Fürsten-Roman 2650 - Clarissa von Lausitz - E-Book

Fürsten-Roman 2650 E-Book

Clarissa von Lausitz

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Beschreibung

Anna Prinzessin von Loyenfels und Erik Jespersen haben vor Kurzem geheiratet. Es war die Traumhochzeit des Jahres. Professionelle Fotostrecken zierten die verschiedensten Hochglanzmagazine.
Eines Tages landet zufällig eines dieser Magazine dreihundert Kilometer entfernt bei Maren Hertz und ihrem Lebensgefährten Benno. Die Physiotherapeutin reagiert betroffen, zumal Rasmus und Erik sich zum Verwechseln ähnlich sehen. Benno lässt nicht locker, bis Maren ihm gesteht, dass Erik der Vater ihres zwölfjährigen Sohnes ist. Der dauerpleite Musiker Benno wittert eine Chance, an Geld zu kommen, und er hat auch schon einen Plan, wie ihm das gelingen wird ...


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Inhalt

Cover

Sieben Wochen nach der Traumhochzeit

Vorschau

Impressum

Sieben Wochen nach der Traumhochzeit

Ein Fürstenhaus gerät in Erklärungsnot

Von Clarissa von Lausitz

Anna Prinzessin von Loyenfels und Erik Jespersen haben vor Kurzem geheiratet. Es war die Traumhochzeit des Jahres. Professionelle Fotostrecken zierten die verschiedensten Hochglanzmagazine.

Eines Tages landet zufällig eines dieser Magazine dreihundert Kilometer entfernt bei Maren Hertz und ihrem Lebensgefährten Benno. Die Physiotherapeutin reagiert betroffen, zumal Rasmus und Erik sich zum Verwechseln ähnlich sehen. Benno lässt nicht locker, bis Maren ihm gesteht, dass Erik der Vater ihres zwölfjährigen Sohnes ist. Der dauerpleite Musiker Benno wittert eine Chance, an Geld zu kommen, und er hat auch schon einen Plan, wie ihm das gelingen wird ...

Langsam, Zentimeter für Zentimeter, hob der gewaltige Kran das hübsche Segelboot mit dem dunkelblau lackierten Rumpf aus dem Wasser. Es knirschte, als die Hebegurte am Schiffskörper schabten. Dann schwenkte der Kran die Jolle »Fortuna« zur Seite und platzierte sie über dem Trailer, den Erik Jespersen zuvor neben die Krananlage rangiert hatte.

»Alles klar?«, dröhnte die tiefe Stimme von Sven Mayberg durch die kühle Luft des klaren Herbstmorgens. Der große, bullige Mann hielt den Steuerschalter in seinen prankenartigen Händen und blickte konzentriert auf die leicht hin und her schaukelnde »Fortuna«.

»Alles klar!«, rief Erik. Stück für Stück senkte sich die Jolle auf den Trailer, während Erik und seine Frau versuchten, das Boot in die exakte Position zu schieben. »Fertig«, verkündete Erik und lächelte.

Anna reichte ihm einen Gurt unter dem Rumpf hindurch, und Erik zurrte ihn fest.

»Hat doch super geklappt.« Sven trat zu den beiden und nickte zufrieden.

»Dank deiner unnachahmlichen Präzision, mein Lieber.« Erik klopfte Sven auf die Schulter, musste seinen Arm dabei allerdings in die Höhe strecken. Dabei war Erik Jespersen – schlank, sportlich, dunkelhaarig – nicht eben klein gewachsen. Aber sein Freund Sven überragte alle Männer im Segler-Verein Loyensee deutlich.

»Die Firma dankt.« Sven grinste.

»Das hast du wirklich großartig gemacht, vielen Dank«, schloss sich Anna an.

Ein fröhliches Lächeln breitete sich auf ihrem gerade geschnittenen Gesicht aus und vertrieb die leichte Strenge, die die junge Frau mitunter ausstrahlte. Ihre großen, blauen Augen leuchteten mit dem wolkenlosen Oktoberhimmel um die Wette.

