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Der Wesenskern systemischen Denkens liegt in einer einfachen, aber folgenreichen Unterscheidung: der zwischen System und Umwelt. Sie verlangt, dass für unterschiedliche Arten von Systemen unterschiedliche System-Umwelt-Unterscheidungen getroffen werden. Biologische, psychische und soziale Prozesse stehen in wechselseitiger Beziehung zueinander: Wo die Aufmerksamkeit auf psychische Systeme fokussiert, sind soziale und biologische Systeme jeweils Umwelten. Wo soziale Systeme in den Fokus genommen werden, sind psychische und biologische Systeme Umwelten. Es ist nicht möglich, eine Unterscheidung zu fassen, die allen anderen Unterscheidungen zugrunde läge oder diese von ihr herleiten ließe – außer eben der formalen und allgemeinen zwischen System(en) und Umwelt(en). Dieser Ansatz wird häufig als Provokation erlebt, scheint er doch die Idee des ganzen Menschen und einer menschlichen Identität aufzugeben oder aktiv zu unterlaufen. Welche großen Chancen zu hilfreichen Einsichten und welche enormen Grade an Eigenwirksamkeit aber gerade in dieser methodischen Fragmentierung liegen, arbeitet Fritz B. Simon in diesem Buch klar und transparent heraus. Für Arbeitsfelder wie Psychotherapie, Psychiatrie, Coaching, Organisationsberatung und – last not least – bürgerschaftliches Engagement ermöglicht es eine im wahrsten Sinne aufgeklärte Haltung. Man könnte sagen: Drunter ist es nicht zu haben. Aber der Einsatz lohnt sich. "Formen" ist ein Buch für Menschen, die Lust am genauen und seine eigenen Folgen reflektierenden Denken haben. Und hier geht es weiter: formen-blog.de
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Seitenzahl: 270
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Systemische Horizonte – Theorie der Praxis
Herausgeber: Bernhard Pörksen
»Irritation ist kostbar.«Niklas Luhmann
Die wilden Jahre des Konstruktivismus und der Systemtheorie sind vorbei. Inzwischen ist das konstruktivistische und systemische Denken auf dem Weg zum etablierten Paradigma und zur normal science. Die Provokationen von einst sind die Gewissheiten von heute. Und lange schon hat die Phase der praktischen Nutzbarmachung begonnen, der strategischen Anwendung in der Organisationsberatung und im Management, in der Therapie und in der Politik, in der Pädagogik und der Didaktik. Kurzum: Es droht das epistemologische Biedermeier. Eine Außenseiterphilosophie wird zur Mode – mit allen kognitiven Folgekosten, die eine Popularisierung und praxistaugliche Umarbeitung unvermeidlich mit sich bringt.
In dieser Situation ambivalenter Erfolge kommt der Reihe Systemische Horizonte – Theorie der Praxis eine doppelte Aufgabe zu: Sie soll die Theoriearbeit vorantreiben – und die Welt der Praxis durch ein gleichermaßen strenges und wildes Denken herausfordern. Hier wird der Wechsel der Perspektiven und Beobachtungsweisen als ein Denkstil vorgeschlagen, der Kreativität begünstigt.
Es gilt, die eigene Intelligenz an den Schnittstellen und in den Zwischenwelten zu erproben: zwischen Wissenschaft und Anwendung, zwischen Geistes- und Naturwissenschaft, zwischen Philosophie und Neurobiologie. Ausgangspunkt der experimentellen Erkundungen und essayistischen Streifzüge, der kanonischen Texte und leichthändig formulierten Dialoge ist die Einsicht: Theorie braucht man dann, wenn sie überflüssig geworden zu sein scheint – als Anlass zum Neu- und Andersdenken, als Horizonterweiterung und inspirierende Irritation, die dabei hilft, eigene Gewissheiten und letzte Wahrheiten, große und kleine Ideologien so lange zu drehen und zu wenden, bis sie unscharfe Ränder bekommen – und man mehr sieht als zuvor.
Bernhard Pörksen, Professor für Medienwissenschaftan der Universität Tübingen
Fritz B. Simon
Zur Kopplung von Organismus,Psyche und sozialen Systemen
2018
Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats des Carl-Auer Verlags:
Prof. Dr. Rolf Arnold (Kaiserslautern)
Prof. Dr. Dirk Baecker (Witten/Herdecke)
Prof. Dr. Ulrich Clement (Heidelberg)
Prof. Dr. Jörg Fengler (Köln)
Dr. Barbara Heitger (Wien)
Prof. Dr. Johannes Herwig-Lempp (Merseburg)
Prof. Dr. Bruno Hildenbrand (Jena)
Prof. Dr. Karl L. Holtz (Heidelberg)
Prof. Dr. Heiko Kleve (Witten/Herdecke)
Dr. Roswita Königswieser (Wien)
Prof. Dr. Jürgen Kriz (Osnabrück)
Prof. Dr. Friedebert Kröger (Heidelberg)
Tom Levold (Köln)
Dr. Kurt Ludewig (Münster)
Dr. Burkhard Peter (München)
Prof. Dr. Bernhard Pörksen (Tübingen)
Prof. Dr. Kersten Reich (Köln)
Prof. Dr. Wolf Ritscher (Esslingen)
Dr. Wilhelm Rotthaus (Bergheim bei Köln)
Prof. Dr. Arist von Schlippe (Witten/Herdecke)
Dr. Gunther Schmidt (Heidelberg)
Prof. Dr. Siegfried J. Schmidt (Münster)
Jakob R. Schneider (München)
Prof. Dr. Fritz B. Simon (Berlin)
