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Mit dem Bergpfarrer hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Die Romanserie läuft seit über 13 Jahren, hat sich in ihren Themen stets weiterentwickelt und ist interessant für Jung und Alt! Toni Waidacher versteht es meisterhaft, die Welt um seinen Bergpfarrer herum lebendig, eben lebenswirklich zu gestalten. Er vermittelt heimatliche Gefühle, Sinn, Orientierung, Bodenständigkeit. Zugleich ist er ein Genie der Vielseitigkeit, wovon seine bereits weit über 400 Romane zeugen. Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert. Leonies Mobiltelefon läutete. Die Neunundzwanzigjährige befand sich in der Küche des Moosbicherlhofs und war dabei, das Mittagessen für ihre Schwiegereltern und ihren Mann zuzubereiten. Sie nahm ein Handtuch und wischte sich die Hände damit ab, dann griff sie nach dem Handy. Bei der Anruferin handelte es sich um ihre Cousine Angelika. Leonie krampfte sich der Magen zusammen und ihr Herz schlug schneller. Ihre Tante Barbara, eine Schwester ihrer viel zu früh verstorbenen Mutter, war schwer erkrankt, und die Tatsache, dass Angelika vormittags anrief, bedeutete sicherlich nichts Gutes. Mit gemischten, beklommenen Gefühlen nahm sie das Gespräch an, hob das Handy ans Ohr und sagte mit belegter Stimme: »Guten Morgen, Angelika. Ich hoff' net, dass du mit einer schlechten Nachricht anrufst.« »Grüaß di, Cousine. Es ist leider so. Die Mama ist heut' früh in der Bergklinik verstorben.« Angelika schniefte, ihre Stimme hatte brüchig geklungen. »Sie ist friedlich eingeschlafen. Der Pfarrer Trenker hat ihr gestern Abend noch die Sterbesakramente gegeben.« Angelika fing an zu weinen. »Sie war doch noch so jung, net mal sechzig ist sie geworden.« Der Tod fragt net nach dem Alter, sinnierte Leonie, laut sagte sie: »Die Tante hat ja gewusst, dass sie nimmer gesund wird, und die letzten Wochen waren für sie doch nur noch eine einzige Qual. Wahrscheinlich war der Tod für sie eine Erlösung. Natürlich ists tragisch und es trifft mich ungemein, obwohl ich tagtäglich mit deinem Anruf gerechnet hab'. Mir bleibt's nur, dir meine tief empfundene Anteilnahme auszusprechen, Angelika.«
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Seitenzahl: 137
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Leonies Mobiltelefon läutete. Die Neunundzwanzigjährige befand sich in der Küche des Moosbicherlhofs und war dabei, das Mittagessen für ihre Schwiegereltern und ihren Mann zuzubereiten. Sie nahm ein Handtuch und wischte sich die Hände damit ab, dann griff sie nach dem Handy.
Bei der Anruferin handelte es sich um ihre Cousine Angelika. Leonie krampfte sich der Magen zusammen und ihr Herz schlug schneller. Ihre Tante Barbara, eine Schwester ihrer viel zu früh verstorbenen Mutter, war schwer erkrankt, und die Tatsache, dass Angelika vormittags anrief, bedeutete sicherlich nichts Gutes.