»Wenn Ihre Königliche Hoheit das sagen, so muss es wahr sein«, deklamierte Sven und verbeugte sich, wobei sich die Träger seines Overalls über seinen breiten Schultern spannten.

»Jetzt hör schon auf.« Anna lachte und fuhr sich durch ihr langes, dunkles Haar, das in der Sonne schimmerte. »Wie oft willst du diesen Witz noch reißen?«

»Er kommt nicht darüber hinweg, dass sich die Prinzessin von Loyenfels an einen Bürgerlichen verschwendet hat«, meinte Erik und lachte ebenfalls. Er legte einen Arm um seine Frau und sah sie an. »Ich kann es ja selbst kaum glauben.«

Diese Bemerkung klang zwar wie ein Scherz, doch im Grunde war es Erik sehr ernst damit. Ihre Hochzeit war mittlerweile einige Wochen her, doch noch immer staunte er täglich darüber, dass ausgerechnet er die umwerfende, kluge und wunderschöne Anna Prinzessin von Loyenfels bekommen hatte. Er, Erik Loyenfels – zwar ein erfolgreicher Finanzmanager und gut aussehend noch dazu. Aber eben nicht der Schwiegersohn, den sich das Fürstenpaar von Loyenfels für seine Erstgeborene gewünscht hatte.

»Erstens bin ich keine Prinzessin mehr, sondern Frau Anna Jespersen, und das wisst ihr auch genau«, erklärte Anna. »Und zweitens habe ich mich nicht verschwendet, sondern den besten Mann der Welt geheiratet.«

Sie lächelte Erik an und gab ihm einen Kuss.

»Aufhören, so viel Romantik so früh am Tag vertrage ich nicht«, stöhnte Sven und wandte sich wieder der Jolle zu. »Seht mal lieber zu, dass ihr euer Schmuckstück in die Halle verfrachtet.«

»Jawohl, geht los.«

Erik salutierte und half Sven dabei, die Hebegurte zu lösen. Zwei andere Segler warteten bereits mit ihren Bootsanhängern aufs Kranen. Am Saisonende wollte keiner der Letzte sein, der sein Schiff ins Winterlager brachte.

Hektisch ging es dennoch nicht zu, schließlich sollte die »Fortuna« beim Verladen keine Kratzer bekommen. Erik hing sehr an dem fünf Meter langen, wendigen Segelboot – vor allem, weil er und Anna über die »Fortuna« zueinander gefunden hatten.

Nie würde Erik diesen Sonntag im Mai vor eineinhalb Jahren vergessen. Soeben hatte er sein Boot zum ersten Mal am Steg des Segler-Vereins Loyensee festgemacht, nach seinem Wechsel weg vom örtlichen Regatta-Club. Dessen Mitglieder hatten nach Eriks Ansicht einen übertriebenen Ehrgeiz an den Tag gelegt und den Spaß am Segeln vergessen. Im Segler-Verein gehe es lockerer zu, hatte ihm Sven berichtet, der den Regatta-Club bereits im Streit verlassen hatte, und so war Erik ihm gefolgt.

»Schickes Boot«, hatte plötzlich eine fröhliche, helle Stimme kommentiert.

Erik hatte aufgesehen und seine Traumfrau erblickt. Auf dem Steg, in schlichten Jeans und Polohemd, groß und schlank und mit unglaublich blauen Augen, die ihn anlachten.

»Hallo, Herr Jespersen? Jemand zu Hause?« Die Traumfrau stupste ihn leicht in die Seite. Erik stand neben ihrem Kombi, an den Anna den Trailer gehängt hatte. Er blinzelte.

»Wo warst du?« Kopfschüttelnd betrachtete Anna ihren Mann. »So verträumt kenne ich dich gar nicht.«

»Ach, ich musste daran denken, wie wir uns hier kennengelernt haben«, gab Erik zurück. »Dort hinten, auf dem Steg. Das war so ein unglaublicher Moment.«

»Du bist wirklich sehr romantisch heute.« Anna lächelte. »Lass das bloß Sven nicht hören, das verkraftet er vielleicht nicht.«

»Raue Schale, weicher Kern«, meinte Erik leichthin. »Wo ist er eigentlich?«

»Schon wieder hinten beim Kran. Wollen wir los?« Anna schwang sich auf den Fahrersitz, und auch Erik stieg ein. Gerade wollte Anna losfahren, als ein etwa achtjähriger Junge einen Optimisten auf einem Slipwagen vor Anna und Erik über den Weg zerrte.

»Sollen wir ihm helfen?« Schon war Anna im Begriff, wieder auszusteigen.

»Nein, lass mal.« Erik beobachtete den Jungen, der sein kleines, extra für Kinder gebautes Segelbötchen entschlossen weiterzog. »Das will er bestimmt lieber allein schaffen.«

»Wenn du meinst.« Versonnen schaute Anna dem segelbegeisterten Kind hinterher.

»Möglicherweise sollten wir uns auch einen Opti anschaffen«, sagte Erik. »Klaus will seinen verkaufen. Nur vorsichtshalber, versteht sich.«

»Ist klar. Vorsichtshalber.« Anna schmunzelte. »Du kannst es echt nicht erwarten, oder?«

»Was denn? Ich sorge nur vor«, verteidigte sich Erik. »Schließlich sind wir uns einig, was die Familienplanung angeht. Da ist es doch logisch, dass ich rechtzeitig das passende Equipment sichere.«

»Schatz, selbst wenn ich vor Weihnachten schwanger werde, wird das Kind nicht im nächsten Jahr segeln können«, informierte ihn Anna. »Jedenfalls habe ich noch nie von einem Säugling gehört, der direkt als Skipper losgelegt hat.«

»Einer ist immer der Erste«, merkte Erik an.

»Vielleicht will unser Kind auch gar nicht segeln. Hast du daran schon einmal gedacht?«, wandte Anna ein.

»Also, meine liebe Frau, jetzt redest du aber entsetzlichen Unsinn daher«, gab sich Erik empört. »Ein Kind von uns beiden, das nicht segeln will? Wie soll das gehen?«

»Schon gut.« Anna sah nach vorn. Der Junge hatte seinen Opti aus ihrem Blickfeld gezogen, und sie ließ den Motor an.

»Jetzt müssen wir uns beeilen, wenn wir die ,Fortuna' unterbringen und uns danach gründlich aufhübschen wollen«, erklärte sie.

»Wieso aufhübsch... ach ja, das Essen bei deinen Eltern.« Erik schlug sich mit der Hand vor den Kopf. »Das hatte ich tatsächlich für mindestens eine Stunde vergessen.«

»Verdrängt, willst du sagen«, erwiderte Anna, während sie mit dem Kombi und dem Anhänger über den holprigen Weg hoch zur Landstraße zuckelten. Links und rechts ragten unzählige Bäume mit bunt verfärbtem Laub in den tiefblauen Himmel.

»Ich verdränge gar nichts«, antwortete Erik. »Mittlerweile läuft es doch ganz gut.«

Das stimmte. Natürlich wusste Erik um die Vorbehalte, die ihm Albrecht Fürst von Loyenfels und seine Frau Cosima Fürstin von Loyenfels entgegengebracht hatten. Insbesondere die standesbewusste Fürstin hatte keinen Hehl daraus gemacht, dass sie sich für ihre Tochter einen Angehörigen des Hochadels als Ehemann wünschte. Allerdings, das musste Erik anerkennen, hatte sich das Fürstenpaar am Ende den Wünschen seiner Tochter gebeugt, ohne ein großes Drama zu veranstalten. Fürstin Cosima hatte Erik zwar stets unterkühlt, aber fair behandelt. Und Fürst Albrecht war inzwischen Eriks Arbeitgeber und damit offenbar hochzufrieden. Schließlich hatte er für das Bankhaus von Loyenfels mit Erik Jespersen einen Finanzexperten mit internationalem, ausgezeichnetem Ruf bekommen. Allein das hatte Albrecht garantiert mit dem fehlenden Adelstitel versöhnt, vermutete Erik.

