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Norman Mailer hat über zehn Jahre an diesem bedeuteten Werk "Frühe Nächte" gearbeitet. Es führt den Leser zurück in die Zeit von Pharao Ramses und seiner Frau Nefertiri. Menschen und Götter sind in intimer und telepathischer Gemeinschaft miteinander verbunden. Überall wirkt Magie. Der Ägypter Menenhetet ist ein Wanderer zwischen den Welten. Dreimal wird er während des Romans wiedergeboren, ist Liebhaber der Königin und ihr Opfer, Hohepriester und Krieger in grausamen Schlachten.
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Seitenzahl: 1280
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© 1983, 2019 LangenMüller in der F. A. Herbig Verlagsbuchhandlung GmbH, Stuttgart
Alle Rechte vorbehalten.
ANCIENT EVENINGS Copyright © Norman Mailer, 1983
All rights reserverd
Umschlaggestaltung: STUDIO LZ, Stuttgart
Umschlagmotiv: @flowsofly
eBook-Konvertierung: VerlagsService Dietmar Schmitz GmbH, Heimstetten
ISBN 978-3-7844-8352-8
Für meine Töchter, meine Söhne und für Norris
Ich glaube an die Ausübung und Philosophie dessen, was wir übereinstimmend mit »Magie« bezeichnen, an das, was ich Geisterbeschwörung nennen muß, obgleich ich nicht weiß, was diese Geister sind, an die Kraft, magische Illusionen hervorzubringen, an die Vision des Wahren in den Tiefen des Geistes, wenn die Augen geschlossen sind; und ich glaube … daß die Grenzen unseres Geistes sich ständig verschieben und daß viele Geister gleichsam ineinander fließen und einen einzigen Geist, eine einzige Kraft hervorbringen oder offenbaren können … und daß unsere Erinnerungen Teil einer großen Erinnerung, der Erinnerung der Natur selber sind.
William Butler Yeats
Gedanken über Gut und Böse
Inhalt
I Das Buch eines Toten
II Das Buch der Götter
III Das Buch des Kindes
IV Das Buch des Wagenlenkers
V Das Buch der Königinnen
VI Das Buch des Pharaos
VII Das Buch der Geheimnisse
IDas Buch eines Toten
Wirre Gedanken und wilde Gewalten, sie sind mein Zustand. Ich weiß nicht, wer ich bin. Noch was ich war. Ich kann hören keinen Laut. Schmerz ist nah, der sein wird wie kein Schmerz zuvor.
Ist dies die Furcht, die das All zusammenhält? Ist Schmerz das Fundament? Sind die Flüsse Adern aus Schmerz? Und die Ozeane mein gepeinigtes Gehirn? Mein Durst ist wie Hitze der glutenden Erde. Gebirge verkrummen. Brodelnde, blitzende, wirbelnde Flammen.
Durst ist in den Flüssen meines Leibes. Die Flüsse brennen, doch bewegen sich nicht. Fleisch – ist es Fleisch? – liegt unter glühendem Gestein. Lava quillt in ausgebrannten Feldern.
Wo, in welcher Höhlung, spielten solche Zerreißungen sich ab? Vulkanische Lippen speien Feuer, Brunnen brodeln. Gebein liegt wie Schutt auf der Wunde.
Ist man Mensch? Oder nur am Leben? Gleich einem Grashalm, der alles Leben verkörpert in dem Augenblick, da er zerrissen wird? Ja. Wenn Schmerz das Fundament ist, dann kann ein Grashalm alles wissen, was es gibt.
Vor mir war eine glühende Zahl, so scharf umrissen wie die Schneide eines Messers, und ich glitt hinüber in dieses brennende Zeichen. Im Feuer begann ich einzuströmen in die klare, glutende Existenz der Zahl 2.
Schmerz kam wie ein Puls. Und die Pause zwischen den Stößen war zu kurz, sich zu wappnen gegen den nächsten Stoß – oh, das Zertrümmern der Hoffnung und das Zerfetzen des Leibes. Mein Körper – Muskel und Knorpel und Knochen – verbogen, geborsten. Und Tore öffnen sich sengender Glut.
Schmerz stach aus blendend grellem Licht. Glühendem Fels schien ich ausgesetzt in der dämonischen Nacht der Sonne. In den Adern dampfte Blut – würde es je wieder Blut sein können? Fleisch wollte Beständigkeit. Und die Siedehitze des Schmerzes (ich fröstelte jetzt) verriet mir – durch ihre bloße Intensität –, daß ich nicht verderben würde. Es mußte Leben geben, dort drüben, auf der anderen Seite. So ließ ich sie frei, die Kräfte, die in meinem Herzen verglühten. Ersterbende Kräfte, ja. Doch mochten sie einem anderen Teil von mir noch Leben verleihen. Einen zitternden Faden sah ich in der Dunkelheit, lebendig im verfallenen Rest meines Fleisches, fein wie der feinste Nerv. Und während Schmerz pulste und Qual sich verklärte, wurde mir offenbar: Zwei Fäden waren es, in makelloser Schönheit verwoben. Eng umschlungen widerstanden sie der Folter; und lösten sich sogleich voneinander, wenn die ärgste Pein wich. Ich wußte (das Wunder ihrer Bewegungen sagte es mir), daß dies meine lebende Seele sein mußte, die ich da tanzen sah wie ein Staubgespinst über der Flamme.
Dann war alles wieder verloren. Mein Inneres schien zu bersten wie ein ungeheurer Bauch, zum Platzen gefüllt mit den Genüssen des lustverseuchten Fleisches, und, gleich dem Verräter unter der Folter, gab es alle Geheimnisse preis. Wenn nur die nächste Welle der Qual mich leichter trug, wenn nur die nächsten dunklen Wogen des Fleisches mich nicht, wie wildbrausendes Wasser, unter sich begruben.
Es durfte nicht geschehen. Nicht Gischt, nicht Schwaden, nicht Dämpfe, nichts durfte mich ersticken (eben dies schürte meinen Schrecken!). Doch begraben schien ich zu liegen unter Erdreich, unter Lehm. Ja, Lehm, sich formender Ton! Eine Vision erschien: wie Ton Nase und Mund nachbildete, selbst die Ohren und die Augenhöhlen – und keine Erinnerung war noch in mir an den ineinanderverwobenen Doppelfaden. Es gab nur mehr mich in der Tiefe einer verschlossenen Höhle. Mich und das Hämmern meiner Eingeweide. Sollte ich abgeschieden bleiben in der schreienden Finsternis dieser ausgedörrten Öde? Ein Gesicht war dort, mich zu foltern. Die Vision von der Schönheit meiner eigenen Seele in eben dem Augenblick, da sie mir nichts nutzte. Vernichtende Gedanken, just da ich sie empfing. Frieden und Ruhe schienen einzukehren mitten in diesem Sturm, in dieser Wirrnis. Es war die tiefe Stille, wie sie im Auge eines Hurrikans herrscht. Und in dieser Stille, dieser Ruhe dachte ich voll Sorge, daß ich jetzt weise genug sei, ohne ein Leben auszukommen, in dem ich meine Weisheit gebrauchen mußte. Denn in mir war die Erinnerung an alte Zwiegespräche. Früher einmal hatte ich gelebt wie Herr und wie Sklave (jetzt schienen beide zu verscheiden) – o ja, das verlorene Zwiegespräch, das nie stattgefunden hatte zwischen dem Tapfersten in mir und dem Rest. Der Feigling war der Herr gewesen.
An diesem Punkt, ich fürchte es, kam mein Stolz zuschanden, und ich blickte tief in das Fundament des Schmerzes, das ebenso schön war wie schmal. Doch jetzt kreisten wieder die Räder der Verleumdung. Wie eine Schlange, deren Leib geplatzt ist, gab ich auf und flehte um Frieden; und gebar meine eigene blutverklumpte Geschichte, die so voller Zerstückelungen war. Eine Ganzheit meiner selbst entwand sich meinem Bauch, und ich sah, wie sich die glühende Zahl 2 in Feuer auflöste. Ich würde nicht mehr sein, was ich gewesen war. Meine Seele fühlte sich gemartert, erniedrigt, über Verlust erzürnt; und war doch hocherhaben wie die Schönheit selbst. Denn die Pein war gewichen, und ich war neu. Ich besaß wieder einen Körper.
EINS
Die Dunkelheit war tief. Dennoch zweifelte ich keinen Augenblick. Ich befand mich in einer unterirdischen Kammer, zehn Schritt lang, fünf Schritt breit, und ich wußte sogar (mit dem Instinkt einer Fledermaus), daß der Raum praktisch leer war. Die Wände, der Fußboden – aus Stein. Es war, als könnte ich mit meinen Fingern sehen. Ich brauchte nur einen Arm zu schwenken, schon fühlte ich die Entfernungen auch außerhalb meiner Reichweite. Es war absolut ungewöhnlich. So, als könne man durch seine Haare Geräusche vernehmen.
Und ich roch den Geruch der Steine. In der Luft war etwas, das nicht da war. Eine Leere in einer Leere. Doch wurde mir nun bewußt, daß ganz in meiner Nähe sich ein granitenes Gebilde befand (als sei mein Leib hindurchgeschritten), groß genug, um mein Bett zu sein. Der Boden schien von Kot bedeckt – Hinterlassenschaften kleiner Tiere, denen es, wie mir selbst, gelungen war, hier einzudringen. Sie hatten ihre Notdurft verrichtet und waren wieder verschwunden. Denn Gebein, das ihren Tod bezeugt hätte, gab es hier offenbar nicht. Nur den Geruch von altem Kot und Harn – doch wo befand sich der Durchschlupf, durch den das oder die Tiere eingedrungen und wieder entschlüpft waren? Ich atmete beklommen. Der Gestank der Exkremente schien mir die Luft zu nehmen, ein beängstigendes Gefühl.
