Galanterien von Leipzig - Claudine Hirschmann - E-Book

Galanterien von Leipzig E-Book

Claudine Hirschmann

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Beschreibung

Digitale Neuausgabe des Buches aus dem Jahr 1799, für eBook-Reader geeignet. +++ Aus dem Inhalt: "Sie glauben, lieber Freund, Leipzig müsste ein kaltes frostiges Städtchen sein, weil man so wenig von dessen galanten Geschichten höre. Und doch wüssten Sie von »dem galanten Leipzig«, was es so besonders macht, schon mehr als einmal gehört zu haben. Es verdient auch wahrhaftig diesen Beinamen, und wenn anderer Orte wegen ihrer freien Lebensart einen größeren Ruf erhalten haben, so ist es doch nur deswegen geschehen, weil sie nicht so geschickt wie in Leipzig, den Spiegel von Tugend und Unschuld vor Blöße und Ausschweifung zu bringen wussten. Freilich nehmen die Leipziger Herren und Schönen das Wort von einer ganz anderen Seite. Sie wollen diese Galanterie in besondere Ausübung feiner Lebensart verwandeln..."

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Galanterien von LeipzigIn liebevollem GedenkenVorwort zur NeuausgabeErste Abteilung: Erster BriefErste Abteilung: Zweiter BriefErste Abteilung: Dritter BriefErste Abteilung: Vierter BriefErste Abteilung: Fünfter BriefErste Abteilung: Sechster BriefErste Abteilung: Siebenter BriefErste Abteilung: Achter BriefErste Abteilung: Neunter BriefErste Abteilung: Zehnter BriefErste Abteilung: Elfter BriefErste Abteilung: Zwölfter BriefErste Abteilung: Dreizehnter BriefErste Abteilung: Vierzehnter BriefZweite Abteilung: Erster BriefZweite Abteilung: Zweiter BriefZweite Abteilung: Dritter BriefZweite Abteilung: Vierter BriefZweite Abteilung: Fünfter BriefZweite Abteilung: Sechster BriefImpressum

Galanterien von Leipzig

unbekannter Verfasser ___

Auf historischen Spuren mit Claudine Hirschmann

Neuausgabe 2020

Edition gerik CHIRLEK

Original:

Galanterien von Leipzig. Hamburg und Altona. Buchhandlung der Verlagsgesellschaft, 1799.

In liebevollem Gedenken

Brigitte Hirschmann (14.03.1939 – 03.04.2019)

Brigitte Hirschmann (geb. Groth) wurde in den Kriegsjahren geboren und wuchs in Lützen auf. Früh zeigten sich verschiedene Begabungen, spielte sie unter anderen mehrere Instrumente, doch galt ihr hauptsächliches Interesse der Literatur sowie Leipziger Stadtgeschichte. Als geschätzte Lehrerin und herzensgute Mutter vermittelte sie stets, den ideellen Wert in den Dingen zu sehen und zu schätzen. So setzte sie sich leidenschaftlich für die Bewahrung historischer Zeitzeugnisse ein und war maßgeblich am Entstehen der Buchreihe »Auf historischen Spuren« beteiligt. In Wertschätzung, Dankbarkeit und Liebe setzen ihre Kinder die Reihe fort, um die ihnen geschenkte Liebe zu Büchern und zur Stadt Leipzig weiterzutragen und ihr Wirken über heutige Generationen hinaus lebendig zu halten.

Brigitte Hirschmann lebte viele Jahre in ihrer geliebten Stadt Leipzig, die sie für ihre Kinder mit ihnen verließ und bis zum letzten Tag auf eine gemeinsame Rückkehr hoffte. Leider war ihr das zu Lebzeiten nicht gegönnt. Ihre letzte Ruhestätte fand sie im Familiengrab auf dem Friedhof in Leipzig-Gohlis.

Vorwort zur Neuausgabe

Mit der Reihe »Auf historischen Spuren« hat sich die Autorin zur Aufgabe gemacht, Literatur vergangener Jahrhunderte für heutige Leser aufzubereiten und wieder zur Verfügung zu stellen.  

Dabei wird der Schreibstil des Verfassers möglichst unverändert übernommen, um den Sprachgebrauch der damaligen Zeit zu erhalten. Gleichwohl werden Änderungen, die sich beispielsweise aus der Überprüfung historischer Fakten ergeben, schonend eingearbeitet. 