Er lehnte sich im Sitz zurück und sah zu Anna hinüber, bewunderte ihr klares Profil. Letztlich spielte es keine Rolle, warum das Fürstenpaar in die Hochzeit eingewilligt hatte. Was zählte, war allein die Tatsache, dass Anna Jespersen, geborene Prinzessin von Loyenfels, Eriks Frau war und er somit unverschämtes Glück hatte.

Sollte er eine roséfarbene Krawatte zum hellgrauen Anzug wählen oder lieber die konservative, mittelblaue Variante? Nikolai Graf von Wehlhoff hielt die beiden seidenen Exemplare abwechselnd vor sein weißes Hemd und warf dabei prüfende Blicke in den Spiegel des riesigen Kleiderschranks, der eine komplette Seite des großen Schlafzimmers einnahm.

»Alles in Ordnung, Schatz?«, ertönte Vickys muntere Stimme aus dem Wohnzimmer. »Oder soll ich dir helfen?«

»Nein, danke«, rief Nikolai knapp.

Mit einem Schulterzucken warf er die roséfarbene Krawatte auf das breite Designerbett. Seufzend begann er damit, den mittelblauen Schlips zu binden. Dieser würde dem Fürstenpaar besser gefallen, und somit war die Wahl getroffen.

Viktoria Prinzessin von Loyenfels tauchte im Türrahmen auf. Sie trug ein enges, mintgrünes Samtkleid, das ihre hübschen Rundungen betonte. Ihre blonde Lockenmähne floss über ihren Rücken, ihre Wangen waren leicht gerötet.

»Du sieht sehr gut aus«, kommentierte sie fröhlich und ließ ihren Blick an Nikolais schlaksigem Körper hinaufgleiten und auf seinen kurzen, korrekt geschnittenen, dunkelblonden Haaren ruhen.

»Du auch, meine Liebe, du auch«, gab Nikolai mechanisch zurück.

Vickys Erscheinung war tatsächlich beeindruckend. Vermutlich würde sich die überwältigende Mehrheit aller Männer im Umkreis von 500 Kilometern überschlagen, um einen Abend mit ihr verbringen zu dürfen.

Aber Nikolai Graf von Wehlhoff gehörte nicht zur überwältigende Mehrheit, sondern war etwas Besonderes, befand zumindest er selbst. Das Beste war gerade gut genug für ihn. Zwar gehörte Vicky zweifelsohne zu den besten Partien weit und breit, doch die augenfällige Niedlichkeit seiner Verlobten ging Nikolai mitunter auf die Nerven. Vicky war hübsch, aber ohne jene Ecken und Kanten, die nach Nikolais Ansicht eine echte Klassefrau auszeichneten.

»Danke«, erwiderte sie jetzt. »Ich hätte zwar lieber das champagnerfarbene Kleid angezogen, das ich mir neulich gekauft habe. Aber das hängt leider in meiner Wohnung.«

Nikolai hatte nicht vor, auf diese Anspielung einzugehen. Zwar rückte der Tag, an dem sie zusammenziehen würden, unerbittlich näher. Aber noch genoss er die Freiheit, die ihm sein großzügiges Penthouse im Zentrum der Stadt bot. Er hatte nicht vor, diese Freiheit eher aufzugeben als nötig.

»Du kannst es ja beim nächsten Mal vorführen«, meinte er deshalb nur.

»Du hast recht«, antwortete Vicky unbekümmert. »Ich hätte nur gern gewusst, wie Anna es findet.«

»Wahrscheinlich zu teuer«, entfuhr es Nikolai.