Dr. Therese Steiner (Embrach)
Prof. Dr. Dr. Helm Stierlin (Heidelberg)
Karsten Trebesch (Berlin)
Bernhard Trenkle (Rottweil)
Prof. Dr. Sigrid Tschöpe-Scheffler (Köln)
Prof. Dr. Reinhard Voß (Koblenz)
Dr. Gunthard Weber (Wiesloch)
Prof. Dr. Rudolf Wimmer (Wien)
Prof. Dr. Michael Wirsching (Freiburg)
Themenreihe »Systemische Horizonte«
hrsg. von Bernhard Pörksen
Umschlaggestaltung: Uwe Göbel
Satz: Verlagsservice Hegele, Heiligkreuzsteinach
Printed in Germany
Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck
Erste Auflage, 2018
ISBN 978-3-8497-0225-0 (Print)
ISBN 978-3-8497-8129-3 (ePub)
© 2018 Carl-Auer-Systeme Verlag
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Vorwort
1Beobachter
2Beobachten
3Operation, Funktion, Prozess
4Form
5Verwendete Zeichen (Gebrauchsanweisung)
6Beobachten des Beobachtens (= Beobachten 2. Ordnung)
7Zusammengesetzte vs. nicht-zusammengesetzte Einheiten
8Merkmale beobachteter Einheiten
9Ausdifferenzierung vs. Kopplung
10Raum und Zeit
11Strukturen und Muster von Kopplungen
12Räumliche Muster/Strukturen
13Zeitliche Muster/Strukturen
14Konstanz vs. Wandel
15Fremdorganisation
16Selbstorganisation
17Nicht-lebende selbstorganisierte Systeme
18Lebende und Leben voraussetzende Systeme (= autopoietische Systeme)
19Medien
20Lebende Systeme (= Organismen)
21Soziale Systeme (= Gesellschaftliche Systeme)
22Psychische Systeme (= Bewusstsein/Bewusstseinssysteme)
23Kopplung Organismus / ökologische Nische
24Kopplung Organismus / psychisches System
25Kopplung psychisches System / soziales System
26Kopplung Organismus / soziales System
27Kopplungsmuster
28Kognitive Systeme: Daten, Informationen, Wissen, Lernen, Intelligenz
29Geburt
30Unbewusstes
31Selbstorganisation des individuellen Weltbilds
32Präverbale Psychodynamik
33Kommunikation
34Sprechen und Sprache
35Spracherwerb
36Spiele und Spielregeln
37Face-to-Face-Kommunikation
38Beschreiben, Erklären, Bewerten
39Medien des Wahrnehmens und Beschreibens
40Paradigmen des Erklärens / der Hypothesenbildung
41Kriterien des Bewertens (= Wertmaßstäbe)
42Verhalten vs. Handeln
43Integrierte Formen der Weltsicht: Geschichten vs. Theorien
44Personen
45Beziehungsformen
46Pragmatische Paradoxien
47Soziale Differenzierungsformen
48Problemdeterminierte Systeme
49Paar
50Familie
51Freundschaft
52Kultur
53Kooperation
54Netzwerk
55Organisation
56Gruppe (= Team)
57Masse
58Theater/Öffentlichkeit
59Markt
60Religionsgemeinschaft
61Gesellschaftliche Differenzierung
62Segmentäre Differenzierung
63Zentrum-Peripherie-Differenzierung
64Schichtung (= Stratifizierung)
65Funktionale Differenzierung
66Die »nächste Gesellschaft« (= next society)
67Konflikt
68Soziale, psychische und körperliche Konflikte
69Konfliktdeterminierte kulturelle Muster
70Pseudo-Konsens-Muster
71Splitting-Muster vs. Boom-Bust-Muster
72Chaos-Muster
73Abweichendes Verhalten
74Biologische Erklärungen abweichenden Verhaltens
75Psychologische Erklärungen abweichenden Verhaltens
76Soziologische Erklärungen abweichenden Verhaltens
77Krankheit
78Psychische Störungen
79Selbstreparatur und Intervention
80Exkommunikation
81Psychose
82Psychotische Kognition
83Psychotische Affektivität
84Selbstdefinition und persönliche Identität
85Tod (= Ende der Autopoiese)
Über den Autor
Der vorliegende Text beschäftigt sich auf einer ganz allgemeinen Ebene mit der Frage nach den Wechselbeziehungen zwischen dem Organismus des Menschen, seiner Psyche und den sozialen Systemen, in denen er lebt bzw. an denen er sich beteiligt – genauer gesagt: den Wechselbeziehungen zwischen der Dynamik biologischer Prozesse, der individuellen Psychodynamik und den Kommunikationsmustern in gesellschaftlichen Systemen.
Da diese Fragestellung sehr allgemein gehalten ist, war die Fokussierung der Aufmerksamkeit und eine entsprechende Schwerpunktsetzung nicht zu vermeiden. Sie ist geleitet von meinen im Laufe meines professionellen Lebens entwickelten Interessen als Psychiater, Organisationsberater und, nicht professionell, als Bürger.
Das theoretische Rüstzeug zur Bearbeitung dieser Fragestellungen liefern Konstruktivismus und Systemtheorie. Zu Beginn meiner beruflichen Tätigkeit, in den Nach-1968er-Jahren, herrschte in der Psychiatrie heftiger Streit der Ideologien: Auf der einen Seite des Spektrums diskutierte die Antipsychiatrie, wie kapitalistische Produktionsverhältnisse den Wahnsinn des Individuums produzieren, und auf der anderen Seite des Spektrums vertraten Biopsychiater ganz traditionell die These, »Geisteskrankheiten« seien Krankheiten des Gehirns, und in der Mitte, irgendwo zwischendrin, meinten wohlmeinende Sozialpsychiater, es seien die Institutionen, d. h. die Organisation der Psychiatrie, die für das Elend und die Chronifizierung der Anstaltsinsassen verantwortlich zu machen sind.