Das vorliegende Buch enthält gegenüber vorangegangenen Ausgaben unter anderen Berichtigungen kleinerer Irrtümer.

Leipzig, den 22.03.2020

Claudine Hirschmann

Erste Abteilung: Erster Brief

Sie glauben, lieber Freund, Leipzig müsste ein kaltes frostiges Städtchen sein, weil man so wenig von dessen galanten Geschichten höre. Und doch wüssten Sie von »dem galanten Leipzig«, was es so besonders macht, schon mehr als einmal gehört zu haben.

Es verdient auch wahrhaftig diesen Beinamen, und wenn anderer Orte wegen ihrer freien Lebensart einen größeren Ruf erhalten haben, so ist es doch nur deswegen geschehen, weil sie nicht so geschickt wie in Leipzig, den Spiegel von Tugend und Unschuld vor Blöße und Ausschweifung zu bringen wussten.

Freilich nehmen die Leipziger Herren und Schönen das Wort von einer ganz anderen Seite. Sie wollen diese Galanterie in besondere Ausübung feiner Lebensart verwandeln.

Ich will nicht behaupten, dass dies in vorigen Zeiten nicht der Fall hätte sein können. Roheres Betragen an anderen Orten schuf die Handelsstadt zu früherer Aufklärung um, allein so wie diese sich auch an anderen Orten zu verbreiten anfing, so wie die feinere Lebensart, lassen wir Leipzig die Lehrmeisterin derselben ohne strengere Untersuchung gewesen sein, so wie sie sich durch die daselbst befindlichen Fremden aus ihr an andere Orte verlor, an anderen Orten wuchs, so artete sie hier, wie das denn gewöhnlich zu sein pflege, in Stolz um, und wirklich sind die Leipziger jetzt in Besitz dieses Stolzes, wodurch sie sich als ganz andere Menschen betrachten, wenn sie sich gegen die messen, die zu ihnen kommen.

Ich will damit nicht sagen, dass Lebensart ganz entfernt sei, aber sie hat sich mit dem Kaufmannsgeist, mit dem Eigennutz so sehr verschwistert, dass sie gewöhnlich nur noch da geübt wird.

Ausnahmen, mein Lieber, gibt es, besonders unter dem gelehrten Stand, dessen größerer Teil aber doch unter Druck lebt, allein beim Kaufmann, der den größeren Teil der Einwohner ausmacht, wird ein Fremder wenig Unterhaltung finden, wenn nicht irgendeine Aussicht auf Profit diesen beseelt. »C´est tout comme chez nous«, sagt man in Hamburg, Amsterdam etc. Was so viel bedeutet wie »Es ist ganz wie bei uns.« (französisches Sprichwort)

Also von der Seite kann sich Leipzig des Wortes »Galant« nicht mehr rühmen. Desto mehr, desto feiner glaube ich von der anderen, die jetzt den eigentlichen Sinn dieses Wortes ausmacht, und die wir sehr füglich mit dem deutschen Ausdruck »Wilde Liebe« benennen können.

Sie finden freilich keine öffentlich privilegierten Häuser, wo Sie dieser pflegen können, wie Sie in Hamburg und an anderen Orten antreffen.

Warum man diese nicht findet, weiß ich nicht. Man rechnet es zur guten Polizei, und man ist hierin auch so streng, dass man die geheimen Aufenthaltsorte solcher Nymphen aufs Sorgfältigste herauszubringen und sie aufzuheben sucht.

Ist es Brotneid der edleren Klasse gefälliger Damen, oder setzt man etwas darin, die wilde Liebe ganz ausrotten zu wollen. Ursache und Wirkung sind aber denn doch in jedem Fall sehr verschieden, und wenn auch die Ersten einer Stadt hierin Vorbild sein wollten, so würden vielleicht und wahrscheinlich bei näherer Untersuchung ihr Beispiel nicht Stich halten.

Nehmen Sie die Menge der Messfremden, die Weiber oder Dulcinéen, mit welcher Sorte sie nun auch versehen sein möchten, daheim lassen, und die doch wahrlich nicht alle zu den Abstemiern zu zählen sind – nehmen Sie die zahlreichen Musensöhne, die von Natur wegen ihres Alters und der ihnen überlassenen Freiheit mehr zu Ausschweifungen inklinieren, und fragen Sie nach, ob da für die Befriedigung dieser Neigungen keine Anstalten öffentlich getroffen, keine heimlich geduldet werden, ob nicht das weibliche Geschlecht in dieser Stadt eine Prämie verdient, dass sie dem ungeachtet dieser Not abzuhelfen wissen; eine doppelte, dass sie es mit einer Art zu machen wissen, dass die liebe keusche Obrigkeit nur selten Gelegenheit findet, unzufrieden zu sein; dass sie den Schleier besonderer Sittsamkeit ihrer Stadt beibehalten können und sich darum glücklich schätzen, weil sie überzeugt sind, sie haben es am besten gemacht.