Er verzog sein schmales, blassen Gesicht und kniff die kühlen, grünen Augen zusammen. Anna, Vickys ältere Schwester, war ihm ein Rätsel. Äußerlich entsprach sie durchaus Nikolais Vorstellungen von einer Klassefrau. Doch die Distanz, die die ehemalige Prinzessin von Loyenfels jeglichem Luxus gegenüber an den Tag legte, konnte Nikolai nicht verstehen. Dabei hätte Anna, ebenso wie Vicky, alles haben können. Stattdessen war sie Lehrerin geworden, auch noch Sportlehrerin, und hatte Erik Jespersen geheiratet, einen bürgerlichen Emporkömmling.

»Nun sei nicht so. Anna ist es egal, wie viel ich für meine Kleider ausgebe«, konterte Vicky und lag damit richtig.

Denn Anna verhielt sich ihrer fünf Jahre jüngeren Schwester gegenüber stets liebevoll und nachsichtig. Sowohl was Vickys leichtsinnigen Umgang mit Geld als auch ihr nur nachlässig betriebenes BWL-Studium betraf. Einzig mit der Wahl des Verlobten ihrer Schwester schien Anna zu hadern. Zumindest hatte Nikolai den Eindruck, dass sie ihn häufig allzu nachdenklich musterte.

»Jetzt beeil dich«, drängte Vicky. »Anna und Erik sind bestimmt schon da.«

»Ja, der liebe Erik ist sicher überpünktlich.« Nikolai konnte es sich lebhaft vorstellen: Erik Jespersen, der neue Star im Bankhaus von Loyenfels, wie er bereits neben dem Fürsten saß und seine Weisheiten zur Lage auf den Finanzmärkten von sich gab.

Aus dem Stand hatte Fürst Albrecht die frei werdende Stelle des Leiters »Private Banking« mit Erik besetzt. Gewiss, dieser hatte nach einem exzellenten Studienabschluss international beste Referenzen gesammelt. Aber Nikolai arbeitete bereits seit vier Jahren im Bankhaus und war nicht über den Posten des stellvertretenden Abteilungsleiters Devisenhandel hinausgekommen. Dabei war er bald ebenso ein fürstlicher Schwiegersohn wie Erik – und noch dazu adlig.

»Wir werden auch pünktlich sein«, erklärte Vicky. »Los, das schaffen wir.«

Sie verschwand in Richtung Flur und nahm ihren Mantel von der Garderobe. In diesem Moment ertönte das Nachrichtensignal von Nikolais Handy. Hastig warf er einen Blick aufs Display.

»Musste gerade an dich denken. Sehen wir uns heute noch?«

Nikolai spähte zum Flur, dann tippte er rasch eine Antwort.

»Hoffentlich, schöne Frau. Ich tue mein Bestes.«

Dann schaltete Nikolai vorsorglich den Ton des Smartphones aus und steckte es in die Tasche seines Sakkos.

»Schatz, was ist denn?« Allmählich klang Vicky ungeduldig. »Alles in Ordnung?«

»Ich komme«, rief Nikolai und musste unwillkürlich grinsen.

Ja, bei ihm war alles in Ordnung. Zumindest, was seine Aussichten für den späteren Abend betraf, wenn er dieses lästige Familienessen hinter sich gebracht hatte.

Missmutig kickte Rasmus Hertz einen Kiesel vom schmutzigen Gehweg und sah zu, wie der Stein auf einen Gully zurollte und darin verschwand. Die Sonne schien, hatte aber nicht mehr viel Kraft. Die rot geklinkerten Fassaden der Wohnblocks links und rechts der Straße zeichneten sich scharf vorm blauen Herbsthimmel ab, und die vereinzelten Bäume begannen schon, ihre Blätter zu verlieren.

Diese Wohngegend war nicht die beste, aber auch nicht die schlechteste der Großstadt. Der zwölfjährige Rasmus fühlte sich hier wohl. Zumal das Gymnasium, das er besuchte, nur einen Kilometer entfernt lag und er deshalb nur bei heftigem Regen den Bus zur Schule nehmen musste. Ansonsten ging Rasmus die kurze Strecke zu Fuß, was seinem Bewegungsdrang entgegenkam.