Die Theorien, auf die sie sich jeweils bezogen, operierten auf ganz unterschiedlichen Abstraktionsebenen, was ihren Wert für den Praktiker reduzierte. Sollte der Psychiater, der alltäglich mit Leuten zu tun hatte, die sich irgendwie »verrückt« verhalten, darauf warten, dass der Kapitalismus überwunden wird? Oder sollte er seine Hoffnung darauf setzen, dass – wie alle paar Wochen verkündet wurde (und immer noch wird) – endlich die biologische Ursache »der« Schizophrenie gefunden ist und das dazu passende Pharmakon? – Alternativen, die wenig überzeugend waren und es immer noch nicht sind …
Systemtheorie und Konstruktivismus lieferten hingegen einen hinreichend abstrakten, transdisziplinären Rahmen, der in Biologie, Psychologie und Soziologie verwendbar war, und sich jeweils, den konkreten praktischen Fragestellungen entsprechend, mit Inhalten füllen ließ. Das bestätigte sich für mich später auch in der Organisationsforschung und Organisationsberatung.
Das generelle Problem ist ja, dass jeder Mensch es im Alltag mit unterschiedlichen Bereichen der Wirklichkeit zu tun hat, die unterschiedlichen Spielregeln und Logiken folgen und nicht im Sinne geradliniger Ursache-Wirkung-Beziehungen aufeinander zurückgeführt werden können. Konstruktivistische Ansätze werden der Situation des Menschen, dass er als Beobachter durch die Welt geht, der nicht alles gleichzeitig beobachten kann und eine Auswahl treffen muss, in besonderer Weise gerecht. Sie bilden auch die Grundlage für die Beantwortung der Frage, wie die Art des Beobachtens das beeinflusst, was beobachtet wird. Die Systemtheorie kann aufgrund ihrer Abstraktheit genutzt werden, um Wechselbeziehungen zwischen beobachtenden und beobachteten Systemen zu analysieren, auch wenn sie unterschiedlicher Materialität sein sollten. Da es um ziemlich abstrakte Fragestellungen geht, fallen die hier präsentierten Bestrebungen, Antworten zu finden, auch ziemlich abstrakt aus.
Dass diese Bestrebungen zu einem großen Teil mit denen anderer Autoren zusammenfallen, will ich hier ausdrücklich betonen. Ja, was ich hier geschrieben habe, macht im Einzelnen überhaupt nicht den Anspruch auf Neuheit; und darum gebe ich auch keine Quellen an, weil es mir gleichgültig ist, ob das, was ich gedacht habe, vor mir schon ein anderer gedacht hat.
Nur das will ich erwähnen, dass ich den großartigen Werken von Gregory Bateson, Jon Elster, Sigmund Freud, Ernst von Glasersfeld, Erving Goffman, Edward T. Hall, Humberto Maturana, Niklas Luhmann, Charles Osgood, Jean Piaget, Francisco Varela, Georg-Hendrik von Wright, Benjamin L. Whorf und Ludwig Wittgenstein einen großen Teil der Anregungen zu meinen Gedanken schulde.
Hervorzuheben ist George Spencer-Brown, dessen Gesetzen der Form der vorliegende Text nicht nur seinen Namen verdankt, sondern auch die zentralen Begriffe: Unterscheidung (distinction) und Bezeichnung (indication), die, um der Klarheit willen, im hier vorgelegten Text meist zusammen mit ihrer deutschen Version verwendet werden. Hinzu kommt in den Abbildungen die Nutzung der Spencer-Brownschen Notation (»Kreuze«). Ich bin mir sicher, dass George Spencer-Brown mit meinem Gebrauch seiner Notation, ja, wahrscheinlich auch dem seiner Begrifflichkeit nicht einverstanden wäre, so, wie ich ihn in unserer gemeinsamen, recht konflikthaften Geschichte erlebt habe. Das heißt hier aber nur, dass er für eventuellen Quatsch, den ich hier publiziere, nicht verantwortlich zu machen ist – genauso wenig wie einer der anderen genannten Autoren.
Zu den explizit erwähnten Autoren kommen wahrscheinlich noch viele andere hinzu, von denen mir manchmal nicht mal mehr bewusst sein dürfte, was ich ihnen verdanke bzw. welche Ideen oder Einsichten ich von ihnen geklaut habe. Sie seien sicherheitshalber schon einmal um Verzeihung gebeten. Bewusst bin ich mir jedoch der Tatsache, dass ich von einigen Kollegen – manche von ihnen vorübergehend, andere immer noch, Freunde – mit denen ich zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedlich eng praktisch zusammengearbeitet und unterschiedlich heftig (nicht nur) über Theoriefragen gestritten habe, außerordentlich angeregt wurde. Ihnen allen danke ich hiermit. Es sind: Dirk Baecker, Luigi Boscolo, Gianfranco Cecchin, Luc Ciompi, Hans Rudi Fischer, Heinz von Foerster, Arnold Retzer, Raoul Schindler, Gunther Schmidt, Helm Stierlin, Matthias Varga von Kibéd, Paul Watzlawick, Gunthard Weber, Helmut Willke und Rudi Wimmer. Mein besonderer Dank gilt Torsten Groth, Gerhard Krejci und Matthias Ohler, die den Text durchgesehen und wichtige Anregungen zu seiner Verbesserung gegeben haben. Trotzdem gehen natürlich alle Fehler, unnötige Redundanzen und andere Unmöglichkeiten, die sich im Text wahrscheinlich ja finden lassen, auf mein Konto.
Eine weitere Vorbemerkung ist nötig. Die Fokussierung der Aufmerksamkeit, die ich vorgenommen habe, ist autobiografisch zu erklären, d. h. fast alles, was ich hier geschrieben habe, habe ich mehr oder weniger schon an anderer Stelle publiziert, allerdings nicht in der hochgradig kondensierten Form, die ich hier gewählt habe. (Wer an den verwendeten Quellen interessiert ist, sei daher auf meine anderen Publikationen mit ausführlichen Literaturverzeichnissen verwiesen).