Mit gemischten, beklommenen Gefühlen nahm sie das Gespräch an, hob das Handy ans Ohr und sagte mit belegter Stimme: »Guten Morgen, Angelika. Ich hoff‘ net, dass du mit einer schlechten Nachricht anrufst.«
»Grüaß di, Cousine. Es ist leider so. Die Mama ist heut‘ früh in der Bergklinik verstorben.« Angelika schniefte, ihre Stimme hatte brüchig geklungen. »Sie ist friedlich eingeschlafen. Der Pfarrer Trenker hat ihr gestern Abend noch die Sterbesakramente gegeben.« Angelika fing an zu weinen. »Sie war doch noch so jung, net mal sechzig ist sie geworden.«
Der Tod fragt net nach dem Alter, sinnierte Leonie, laut sagte sie: »Die Tante hat ja gewusst, dass sie nimmer gesund wird, und die letzten Wochen waren für sie doch nur noch eine einzige Qual. Wahrscheinlich war der Tod für sie eine Erlösung. Natürlich ists tragisch und es trifft mich ungemein, obwohl ich tagtäglich mit deinem Anruf gerechnet hab‘. Mir bleibt‘s nur, dir meine tief empfundene Anteilnahme auszusprechen, Angelika.«
»Danke, Leonie.« Angelikas Stimme klang jetzt wieder gefestigter, weniger gepresst. »Du kommst doch zur Beerdigung? Sie findet am Freitag statt. Um acht Uhr hält der Pfarrer Trenker die Messe, anschließend erfolgt die Beisetzung.«
»Natürlich komm‘ ich«, erklärte Leonie. »Das ist doch keine Frage. Und wenn der Christian net mitkommt, dann erschein‘ ich allein. Wir würden schon am Donnerstag anreisen. Bei dir könnten wir doch übernachten?«
»Freilich. Ich freu‘ mich schon, wenn wir uns wieder mal sehen. Ellbach ist zwar net aus der Welt, dennoch haben wir uns schon an die drei Monate nimmer gesehen.«
»Auf dem Hof hier gibts immer was zu tun, Angelika«, erwiderte Leonie und ihre Stimme hatte einen etwas verbitterten Klang angenommen. »Daumendrehen kommt bei uns net infrage. Aber darüber haben wir ja schon des Öfteren gesprochen. Es ist schwer, Christians Mutter was recht zu machen. Und sein Vater stößt ins gleiche Horn. Manchmal möcht‘ ich auf und davon laufen. Ich bin nur dem Christian zuliebe noch hier. Aber der wird auch immer mürrischer.«
»Reden wir drüber, wenn du nach St. Johann kommst, Leonie«, sagte Angelika.
In dem Moment betrat Leonies Schwiegermutter die Küche. Katharina Moosbichler war eine große Frau von grobknochiger Gestalt. Ihre angegrauten, dunklen Haare waren streng zurückgekämmt und zu einem Zopf geflochten, der am Hinterkopf zu einem Knoten zusammengesteckt war.
»In Ordnung, Angelika«, erwiderte Leonie. »Ich ruf‘ dich noch einmal an, wenn ich mit dem Christian gesprochen hab‘. Pfüat di!«
»Alles klar, Leonie. Wir sehen uns dann am Donnerstag. Servus.«
Leonie legte das Handy auf den Tisch.
»War das deine Cousine?«, erkundigte sich Katharina Moosbichler und fügte sogleich hinzu: »Ich schließ‘ es daraus, dass du den Namen Angelika genannt hast.«
»Die Tante Barbara ist heut‘ früh verstorben«, sagte Leonie. »Am Freitag findet die Beerdigung statt. Ich werd‘ am Donnerstag schon nach St. Johann fahren.«
»Du weißt ja, dass es hier auf dem Hof einen Haufen Arbeit gibt«, stieß Katharina hervor, die grauen Augen, in denen nicht die Spur von Freundlichkeit wahrzunehmen war, auf Leonie gerichtet. Leonie wusste, was Katharina mit ihrem Hinweis auf die viele Arbeit zum Ausdruck bringen wollte. In ihr erwachte der Widerstand.
Sie mochten sich nicht besonders, Leonie und ihre Schwiegermutter. Christian Moosbichlers Eltern hatten vor drei Jahren alles getan, um die Hochzeit ihres Sohnes mit der unvermögenden Leonie zu verhindern. Ihnen wäre es lieb gewesen, wenn ihr Sohn eine reiche Bauerntochter geheiratet hätte. Alles was sie, Leonie, in die Ehe hatte mitbringen können, waren ihre Arbeitskraft und die Liebe zu Christian. Und diese Liebe war erwidert worden. Christian hatte sie gegen den Willen seiner Eltern geheiratet. Ein gutes Verhältnis zu ihnen war nie zustande gekommen.