Doch auch frische Nachtluft strömte in diesen Raum. Woher? Durch den Schacht im Fels, den die Katze benutzt hatte?
Tastend fand ich in der Dunkelheit zwischen zwei Steinböcken eine Vertiefung, kaum breiter als eine Männerstirn. Dies mußte die Verbindung nach draußen sein, denn ein Strom frischer Luft war spürbar, zart und sacht, nicht einmal stark genug, um den Flaum einer Feder zu bewegen, doch kühl wie die Wüste in der nächtlichen Zeit nach Sonnenuntergang. Diesem Strom aus Kühle streckte ich mich entgegen – und fand zu meiner Verwunderung, daß ich meinen ganzen Arm in die Vertiefung stecken konnte: Es war wohl ein Schacht zwischen mächtigen Steinblöcken, und stellenweise schien er wahrhaftig kaum breiter als mein Kopf. Steil führte er empor, und ich schob mich hoch und höher, wie durch Schichten von Schmutz und Dreck. Die toten Reste unzähliger Käfer bedeckten die Wände. Ameisen schienen über meine Haut zu kriechen. Ratten schrillten vor Schrecken. Ich jedoch kletterte ohne Angst. Nur die Enge des Schachtes schien mir bedenklich. Oft wirkte er so schmal wie ein Tunnel zum Bau eines winzigen Wüstentieres – wie also sollte ich bis ans andere Ende gelangen. Doch es war, als sei ich ohne Schultern und Hüften. Geschickt wie eine Schlange bewegte ich mich, ohne die leiseste Furcht, irgendwo steckenzubleiben. Ich konnte mich, wenn ich nur wollte, schmaler machen. Oder anders gesagt: Meine Gedanken durchwanderten den engen Schacht, und mein Leib war geschmeidig genug, ihnen zu gehorchen – ein eigentümliches Gefühl. Ich spürte, daß wieder Leben in mir war. Die sacht strömende Luft schien zu leuchten. Und waren da nicht Funken in mir selbst, in meiner Nase, in meiner Kehle? Hatte ich mich je lebendiger gefühlt? Ich spürte nicht die Last des Leibes, von Muskeln und Knochen. Es war, als seien meine Körpermaße die eines Knaben. Fast schon am Ende des Schachts sah ich endlich den Himmel, erblickte den Schein des Mondes. Und während ich für einen Augenblick ruhte, glitt er hoch oben über mich hinweg und salbte mich. Ich spürte den Duft ferner Obstgärten, nach Datteln und Feigen, und den Hauch von Weinbergen oder doch Weinranken. Die Luft, die Gerüche, sie erinnerten mich an die Gärten, wo ich einst Zärtlichkeiten getauscht. Rosen und Jasmin, auf einmal war ihr Duft wieder gegenwärtig – war Gegenwart. Weiter unten am Flußufer (so sah es mein inneres Auge) bildeten die Palmen dunkle Silhouetten vor dem Silberwasser des Stroms.
Und so tauchte ich schließlich hervor aus dem Schacht in dem machtvollen Steingebilde. Kopf und Schultern schoben sich hinaus in die offene Nacht, ich stützte mich höher, zog die Beine nach und lag dann keuchend, staunend. Im Mondschein sah ich die lange, helle Schräge mit dem Erdboden tief unten. Dann war dort draußen das Plateau der Wüste, ein Silbergebilde. Und an jener Stelle ragte eine Pyramide auf und dahinter eine weitere. Mehr in meiner Nähe befand sich ein sandbedeckter Löwe aus Stein mit dem Kopf eines Mannes. Ich – ich hockte hier auf einer der Schrägen der Großen Pyramide! Also war ich gerade hervorgekrochen – eine andere Erklärung gab es nicht – aus der Grabkammer des Pharaos Cheops.
Cheops – der Name klang so rauh wie das Schnarchen eines Mannes. Vor über tausend Jahren war er gestorben. Und doch lähmte der Gedanke, in seiner Grabkammer gewesen zu sein, meinen Körper. Cheops’ Sarkophag – leer. Von Räubern entdeckt und ausgeraubt.
Es war, als wolle mein Herz aufhören zu schlagen. Und in meinem Bauch wühlte es, ein Gefühl grenzenloser Feigheit. Dabei (eine verschwommene Erinnerung trug es mir zu) war ich einmal ein Mann von Mut gewesen, berühmt wegen irgendwelcher Taten, ein Krieger vielleicht – doch jetzt vermochte ich kein Glied zu rühren. Zitternd und voll Scham lag ich im Licht des Mondes. Hier also befand ich mich: Auf der größten unserer Pyramiden, Mondschein auf Haupt und Herz, unter mir den gewaltigen Steinlöwen, im Süden die Pyramiden des Pharaos Khaef-ra und des Pharaos Men-kau-ra. Im Osten erblickte ich den mondüberglänzten Nil, und noch weiter gen Süden sah ich sogar die nächtlichen Lichter von Memphis, wo liebesbereite Weiber auf mich warteten. Oder nein – warteten sie jetzt nicht auf andere?
Doch kam es in diesem Augenblick darauf an? Und hatte ich je zuvor so gedacht? – Ich war immer nur allzu bereit gewesen, jeden Mann zu töten, der auch nur einen Blick auf meine Geliebte warf. Wie erschöpft ich mich jetzt fühlte. War dies der Preis dafür, in Cheops’ Grabkammer gelangt zu sein?
Im Halblicht kletterte ich in die Tiefe; bewegte mich vorsichtig von einem Spalt im Stein zum nächsten. Und ahnte schon jetzt, daß irgendeine üble Veränderung in mir vorgegangen war. Meine Erinnerungen, mein Gedächtnis – im ersten Licht des Mondes hatte ich das Gefühl gehabt, es werde vollständig wiederkehren. Doch da war nur ein einziger Wirrwarr. Und die Luft schien erfüllt von dem Geruch, ja, dem Gestank von Schlamm. All diese Gerüche mischten sich: Erde und Schlamm und Korn und Schweiß und Landwirtschaft. Morgen, gegen die Mittagszeit, würde das Flußufer einem heißen Haufen aus vermoderndem Schilf gleichen. Tiere hinterließen ihren Kot im Schlamm – Schafe und Schweine, Ziegen, Esel, Ochsen, Hunde und Katzen; sogar Gänse, deren Ausscheidungen besonders grauenvoll stanken. Ich dachte an Grabkammern; und an Freunde in diesen Grabkammern. Und so, wie man zögernd die Saite eines Instrumentes zupft, ertönte ein erster Klang – Sorge und Leid.
ZWEI
Ich befand mich in einer absonderlichen Lage. Noch immer wußte ich nicht, wer ich war. Es gab keine Erinnerung in mir. Nicht einmal mein Alter wußte ich. War ich erwachsen und stark? Oder war ich jung, erst am Beginn meiner Kräfte? Es schien nicht weiter wichtig. Und so begann ich, aufs Geratewohl auszuschreiten, wobei mich mein Weg dann durch die Nekropolis führte. Was immer ich erblickte, versuchte ich mir zu erklären; so jedenfalls möchte ich es nennen, befand ich mich doch in einem Zustand, wo einstige Alltagserfahrungen mir völlig fremd waren.
Was sah ich? Einen Friedhof im Mondenschein, durch gradlinige Wege unterteilt, kein sehr reizvoller Anblick, es sei denn, der Zauber bestehe im hohen Wert als solchem. Die Stadt der Toten bestand, Fußbreit für Fußbreit, aus den verehrungswürdigsten Stätten in ganz Memphis, so jedenfalls kehrte jetzt in mir ein Stück Erinnerung wieder.
Während ich so durch unsere monotone Nekropolis wandelte, vorbei an den verschlossenen Türen einer Gruft nach der anderen, begann ich – wieso weiß ich nicht – an einen anderen Freund zu denken, der kürzlich erst verstorben war (sofern die aufkeimende Erinnerung nicht trog): der liebste unter meinen Freunden, welcher einen gewaltsamen und höchst absurden Tod erlitten. Wo wohl mochte sich sein Grab befinden, hier in dieser öden Nekropolis? Er gehörte (so entsann es sich in mir) zu einer einflußreichen Familie, und sein Vater hatte vormals als Oberaufseher der Schminkpalette amtiert – ein Titel, vor dem mir wahrhaft grauste. Doch war eine Karriere solcher Art keineswegs gering zu schätzen, denn unser Ramses (wieder die sich weitende Erinnerung!) glich einem eitlen Mädchen und verabscheute jeden Makel an seiner Erscheinung.
Bei einem solchen Vater mußte mein Freund (dessen Name für mich noch dunkel blieb) reich sein und von edlem Geblüt. Doch das versteht sich in Ägypten von selbst. Wer königlicher Abstammung ist, ist reich. Wer reich ist, muß königlicher Herkunft sein. Und so mochte wohl ein Ramses als Stammvater der Familie gelten – vielleicht Ramses II., der vor rund hundert Jahren starb, ein hochbetagter Herr mit einer ganzen Schar von Eheweibern sowie über hundert »amtlichen« Söhnen und fünfzig legitimen Töchtern. Was seine Zeugungskraft ansonsten noch bewirkte, läßt sich kaum ermessen. Wer wohl hätte nach seinem Tod abschätzen können, wie viele der Offiziere und Priester keine Ramessiden waren, väterlicherseits versteht sich. Nein, es ist durchaus nichts Besonderes, von Ramses II. abzustammen – und doch von unschätzbarem Wert, wenn man etwas erreichen will.