Zum Schluss noch eine Warnung: Ich habe hier so gearbeitet, wie ein begeisterter Kleingärtner seinen Rasen mäht, der zunächst eine senkrechte Spur legt, dann eine waagrechte, dann wider eine senkrechte usw., und am Schluss auch noch die Kanten von übrig gebliebenen Grashalmen mit der Schere zu befreien versucht. Anders gesagt: Ich habe keinerlei Versuche unternommen, meine eigene Zwanghaftigkeit unter Kontrolle zu bekommen. Das hat im besten Fall zwar zu einer gewissen Präzision von Formulierungen geführt (hoffe ich), im schlechtesten zu überflüssigen Redundanzen und kleinkarierter Betonung von Unterschieden, über die man im Alltagsdiskurs ohne Weiteres hinweggehen kann (befürchte ich).
Das muss man mögen …
Und, um Missverständnissen vorzubeugen: Der ganze Text sollte nur als ein Versuch verstanden werden (= work in progress) …1
1 Bei der Betrachtung von Texten hat sich bewährt, zwischen strengem und lockerem Denken zu unterscheiden. Strenges Denken ist durch konsistentes Argumentieren und Schließen bestimmt. Es charakterisiert (im Idealfall) die Spielregeln der Wissenschaften. Ziel sind Aussagen, die interpersonell überprüfbar und/oder zumindest in ihrer Logik nachvollziehbar sind. Lockeres Denken hingegen ist privatistisch, es nutzt Analogien und Ähnlichkeiten, folgt freien Assoziationen, und seine Schlussfolgerungen können keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit erheben. Im vorliegenden Text habe ich mich als Autor um strenges Denken bemüht (was mir ja trotz aller Zwanghaftigkeit immer nur mehr oder weniger gelingt). Solch ein Denken ist unvermeidlich reduziert, denn der zweite, meist viel kreativere Aspekt menschlichen (d. h. hier: meines) Denkens, die freien Assoziationen, der Niederschlag persönlicher Erfahrungen und surreale oder wirre Ideen, die den eigentlichen Grund für die Bemühung um Strenge bilden, bleiben um der Strenge willen ausgeblendet.
Deshalb habe ich mich entschlossen, parallel zum Korrigieren der Fahnenabzüge des vorliegenden Textes meine freien Assoziationen und Anmerkungen – die aus dem Augenblick geboren sind – niederzuschreiben und in Form eines Blogs auf der Website der Carl-Auer Akademie unter dem Titel »Freie Assoziationen zu Formen« zu publizieren (www.formen-blog.de). Dies ermöglicht weniger starre Texte, die relativ leicht änderbar sind, in Bewegung bleiben können. Verstärkt wird diese Fluidität dadurch, dass in einem Blog auch der Leser seine Kommentare beisteuern kann und dort auch die kaum zu vermeidenden Missverständnisse zwischen Autor und Leser diskutiert und, wenn wahrscheinlich auch nicht geklärt, so doch wenigstens klar werden können …
Dieses Format hat experimentellen Charakter, mehr noch als der bzw. jeder gedruckte Text, dessen stabile Form als Chance wie als Risiko zu betrachten ist. Mal sehen, was dabei herauskommt – vielleicht ja die Notwendigkeit, den Ursprungstext radikal zu überarbeiten …
Alles, was gesagt wird, wird von einem Beobachter zu einem Beobachter (der er selbst sein kann) gesagt.
Als Beobachter soll definiert sein, wer oder was (das heißt, es muss sich dabei nicht um einen Menschen oder ein Lebewesen handeln) einen spezifischen Typus von Operation vollzieht: beobachten.
Alles, was über beobachten im Allgemeinen gesagt wird, gilt auch für das Beobachten des Beobachtens (= Beobachten 2. Ordnung).
Was im vorliegenden Text über die Operation des Beobachtens (= Beobachten 1. Ordnung) geschrieben wird, ist als Beobachten 2. Ordnung zu betrachten.
Alles, was von einem Beobachter (zu sich selbst oder einem anderen Beobachter) gesagt wird, setzt das Verstehen von Sprache voraus, was dazu führt, dass im Folgenden zwangsläufig Worte verwendet werden müssen, deren Verstehen vorausgesetzt wird, obwohl sie (noch) nicht definiert sind: ein Problem, das hier wie beim natürlichen Spracherwerb dadurch gelöst wird, dass die Bedeutungen der Worte sich zunächst allein durch ihren Gebrauch erschließen, aber, wenn ihr hier vorgeschlagener Gebrauch von der Umgangssprache abweicht, sie im Laufe des Textes explizit definiert werden.
Unter Beobachten soll eine Operation verstanden werden, die durch die Kopplung zweier anderer Operationen entsteht: unterscheiden und bezeichnen.
Unterscheiden: Jede Operation, durch die ein Raum, Zustand oder Inhalt (= eine Welt) geteilt wird.
Die Operation des Unterscheidens erzeugt eine abgegrenzte Einheit und einen Kontext bzw. eine Umwelt dieser Einheit (= Rest der Welt).
Durch die Operation des Unterscheidens entsteht ein Raum, Zustand oder Inhalt, der innerhalb der so entstandenen Einheit verortet ist, und ein Raum, Zustand oder Inhalt, der außerhalb dieser Einheit verortet ist (= Innen-außen-Unterscheidung).
Der Raum, Zustand oder Inhalt auf der Innenseite der Einheit lässt sich durch mindestens ein dort (= innen) verortetes Merkmal (= definierendes Merkmal) charakterisieren, das auf der Außenseite (= außen) nicht zu finden ist.
Die Seite des Unterscheidens, auf der ein oder mehrere definierende Merkmale verortet werden, soll markierter Raum, Zustand oder Inhalt genannt werden.
Die durch das Fehlen der jeweiligen definierenden Merkmale charakterisierte Seite des Unterscheidens soll unmarkierter Raum, Zustand oder Inhalt genannt werden.