»Ihr werdet sicher zwei oder drei Tage mal ohne mich und den Christian auskommen«, versetzte Leonie kühl.
»Den Christian willst du auch mitnehmen?«, fragte Katharina wenig begeistert. »Es sind noch einige Äcker und Wiesen zu richten, außerdem stehen sechzig Kühe im Stall, die gemolken werden müssen. Der Stall ist überdies sauber zu halten, das Vieh muss gefüttert werden, und der Haushalt verrichtet sich ja auch net von selber.«
»Willst du mir ein schlechtes Gewissen einreden?«, fragte Leonie, die sich von ihrer Schwiegermutter schon lange nicht mehr alles gefallen ließ. »Du und der Konrad, ihr seid keine alten, gebrechlichen Leut‘, die net mal eine Mistgabel in die Hand nehmen und den Stall sauber machen könnten. Und drei Mahlzeiten am Tag wirst du dir und dem Konrad wohl bereiten können. Die Äcker und Wiesen laufen uns net davon. Wenn sie drei Tage später gepflügt und gedüngt werden, ist das sicherlich kein Beinbruch.«
»Wie redest du denn mit mir?«, fuhr Katharina ihre Schwiegertochter an.
»Wieso? Wie red‘ ich denn mit dir?« Leonie wich dem vorwurfsvollen Blick der Älteren nicht aus. »Ich war weder respektlos noch anmaßend. Bis vor drei Jahren habt ihr den Hof ja auch ohne mich bewirtschaftet. Ich lass‘ es mir jedenfalls net nehmen, zur Beerdigung meiner Tante nach St. Johann zu fahren.«
Katharina maß ihre Schwiegertochter mit einem geringschätzigen Blick, machte kehrt und strebte der Tür zu, um die Küche zu verlassen. Leonies Stimme holte sie ein. Die Neunundzwanzigjährige sagte: »Ihr – du und der Schwiegervater – seid fit genug, um die Kühe an die Melkmaschine anzuschließen, ihnen Futter zu geben und den Stall zwei Tage lang sauber zu halten. Am Freitagnachmittag kommen wir ja schon wieder heim.«
»Wir haben den Hof an den Christian übergeben«, entgegnete Katharina. »Also soll er sich auch drum kümmern. Und du hast hier eingeheiratet. Was das heißt, brauch‘ ich dir net zu sagen. Darüber haben wir von Anfang an keinen Zweifel aufkommen lassen.«
»Ich glaub‘ net, dass du dich über mich beklagen kannst«, stieß Leonie hervor. »Es gibt keine Arbeit auf dem Hof, die ich net verrichten würd‘.«
Katharina winkte ab und verließ die Küche wieder.
Leonie, die sich recht couragiert gezeigt hatte, ließ sich auf einen Stuhl fallen, schlug die Hände vor das Gesicht und murmelte verzweifelt: »Zum Christian seiner Mutter werd‘ ich wohl nie einen Draht finden. Ich hab‘ immer nur versucht, ihr alles recht zu machen. Aber sie findet immer ein Haar in der Suppe.«
Leonies Hände sanken wieder nach unten. Nachdem sie kurze Zeit so dagesessen und gedankenvoll auf den Fußboden gestarrt hatte, erhob sie sich seufzend und ging wieder an ihre Arbeit …
Nacheinander erschienen erst Christian, dann sein Vater und schließlich auch Leonies Schwiegermutter zum Mittagessen. Christian war nicht überrascht, als ihm Leonie vom Tod ihrer Tante erzählte. »Das war zu erwarten«, brummte er. »Die Ärzte haben ja schon seit einigen Wochen keinen Zweifel daran aufkommen lassen, dass deine Tante nimmer wird.«
Es gab einen Gemüseauflauf aus Kartoffeln, Zwiebeln, Tomaten, Blumenkohl und Brokkoli, mit Mozzarella und geriebenem Emmentalerkäse überbacken, gewürzt mit schwarzem Pfeffer, Oregano und Knoblauch.