Wer, wenn nicht (wenigstens ein halber) Ramesside, bekam schon ein Grab in der Nekropolis, zumal im Westschatten der Pyramiden? Es sind einfach nicht genügend Stätten vorhanden. Familiengrüfte. Doch lassen die Matronen von Memphis nichts unversucht, um in den ersehnten Besitz zu gelangen. So lud Hathfertiti, die Mutter meines toten Freundes, einmal eine (weit unter ihr stehende) junge Frau zu einer Gesellschaft ein, um durch sie die Bekanntschaft eines Wächters im Westschatten zu machen. Mit diesem im Bunde, verängstigte sie den Besitzer der Stätte, die sie für ihre Familie wünschte: das leidige Entwässerungsproblem. Bei solchem Handel wurde ja stets behauptet, daß in der Grabkammer Wasser stieg. Doch war dies nur eine der Methoden, deren sich Hathfertiti bediente. Einem profitablen Tauschgeschäft zeigte sie sich nie abgeneigt. So mochte in einem ihrer Gräber ein jüngst Verstorbener ruhen; doch wenn der Preis stimmte, ließ sie den Sarkophag in eine Stätte minderer Güte schaffen, ja sogar flußabwärts zu einer anderen Nekropolis von niederem Rang.
Natürlich war dabei auch die Persönlichkeit des Verstorbenen zu berücksichtigen. Wie ernst mußte man seinen Fluch für den Fall einer solchen Verlegung nehmen? Für jede Familie, die eine derart geräumte Kammer für sich beanspruchte, war es ratsam, Amulette von besonderer Wirksamkeit bei sich zu tragen.
Doch solche Umsicht ist nicht jedermanns Sache, und die Sucht nach Gewinn schert sich wenig um Flüche. Mitunter sind sie gar willkommen: Falls sie mit all ihrer Furchtbarkeit dazu dienen, den Preis zu drücken.
Was Hathfertiti betraf, so hatte sie das Grab des Großvaters ihres Gatten verschachert, obschon in jenem Jahr für den Toten nur Platz blieb in einer verlassenen Mastaba weit draußen in der Wüste. Hathfertitis Furcht vor Flüchen hielt sich in Grenzen, jedenfalls an ihrer Gewinngier gemessen. Dem Käufer versicherte sie, ihres Gatten Großvater (der auch ihr Großvater war, so wie sie die Schwester ihres Mannes), Menenhetet also, sei die Güte selbst gewesen, ein Mensch, der seinem ärgsten Feind nichts hätte zuleide tun können. Folglich brauche man seinen Fluch kaum zu fürchten. Was für eine Verdrehung der Tatsachen! Hatte man nicht geraunt, Menenhetet habe gebratene Skorpione mit Fledermauskot gegessen – um sich gegen die Flüche der Mächtigen zu schützen; er, der doch selbst sehr mächtig gewesen war – falls ich mich recht entsann.
Der Mann, dem Hathfertiti diese Grabstätte verkaufte, war ein ehrgeiziger kleiner Beamter, der eilfertig noch den Dreck unter seinen Fingernägeln als »ramessidisch« deklarierte und sehr wohl wußte, warum er sich auf diesen Handel einließ: Für einen weitläufigen königlichen Abkömmling wie ihn bedeutete der Besitz einer Grabstätte bares Gold. Bislang hatten sie keinen Zugang gefunden zu den besseren Familien von Memphis: Sie besaßen unter den Toten keinen Rang, lebten also mit einem Fluch. Die gesellschaftliche Ächtung war schlimm genug, und Frau und Töchter heulten unserem kleinen Beamten so inständig die Ohren voll, daß er schließlich bereit war, den Zorn des toten Großvaters auf sich zu nehmen. Hätte er über Menenhetet, den Verstorbenen, mehr gewußt, so wäre er vermutlich vorsichtiger gewesen. Doch Hathfertitis Überredungskünste überzeugten ihn, weil er sich überzeugen lassen wollte.
Jetzt fällt mir auch der Name meines Freundes wieder ein – der Strom der Erinnerungen hat ihn herbeigeschwemmt. Menenhetet II. hieß er – etwas anmaßend, doch hält man’s in vielen Familien so. Ob er gar so »königlich« war, weiß ich nicht; ich erinnere mich nur, daß er’s faustdick hinter den Ohren hatte und über Gotteslästerungen keineswegs erhaben war.
Allerdings konnte bei uns von Frömmigkeit ohnehin kaum die Rede sein. Im Gegenteil. Wir waren stolz darauf, den Namen dieses oder jenes Gottes zu mißbrauchen, gleichsam von Mann zu Mann zu sprechen. Gar so leicht ist das nicht. Zu einer solchen Tollkühnheit gehört wohl die Überzeugung, daß die Götter einen Sinn für Humor haben. Woher, wenn nicht von ihnen, hätten wir den unseren?
Allerdings gab es Nächte, in denen Menenhetet II. so voller verruchter Worte war, daß er Dämonen hätte herbeirufen können. Unsere Spielleidenschaft war wie ein Fieber. Selbst der Würfel sprühte Funken.
Ka hatten wir ihn benannt, doch scheint mir, daß wir das bald bereuten. Zunächst war es ein reizvoller Gedanke, bedeutet das Wort doch nicht nur zweimal (für Menenhetet II.), sondern ist auch unser guter ägyptischer Name für die andere Wesenheit, zu der man nach seinem Tode wird. Und von ihr heißt es, sie sei wechselhaft. Also schien der Name nur zu gut zu passen. Bei unserem Freund Ka wußte man nie: Nimmt er’s mit einem Löwen auf, oder flüchtet er feige? Wir liebten ihn, wir haßten ihn – doch wenn übler Wortschwall aus seinem Munde quoll, gegen die Götter, dann verschreckte uns das so sehr, daß wir uns davonstahlen.
Der Grund für diese Ausbrüche war uns bewußt. Sie entsprangen dem Zorn auf seine Mutter. Als Hathfertiti dem kleinen Beamten die Grabkammer von Menenhetet I. verkaufte, erfuhr Ka, daß eben diese Gruft auch seine Gruft war. So jedenfalls hatte es Menenhetet I., sein Großvater, nein, Urgroßvater, verfügt. Sie sollten die schöne Gruft miteinander teilen. Nun beteuerte Hathfertiti, daß dergleichen kaum gutgehen könne: die beiden Sarkophage nebeneinander in ein und derselben Kammer? – das bedeute doch, daß der Ka von Menenhetet I. und der Ka von Menenhetet II. gelegentlich miteinander speisen müßten, ein unerträglicher Gedanke, wenn man die Eßgewohnheiten der verblichenen Nummer Eins in Betracht ziehe!
In der mondscheinüberfluteten Nekropolis stand ich und wußte nicht: Hatte ich all dies selbst erlebt? Jedenfalls kehrte die Erinnerung zurück (so wie bei einem Bewußtlosen, nach dem Wiedererwachen, langsam die Gesichtsfarbe wiederkehrt); doch wie getreulich sie die wirklichen Ereignisse spiegelte, wußte ich nicht. Was wohl hatte Ka empfunden bei dem Schachergeschäft seiner Mutter? Hathfertitis Betrug an ihm mußte ihn zur Verzweiflung treiben. Und als er dann starb, sah sie sich gezwungen, für seine irdische Hülle in aller Eile eine Gruft aufzutreiben. (Keine Einzelheit ist mir klar, ich treibe gleich einem Schiff wie durch einen Nebel.) Wo, hier in dieser Nekropolis, befand sich diese Stätte? Ein billiges Grab, dem ich mich jetzt nahe wußte. Wieder die aufsteigende Erinnerung. Hathfertitis Stimme, schrill: Kas sehnlichster Wunsch sei es gewesen, am untersten Rand des Ostschattens bestattet zu werden. Ein wahrer Skandal, denn natürlich versuchte sie nur, ihren Geiz zu bemänteln. Sie sprach sogar von einem Traum, den Meni angeblich gehabt: Zunächst müsse er in einem gemeinen Grab ruhen, sei er dann zum Wechsel bereit, werde er es sie im Schlaf wissen lassen. Wer sie so lamentieren hörte, fühlte sich angewidert. Denn es gehörte keineswegs zu unseren Bräuchen, auch nur eine der sieben Seelen, Schatten und Geister als Besucher im Reiche der Lebenden zu erwarten. Vielmehr besteht der Zweck eines Begräbnisses darin, sämtliche sieben mit den besten Wünschen ins Land der Toten zu schicken. Kein Wunder also, daß wir jemanden fürchteten, der eines gewaltsamen Todes gestorben war: Sein Geist hing womöglich wie eine Klette an der Familie. Folglich mußten die Hinterbliebenen alle Mühe walten lassen, um den Geist versöhnlich zu stimmen und nicht etwa zu erzürnen. So gesehen, wirkte Hathfertitis Verhalten recht töricht. Da beteuerte sie, den Sarkophag ihres Sohnes bald in eine bessere Grabkammer überführen zu wollen. Dabei wußte doch jeder, daß sie diese Gruft sich selbst vorbehielt!
Gewiß, die Zeremonie als solche war prunkvoll, und doch: Wie armselig wirkte die Begräbnisstätte. Sie lud selbst den memmenhaftesten Grabräuber zu eifriger Tätigkeit ein. (Der Fluch, den diese Spezialisten bei so ärmlichen Gräbern auf sich laden, ist nicht weiter zu fürchten: Darin besteht der Unterschied zwischen dem armen Verschiedenen und jenen, die ihn so arm verscheiden ließen.)
Viele der Grabkammern hier waren kaum größer als eine Schäferhütte (wo allerdings, wenn nicht in der Nekropolis, sieht man solche »Hütten« aus Marmor?). Und eine jede war zur Pyramide geformt, zu einer Miniaturpyramide mit einem Loch an der Vorderseite, dem Fenster für den Ba. Und der Ba, gleichsam Ergänzung zur jenseitigen Wesenheit, dem Ka, war die unsterbliche Seele, die innigste der sieben Mächte und Geister. Der Ba besaß den Körper eines Vogels und das Gesicht des Verblichenen.« Ja, ich erinnerte mich immer deutlicher. Jene Vögel, die ich da und dort – wo nicht! – in diesen Löchern hocken sah, sie mußten die Seelen der Abgeschiedenen sein. Mich schauderte. Denn die Geister der Nekropolis waren so verabscheuenswert wie ihre Taten, handelte es sich doch zumeist um jene von Kriegern, Priestern, Beamten und Edelleuten, denen übel mitgespielt worden war, die übel mitgespielt hatten. Auch solche von Grabräubern oder gar von deren Opfern befanden sich darunter, und dies war so ziemlich das Ärgste. Denn wenn die Räuber nach Schmuck suchten, scherten sie sich wenig darum, in welchem Zustand sie die ursprünglich sorgsam umwickelte Mumie zurückließen, und nur zu oft entwickelte sich dann ein grauenvoller Gestank.
Jetzt, nur noch ein winziges Stück von Menis Grab entfernt, begegnete ich einem Geist – einer widerwärtigen Erscheinung in Lumpen, übelriechend, ein Grabräuber zweifellos. Im Mondlicht erkannte ich, daß die erbärmliche Kreatur ohne Hände war und eine leprazerfressene Nase besaß, die gleichsam in drei Stücke zerfiel: wie als Hohn auf den Dreifachphallus von Osiris, dem Gott der Toten.
Über der zerfressenen Nase brannte es in gelben Augen wie ein Feuer. Ja, er war ein Geist, ein wirklicher Geist. Ich sah ihn so deutlich wie meine Hand – und konnte dennoch durch ihn hindurchsehen.
»Wo willst du hin?« rief er, und sein Atem, faulig wie verrottendes Aas im Schlamm des Nils, glich lindem Duft, gemessen an dieses Geistes Kadavergestank.
Ich hob die Hand, und diese Geste genügte, um ihn zurückweichen zu lassen.
»Gehe nicht in das Grab von Menenhetet I.«, sagte er.
Warum er mich nicht in Angst und Schrecken versetzte, weiß ich nicht. Vielmehr hatte es den Anschein, daß er sich vor mir fürchtete. Denn er wagte es nicht, sich mir zu nähern.
Doch seine Worte blieben nicht ohne Wirkung auf mich. Zusammen mit seinem Gestank drangen sie in mich ein. Was hatten sie zu bedeuten? War Menenhetet I. inzwischen aus der Mastaba in der Wüste zurücktransportiert worden, in jene billige, für Menenhetet II. gekaufte Grabkammer? Oder befand ich mich hier am falschen Ort?
Falls meine Erinnerung nicht trog, so stand ich hier auf eben jenem Weg, über den an jenem sonnenhellen Tag der unabsehbare Zug der Trauernden geschritten, indes weiße Prachtochsen (die Hörner vergoldet, die hellen Flanken grün und scharlachrot bemalt) Meni II. auf goldenem Gefährt zu seiner letzten Heimstätte zogen. Wollte er mich zum Narren halten, dieser Grabräubergeist?
»Betritt nicht die Gruft von Menenhetet I.«, wiederholte er. »Das würde zu große Unruhe stiften.«
Daß ausgerechnet er, Schänder zahlloser Gräber, so sprach, machte mich lachen. Doch schien, im Schein des Mondes, meine Heiterkeit selbst die Schatten zu verschrecken, und der Geist wich noch weiter zurück. »Da ist mehr, das ich dir sagen könnte«, stammelte er, »doch ertrage ich deinen Gestank nicht länger.« Und er entschwand. Dies also war ein Teil der Strafe, die er zu erdulden hatte: seinen eigenen Gestank für den anderer zu halten.
Nun erblickte ich den Ba von Meni II., dort im Fenster der Grabesstätte, kaum so groß wie ein Falke und mit einem winzigen Gesicht. Doch es war Menis Gesicht, feingemeißelt und exquisit, gerade in seiner Winzigkeit. Als gehöre es einem Neugeborenen, jedoch mit den ausgeprägten Zügen eines Erwachsenen, voll Klugheit und Geistesschärfe, aber auch nicht ohne Verschlagenheit. Was für ein Antlitz! Ein Blick traf mich, ein flüchtiger Blick nur. Dann breitete der Ba von Menenhetet II. die Schwingen, stieß ein, zwei Klagerufe aus, so häßlich wie das Krächzen einer Krähe, und flog davon. Bedrückt über die mir bewiesene Gleichgültigkeit, näherte ich mich dem Grabeingang. Und jetzt vernahm ich, als langgezogenen Echohall, das Flappen der Flügel. Voll Furcht stob der Ba durch die Dunkelheit.
Vor dem Eingang stand ich und war plötzlich erfüllt von Kummer, von einem Gefühl unermeßlichen Leids, das sich mir aus dem Grabesinneren mitzuteilen schien, von meinem toten Freund Meni. Unwillkürlich seufzte ich. Die Tür befand sich in demselben Zustand, in dem ich sie in Erinnerung hatte. Sie wirkte halbverfallen, lud Räuber zur Grabschändung geradezu ein. Ich ließ meinen Finger in das Schlüsselloch gleiten, und wieder schien ich jene Eigenschaft zu besitzen, die mir das Entkommen aus Cheops’ Kammer ermöglicht hatte, jetzt floß mein Finger (so jedenfalls fühlte es sich an) in den Mechanismus des Schlosses, und als ich dann die Hand drehte, sprang es auf.
Ich betrat die Gruft. Und spürte ein Prickeln, das mich von oben bis unten überlief. Ein scharfer Fingernagel schien über meinen Schädel zu kratzen, eine rauhe Katzenzunge meine Fußsohlen zu belecken. Durch den Türeingang fiel Mondlicht, und es zeigte mir, in welch schändlichem Zustand sich das Grab befand. Nichts mehr fand sich an Opfergaben, gleich ob Nahrung oder Schmuck, außer ein paar schäbigen Resten. Und dann: der Gestank! Es hatte die Grabräuber getrieben, ausgerechnet hier ihre Notdurft zu verrichten, ihr Gedärm zu entleeren. Ihre Art der Bezahlung für das, was sie mitgehen ließen. Zorn erfüllte mich, flammender Zorn. Denn jene, die den Grabraum entdeckten, hatten nichts getan, um diese Form der Schändung zu beseitigen. Lediglich die Tür hatten sie leidlich wieder instandgesetzt, das war alles. Mein Blick fiel auf einen Bronzeleuchter an der Wand, und mein Zorn war so ungeheuer, daß es mich kaum erstaunte, als es nun dort zu schwelen, dann zu glühen begann und schließlich eine Flamme loderte. Ich wußte von Priestern, die ihren Zorn so zu bündeln vermochten, daß sie mit ihren Blicken ein Feuer zündeten – doch wirklich geglaubt hatte ich dergleichen nie. Jetzt auf einmal erschien mir die Sache völlig natürlich.
Schändliche Schänder! Hatte mich Hathfertiti nicht seinerzeit unter Schluchzen befragt, was von Menis Hinterlassenschaften sie in seine Grabkammer tun sollte? Welche Alabastervasen, Armreife, Schmuckgürtel? Was war mit der großen Truhe aus Ebenholz? Und dann seine Perücken: die blonde, die weiße, die rote, die grüne, die silberne, die schwarze. Und weiter: seine Schminkpalette, seine leinenen Lendentücher, seine gleichfalls leinenen Röcke. Und das Ebenholzbett (sie war versessen darauf, es für sich zu behalten, was ihr auch gelang)? Sodann die Waffen. Der güldene Bogen und die goldbemalten Pfeile; der Speer mit den Edelsteinen im Schaft; – waren dies Dinge, würdig genug, ihn ins Grab zu begleiten? Und zwischendurch rief sie ein ums andere Mal: »Armer Meni!« und fügte fromme Sprüche an, die nur ihrer tiefen Stimme wegen nicht völlig lächerlich klangen. »Die Frucht meines Auges ist dahingegangen!« jammerte sie, und ihr Kummer war zweifellos echt; denn außer dem Verlust ihres Sohnes hatte sie ja auch – welch ein Bild der Trübsal sie bot! – den Verlust so mancher Kostbarkeiten und Kleinodien zu beklagen. In ihrer Verzweiflung glich sie einem Weib, das, an einen Pfahl gefesselt, von wilden Tieren angesprungen wird. Sie weinte. Weinte über den Verlust seines Kinderstühlchens, ein Meisterwerk aus Bronze mit güldener Ziselierung. Weinte so lange, bis sie besagtes Stühlchen behielt. Selbst seine Messer, seine Schminkpalette, ja, was eigentlich nicht – sie schienen ihr samt und sonders unentbehrlich. Nun konnte sie unmöglich alles für sich mit Beschlag belegen, doch bei vielem – während ihres endlosen Lamentos begann ihre Nase zu bluten – gelang es ihr. Da waren die Federkrone, das Leopardenfell, der Skarabäus aus grünem Onyx mit den sechs Beinen aus Gold. Gar kein Zweifel: Was schließlich in Menis Grabkammer seinen Platz fand, stand in präziser Relation zu Hathfertitis Gier (zu acht Teilen) und Hathfertitis Furcht vor den Mächten des Jenseits (zu fünf Teilen). Nun ließ sie ihrer Gier allerdings nie völlig freien Lauf. Stets blieb eine Lücke, ein Loch, durch das die Dämonen schlüpfen konnten. Einmal hatte sie mir einen Vortrag über Maat gehalten, und eine frömmere Rede ließ sich kaum denken, war Maat, Tochter des Weltenschöpfers Re, doch das redlichste aller Wesen. Nie würde es ihr einfallen, ihren Nächsten zu betrügen. Maat war ein Ausbund an Tugenden, und Hathfertiti (trotz ihrer allesumschlingenden Gier) wurde nicht müde, sie zu lobpreisen. Nun denn: Wäre da nicht dieser Respekt gewesen, was von Menis Hinterlassenschaften wäre wohl der totalen Beschlagnahme durch seine Mutter entgangen?
Ich hielt die Wandfackel jetzt in der Hand. Das Flackerlicht enthüllte meinem Blick, daß Hathfertiti zweifellos noch nie Gefahr gelaufen war, den Exzessen der Redlichkeit zu erliegen. Was für ein grauenvolles Chaos ringsum! Den Grabschändern schienen Maat und ihre Anständigkeit unbekannte Begriffe zu sein. Mit Urin hatten sie den Rest der nichtverzehrten Speisen bedeckt, mit Kot die goldenen Teller, die sie zurückgelassen.
Im benachbarten Raum (nur durch eine Wand aus Lehmziegeln vom ersten getrennt) sah es noch schlimmer aus. Im Grunde war dies gar kein richtiges Grab, sondern eine Art Lagerraum, wo der Sargmacher sein Werkzeug aufbewahren konnte.
Nur zögernd betrat ich den zweiten Raum (die Tür zwischen beiden war zerschlagen und nicht wieder ersetzt worden). Ich nahm einen eigentümlichen, mysteriösen Pflanzengeruch wahr, auch jenen durchdringenden des Materials, das Balsamierer gebrauchen. Dann spürte ich, wenn auch nur schwach, einen Gestank, der mich erschauern ließ. Die Fackel in meiner Hand zitterte. Ich sah zwei Sarkophage, beide zertrümmert. Die Reste der äußeren Sarghüllen lagen überall verstreut. Die Deckel der inneren Särge waren abgefetzt, und die Mumienhüllen zeigten alle Merkmale der Grabfledderei. Keine Edelsteine mehr, keine Schmuckstücke, keine Amulette. Und Menis Gesicht und Brust, schön und lebensecht bemalt von einem Künstler höchster Könnerschaft, waren entstellt. Drei vertikale Schnitte durchtrennten die Nase. Und eine plumpe Hand hatte versucht, die Umwicklungen der Brust zu durchschneiden.
Und doch schien der Schaden gering, verglichen mit dem, was der oder die Räuber am unteren Teil der Mumie angestellt. Man hatte die Umwicklungstücher gelöst, und wie eine endlose Schlange häuften sie sich auf dem Boden, teils wie breite Bänder, teils in zerfetzten Stücken. Man hätte meinen können, ein Tier habe Material gesammelt zum Bau eines Nests, einer Höhle. Selbst Hühnerknöchel fanden sich. Die Räuber hatten hier Mahlzeit gehalten. Und wenn mich meine Nase nicht trog, so hatten sie es nicht gewagt, hier in Gegenwart der Mumien ihren Darm zu entleeren. Woher also stammte jener stechende, verstörende Geruch? Die Erklärung war einfach: Einer der nicht länger umwickelten Füße befand sich im Zustand der Verwesung.
Der andere Sarkophag gehörte natürlich Menenhetet I., den Hathfertiti gerade rechtzeitig zurückgeschafft hatte, damit sich die Sache für die Grabräuber auch wirklich lohnte. Beide Särge waren in derselben Verfassung.
Doch der alte Meni kümmerte mich jetzt nicht, ich sorgte mich nur um den jungen, meinen Freund. Wie übel hatten die Räuber dem Toten mitgespielt! Selbst die Nahrung für seinen Ka hatten sie verschlungen. Wieder wuchs in mir Zorn. Sehr gut konnte ich Menis Aura erkennen, und ihre drei Lichtkreise waren von so fahlem Violett wie die Kämme hintereinander gestaffelter Hügel an einem dunstigen Abend, fast unsichtbar.
Mein Blick scheute davor zurück. Was ließ sich da nicht alles herauslesen? Bei Hathfertiti zum Beispiel besaß (wenn sie in Zorn geriet, fast sichtbar) die Aura deutlich unterscheidbare Zonen von Orange und Blutrot und Braun. Beim früheren Pharao hinwiederum, so hieß es, sei die Aura aus reinem Silber und aus Gold gewesen. Das fahle Violett um meines Freundes umwickelten Körper zeugte indes von Erschöpfung: als trachteten seine irdischen Überreste ein wenig Frieden zu finden inmitten vielfältiger Schrecken. Und der erste dieser Schrecken mußte darin bestehen, daß noch ein zweiter Sarkophag zugegen war. Verwirrt ließ ich meine Fackel sinken. Und sogleich erlosch sie. Dennoch lag die Grabkammer nicht im Dunkeln. Menis Aura mit ihrem fahlen Violett erleuchtete sie, und das Licht war so klar wie der Mondschein über der Nekropolis.
Mir schien, daß ich eine Art Wunder erlebte, denn während die Aura meines Freundes Meni völlig unverkennbar war, gab es rund um den Sarkophag von Menenhetet I. nicht einmal die Anzeichen einer Aura. Nun, er war schon vor langer Zeit verschieden, besaß also keine Aura mehr; dennoch sandte sein Körper eine bedrückende Ausstrahlung in diese Kammer aus. Mir wurde bewußt, wieviel Kraft Meni II. aufwenden mußte, nur um der Gegenwart des anderen zu widerstehen.
Doch schien dieser Druck jetzt nachzulassen. Lag es an meiner Anwesenheit? Indes ich zunehmend ermüdete, gewann Menis Aura an Kraft. Ich trat an seinen Sarkophag, um seinen verwesenden Fuß zu betrachten.
Wie leichtsinnig, wie töricht von mir. Würmer wimmelten dort und fraßen sich satt. Wieviel war eigentlich noch übrig? Nein, keine Aura hier. Nur bei den Zehen ein schwaches Licht, das von den Würmern kam.
Doch während ich noch starrte, gewann die Aura wieder beunruhigend an Kraft. Und in ihrem Licht sah ich, wie eine Schlange in die Grabkammer kroch. Mit der erloschenen Fackel schlug ich zu. Traf den Leib des Reptils, einmal, zweimal. Der Körper wand sich in einem letzten Tanz. Und nach dem letzten, dem allerletzten Zucken begann meine Fackel, wieder zu flammen. Ich ging zurück zu Menis Sarg. Wollte, jetzt ohne Angst, die wimmelnden Würmer sehen.
Ich sah seinen zerfressenen Fuß, ein weißliches, wuselndes Gewirr. Und spürte plötzlich, an einem meiner Fußballen, ein ähnliches Kribbeln und Krabbeln. Wie weit ging Freundschaft eigentlich? Mußte ich, an mir, dem Lebenden, erleiden, was er, der Tote, Nicht-mehr-Lebende, an sich erlebte? Ekel erfüllte mich vor der Verwesung seines Leibes. Ich wollte meine Fackel in seinen zerfressenen Fuß tunken: das Gewürm dort versengen, das leidende Fleisch heilen. Ja, ich wollte es tun. Und zuckte zurück, weil ich fürchtete, mich selbst zu versengen. Plötzlich spürte ich Hunger, eine schier wahnwitzige Gier. Ich preßte die Zähne aufeinander. Nein, ich wollte nicht nach Fraß lechzen wie ein Hund, der an einer Kanope schnüffelt, einem jener vier Gefäße, welche die Eingeweide eines Toten enthalten – vier gemäß der Zahl der Söhne des Horus: Hept, Tumatef, Amset und Qebhsenuf. Gewiß, begierig betrachtete ich die vier Gefäße in ihrer Gestaltung der Köpfe als Affe, Schakal, Mensch und Falke. Vier Gefäße, und jedem kam seine eigene, ganz spezielle Eigenschaft zu – als Behältnis der Leber oder des Magens oder der Lunge oder des Herzens. Zu meinem Entsetzen haftete eine Vorstellung in mir fest: Ein Mahl, aus diesen Bestandteilen bereitet, würde unsägliche Gaumenfreuden spenden; doch schien der Gedanke so grauenvoll, daß ich mich seiner entschlug. Andererseits blieb mir nichts übrig, als meinen Hunger zu stillen. Und schlichte Tatsache war: Ich konnte ja nicht einfach die Nekropolis verlassen, den Nil entlangwandern, um sodann eine Eßstätte aufzusuchen, wo mir irgendeine alte Hexe etwas Leckeres vorsetzen würde – nein, nicht um diese Tages-, respektive Nachtzeit. Wenn ich schon Nahrung finden wollte, dann hier – ein ebenso scheußlicher wie widerlicher Gedanke. Plötzlich lag ich auf den Knien, betete. Das Wunder bestand darin, daß ich mich erinnerte. Diese Würmer, die da in der Fußsohle wimmelten. Sie waren es, die das Gebet bedingten.
»Ist die Seele davongegangen«, sagte ich kaum hörbar, während meine Fackel flackerndes Licht warf, »so erblickt der Mensch Verfall. Sein Fleisch verfault, sein Gebein verfällt; und der Verschiedene wird einer allgemeinen Verwesung, die ihren Ausdruck findet in dem unabsehbaren Gewimmel der Würmer …
Ehre sei dir, o mein göttlicher Vater Osiris. Du bist nicht verwest, nicht zerfressen worden von Würmern. Du bist nicht verfault, nicht verschrumpft. Und so werden auch meine Glieder ewig sein. Ich werde nicht verfaulen, nicht verrotten, nicht verwesen. Ich werde nicht zum Freßacker von Gewürm werden. Ich werde mein eigenes Wesen besitzen, und meine Eingeweide werden nicht verderben. Kein Leid wird mir geschehen. Meine Augen werden nicht erblinden. Die Prägung meines Gesichts wird nicht verschwimmen, noch wird mein Ohr taub werden. Und mein Haupt wird nicht getrennt sein von meinem Hals. Meine Zunge wird bleiben, wo sie ist. Mein Haar wird nicht abgeschoren werden. Auch meine Augenbrauen werde ich behalten, und kein Übel soll mich heimsuchen. Mein Leib wird heil bleiben. Nichts auf dieser Erde wird ihm etwas anhaben können.« Mit geschlossenen Augen beendete ich diese Sätze; und erblickte in mir selbst die schwärzeste der schwärzesten Erden, welche ich je gesehen; so schwarz wie das Land von Kemt, unserem Ägypten; und in der Nachtschwärze hörte ich Worte widerschwingen; vernahm die Rufe jenes, der den Zehnten nimmt, dort an den Ufern des Nils; und wußte, daß diesen Worten eine weit größere Bedeutung zukam als raunenden Gebeten und räucherndem Weihrauch. Das hohle Echo dieser Geräusche schwang wider in der verschlossenen Dunkelheit meiner Augen, und nichts konnte meinen Hunger noch länger bezähmen. So hielt ich meine Hand hoch, spreizte die fünf Finger, als wollte ich sagen: »Mit dieser Gabel würde ich gerne essen«; und drehte mich herum – ob nun in den Kreis der Götter oder der Dämonen, wußte ich nicht.
Als prompte Antwort (wie um mich zu verwirren) tauchten aus dem falkengesichtigen Gefäß von Qebhsenuf, dem Gott des Westens, der Leber und der Gallenblase, fünf Skorpione auf und krochen über den Boden auf den Sarkophag von Menenhetet II. zu, um (ich ahnte es nur, wagte nicht zu schauen) die Würmer dort zu verschlingen.
Bemühten sie sich auch um das Fleisch von Meni II.? Ich weiß es nicht.
Ich weiß nur, daß mir die Fußsohlen brannten, als tummele sich dort ein ganzes Heer von Ameisen.
DREI
Ich empfand es als Hohn, daß ich in meiner Verzweiflung hier an diesem schrecklichen Ort jetzt ausgerechnet an einen Abend in Memphis denken mußte – an einen Abend mit Speisen und Getränken in Hülle und Fülle, und der anregendsten Unterhaltung. Ich wußte nicht, ob inzwischen ein Tag vergangen war oder ein Jahr, jedenfalls war ich mit einem Priester zu Besuch in seiner Schwester Haus, und in jenem Monat – welch ein aufregender Monat für mich! – war ich der Liebhaber dieser Schwester gewesen. Der Priester – stimmte meine Erinnerung – war (wie bei guten Brüdern üblich) jahrelang ihr Geliebter gewesen. Wie wir uns unterhielten! Wir sprachen über alles, nur nicht darüber, wer von uns die Schwester lieben sollte.
Natürlich war sie durch unsere gemeinsame Gegenwart erregt – wie denn auch nicht? Als er den Raum verließ, flüsterte sie mir zu, ich möge warten, um sie und ihren Bruder zu beobachten. Ein Mädchen aus guter Familie! Im rechten Augenblick werde sie eine Position über ihm einnehmen, und dann könne ich sie besteigen. Ja, gewiß, sie werde uns beide in sich aufnehmen können. Was für ein einzigartiges Eheweib würde sie abgeben! Da ich sie bereits in ihren beiden Mündern (wenn man so wollte) gehabt hatte, war ich äußerst zufrieden über das, was sie mir nun vorbehielt – waren ihre Hinterbacken doch stramm wie die eines Panthers (eines rundlichen Panthers). Wenn es das Glück wollte, wehte einem aus jedem ihrer Häfen der Geruch des Meeres entgegen, doch konnte es auch Sumpfmoder sein. Sie mochten einem – ich schwöre es – den süßesten und dumpfesten Duft geben, wie er dem allerfeinsten Schlamm entstammt – der Geruch Ägyptens; oder auch das verschwebende Etwas einer jungen Pflanze. Kein Zweifel: Sie war ein Weib mit den entsprechenden Gaben, uns beiden zu genügen, und in jener Nacht tat ich, was sie mich geheißen. Ich hoffe, daß ich dem Priester bewies: Lebende finden ihr Gegenbild nicht weniger schnell als Tote (er jedenfalls wußte schon bald nicht mehr, wer weiblicher war, seine Schwester oder er selbst – allerdings war nur er am ganzen Körper rasiert, was immerhin der Orientierung diente inmitten dieser Umarmungen.)
Doch solche Erinnerungen machten meinen Hunger nur ärger. Wie eine pochende Wunde wurde er mit jedem Atemzug quälender. Nicht körperliche Liebe interessierte mich jetzt, ich brauchte Essen, mit dem ich mir den Bauch vollschlagen konnte.
Wie ein tödliches Fieber wühlte sie in mir, diese Gier nach Nahrung. Mein Bauch glich einem grenzenlosen Loch, und vor meinem Blick tanzten verlockende Bilder. Ich dachte an den Uranfang, da der Gott Temu alles Sein mit einem einzigen Wort erschuf. Das Reich des Schweigens erwachte zum Leben durch die Laute, die aus dem Herz von Temu stiegen.
Und so stand ich hier in der Grabkammer und hob wieder einen Arm, die Finger zum unsichtbaren Himmel über dem Dach gestreckt, und sagte: »Laß Nahrung werden.«
Doch nichts geschah. Nur ein leises Winseln schien von den Wänden widerzuhallen. Vergebliches Mühen! In mir brannte das Fieber. Und ich sah, mit geschlossenen Augen, eine kleine Oase. War dies die Erlösung?
Ich öffnete die Augen. Meine Wanderung durch eine imaginäre Wüste in Richtung dieser Oase (wie wirklich war alles gewesen, stach mir der Sand doch noch in der Nase!) hatte mich in eine Ecke der Grabkammer geführt, und im Schein meiner Fackel sah ich, auf den halbzertrümmerten Sargwänden von Meni, wundersame Gemälde. Sie stellten Speisen dar. All jene üppigen Speisen, welche der Ka von Meni II. verlangen mochte, wenn er Hunger verspürte; ausreichend für einen Schmaus mit zumindest einem Dutzend Freunde. Da waren Tische mit Schüsseln und Schalen und sonstigen Gefäßen. Da hingen, an Haken, saftiges Fleisch und strotzende Schenkel. Welch ein Meisterwerk der Malkunst! Zahmes und wildes Getier erblickte mein Auge, Enten und Gänse, doch auch Wildschweine und ungezähmte Stiere, dazu Brot und anderes Gebäck; und Feigen und Wein und Bier; und grüne Zwiebeln und Granatäpfel und Trauben; und Melonen und die Frucht des Lotos.
Dies zu schauen, war eine Qual. Ich wagte nicht, in mir nach jenen magischen Worten zu suchen, welche ich dereinst gelernt: jene Worte, mit deren Hilfe ich wenigstens einen Teil der gemalten Nahrung in wirkliche Speise verwandeln konnte, mir zum Genuß. Denn diese Bilder waren Meni II. zugedacht, um gleichermaßen daraus zu schöpfen, falls Grabräuber ihm sämtliche Gaben an Nahrung stahlen.
Dennoch kam mir, wenn auch nur kurz, der Gedanke, mich an seinen gemalten Speisen gütlich zu tun. Doch ich schrak zurück. War er mir nicht ein guter Freund gewesen? War es wohl noch? Und indem ich so dachte, mäßigte sich meine Gier zu einem Hunger, der zu stillen war, der gestillt werden würde. Oh, ja! Plötzlich kaute ich, hatte Entenfleisch im Mund (köstlich zubereitet), so jedenfalls schmeckte es, und die Säfte des Fleisches liefen mir wundersam durch die Kehle in die leere Höhle meines Magens. Nein, nicht länger erfüllte mich Gier. Ich war sogar versucht, die Nahrung von meinen Lippen und in Augenschein zu nehmen, doch eitle Neugier war in einem solchen Augenblick nicht zu dulden. Im übrigen überwältigte mich die Großmut meines Freundes Meni. Seinen eigenen Bedürfnissen zum Trotz teilte er mit mir (dank seines Einflusses im Reich der Toten, nehme ich an).
Noch mehr Speisen wurden mir zuteil, zumindest fünffacher Art. (War dies womöglich eine Art Ausgleich für meinen Verzicht auf die Skorpione?) Ich schmeckte das Fleisch von Stier und von Gans, ich genoß Feigen und Brot. Erstaunlich, wie wenig es brauchte, um zu stillen, was doch ein gigantischer Hunger gewesen war. Mein Bauch schien gefüllt von Bier, das ich bewußt gar nicht geschluckt; doch spürte ich eine leichte Trunkenheit, ein sehr angenehmes Gefühl, und rülpste sogar. Sodann sprach ich jenes Gebet, welches die Bitte um Nahrung begleitete. »Gefäße von Bier und Gebäck und Brot der Herren der Ewigkeit darf ich empfangen, Fleisch von den Altären des Großen, Ich, dem Ka des Propheten Meni.« Und wußte eigentlich gar nicht, wovon ich sprach; denn vieles, mein eigenes Ich nicht ausgenommen, war nur verschwommen in meinem Bewußtsein vorhanden. Doch empfand ich jetzt eine angenehme Müdigkeit, der ich mich nur zu willig hingab. Doch wo zum Schlaf sich betten? Wie ein Kind begann ich zu jammern, daß es hier keinen Platz gäbe, wo ich mich hinlegen könne. Und hielt inne und besann mich. Hatte Meni mir nicht die für seinen Ka bestimmte Nahrung geboten? Gewiß. Und so würde er es mir wohl kaum verübeln, wenn ich an seiner Seite schlief. Also steckte ich meine Fackel in einen der Halter an der Wand und legte mich im inneren Sarg neben die Mumienhülle, völlig unbesorgt (meine Glieder waren gleichsam schlafdurchtränkt) über die Skorpione, die – unmittelbar neben meinem Fuß – im Loch von Menis Fuß sich tummelten.
Flüchtig strichen Gedanken durch mein Hirn. Während ich noch einmal rülpste, wurde mir bewußt, daß das Fleisch, welches ich genossen, kaum aus den Küchen des Pharaos gekommen sein konnte, schmeckte es doch nach Knoblauch, jener Allerweltswürze, wie sie in billigen Wirtshäusern regelmäßig Verwendung fand.
Dann dachte ich an Meni. An seine Güte und an seine Liebe für mich. Und wie eine Tränenflut überschwemmte Kummer mein Herz. Allmählich – und begleitet von meinem eigenen Seufzer – sank ich in Schlaf, indes er, in allerengster Freundschaftsbindung, mich aus dem Reich des Grabes empfing: bereit, mein Gefährte zu sein zu seinen Empfindungen in der Stunde nach seinem Tod. Und gemeinsam gingen wir hinaus, er ins Land der Toten, ich hingegen ins Land der Lebenden; und ich wußte, daß ich all das empfinden mußte, was er empfunden.
VIER
In diesem Schlaf wanderte ich wohl durch den Schatten, der über das Herz fällt, wenn das Auge sich zum letztenmal schließt und die sieben Kräfte der Seele zurückkehren zum Himmel oder hinabsteigen in die Unterwelt.
Kalte Feuer brannten hinter meinen blicklosen Augen, während die sieben Kräfte sich anschickten zu scheiden. Natürlich stoben sie nicht wie in wilder Flucht davon, sondern entfernten sich mit gleichsam priesterlicher Würde, ausgenommen vielleicht die erste, die davonging: Ren. Dies, so erinnerte ich mich, war der Geheime Name, und er entschwand sofort, sternschnuppengleich. So mußte es auch sein. Denn das Verschwinden des Geheimen Namens zeigte als erstes an, daß der Tod eingetreten. Ren war nicht Eigentum des Menschen, nicht einmal der Götter: Der Name entstammte den Himmlischen Gewässern und wurde dem Menschen in der Stunde seiner Geburt zuteil. Eine Kraft, ein Licht, ja, und doch wohl das schwächste der sieben.
Ich glitt durch Dunkelheit. Der Name war entschwunden, und jetzt war Sekhem an der Reihe, jene Gabe der Sonne, die mitwirkte, unsere Glieder zu bewegen, und ich fühlte, wie es sich von mir löste. Ja, Ren war fort und nun auch Sekhem; und ich, ich war tot, und mein Atem strich durch eine Papyrusrinde, indes die Abendkühle auf mein Fleisch fiel. Ein Sonnenuntergang über dem Nil schien es zu sein, dessen ersterbenden Glanz ich erleben durfte. Wolken erstrahlten in karmesinrotem Licht, doch je mehr der Abend verglühte, desto stärker traten dunkle Wolken hervor, Künder von Stürmen noch vor Morgengrauen – mußte Sekhem doch die unerläßliche Frage stellen: »Manchen gelingt es, guten Gebrauch von mir zu machen. Kannst du das von dir behaupten?« Das war die Frage, die Sekhem stellte, und Dunkelheit folgte. Die Düsternis des Todes, die Gewißheit des Dahinscheidens. Gewißheit? Nein, ich wußte doch, daß ich wach war. Und so wartete ich. Doch Sekhems Frage blieb. Ein Urteil würde gefällt werden. Zeit verging, maßlos, ungemessen. Dauerte es eine Stunde oder eine Woche, bis der Mond aufging in mir und mein Inneres gebadet wurde in seinem Licht? Ein Vogel mit leuchtenden Flügeln und strahlendem Haupt glitt vorbei an der vollen Scheibe des Mondes: der Vogel Khu mußte es sein, der süße Vogel der Nacht, ein Wesen voll göttlicher Klugheit, uns leihweise überlassen, genau wie Ren oder Sekhem. Ja, gleich dem Namen und der Kraft, so war dies das Licht, den Geist zu erleuchten, solange man lebte; doch nach dem Tode mußte es zurückkehren zum Himmel. Denn anders als Ba und Ka (jene nächstfolgenden Kräfte der Seele, welche nach dem Tod verderben konnten) blieben Khu und Sekhem und Ren ewiglich. Nun, vielleicht nicht ganz: nicht ohne Verwundung. Plötzlich erfüllte mich ein Gefühl der Zärtlichkeit, wie ich es für einen Menschen noch nie empfunden – für jenen Vogel Khu, von dem ich wußte, daß er ein Engel war und also unsterblich. Doch erkannte ich deutlich, daß er mit verletzter Schwinge zurückstrebte zum Himmel, Zeichen – gleichsam – seiner Anteilnahme an mir. Mich hatte im Leben ja so mancher Hieb getroffen. Doch nun stieg er höher und höher, hinter den Mond, und entschwand. Ich war wieder allein. Drei meiner sieben Lichter waren davongegangen. Der Name, die Kraft und der Engel. In der Düsternis meines Leibes wartete ich auf das Erscheinen des Ba, der sich jedoch nicht zeigte. Doch dann fiel mir ein, wie launisch ein Ba sein konnte (launischer wohl noch als eine Geliebte). Warum also auf Ba warten, vielleicht war Ba ja längst davon.
Nunmehr war die Reihe an Ka, meinem Gegenbild. Doch wie lange würde ich da wohl warten müssen. Schließlich sollte Ka nicht vor dem siebzigsten Tag der Einbalsamierung erscheinen. Voll Furcht dachte ich nun an das sechste der Lichter und Schatten. Khaibit würde es sein. Oh, entsetzlicher Schatten, war Khaibit doch mein Schatten, genaues Abbild meiner Vorzüge und Mängel. Ich begann zu zählen. Ren, Sekhem und Khu, der Ba und der Ka und der Khaibit. Der Name, die Kraft und der Engel, die Seele meines Herzens, mein Gegenbild und mein Schatten. Welche aber war die siebente Macht, fast hätte ich sie vergessen. Sekhu – jener ärmliche Geist, der in meinen irdischen Resten bleiben würde, längst nachdem die anderen sechs entschwunden: ein schwächlicher Abglanz meiner einstigen Lebenskraft.
Nun, da ich den letzten der sieben Namen gedacht, entglitt ich in ein Reich, das ohne Licht war und ohne Laut. Wieder wartete ich. Ich wußte es nicht. Zeit verging, unmeßbar, maßlos.
FÜNF
Ein Haken stach mir in die Nase, drang in mein Gehirn. Ja, da war Schmerz. Doch er traf mich nicht schlimmer, als es die Erde trifft, wenn ihr ein Strauch entrissen wird. Der – oder die – Haken drangen in Nase und Schädel, entfernten wie blindtastende Finger Klumpen von Gehirn. Sonne schien mein Gesicht zu wärmen, doch war es nur der Atem des ersten Einbalsamierers, voll Wein- und Feigendunst – wie deutlich ich das riechen konnte! Hierin bestand wohl das Rätsel. Wie war all dies möglich? Wie konnte mein Hirn fortfahren zu denken, indes es doch, klümpchenweise, entfernt wurde? War es Ba, war es Ka, war es Khaibit, die mir jetzt beim Denken halfen? (Irgend etwas in mir zuckte, während eine besonders ätzende Mixtur von den Einbalsamierern in meinen Schädel eingeführt wurde, um zu beseitigen, was an Hirn noch vorhanden sein mochte.)
Wie lange wohl betätigten sie sich an mir? Wie lange ließen sie jene Mixtur in der Leere meines Schädels brennen? Von Zeit zu Zeit hoben sie meine Füße, drehten mich wohl auch um, setzten mich wieder ab. Einmal legten sie mich auf den Bauch, damit die Säfte spülen, die Säure meine Augen ausfressen konnte. Und als sie fort waren, meine Augen, hätte man zwei Blumen pflücken können. Nachts erkaltete mein Körper, mittags erhitzte er sich. Natürlich konnte ich nicht sehen, doch ich konnte riechen, und so lernte ich die Einbalsamierer kennen. Der Geruch des einen glich dem Geruch eines brünstigen Katers. Der andere »duftete« – nicht einmal unangenehm – nach Wein und Feigen. Auch nach Schlamm und Wasserlöchern roch er und nach üppiger Nahrung (Fleisch aß er für sein Leben gern). Sein Schweiß war stechend und dennoch nicht widerlich; und irgendwie schien aus alldem etwas Biederlich-Treuherziges zu sprechen. Wenn sie sich nahten, verriet mir ihr Geruch recht genau die Tageszeit, und ich vermochte die Stunden zu zählen. (Die jeweilige Wärme hier an diesem Ort prägte diesen Geruch.) Offenbar befand ich mich jetzt in einem Zelt: Deutlich war das Flappen des Zelttuchs zu hören, auch zauste Wind mein Haar. Mein Hörsinn war zurückgekehrt, sonderbarerweise. Interessierte mich doch überhaupt nicht, was gesprochen wurde. Da waren Stimmen, gewiß, was aber gingen mich die Worte an? Sie waren leerer als der Wind, als das Rauschen der Brandung, als die Schreie der Tiere.
Einmal, glaube ich, kam Hathfertiti zu Besuch. Zumindest schaute sie »vorbei«. Deutlich nahm ich ihren Geruch wahr. Sie schluchzte auf, als sei ihr nunmehr endgültig klar, daß ihr Sohn davongegangen. Und entschwand umgehend.
In jenen ersten Tagen spürte ich mitunter, wie die Seite meines Leibes aufgeschlitzt wurde, mit einem scharfen Steinmesser offenbar: Ein Pflug schien Erdreich aufzubrechen, nein, ärger noch: Das Rad eines Streit- oder Triumphwagens zerschlitzte mich wie den Leib einer Schlange. Schwer zu beschreiben, dieses Gefühl. Denn wirklicher Schmerz war es nicht. Vielmehr schien mir mein Leib nichts anderes zu sein als ein Dickicht im Wald, bei dem nach und nach Baum nach Baum gefällt wird, entwurzelt und mit verwelkendem Laub.
Endlich schien ich gereinigt, buchstäblich balsamiert. Ein Bad aus Natron wurde mir zuteil, jenes Salzes also, das Fleisch gleichsam in Stein verwandelt; und dort blieb ich siebzig Tage lang, wobei Gewichte meinen Leib niederhielten. Schließlich glich er einer Hülle aus Holz, wenn nicht gar aus Gestein; und er mündete ein in das Gestein von zehntausend Jahren oder mehr. Er glich jenem Strandgut, das an allen Küsten an Land geschwemmt wird, im Rauschen der Brandung. Ich selbst war diesem Rauschen nicht unverwandt, erlauschte ich doch vielerlei Stimmen, und mein Leib entfernte sich mehr und mehr von dort.
Dann erreichte ein Raunen mein Ohr, die Geschichte von Isis und Osiris, aus dem Rauschen des Wassers, das sacht gegen die Felsküste schlug: Klagelaut, der an mein Ohr drang inmitten der Stille, welche den Nil und unsere Stadt überflutete, ganz wie bei meiner ersten Begegnung mit dem Land der Toten. Wie ein Fels, von Nebel umbrodelt, von der Sonne erhitzt und umdunstet vom Wasser ringsum, wurde mir ein Wunder zuteil: Ich betrat das Reich der Tumben, wo jeder Stein und jedes Lüftchen die Legende von Osiris erzählte, aber- und abermals: Auf der langen Reise inmitten eines Meers aus Wasser und Gestein vereinigten sich alle unterschiedlichen Stimmen zu jener der toten Götter, denen wir alle unseren Ursprung verdanken.
Meni (und mein Atem war ihm so nah, daß er seinen Schlaf wohl störte) schien mich und seine Mumie eins werden zu lassen. Was hatten die Einbalsamierer nicht alles vor sich hin gemurmelt! »O süßriechende Seele des großen Gottes«, hatten sie in ihrem Singsang geraunt. »Nie hast du solch lieblichen Duft wahrgenommen, so daß dein Antlitz verwelken oder gar verderben wird«, – Wörter, die ich nicht vernahm, jedoch zuvor gehört hatte. Ich verstand, ich begriff, erinnerte mich. All dies war Teil dessen, was ich erlebt. Erlebt?
Im Lande der Toten befand ich mich, und man rieb mir die Waden und Schenkel mit Öl ein, teils mit heiligem Öl. Meine Zehen wurden umwickelt mit Linnen, wo jedes Stück bemalt war mit den Bildern von Schakalen. Tücher anderer Art umwanden meine Hände, und auf ihnen fanden sich Abbilder von Isis und Hep und Ra und Amset. Köstliche Wässer spülten über mich hinweg. Ich erhielt alle möglichen Amulette, in Türkis und in Gold, in Silber und in Lapislazuli, in Kristall und in Karneol. Über einen goldbemalten Finger wurde ein Ring gestreift, dessen Siegel gefüllt war mit je einem Tropfen der sechsunddreißig Substanzen des Einbalsamierers. Sodann kamen Blüten der Ankham-Pflanze sowie Leinentücher, teils breit, teils schmal, doch schier endlos lang, mein hohles Innere zu füllen. Ich vernahm gemurmelte Gebete; und auch den sachten Atem der Künstler, die mein Grabbehältnis bemalten; und ich hörte ihr Summen und Singen in dem heißen Zelt unter der wandernden Sonne. Dann kam der Tag, da mein Sarg polternd über die Pflastersteine geschleift wurde, zu jener Grabkammer, die mir zur letzten Bleibe bestimmt war; und in blickloser Dunkelheit erschienen Visionen, begleiteten mich doch Isis und Nephthys und sangen, und war doch Thoth nicht fern noch Anubis; auch vernahm ich das leise Schluchzen der Frauen, sanft wie ferner Möwenschrei, und ich hörte den Singsang des Priesters: »Der Gott, Horus, naht mit seinem Ka.« Die Sarghülle polterte über die Stufen der Gruft. Nun vergingen Stunden bei einer Zeremonie (waren es Stunden?), von der ich wenig gewahrte. Gefäße voll Nahrung wurden abgesetzt, Flüssigkeiten ergossen sich über den Boden; doch drang der Widerhall in mich ein wie das Tosen eines unterirdischen Flusses. Und dann stürzte ein Felsblock auf meinen Kopf, Kettenrasseln folgte, doch war dies nur das Schaben irgendeines Geräts auf meinem Gesicht. Nun spürte ich, wie eine gewaltige Kraft mir die Kiefer öffnete und viele Worte in meinen Mund fluteten. Ich sah die Augen von Isis, und ich hörte das Rauschen der Wässer meiner Empfängnis, auch das Schluchzen eines brechenden Herzens – meines eigenen? Ich wußte es nicht. Luftströme trafen auf mich wie ein neues Leben – und es kam und ging sogleich wieder der vergessene erste Augenblick des Todes. Nun war mein Ka geboren, wiedergeboren also ich selbst. Dauerte es einen Tag, ein Jahr? Dauerte es viele Jahre? Ich war wieder ich selbst, auferstanden und getrennt von Meni und seinem armen Leib dort im Sarg.
Trauer überwältigte mich. Feuer brannte in meinen Augen, Trostlosigkeit. Denn nun wußte ich, weshalb Meni mir der teuerste Freund gewesen; begriff auch, warum sein Tod mir soviel Qual bereitete. O ja. Die trübe Erinnerung an sein Leben war nichts anderes als das trübe Erinnern an mein eigenes. Jetzt erkannte ich, wer ich war (um nichts besser als ein Geist, von der Gier nach Nahrung besessen). Ich war nur der erbärmliche Ka von Menenhetet II. Und wenn die erste Kraft der Toten darin bestand, daß sie den Namen des Herrn ihrem eigenen Namen hinzufügen konnten, so war ich der Ka des armen, hilflosen Osiris Menenhetet II. Ja, gewiß, der Ka, der nunmehr in diesem geschändeten Grab hausen mußte. Oh, wo befand ich mich, nun, da ich wußte, wo ich mich befand?
Das Land der Toten öffnete sich mir mit der Erkenntnis, daß ich nur noch ein Siebtel war jener Seele, die einst meine eigene lebende gewesen.
Was denn blieb mir zu sein als das Gegenbild des toten Meni – jener sterblichen, faulenden Reste seiner Leiche und meiner selbst.
SECHS
Nun begriff ich auch, weshalb in mir kaum ein Erinnern war. Als Gegenbild von Menenhetet II. konnte ich nur seine Züge bewahren. Ein Spiegel besitzt kein Gedächtnis. Und dennoch war ich auch ich selbst. Befand mich in dem Körper, der doch wohl mein eigener war. Oder nicht?
Ich, der Ka meines allerbesten Freundes Meni – wie begierig war ich doch, den Ba zu schauen. Konnte der Ba nicht mein Gefährte werden? Ich dachte – erdachte – ihn mir sogar als eine Art Weib. Weshalb wohl auch nicht? Die Leiber vieler Männer verhielten sich in der Liebe weiblich – und umgekehrt. Hatte ich je Hathfertiti beigeschlafen? Wie sollte ich das wissen? Doch empfand ich keinerlei Beschämung, in dieser Weise an meine Mutter zu denken – konnte ein Spiegel denn überhaupt eine Mutter haben?