Unmarkierte Räume, Zustände oder Inhalte bleiben unbemerkt, d. h. unbeobachtet.
Wenn unmarkierte Räume, Zustände oder Inhalte (= Außenseite der Unterscheidung) ihrerseits aufgrund von Merkmalen, die von denen der Innenseite abweichen, markiert werden, werden auch sie beobachtet (= bemerkt) und produzieren ihrerseits eine unmarkierte (= unbemerkte) Außenseite der Unterscheidung.
Unterscheiden kann als elementare Operation jeder Strukturbildung – nicht nur des Beobachtens – betrachtet werden (der erste Akt jeder Genesis).
Innerhalb der Räume, Zustände oder Inhalte auf der Innenseite eines Unterscheidens kann weiter unterschieden (= differenziert) werden.
Mehrere unterschiedene Merkmale bzw. Räume, Zustände oder Inhalte, die auf der Innenseite des Unterscheidens verortet werden, sind miteinander assoziiert.
Unterschiedene Merkmale bzw. Räume, Zustände oder Inhalte, die auf der Außenseite des Unterscheidens verortet werden, sind von den Räumen, Zuständen oder Inhalten auf der Innenseite dissoziiert.
Jedes Unterscheiden wird durch unterschiedliches Bewerten hervorgebracht, das heißt, auf der markierten Seite wird ein Wert (= Merkmal) verortet/zugeschrieben, welcher auf der unmarkierten Seite nicht verortet / nicht zugeschrieben wird (= Motiv des Unterscheidens).
Unterscheiden ist eine Operation, d. h. ein Ereignis, das flüchtig ist, und wie lange sein Ergebnis erhalten bleibt, hängt von dem Medium ab, in dem diese Operation vollzogen wird.
Bezeichnen: Eine zweite Operation des Unterscheidens wird vom Beobachter mit einem ersten Unterscheiden gekoppelt und als Verweis (= zeigen) auf das erste Unterscheiden gebraucht.
Das 1. Unterscheiden soll Unterscheiden (= distinction) genannt werden, das 2. Unterscheiden soll Bezeichnen (= indication) genannt werden.
Welche der gekoppelten Operationen als Unterscheiden (= distinction) und welche als Bezeichnen (= indication) zu betrachten ist, entscheidet der Beobachter.
Beide Operationen (1. und 2. Unterscheiden) können im selben oder in getrennten (= unterschiedenen) Phänomenbereichen erfolgen.
Räume, Zustände oder Inhalte, denen dasselbe definierende Merkmal bzw. dieselben definierenden Merkmale zugeschrieben werden (= Innenseite des 1. Unterscheidens), sollen als identisch bezeichnet werden (= 2. Unterscheiden).
Räume, Zustände oder Inhalte, denen nicht dasselbe definierende Merkmal bzw. nicht dieselben definierenden Merkmale zugeschrieben werden (= auf Außenseite des 1. Unterscheidens verortet), sollen als unterschiedlich bezeichnet werden (= 2. Unterscheiden).
Räume, Zustände oder Inhalte sollen nur dann als identisch bezeichnet werden, wenn ihnen alle definierenden Merkmale gleichermaßen zugeschrieben werden.
Räumen, Zuständen oder Inhalten, die als unterschiedlich bezeichnet werden, wird zumindest ein definierendes Merkmal unterschiedlich zu- bzw. nicht zugeschrieben.
Unterscheiden vs. Bezeichnen: Die definierenden Merkmale des Unterscheidens (= 1. Unterscheiden / distinction) und Bezeichnens (= 2. Unterscheiden / indication) sind in der Regel (das heißt, es gibt Ausnahmen) nicht identisch, das heißt, sie dürfen nicht verwechselt werden.
Wenn Unterscheiden und Bezeichnen in unterschiedlichen Phänomenbereichen erfolgen, so sind sie immer auch durch die jeweils definierenden Merkmale des Phänomenbereichs, in dem sie verortet werden, charakterisiert.
Das Bezeichnen (= 2. Unterscheiden / indication) verweist (= zeigt) auf das Unterscheiden (= 1. Unterscheiden / distinction) als seinen Sinn (= Bedeutung), das heißt, Sinn/Bedeutung des 2. Unterscheidens (= Bezeichnens/Verweisens/Zeigens) ist das 1. Unterscheiden.
Sinn/Bedeutung:Aktuelle Selektion eines gemeinten Raums, Zustands oder Inhalts aus einem beobachterspezifischen Universum möglicher Räume, Zustände oder Inhalte.
Unterscheiden und Bezeichnen können auch im selben Phänomenbereich verortet sein.
Unterscheiden (1. Unterscheiden / distinction) und Bezeichnen (2. Unterscheiden / indication) können auch identisch sein, d. h. nur eine einzige Operation, die gleichzeitig beide Funktionen erfüllt.
Grenze: Der Raum, Zustand oder Inhalt, in dem Innenseite und Außenseite eines Unterscheidens zusammentreffen / getrennt werden, soll Grenze genannt werden.
Aus einer Beobachtungsperspektive auf der Innenseite des Unterscheidens (= Beobachtung 1. Ordnung) gehört die Grenze zum Phänomenbereich der Innenseite.
Aus einer Beobachtungsperspektive auf der Außenseite des Unterscheidens (= Beobachtung 1. Ordnung) gehört die Grenze zum Phänomenbereich der Außenseite.
Ob eine Grenze der Innenseite oder der Außenseite des Unterscheidens zugerechnet werden kann/muss, ist aus einer Beobachtungsperspektive jenseits der Unterscheidung (= Metaperspektive / Beobachtung 2. Ordnung) unentscheidbar (= tertium datur).
Grenzen können aufgrund ihrer die beiden Seiten eines Unterscheidens zugleich trennenden als auch verbindenden Funktion auch als Medium der Kommunikation zwischen den beiden Seiten des Unterscheidens fungieren.
