeben.«

»Es schaut also schlecht aus, den Tätern auf die Spur zu kommen«, resümierte Sebastian. »Hast du mit deinen Kollegen über meine Absicht, Überwachungskameras zu installieren, gesprochen?«

»Natürlich. Sie sind auch der Meinung, dass das das Beste ist, was du machen kannst. Dass diese Schufte noch einmal kommen, davon waren die Kollegen ebenso überzeugt wie du und ich. Hat der Meyerling schon eine Firma beauftragt?«

»Ja. Morgen oder übermorgen kommen zwei Leute, um sich das Jagdschloss und seine Nebengebäude anzusehen und zusammen mit Georg und Lukas festzulegen, wo Kameras installiert werden sollen.«

»Okay. Ich mach’ jetzt Feierabend. Mit der Claudia hab’ ich heut’ Nachmittag telefoniert. Sie wird einen Artikel über den nächtlichen Anschlag auf Hubertusbrunn veröffentlich. Vielleicht hat jemand etwas beobachtet und wir erhalten den einen oder anderen nützlichen Hinweis. Kann man’s wissen? Kommissar Zufall hat schon so manchen Fall aufgeklärt.«