Ob sie in die feinere Verschlimmerung ihrer Landesschönen, die dadurch entstehen muss, eindringen, weiß ich nicht. Es gehört auch nicht zu unserem Text. Sie werden ihr Gewissen zu verwahren, vorsichtig genug sein.

Ich kann Ihren dringenden Bitten, Sie über meine Vaterstadt in diesem Punkt aufzuklären, nicht widerstehen. Was ich weiß, was ich beobachtete, sollen auch Sie wissen.

Es ist natürlich, dass der Mangel augenblicklicher Befriedigung, nennen Sie es toller Leidenschaften, diese in eine Art von Zwang versetzt, dass sie gebändigt werden müssen, allein, dass diese Bändigung nicht bis zur Unterdrückung gehe, sind Sie wohl so sehr überzeugt als ich es bin. Sie leben fort, diese Wünsche, und das Genie des Menschen sucht nur feinere anwendbare Wege auf, sie zu befriedigen.

Hierzu geben denn Bekanntschaften in Häusern und Bekanntschaften an öffentlichen Orten Gelegenheit. Dass die ersteren schwer sind, werden Sie aus meiner vorigen Schilderung bemerkt haben.

Wirklich glaube ich, gibt es keinen Ort in der Welt, wo es so schwerfällt, in häusliche Zirkel zu kommen, als Leipzig. Dagegen ist es mit den öffentlichen Bekanntschaften nicht so schwer.

Schauspiele, Bälle, Konzerte und besonders neu angelegte Zirkel, bei denen Fremde leichter Zutritt bekommen, lassen jedem galanten Mann Gelegenheit genug, sich den Schönen Leipzigs zu nähern, und ich glaube, bemerkt zu haben, dass alle diese Anlagen mehr den Grund in dem Wunsch des schönen Geschlechts haben, bewundert und angebetet zu werden, als in dem Zeitvertreib der Herrn.

Diese finden in ihren Spieltischen und Tabakspfeifen aller Orte Platz, und jene haben sich es wirklich, so widrig auch sonst dieser Geruch den Damen sein mag, gefallen lassen, ihn mitten unter sich zu dulden, da doch in den häuslichen Zirkeln dieses nur selten geschieht, in vielen gar nicht geraucht, und in mehreren in besonderen Zimmern diesem Studio obgelegen wird.

Aber da diese häuslichen Zirkel so edel im Bitten der Gäste sind, so bekommt das schöne Geschlecht freilich nur diejenigen zu sehen, die sie sehen sollen, nicht die sie gern sehen möchten.

Ich suche hierin eine Hauptquelle der neuangelegten freieren Orte, denn einzelne Kränzchen mit jeder Art Namen belegt, waren schon ehedem da, wozu die Männer zuweilen jedoch seltener ihre Weiber mitnahmen und ihre Töchter einführten.

Die Messen waren damals der Zeitpunkt, auf den manche Schöne Leipzigs wartete, um teils in den Kaffeegärten, teils auf dem Richterschen Kaffeehaus sich zu produzieren, und die ersten Häuser gewöhnten sich nach und nach daran, selbst Fremde zu bewirten.

Da dieser Anstalt, die nun leider eingegangen ist, wohl näher beleuchtet zu werden verdient, so behalte ich mir diese für die Folge vor, so wie ich da den Unterschied zwischen jener und der neuen vom nämlichen Entrepreneur unternommenen Einrichtung darstellen will, die unstreitig für die Galanterie Leipzigs ein treffliches Institut ist.

Man verstehe mich hier nicht unrecht! Ich nehme das Wort im allgemeinen Verstand, ich nehme die ersten Höflichkeiten der Bekanntschaften und bin überzeugt, dass die ganze Anlage von würdigen Männern, die ihren Weibern und Töchtern ein unschuldiges Vergnügen machen wollen, herrührt, dass jeder gewiss für seine Person glaubt, alles ist unschuldig, und dass, wenn es nicht unschuldig bliebe, man sich damit trösten muss, dass Unkeuschheit mitten zwischen der Tugend allenthalben sich einzumischen, und diese heuchlerisch zu betrügen weiß.

Aber Unkeuschheit und Galanterie stehen auch noch nicht im Gleichgewicht und werden nie darin stehen. Jene ist ein verabscheuungswürdiges Bild, und diese ist eine Tochter der Natur. Wollen Sie, so gibt es keusche und unkeusche Galanterie, und nehmen Sie sie denn immer im guten Verstand, bis ich sie im Bösen anführe, denn anzutreffen ist sie hier freilich in jeder Art.

Heute will ich ruhen. Ich wünsche, es könnte in den Armen der Liebe geschehen. Aber der Gegenstand meiner Liebe ist verreist – und so wird einsam schlafen Ihr Freund.

Erste Abteilung: Zweiter Brief

Etwas noch ins Allgemeine, ehe wir zum Besonderen übergehen, lieber Freund.

Wir haben in Leipzig gewiss jede Messe dreitausend junge Leute, die aus fremden Orten dahin kommen, und wir wollen bei den jetzigen leicht über diesen Punkt wegsehenden Zeiten nur zwei Drittel derselben annehmen, die über ihre Leidenschaften nicht genugsam Herren sind.

Ich gebe zu, dass die dieses in dem Fall sein würden, wenn öffentliche Häuser hier wären, denn da tritt eine Furcht beim Menschen ein, die er einmal sich nicht ganz wegphilosophieren kann.

Wer wünscht seine Heimat krank wieder zu betreten, wenn er sie gesund verlassen hat? Wenn schon bei vielen hier bloßes Vorurteil herrscht, wenn es ausgemacht ist, dass sehr oft öffentliche Häuser weniger diesen Punkt gefährlich machen als geheime Bekanntschaften, so ist doch der ungleich größere Reiz, der mit diesen letzteren verbunden, auch ungleich anlockender, und lässt die Gefahr weit eher vergessen. Zwei also gegen einen sind hier auf Galanterie zu rechnen, besonders, wenn es vonseiten des anderen Geschlechts auf verführerische Lockungen angelegt wird, und können diese wohl fehlen, besonders da, wo der Wunsch so ausgebreitet ist, wie er sich hier wirklich findet?

Freilich ist die Einteilung immer schön, dass ein größerer Teil der Musensöhne, von denen wir doch sicher die Hälfte als Anbeter der wilden Liebe zählen können, durch ihr Verreisen vakante Plätze geben und den Messfremden, denen sie vorher den Eingang erleichtert haben, Gelegenheit geben, oft für ihr selbiges künftiges Fortkommen beitragen zu können.

Denn wer wird leugnen wollen, dass Weiber- und Mädchen-Stipendia in diesem Musensitz eine große Einnahme vieler Söhne Apollos ausmachen?

Nun haben wir noch eine ansehnliche Anzahl immerwährender junger Gäste bei den Schönen, nämlich die Kaufmannsdiener; Jünglinge, die das Gefühl von einem Mädchen oder einer Frau geliebt zu werden, gewiss zu schätzen wissen – und die es für töricht halten, eine Gelegenheit zur Eroberungen aus dem Weg zu weisen.

Für alle diese Klassen und Sorten, die wir vom geringsten bis zum höchsten klassifizieren könnten, wenn wir nicht wüssten, lieber Freund, der Leser könnte das so gut wie wir, gibt es in der weltberühmten Handelsstadt, auch viele Klassen von Gegenständen als Jungemägde, Köchinnen, Mädchen, Mamsells, Weiber, Witwen, Strohwitwen. Kein Stand wird behaupten, und wahrlich sie würden böse werden, wenn wir‘s behaupten, dass sie nicht etwas zum Vergnügen der Männer beitrügen, eines Geschlechts, von dem sie, oder die Natur müsste gerade da lügen, die größten Verehrerinnen sein müssen.

Je nachdem, mein Freund, sich nun die Gelegenheit darbietet, je nachdem der erste Eintritt in dieser Stadt führt, wenn man als Fremder Abstemius ist oder sich diese Eigenschaft beim Anblick eines artigen Gesichts, einladender Blicke, freundlichen Zuvorkommen, kleinen unschuldigen Kunstgriffen verliert, je nachdem wird sich die Neigung fesseln.