Nicht jedes Unterscheiden produziert eine beobachtbare Grenze zwischen Räumen, Zuständen oder Inhalten innen und außen, die bezeichnet werden können (z. B. beim Unterscheiden zwischen Ideen).
Beobachtung: Ein bestimmtes Unterscheiden und Bezeichnen eines Raums, Zustands oder Inhalts (= innen) mit einer bestimmten Außenseite zu einem bestimmten Zeitpunkt, d. h. ein ein-eindeutiges Ereignis, soll Beobachtung genannt werden.
Beobachtungen als Ereignisse finden immer nur in einer aktuellen Gegenwart (= hier und jetzt) statt.
Wenn über Beobachtungen gesprochen wird, so wird stillschweigend vom Beobachter und der Operation des Beobachtens abstrahiert, das heißt, Beobachtung und Beobachten/Beobachter werden entkoppelt (= de-kontexualisiert).
Beobachtungen, die nicht erinnert werden, sind vergessen.
Bestätigen (= confirmation, Erinnern, Retention): Der Prozess, durch den Beobachtungen Zeit überdauern können, besteht im Erinnern, d. h. dem Wiederholen des Unterscheidens und Bezeichnens, und soll als Bestätigen bezeichnet werden.
Entwerten (= cancellation, Annullieren, Löschen): Der Prozess, durch den Beobachtungen ungeschehen gemacht werden können, indem Unterscheiden und Bezeichnen rückgängig gemacht bzw. widerrufen werden, soll als entwerten bezeichnet werden.
Zeichen: Wenn das Bezeichnen des Unterscheidens eines Raums, Zustands oder Inhalts in einem Medium erfolgt, das über zeitliche und/oder räumliche Abstände hinweg wiederholt und von unterschiedlichen Nutzern gebraucht, d. h. erinnert oder kommuniziert werden kann (z. B. Bilder, Skulpturen, Texte), so soll das Mittel des Bezeichnens Zeichen, Markierung, Symbol oder Namen genannt werden.
Operation: Ein Ereignis, das dem Kreuzen einer hypothetischen Grenze von einem Raum, Zustand oder Inhalt außen zu einem Raum, Zustand oder Inhalt innen oder umgekehrt von einem Raum, Zustand oder Inhalt innen zu einem Raum, Zustand oder Inhalt außen entspricht (= Veränderung), soll Operation genannt werden.
Funktion: Die Wirkung einer Operation soll als ihre Funktion bezeichnet werden.
Jede Operation verbraucht Zeit (= Vorher-nachher-Unterscheidung).
Prozess: Eine geordnete Menge von Operationen, die miteinander (in der Zeit, d. h. gleichzeitig und/oder ungleichzeitig) zu größeren Einheiten gekoppelt sind, soll als Prozess bezeichnet werden.
Die durch Operationen/Prozesse herbeigeführten Veränderungen/Funktionen (= Vorher-nachher-Unterschiede) können unterschiedlich haltbar sein.
Variante 1: Ereignisse dauern nur einen Augenblick, flammen auf und erlöschen sofort.
Variante 2: Prozesse können unterschiedlich lange Zeit dauern, da/wenn sie aus Ereignissen zusammengesetzt sind.
Die Einheit aus Innen- und Außenseite des Unterscheidens soll Form genannt werden.
Durch mehrfaches Unterscheiden entstehen Formen, die aus mehreren Formen gebildet werden.
Durch Kombination unterschiedlicher Formen entstehen komplexe Formen.
Formen sind unterschiedlich haltbar, d. h. den Lauf der Zeit überstehend, abhängig von der (materiellen/ideellen) Beschaffenheit und Haltbarkeit des Mediums, in dem sie gebildet werden.
Kreis: Operationen des Unterscheidens bzw. die durch sie kreierten Einheiten, die im Bereich der materiellen Welt verortet werden, sollen im Rahmen der hier präsentierten Erörterung als Kreise auf einem zweidimensionalen Blatt Papier repräsentiert werden (es kann aber auch jede andere geometrische Figur verwendet werden, deren Grenzen geschlossen sind wie z. B. ein Dreieck, Quadrat, Hexagon):
Figur 1
Der Innenseite und der Außenseite des Unterscheidens bzw. der unterschiedenen Einheit und ihrem Kontext (= ihrer Umwelt) können Namen (= Bezeichnungen) gegeben werden.
Der Kreis (oder die andere verwendete geometrische Figur) kann durch Zeichen, Symbole, Worte, Etiketten, Namen oder Ähnliches ergänzt werden, die auf der Innenseite und/oder Außenseite des Kreises platziert werden, um Räume, Zustände oder Inhalte zu bezeichnen (= benennen), die auf der Innenseite oder Außenseite der unterschiedenen Einheit verortet werden:
Figur 2
Der Kreis (bzw. ein Quadrat o. Ä.) mit seiner Innen- und Außenseite bezeichnet denselben Raum, Zustand oder Inhalt wie die beiden Namen, die den zwei Seiten der unterschiedenen Einheit und ihrem Kontext gegeben werden, das heißt, ein 1. Unterscheiden im Phänomenbereich materieller Ereignisse und Prozesse kann sowohl durch einen Kreis (Quadrat etc.) oder äquivalent dazu durch die Namen für Innenseite und Außenseite des unterschiedenen Raums, Zustands oder Inhalts bezeichnet werden (2. Unterscheiden).
Obwohl Kreis (oder eine andere verwendete geometrische Figur) und Namen in ihrer Funktion als 2. Unterscheiden insofern äquivalent sind, dass sie dasselbe 1. Unterscheiden bezeichnen, unterscheiden sie sich, da sie zu unterschiedlichen Phänomenbereichen gehören und deren Charakteristika aufweisen (zweidimensionale geometrische Figuren vs. Sprache).