Jeder nahm sich aus der Pfanne, die Leonie mitten auf den Tisch gestellt hatte, so viel wie er wollte.
»Warum hast du mich eigentlich net gleich angerufen und mir Bescheid gesagt, nachdem dich deine Cousine vom Tod der Tante informiert hatte?«, fragte Christian.
»Ich wollt‘ dich net von deiner Arbeit abhalten«, versetzte Leonie und warf ihrer Schwiegermutter einen trotzigen Blick zu. »So bedeutsam, scheint mir, wird der Tod meiner Tante hier auf dem Hof eh net empfunden.«
»Wir haben deine Tante kaum gekannt«, rechtfertigte sich Konrad Moosbichler, Christians Vater.
»Spielt ja auch keine Rolle«, versetzte Leonie und schaute ihren Mann an. »Du kommst doch mit nach St. Johann zur Beerdigung? Sie findet am Freitag in der Früh statt, ich will aber schon am Donnerstagnachmittag hinfahren.«
»Eigentlich hab‘ ich keine Zeit«, antwortete Christian. »Aber wir können ja nach der Beerdigung gleich zurückfahren.« Er nickte. »In Ordnung. Ich komme mit.«
Seine Mutter verzog das Gesicht, schwieg aber.
*
Am Donnerstag gegen achtzehn Uhr kamen Leonie und Christian in St. Johann an. Es war ein wahres Glücksgefühl, das die Neunundzwanzigjährige durchströmte, als sie durch den Ort fuhren. Das war ihre Heimat, hier war sie aufgewachsen, hier war sie zur Schule gegangen, hier hatte sie die erste Liebe kennengelernt. Sie war allerdings in die Brüche gegangen. Erst einige Zeit später hatte Leonie auf dem Oktoberfest in München Christian kennengelernt, der ihr den Hof gemacht und dessen Werben sie schließlich nachgegeben hatte. Sie heirateten, und sie zog zu ihm nach Ellbach in der Gemeinde Bad Tölz.
Das Haus, in dem ihre Cousine Angelika lebte, lag mitten im Ort, jedoch nicht an der Hauptstraße, sondern in einer parallel zu ihr verlaufenden Seitenstraße. Die Straße war dennoch breit genug, dass Christian sein Auto vor dem Haus parken konnte.
Angelika stand am Fenster, als sie vorfuhren, denn Leonie hatte ihre Ankunft telefonisch angekündigt. Und nun, Leonie und Christian waren noch nicht richtig ausgestiegen, lief sie den Ankömmlingen schon auf dem gepflasterten Weg entgegen.
Die Cousinen umarmten sich. »Endlich!«, stieß Angelika hervor. »Ich hab‘ schon auf glühenden Kohlen gestanden. Wir haben uns ja schon so lang‘ nimmer gesehen.« Angelikas Augen schwammen in Tränen. Es waren Freudentränen. Tränen der Trauer wegen des Todes ihrer Mutter hatte sie schon mehr als genug vergossen.
Auch Leonie hatte Mühe, die Tränen zurückzuhalten. »Es tut mir leid, das mit deiner Mama«, flüsterte sie.
»Sie wird mir sehr fehlen«, schluchzte Angelika, dann begrüßte sie Christian. Ihm reichte sie lediglich die Hand, die er ergriff und sagte:
»Auch mir tuts leid, Angelika. Ich möcht‘ dir mein tief empfundenes Beileid ausdrücken. Leider hab‘ ich deine Mutter viel zu wenig gekannt …«
»Schon gut, Christian. Ich freu‘ mich, dass du die Leonie begleitet hast«, murmelte Angelika und entzog Christian ihre Hand.
In der Zwischenzeit war ein junger Mann unter die Haustür getreten. Leonie sah ihn, lächelte und ging schnell auf ihn zu. »Servus, Armin. Schön von dir, dass du der Angelika in diesen für sie so schweren Stunden Beistand leistest.«
Die beiden umarmten sich kurz.