Welche Zeichen oder Namen (= Worte) der Innen- und Außenseite der unterschiedenen Einheit zugeordnet werden, ist dem bzw. den Beobachtern – ihrer Willkür bzw. Konvention – überlassen, es müssen lediglich unterschiedliche Zeichen oder Namen sein.
Figur 3
Risiko und Chance jedes materiellen Bezeichnens von Operationen oder anderer Ereignisse (z. B. durch einen Kreis auf einem Blatt Papier oder durch Schrift) ist, dass Ereignisse (z. B. die Operation des Unterscheidens), die nur für den Augenblick existieren, durch statische Zeichen (zeitüberdauernd) symbolisiert werden, d. h. die augenblickhafte Operation des Bezeichnens findet einen materiellen Niederschlag in einem dauerhaften Zeichen (= Objekt), was suggeriert, die Wirkung/Funktion des Unterscheidens bzw. die unterschiedene und bezeichnete Einheit existiere ebenfalls zeitüberdauernd (was der Fall sein kann, aber keineswegs der Fall sein muss).
Risiko/Chance des Bezeichnens materieller Ereignisse oder Prozesse durch Kreise oder andere geometrische Figuren ist, dass sie im zweidimensionalen Raum verortet werden, während Ereignisse und/oder ihre Funktionen in der materiellen Welt im dreidimensionalen Raum bzw. in einem vierdimensionalen Raum-Zeit-Gefüge zu verorten sind.
Risiko/Chance des Bezeichnens materieller Phänomene durch Namen oder andere sprachliche Zeichen besteht in deren Abstraktheit und einer durch die Sprache als Medium suggerierten geradlinigen Struktur der bezeichneten Phänomene.
… vs. Beschreibung durch einen Text:
»Zwei unterschiedene Einheiten von denen die eine … usw.«
Figur 4
Kreuz: Operationen des ideellen Unterscheidens, die im Bereich des Sinns (d. h. der Ideen, Konzepte, Vorstellungen und Bedeutungen etc.) verortet werden, sollen im Rahmen der hier präsentierten Erörterung mit folgendem Symbol dargestellt werden, das Kreuz genannt werden soll (entsprechend der impliziten Anweisung, die hypothetische Grenze von der Außenseite zur Innenseite der Unterscheidung zu kreuzen, d. h. eine Operation des Unterscheidens zu vollziehen):
Figur 5
Der Raum links vom senkrechten Balken und unterhalb des waagrechten Balkens des Kreuzes steht für die Innenseite des Unterscheidens, der Raum rechts vom senkrechten Balken steht für die Außenseite des Unterscheidens:
Figur 6
Das Kreuz kann – analog zu dem, was über den Kreis bzw. geometrische Figuren gesagt wurde – durch Namen (Worte, Zeichen, Symbole oder Ähnliches) ergänzt werden, die auf der Innenseite oder Außenseite des Kreuzes platziert werden, um Räume, Zustände oder Inhalte zu benennen, die auf der Innenseite bzw. Außenseite der jeweils unterschiedenen Einheit verortet werden.
Figur 7
Komplexe Beziehungen von Unterscheidungen bzw. ihrer Verwendung können durch die Kombination einer Vielzahl von Kreuzen dargestellt werden:
Figur 8
Re-entry: Wenn eine Innen-außen-Unterscheidung auf der Innenseite dieser Unterscheidung bezeichnet wird, dann soll ein derartiges selbstbezügliches Bezeichnen als Re-entry (= Wiedereintritt der Unterscheidung in das Unterschiedene) bezeichnet werden und durch folgende Variante des Kreuzes repräsentiert werden:
Gleichheitszeichen (=): Es steht für ein äquivalentes Bezeichnen, d. h. Kreuze, Kreise oder Namen bzw. die so bezeichneten Räume, Zustände oder Inhalte, die rechts und links von einem Gleichheitszeichen stehen, sind verwechselbar bzw. austauschbar.
Pfeil (): Er steht dafür, dass das, was rechts vom Pfeil steht, aus/nach/im Anschluss an das folgt, was links vom Pfeil steht (z. B. A B), wobei nicht unterschieden ist, ob es sich hier um eine zeitliche Abfolge von Ereignissen, Kausalität, funktionelle Verknüpfung, logische Folgerung aus Prämissen, Implikation, kommunikativen Anschluss o. Ä. handelt.
Figur 9
Unmarkierter Raum, Zustand oder Inhalt: Wenn auf der rechten Seite eines Kreuzes bzw. auf der Außenseite eines Kreises ein leerer Raum gelassen ist, d. h. kein weiteres Kreuz bzw. kein weiterer Kreis oder Name (Wort, Symbol, Zeichen o. Ä.) platziert ist, so soll dies auf einen unmarkierten Raum, Zustand oder Inhalt verweisen.
Bestätigung (= confirmation): Die Bestätigung/Wiederholung eines Bezeichnens soll durch die Wiederholung eines Kreuzes dargestellt werden, wobei der Raum, Zustand oder Inhalt, auf den die beiden Kreuze verweisen, äquivalent zum Raum, Zustand oder Inhalt ist, auf den das einzelne Kreuz verweist.
Figur 10
Entwertung (= cancellation): Die Entwertung/Annullierung eines Bezeichnens soll durch ein Kreuz über einem Kreuz dargestellt werden, was für die dem ursprünglichen Unterscheiden entgegengesetzte Operation stehen soll, d. h. die Anweisung zum gegenläufigen Kreuzen der hypothetischen Grenze vom markierten Raum, Zustand oder Inhalt (= innen) zum unmarkierten bzw. leeren Raum, Zustand oder Inhalt (= außen).
Figur 11
Wenn Beobachten beobachtet wird – vom Beobachter selbst oder einem weiteren Beobachter – so soll das als Beobachten 2. Ordnung bezeichnet werden.