»Das ist doch selbstverständlich«, versetzte Armin Humbser. »Die Angelika und ich wollen im nächsten Jahr heiraten. Schade, dass es ihre Mutter net erleben darf.« Er zuckte mit den Schultern. »Man muss es auch mit dem Herzen akzeptieren. Vielleicht war die Barbara zu gut für diese Welt.«
Christian und Angelika traten ins Haus. Christian trug die kleine Reisetasche, die Leonie gepackt hatte. Die beiden Männer begrüßten sich, aber der Händedruck, den sie tauschten, war sehr unpersönlich und erinnerte mehr an eine Pflichtübung. Von Herzlichkeit war nichts zu merken. Angelika bat schließlich alle ins Esszimmer.
»Für Kaffee und Kuchen dürft‘s zu spät sein«, sagte sie. »Habt ihr was dagegen, wenn ich ein bissel was zum Essen richt‘? Was wollt ihr denn gern trinken? Wasser, Wein, Bier …«
»Mir nur Wasser, bitte«, sagte Leonie.
»Ich könnt‘ schon eine Halbe Bier vertragen«, gab Christian zu verstehen.
»Bist du so gut?«, fragte Angelika, an ihren Verlobten gewandt.
Armin nickte und verließ das Wohnzimmer, um die Getränke zu holen.
»Seid ihr gut durchgekommen?«, fragte Angelika.
Christian wusste, was sie meinte. »Ja. Auf der Autobahn war kaum was los. Die Urlauber sind alle wieder daheim, und solang‘s net schneit, kommt auch keiner in die Berg‘. Nein, es hat keine Probleme gegeben. Zwischen den Saisonen gibts eigentlich nie Probleme, es sei denn, jemand hat einen Unfall gebaut. Net mal in einen Stau sind wir geraten.«
Armin kam mit einer Flasche Mineralwasser, einem Glas und einem Glaskrug, der mit Bier gefüllt war. Er stellte das Wasser und das Glas vor Leonie hin, den Krug vor Christian. Wortlos setzte er sich wieder.
»Danke«, sagte Leonie und auch Christian murmelte einen Dank.
»Ich geh‘ dann mal in die Küche«, erklärte Angelika und setzte sich in Bewegung.
»Ihr wollt also im nächsten Jahr heiraten«, begann Leonie ein Gespräch.
»Ja. Im Mai«, antwortete Armin, ein dunkelhaariger Mann von dreißig Jahren, etwa einsachtzig groß und schlank. Ein sympathischer Typ, den Leonie selbst, als sie noch zur Schule gegangen waren, zum Freund gehabt hatte. Als sie hörte, dass er und ihre Cousine ein Paar geworden waren, hatte sie sich richtig gefreut. »Mit Pfarrer Trenker ist schon alles besprochen.«
»Ich freu mich für euch«, sagte Leonie, und es kam von Herzen. »Dass die Tante nimmer dabei sein kann, ist tatsächlich schade, aber ich vermut‘, dass sie unter uns weilt, wenn es soweit ist.«
Um Christians Mund spielte ein Lächeln. Leonie nahm es wahr und versuchte es einzustufen, wurde sich aber nicht darüber klar, ob es ein spöttisches oder ein nachsichtiges Lächeln war. Sie dachte auch nicht länger darüber nach.
»Ähnliche Worte hat gestern auch die Angelika gebraucht«, gab Armin zu verstehen.
»Ihr wohnt aber noch net zusammen, die Angelika und du?«, kam es fragend von Leonie. »Ich nehm‘ jedoch an, dass ihr nach eurer Hochzeit das Haus hier beziehen werdet.«
»Nein, wir sind noch net zusammengezogen«, antwortete Armin. »Ich bewohn‘ im Haus meiner Eltern die Mansardenwohnung. Das Haus hier würd‘ ja leerstehen, wenn wir‘s net beziehen würden. Daran, es zu vermieten, denkt die Angelika net mal im Traum. Außerdem wollen wir Kinder. Dann wär‘ die kleine Wohnung im Haus meiner Eltern eh net ausreichend. Hier haben wir genug Platz.«
»Eine vernünftige und praktikable Lösung«, lobte Christian.
»Wie schaut‘s denn bei euch aus?«, erkundigte sich Armin. »Ihr seid jetzt seit knapp drei Jahren verheiratet. Wollt ihr denn net endlich für Nachwuchs sorgen, für einen Hoferben?«
Ein Schatten schien über Leonies hübsches, frauliches Gesicht zu huschen. Christians Miene verfinsterte sich.
In diesem Moment schob Angelika einen Servierwagen ins Esszimmer. Sie hatte eine große Platte mit verschiedenen Wurstsorten, Schinken und Geräuchertem sowie Käse gerichtet. Dazu gab es knuspriges Brot. Auf dem Wagen waren außerdem vier Teller aufeinandergestapelt, daneben lag die erforderliche Anzahl von Bestecken. Sie hatte den letzten Satz ihres Verlobten vernommen, lächelte und sagte: »Ja, dazu wär‘s längst an der Zeit bei euch beiden.«
»Es will einfach net klappen«, brummte Christian.
»Ihr seid aber dran?«, fragte Armin.
»Seit dem Tag, an dem wir uns das Jawort gegeben haben«, antwortete Christian, während sich Leonies Gesicht leicht gerötet hatte. Sie begann, verlegen ihre Hände zu kneten. »Die Mama hat schon angeregt, dass wir mal zu einem Gynäkologen gehen sollten, damit der die Leonie untersucht. Die Ärzte bewirken auf diesem Gebiet oft Wunder. Die Leonie aber ist der Meinung, dass es vielleicht an mir liegt und dass ich einen Arzt aufsuchen sollte.«
»Das ist natürlich im Bereich des Möglichen«, sagte Angelika diplomatisch, während sie die Teller und Bestecke auf am Tisch verteilte und die Platte mit den Spezialitäten sowie den Brotkorb in die Tischmitte stellte. »Greift zu, ihr Lieben«, forderte sie dann ihre Gäste auf, sich zu bedienen. »Geniert euch net. Es ist genug da. Wenn‘s net reichen sollt‘, der Kühlschrank ist voll.«
Sie versuchte, nicht allzu schwermütig zu wirken. Denn trotz tiefer Trauer um ihre geliebte Mutter ging das Leben weiter, und der Tod gehörte zum Leben wie das Geborenwerden.
Leonie, die schon gehofft hatte, dass Angelika mit diesem Hinweis dem Gesprächsthema eine andere Richtung gegeben hatte, sah sich getäuscht, denn Christian sagte: »Ich glaub‘ net, dass es an mir liegt. Aber ich werd‘ mich wohl trotzdem irgendwann in nächster Zeit mal dazu entschließen, mich untersuchen zu lassen. Sollt‘ sich dann herausstellen, dass net ich es bin, der die Schuld an unserer Kinderlosigkeit trägt, dann bist du gefordert, Leonie.«
Leonie vermied es, irgendjemanden anzusehen, obwohl sie das Gefühl hatte, dass die Augen der Anwesenden auf sie gerichtet waren. »Lassen wir es einfach auf uns zukommen«, murmelte sie ausweichend.
*
Am folgenden Morgen fand die Messe statt. Die Kirche war voll von Trauergästen. Man hatte das Gefühl, alles, was in St. Johann zwei Beine hatte, war zum Trauergottesdienst erschienen. Danach fand die Beisetzung auf dem Friedhof statt. Pfarrer Trenker erzählte einiges aus dem Leben der Verstorbenen, erwähnte, dass sie ein wertvoller Mensch, arbeitsam, ehrlich und bodenständig gewesen war und sprach die vorgesehenen Gebete.
Leonie stand neben Angelika auf der dem Pfarrer gegenüberliegenden Seite des Grabes. Neben ihr stand Christian. Während Leonie gegen die Tränen ankämpfte und Angelika ihren Gefühlen freien Lauf ließ, lauschte Christian mit unbewegtem Gesicht den Worten des Geistlichen.