Der Beobachtungsgegenstand des Beobachtens 2. Ordnung ist die Form des Beobachtens (d. h. des Beobachtens 1. Ordnung) einer beobachtenden Einheit (= Metaperspektive).
Um Beobachten beobachten zu können, muss die Einheit, bestehend aus beobachtender – und dabei beobachteter – Einheit (= Beobachter 1. Ordnung) und ihrem Kontext (Umwelt) bzw. dem dort verorteten Gegenstand der Beobachtung 1. Ordnung, beobachtet werden.
Beobachten 2. Ordnung ist darauf angewiesen, dass sowohl die Innenseite des Beobachters 1. Ordnung als auch seine Außenseite (Umwelt/Kontext) der Beobachtung zugänglich sind und zueinander in Beziehung gesetzt werden können (im Beobachten 2. Ordnung).
Die Hypothesenbildung über die Form des Beobachtens 1. Ordnung besteht in der Relationierung (= In-Beziehung-Setzung/Kopplung) beobachtbarer, innerhalb und außerhalb des Beobachters verortbarer Ereignisse durch die Beobachtung 2. Ordnung.
Auch Selbstbeobachtung ist eine Form des Beobachtens 2. Ordnung.
Selbstbeobachtung setzt die beobachterinterne Operation des Unterscheidens zwischen dem Beobachter selbst und dem Rest-der-Welt voraus.
Auch wenn es aus der Perspektive der Beobachtung 2. Ordnung materiell vorgegeben erscheinen mag, zwischen Beobachter und Rest-der-Welt zu unterscheiden, ist es nicht selbstverständlich, dass dies auch vom Beobachter selbst bzw. in der Beobachtung 1. Ordnung so vollzogen wird.
Selbstbeobachtung erfolgt als Re-entry des Unterscheidens Beobachter/Rest-der-Welt auf der Innenseite des Beobachters.
Die durch Unterscheiden gebildeten Einheiten können als zusammengesetzte oder nicht-zusammengesetzte Einheiten beobachtet bzw. unterschieden und bezeichnet werden.
Ob eine Einheit als nicht-zusammengesetzt zu betrachten ist, entscheidet der Beobachter.
Nicht-zusammengesetzte Einheit: Wenn eine beobachtete Einheit als Letztelement einer Form betrachtet wird und ihr Inneres unanalysiert bleibt, so wird sie als nicht-zusammengesetzt behandelt.
Zusammengesetzte Einheit: Eine Einheit, innerhalb derer interne Einheiten, d. h. Elemente/Komponenten und Prozesse, beobachtet oder/und analysiert werden, wird als zusammengesetzte Einheit behandelt.
Eine Einheit, deren äußere Merkmale bzw. deren äußeres Verhalten als Elemente/Komponenten des Kontextes (= Umwelt) beobachtet werden, wird als nicht-zusammengesetzte Einheit behandelt, auch wenn ihre Innenseite der Beobachtung zugänglich und in ihrer Zusammensetzung analysierbar sein sollte.
Materielle Bestandteile zusammengesetzter Einheiten sollen Komponenten genannt werden.
Immaterielle Bestandteile zusammengesetzter Einheiten sollen Elemente genannt werden.
Im Blick auf zusammengesetzte Einheiten kann zwischen äußeren und inneren Merkmalen und/oder Verhaltensweisen unterschieden werden.
Bei nicht-zusammengesetzten Einheiten werden interne Merkmale/Verhaltensweisen nicht beobachtet, sodass über interne Merkmale oder Verhaltensweisen (Prozesse) keine Aussagen gemacht werden können.
Äußerlich beobachtbares Verhalten und äußere Merkmale sowohl zusammengesetzter als auch nicht-zusammengesetzter Einheiten sind im Phänomenbereich Umwelt (= Kontext) der jeweils beobachteten Einheit verortet und als deren Elemente zu betrachten.
Äußerliche Merkmale und äußeres Verhalten zusammengesetzter wie nicht-zusammengesetzter Einheiten entstehen emergent, d. h. als Folge der Interaktion und/oder Kommunikation zwischen unterschiedener Einheit und Umwelt.
Die Merkmale der Komponenten/Elemente einer zusammengesetzten Einheit unterscheiden sich von den Merkmalen der zusammengesetzten Einheit.
Die Merkmale zusammengesetzter Einheiten sind nicht geradlinig-kausal aus den Merkmalen der sie bildenden Komponenten/Elemente ableitbar.
Die Genese zusammengesetzter Einheiten kann entweder durch Kopplung (= Assoziation) von bis dahin separaten Einheiten oder durch Ausdifferenzierung (= Dissoziation) neu entstehender Untereinheiten erfolgen.
Kopplung: Die Vereinigung von Einheiten (= Elemente/Komponenten), seien sie selbst zusammengesetzt oder nicht zusammengesetzt, zu einer zusammengesetzten Einheit soll als Kopplung bezeichnet werden.
Figur 12
Ausdifferenzierung: Die Teilung einer bis dahin nicht-zusammengesetzten Einheit in eine aus Untereinheiten (= Elemente/Komponenten) gebildete, zusammengesetzte Einheit.
Figur 13
Spaltung: Ausdifferenzierung kann auch zur Bildung mehrerer, voneinander getrennter Einheiten führen, die sich nicht zu einer übergeordneten Einheit (= System) koppeln.
Formen der Kopplung: Es lassen sich unterschiedliche Arten der Vereinigung von Elementen/Komponenten zu einer zusammengesetzten Einheit beobachten, die sich grob als feste vs. lose Kopplung unterscheiden lassen, wobei diese als Endpunkte eines kontinuierlichen Übergangs zu verstehen sind.
Feste Kopplung: Führt zur Entstehung einer länger dauernden zusammengesetzten Einheit, deren Komponenten/Elemente in ihrer Struktur (relativ) starr und/oder über die Zeit beständig sind.
Lose Kopplung: