Geschichte des Freiherrenstandes im Kanton Bern - Heinz J. Moll - E-Book

Geschichte des Freiherrenstandes im Kanton Bern E-Book

Heinz J. Moll

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Beschreibung

Der neben den Grafen, Herzogen und Fürsten im Allgemeinen als niedrigster Rang des titulierten Adels geltende Stand der in Deutschland und Österreich auch 'Barone' genannten Freiherren hat einen eher bescheidenen Bekannt-heitsgrad. - Der Begriff 'Freiherr' kommt aus dem Spätmittelhochdeutschen, bedeutet so viel wie 'freier Edelmann' und hing vom beherrschten Territorium ab. Verschiedene Autoren haben die Geschlechter und Familien der seiner-zeitigen Freiherren schon vor langer Zeit in der Fachliteratur beschrieben. Das vorliegende Werk zitiert deshalb unter anderem Publikationen, die - wenn überhaupt - nur noch in wenigen Bibliotheken zu finden und wegen ihres Alters grösstenteils in Vergessenheit geraten sind. Die Namen der freiherrschaftlichen Familiengeschlechter im heutigen Kanton Bern werden nach einer kurzen Einleitung in alphabetischer Reihenfolge behandelt. Ausgewählte Stellen aus Publikationen zum vorliegenden Thema weisen die Interessierten auf weiterführende Literatur hin, wo detaillierte Informationen in Wort und Bild zu finden sind. Lehrpersonen von Sekundar- und Fachmittelschulen sowie von Gymnasien möchte ich animieren, auf der Grundlage dieses Buches die Geschichte des Mittelalters im Grossraum Bern zu thematisieren: Durch Exkursionen zu den nahen gelegenen Stätten der damaligen Burgen, Schlösser und Herrschaftshäuser, die teilweise nur noch als Ruinen zu sehen sind, kann der Geschichtsunterricht direkt vor Ort und damit sehr anschaulich durchgeführt werden.

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Dank

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Ittigen b. Bern, im Februar 2020 Dr. Heinz J. Moll

Inhaltverzeichnis

Vorwort

Einleitung

Amsoldingen (Amsoldingen, Stocken)

Belp-Montenach

Brandis (Lützelflüh)

Bremgarten

Burgistein

Erlenbach

Eschenbach

Gerenstein (Bolligen)

Grünenberg (Melchnau)

Gurzelen-Bennewil

Hasenburg (Oltigen, Ins)

11.1. Hasenburg-Oltingen

11.2. Hasenburg-Fenis (Ins)

Heimberg

Kien (Frutigen, Reichenbach)

Kramburg (Gelterfingen, Uttigen)

Langenstein (Melchnau)

Ligerz

Oberhofen

Ringgenberg (ehemals Brienz)

Rothenfluh (Wilderswil)

Rümligen

Signau

Strassberg (Büren a. A.)

Strättligen (Gwatt)

Thun

Twann

Unspunnen (Wilderswil)

Utzi(n)gen

Wädenswil

Walperswil

Weissenburg

Wiler (Schlosswil, Gurzelen)

Worb

Literatur- und Quellenverzeichnis

Übersichtskarte

Links oder rechts der Standort-Markierung ist die Nummer des betreffenden Kapitels zu finden.

Abkürzungen und Symbole:

Bd.

Band

BHM

Bernisches Historisches Museum

BZGH

Bernische Zeitschrift für Geschichte und Heimatkunde

FRB

Fontes rerum Bernensium; Quellensammlung zur bernischen Geschichte, die mit antiken Quellen zum heutigen bernischen Raum beginnt und vor allem mittelalterliche Urkunden bis ins Jahr 1390 enthält.

HLS

Historisches Lexikon der Schweiz

Jb.

Jahrbuch

JbBHM

Jahrbuch des Bernischen Historischen Museums

Jg.

Jahrgang

LIDAR

Light Detection And Ranging (Eine dem Radar verwandte Methode zur optischen Abstands- und Geschwindigkeitsmessung sowie zur Fernmessung atmosphärischer Parameter. Statt der Radiowellen wie beim Radar werden Laserstrahlen verwendet.)

RQ

Rechtsquellen-Edition Thun-Oberhofen

Jh.

Jahrhundert

Schw. /schw.

Schweizerischer / schweizerisch

St. A.

Staatsarchiv

*

Geburtsjahr (-datum)

+

Todesjahr (-datum)

Fotografien:

Sämtliche Fotografien, bei denen kein anderer Quellenverweis gemacht wird, stammen vom Autor.

Titelbild:

Solange Bern sich als Glied des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation empfand, stellte es im Staatswappen zu den Bernerschilden den gekrönten Reichsadler zum sogenannten "Bern-Rych" zusammen (Beispiel aus der Berner Chronik des Michael Stettler (1580-1642) um 1620) (Bild: Deutsche Staatsrechnung von 1790, Deckel).1

1 Wälchli Karl, Berns Wandlung, In: Berner – deine Geschichte (Illustrierte Berner Enzyklopädie), S. 129 (1981)

Vorwort

Bei der Verfassung meines Werkes über die Ruinen von Burgen und Sakralbauten im Kanton Bern2 ist mir bewusst geworden, dass der neben den Grafen, Herzogen und Fürsten im Allgemeinen als niedrigster Rang des titulierten Adels geltende Stand der in Deutschland und Österreich auch "Barone" genannten Freiherren einen eher bescheidenen Bekanntheitsgrad hat. - Der Begriff "Freiherr" kommt aus dem Spätmittelhochdeutschen, bedeutet so viel wie „freier Edelmann“ und hing vom beherrschten Territorium ab.3

Verschiedene Autoren haben die Geschlechter und Familien der seinerzeitigen Freiherren schon vor langer Zeit in der Fachliteratur beschrieben. Das vorliegende Werk zitiert deshalb unter anderem Publikationen, die - wenn überhaupt - nur noch in wenigen Bibliotheken zu finden und wegen ihres Alters grösstenteils in Vergessenheit geraten sind.

Die Namen der freiherrschaftlichen Familiengeschlechter im heutigen Kanton Bern werden nach einer kurzen Einleitung in alphabetischer Reihenfolge behandelt, wobei gleich an erster Stelle die geistliche Herrschaft Amsoldingen als Spezialfall (kein freiherrschaftliches Familiengeschlecht, sondern Stiftsherrschaft) auftritt. Wo der Namen nicht mit der jeweiligen aktuellen politischen Gemeinde übereinstimmt, wird dieser im Titel des Kapitels in Klammern aufgeführt. - Die Aufzählung der freiherrschaftlichen Familiengeschlechter erhebt jedoch keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Ausgewählte Stellen aus Publikationen zum vorliegenden Thema weisen die Interessierten auf weiterführende Literatur hin, wo detaillierte Informationen in Wort und Bild zu finden sind.

Lehrpersonen von Sekundar- und Fachmittelschulen sowie von Gymnasien möchte ich animieren, auf der Grundlage dieses Buches die Geschichte des Mittelalters im Grossraum Bern zu thematisieren: Durch Exkursionen zu den nahen gelegenen Stätten der damaligen Burgen, Schlösser und Herrschaftshäuser, die teilweise nur noch als Ruinen zu sehen sind, kann der Geschichtsunterricht direkt vor Ort und damit sehr anschaulich durchgeführt werden.

Ich hoffe, mit diesem Beitrag das Interesse für die ausserordentlich komplexe und interessante mittelalterliche Geschichte des Kantons Bern wecken zu können.

Der Autor

2 Moll Heinz, Ruinen von Bugen und Sakralbauten im Kanton Bern (2019)

3 Ribbe Wolfgang und Henning Eckart, Taschenbuch für Familiengeschichtsforschung (2006)

Einleitung

Die Freiherren behandelten ihre Untertanen nach Brauch und Sitte. Ihnen gehörten Land und Leute ihrer Herrschaft. Das Land verteilten sie schupposen- und hubenweise an ihre Herrschaftsleute. Eine Schuppose umfasste zirka 12 Jucharten, die Hube zählte 4 Schupposen. Vom Besitzer einer Hube stammt der noch heute geläufige Name Huber. Die Herrschaftsleute waren also die Lehensleute des Schlossherrn und ihm mit Leib und Gut, Frondiensten und Zinsen verpflichtet; sie waren Hörige. Die Hörigen eines Klosters, d. h. eines geistlichen Herrn aber nannte man Gotteshausleute.

Abb. 1 Freiherren-Krone4

Der Freiherr konnte seine Güter samt den Leuten vertauschen, verkaufen oder verschenken; aber er musste streng nach Recht verfahren. Die Hörigen oder Herrschaftsleute durften sich nicht aus eigenem Willen aus dem Gebiete ihres Herrn entfernen, sie waren an die Scholle gebunden. Umgekehrt konnte, wie gesagt, der Herrn nicht willkürlich mit seinen Leuten verfahren. Alle Rechte und Pflichten waren für beide Teile verbrieft, besiegelt und in den Urbaren verzeichnet. Neben den Hörigen gab es noch Freie und völlig Unfreie, d.h. Leibeigene; aber sie waren in der Minderzahl. Hörige und Freie bezahlten ihrem Herrn eine Jahresabgabe vom Grund und Boden, den ewigen, unablöslichen Bodenzins. Dieser Bodenzins blieb immer gleich und richtete sich nicht nach dem Ertrag der Felder. Die wirtschaftliche Lage des Hörigen gestaltete sich gar nicht so bodenlos schlecht. Er war freilich an den Hof gebunden, konnte aber normalerweise auch nicht davon vertrieben werden. Zinsen und Frondienste durften nicht vergrössert werden und blieben sich durch Jahrhunderte gleich. Demgegenüber aber steigerte sich der Ertrag des Bodens mit der besseren Bewirtschaftung. Den Vorteil davon hatten einseitig die Herrschaftsleute. So hob sich die ökonomische Lage der Hörigen langsam, aber stetig. Beim Herrschaftsherrn aber, beim Adeligen, zeigte sich die gegenteilige Entwicklung. Der Aufwand nahm stetig zu, während dem die Einnahmen sich nicht, oder wenigstens lange nicht in dem Masse steigerten. Gefolgeleistungen, Kriege, Gelage, Hoffahrt und Rangsucht ruinierten den alten Adel ökonomisch und moralisch.

Man macht sich gewöhnlich ein falsches Bild vom Leben auf den Schlössern und Burgen zur damaligen Zeit. Man malt sich das Treiben von Rittern und Burgfräulein so recht bunt, farbenfreudig und romantisch aus und glaubt gern, ein schöner und sorgloser Leben hätte niemand geführt. Die Wirklichkeit war bedeutend nüchterner. Von ungemessenem Reichtum und grossen Schätzen finden wir in den meisten Fällen keine Spur. Ob Graf, Freiherr oder Ritter, — es waren im Grunde Leute wie wir, und für sie galt ebenfalls das Dichterwort: «Des Lebens ungetrübte Freude wird keinem Sterblichen zuteil! » Der Adel sah sich zudem immer grösseren sozialen Anforderungen gegenübergestellt.

Der Herrschaftsherr sorgte meist auch für das geistliche Wohl seiner Untertanen, d.h. er baute ihnen eine Kirche, wo sie ihre Andacht verrichten konnten. Bald wünschten die Leute regelmässige Gottesdienste und einen eigenen Pfarrer. Der Freiherr sorgte für einen Geistlichen. Ein jüngerer Sohn oder ein Verwandter wurde auf die Klosterschule geschickt. Von dort kehrte dann als Leutpriester zurück. Aber dieser Leutpriester oder Pfarrer musste auch gelebt haben. Doch dafür war gesorgt. Nach altem Brauch gehörte nämlich der Kirche der Zehnten von allem Ertrag auf dem Feld an Sommer- und Wintergewächs, Heu- und Hackfrüchten. Um den Zehntensegen versorgen zu können, erbaute man dem Pfarrherrn eine Scheune auf dem Pfrundhof, das war die Pfrundscheune neben dem Pfarrhaus. Kam die Ernte heran und waren die Garben auf den Äckern gebunden, so wurde immer die zehnte neben ausgestellt. Nach dem Abräumen der Äcker wurden die Zehntgarben durch den Pfrundknecht zusammengetragen und in die Pfrundscheune geführt. Aber auch ganze Güter mit dem gesamten Ertrag wurden zum Unterhalt von Kirche und Pfarrer gestiftet. Das war der Kirchensatz. Die Güter aber nannte man Widumgüter, und derjenige, der sie in Lehen hatte und bewirtschaftete, hiess Widemer und später Widmer.

Den Herrschaftsleuten wurde die Kirche bald zum Zentrum, als Ort ihrer Andacht und Anbetung, als Ruheort ihrer Toten. In Wahrheit haben wir hier den ersten Ansatz zu einem Gemeinwesen, aus dem dann später die Kirchgemeinde sich entwickelte.5

Nach der allgemeinen Auffassung der ständischen Verhältnisse des Mittelalters waren die durch das Konnubium (Verbindung zwischen ursprünglich voneinander abgegrenzten gesellschaftlichen Gruppen durch Heirat, beispielsweise zwischen Adeligen und gesellschaftlich aufgestiegenen Bürgerlichen.) auf eine Stufe gestellten Gruppen des Hochadels, die Grafen und Freiherren, streng vom niederen Adel, der Ministerialität, geschieden. Der Grund hierfür liegt in der freien Herkunft der ersten Gruppe und der unfreien der Ministerialen. Man hat diesen Unterschied urkundlich ganz klar nachweisen können:

Zu erkennen ist er,

an der scharfen Trennung der Hochadeligen von den Ministerialen in den Zeugenreihen der Urkunden,

an der Bevorzugung der gräflichen und freiherrlichen Geschlechter bei der Rekrutierung der sogenannten „freiherrlichen" Klöster, Stifter und Domkapitel und schliesslich

an der Exklusivität des hohen Adels bei den Heiraten. Er hatte kein Konnubium mit den Ministerialen, d. h. wenn ein Freiherr die Tochter eines Ministerialen heiratete, so, galt das als eine "Missheirat". Die dieser Ehe entstammenden Kinder waren nicht dem Vater ebenbürtig, sondern folgten der Mutter in ihren Stand.

Einteilung des Adels im Spätmittelalter

Man hat erkannt, und zwar hauptsächlich an den oben angegebenen drei Merkmalen, daß die Kluft zwischen Hochadel und Ministerialität, also zwischen freiem und unfreiem Adel mit der Zeit allmählich ausgeglichen worden ist, dass sogar im Spätmittelalter grössere Verschiebungen stattgefunden haben aus dem niederen Adel in den hohen und umgekehrt. An die Stelle der Trennung von „nobiles" und „ministeriales" oder „milites" ist die Scheidung von „milites" einerseits und „domicelli", "armigeri" oder "cives" andererseits in den Zeugenreihen getreten. Die Domkapitel, Klöster und Stifter nehmen, einige Ausnahmen abgerechnet, in späteren Jahrhunderten öfter als früher auch Angehörige von niederadeligen Familien auf. Und schliesslich werden die "Missheiraten" in späteren Jahrhunderten häufiger.

Eine allgemein anerkannte Art der Standesbestimmung

Am einfachsten und sichersten ist die Titelmethode. Es ist eine bekannte Tatsache, dass die Zeugenreihen der mittelalterlichen Urkunden nach dem Stand der Zeugen angeordnet sind, so dass die Kleriker und die vornehmsten Zeugen an der Spitze stehen, die Ministerialen und Bürger am Ende. Ausserdem sind fast in sämtlichen Zeugenreihen die einzelnen Standesgruppen scharf getrennt und mit dem Standestitel gekennzeichnet. Es kommen da allerdings verschiedene Kombinationen vor, die nicht alle die gleiche Beweiskraft besitzen.

Ein Aufrücken eine unfreie Familie in den Freiherrnstand ist erst dann bewiesen, wenn sie zwischen „nobiles" und „milites" ausdrücklich zu den ersteren gestellt werden.

Sehr häufig sind die Zeugenreihen aber leider unklar. Oft fehlen die Bezeichnungen gänzlich oder zum Teil. Trotzdem kann man sie auch dann noch vielfach verwerten.

Einige Verwirrung ist durch das Ritterwesen und durch den Ehrentitel „dominus" in die Zeugenreihen hineingekommen. Da die Ministerialen ebenso wie die freien Herren die Ritterwürde erlangen konnten, kam es oft vor, besonders in späteren Zeiten, als die Ritterwürde an Bedeutung gewann, dass die Urkundenaussteller das Hauptgewicht auf die Unterscheidung zwischen Rittern und Nichtrittern - später „domicelli" genannt - legten und nicht zum Ausdruck brachten, ob ein Zeuge freier oder unfreier Herkunft war. Trotzdem wird auch da die Rangfolge meistens noch eingehalten. Fast jede einzelne Zeugenreihe aber hat wieder ihre Eigentümlichkeiten, so dass man hier schlecht eine Einteilung vornehmen kann.

Bleibt die Frage, wem die Bezeichnung "nobilis" gebührte: Diese ist im Prinzip leicht zu beantworten. Es war die charakteristische Standesbezeichnung für die freien Herren. - Nur in Ausnahmefällen könnte man dazu kommen, den Titel „nobilis vir" bei flüchtiger Durchsicht der Urkunden auch für Niederadelige in Anspruch zu nehmen.

Abschliessend ist zu bemerken, das im Text der Urkunden selbst die Bezeichnungen nicht immer ganz genau sind. Es kommt vor, dass freie und unfreie Herren zusammen aufgezählt werden, denen der Gesamttitel „nobiles domini" oder „nobiles viri" vorangeht. Dann haben wir wohl „nobiles viri" als eine blosse Höflichkeitsformel aufzufassen, die etwa durch „die achtbaren, ehrenwerten oder vornehmen Herren" zu übersetzen wäre.6

Die Heerschildordnung

Abb. 2 zeigt ein Schaubild, welches idealtypisch die Lehns- oder sogenannte Heerschildordnung verdeutlicht, welche uns der um 1200 niedergeschriebene 'Sachsenspiegel' überliefert.

Ursprünglich bedeutete der 'Heerschild' (clipeus militaris) das Heeresaufgebot, danach die Lehnsfähigkeit, also die Fähigkeit ein Lehen zu empfangen oder zu geben, und schliesslich die Lehnsgliederung (Heerschildordnung) und zugleich die Stufe innerhalb dieser Gliederung. Im weiteren Sinne bestimmte die im Sachsenspiegel überlieferte Heerschildordnung den Rang eines Adligen, der sich aus seiner Einstufung in das Geflecht er lehnrechtlichen Abhängigkeiten ergab. Zugleich bildete er ein Regelwerk, das angab, was man seinem Rang schuldig war und wie man ihn erhielt oder verlor.6

Abb. 2 Die Heerschildordnung. – Man beachte die dritte Stufe mit den Grafen und Freiherren7

4www.internationaler-adelsverband.com/der-adel/adelstitel-bedeutung-und-herkunft/freiherr-baron

5 Frutiger M., Von Freiherren und Landvögten, Predikanten und Schulmeistern, Chorrichtern und armen Sündern: Historisches und Kulturelles aus der Kirchgemeinde Lützelflüh. Teil 1, in: Berner Zeitschrift für Geschichte und Heimatkunde, Band 10, S. 107f (1948)

6 Schweikert Ernst, Die Herren von Oberhofen-Eschenbach, in: Die deutschen, edelfreien Geschlechter des Berner Oberlandes bis zu Mitte des XIV. Jh., S. 3ff (1911)

7studylibde.com; Geschichte / Weltgeschichte / Mittelalter; III. Adel, Herrschaft und Dienst

1. Amsoldingen (Amsoldingen, Stocken)

Abb. 3 Schloss und Kirche Amsoldingen8

Die geistliche Herrschaft Amsoldingen – die Grund- und Gerichtsherrschaft des Chorherrenstifts (Kollegiatstifts) Amsoldingen zwischen dem Glütschbach und der Stockhornkette – umfasste im Spätmittelalter das Dorf Amsoldingen mit den Höfen (heute Gemeinde Höfen) und mit Stocken (Gemeinden Ober- und Niederstocken). Die Herrschaftsangehörigen waren in einer Weidegemeinschaft miteinander verbunden, um die sie ab dem 15. Jh. stritten, bis die Dorf- und Hofbauern Weiden und Alpen (Hochwald am Berg (der Hochwald oder Oberwald im Berg ob Stocken war Eigentum des Stifts und Weideland der Leute von Amsoldingen, vor 1331 und 1358 belegt) schrittweise aufteilten. Die damals gesetzten Weidezäune sind die Vorläufer der heutigen Gemeindegrenzen. Dem Stift gehörte die Hoch- und Niedergerichtsbarkeit, aber nicht unbestritten. Ansprüche an Teile des Gerichtsterritoriums machte schon vor 1331 auch der Inhaber des österreichischen Burglehens Stocken. Und was die Hoch- und Blutgerichtsbarkeit des Stifts betraf, gestand die vom Rat von Bern 1420 und 1459 veranlasste Offnung des Landgerichts Seftigen, das aufgezeichnete, mündlich überlieferte Gewohnheitsrecht, dem Stift die höchste Gerichtsbarkeit sogar nur innerhalb des Dorfzauns zu. Als Bern 1488 die Gerichtsbarkeit des aufgehobenen Stifts übernahm, beanspruchte der Rat, gestützt auf die Tradition des Stifts, die volle Gerichtsbarkeit in der ganzen Herrschaft, «stock und galgen, kleins und großes zerichten» (Schlossurbar von 1531). Dem Gericht sass zu Zeiten des Stifts dessen Amtmann mit dem Titel Schultheiss im Namen von Propst und Kapitel vor. Bern aber übertrug das Gericht dem Schultheissen von Thun, der sich bei Abwesenheit von einem einheimischen Statthalter vertreten liess. An den Rat von Bern war aber auch die Domäne der Chorherren gefallen. Er verkaufte diese 1496 dem Bernburger Bartlome May zusammen mit dem Stiftsgebäude (Schloss), dem See und den zugehörigen Wäldern und Allmenden. Die Gemeinde erwarb 1538 von den Nachfolgern der May Wälder und Allmenden als kommunalen Besitz.

Zur Stiftsherrschaft gehörte auch die kleine Grund- und Gerichtsherrschaft Hilterfingen am Thunersee, die einst Bestandteil der Herrschaft der Freiherren von Oberhofen war. Als diese Hilterfingen mit der Kirche Ende des 12. Jh. dem Stift Amsoldingen schenkten, lösten sie einen Jahrzehnte langen Streit um die Schenkung aus mit dem Resultat, dass Amsoldingen die Kirchenherrschaft zwar verlor, aber Grund- und Gerichtsherr blieb. Die Grundherrschaft und das Gericht verwaltete ein einheimischer Ammann im Namen des Stifts. Das Chorherrenstift besass zwei Drittel des Zehnten und als Grundherr die Hilterfinger Allmenden und Wälder, an deren Nutzung Stift, Kirchherr und Herrschaftsleute beteiligt waren. Nach dem Übergang an Bern 1488 kam die Verwaltung der Grund- und Gerichtsherrschaft an den Schultheissen von Thun. Am Niedergericht vertrat ein Statthalter den Amtsmann bei Abwesenheit.9

Zu Amsoldingen dürfte auch die Herrschaft Forst gehört haben, von der nur wenige Quellen berichten. Die Bezeichnungen «Hochwald» und «Forst», die an mehr als einem Ort die Epoche der spätmittelalterlich-frühneuzeitlichen Rodungen überdauerten, treten an der Stockhornkette und am Gurnigelwald gehäuft auf. Dies ist ein Hinweis, dass die ursprüngliche Bewaldung lange erhalten blieb. Dazu gehörten die «Forste» in der heutigen Gemeinde Pohlern sowie das Gebiet der heutigen Gemeinde Forst im Dreieck zwischen Wattenwil, Längenbühl und Gurzelen, wo die durch Rodung vermutlich im 13./14. Jh. entstandene Weilersiedlung den Namen Forst übernahm.

Die Siedlung Forst wird 1344 in Zusammenhang mit dem dortigen Güterbesitz der Herrschaft Gurzelen erstmals erwähnt. Der Wald dürfte aber zur Grund-, Gerichts- und Kirchenherrschaft des Stifts Amsoldingen gehört haben, da der Weiler nach Amsoldingen und nicht nach dem näher gelegenen Gurzelen kirchpflichtig war. Von einer Herrschaft Forst ist zur Zeit der Chorherren nicht die Rede. Es scheint vielmehr, dass Forst mit der Herrschaft Amsoldingen 1488 an Bern gelangte, Bern aber die abgelegene Siedlung mit eigenen Gerichtsrechten ausstattete und an Private verkaufte. 1541 erscheint nämlich Forst plötzlich als Privatherrschaft «mitt twing und bann und mitt voler herschafftt, wie das den nidern herligkeitten zuostatt», und zwar zur Hälfte als Eigentum eines Bauern von Thierachern, der seinen Anteil einem Bauern in Wahlen verkaufte. Der Inhaber der anderen Hälfte bleibt ungenannt. Im 18. Jh. gehörte die «alte Herrschaft Forst» niedergerichtlich zu einem Drittel zum Schloss Thun, verwaltet im Gericht Amsoldingen, und zu zwei Dritteln zur Herrschaft Burgistein, verwaltet im Gericht Gurzelen.10

Abb. 4 Innensicht (Südostrichtung) der Ruine der Jagdburg Stocken.11

Die Herrschaft Stocken ist nur wenig belegt; ihr Umfang war offenbar von Anfang an umstritten. In den Quellen erscheint dagegen das Burglehen Stocken der Herzoge von Österreich, das nach dem Königsmord von 1308 vielleicht aus dem Bestand der Herrschaft Strättligen an die Herzoge gefallen war. Sie verliehen es an Propst Heinrich von Amsoldingen (belegt 1262– 1309), Sohn Walters von Wädenswil und Parteigänger Österreichs. Mit dem Burglehen Stocken versorgte der Propst seine Söhne standesgemäss. Die Jagdburg Stocken lag jenseits des Sees, der Propstei gegenüber auf dem Berg. Der österreichische Lehensrodel erhellt, dass zur Burg Güter und Wald sowie Twing und Bann gehörten. Der Umfang dieses Twings ist unbekannt. Klagen der Chorherren über Beraubung an Gütern und Rechten deuten an, dass sich Propst Heinrich und seine Söhne sowie der Dienstadel der Gegend aus dem Propsteigut bedienten. Heinrichs Sohn Berchtold traf insbesondere der Vorwurf, dass er seinen Twingbezirk auf Kosten der Gerichtsrechte der Propstei unrechtmässig erweitere und Gericht halte vor der Burg, wo vorher nie Gericht gehalten wurde, weil die Burg ins Gericht Amsoldingen gehöre. Dieser offenbar durch Aneignung erweiterte Twingbezirk Stocken dürfte nebst der Burg und Umgelände auch Nieder- und Oberstocken umfasst haben. Die ritterliche Familie von Amsoldingen, Bürger in Bern, Spiez, Thun und Freiburg, blieb bis 1492 Inhaberin der Herrschaft und des Burglehens Stocken. 1363 war der Enkel Heinrich von Amsoldingen mit der Burg belehnt worden «wie sein Grossvater und Vater». Nach 1388 kam die Herrschaft unter bernische Oberhoheit im Landgericht Seftigen. Ihr letzter Inhaber, Rudolf (Ruof) von Amsoldingen, Bürger von Bern und Thun, auch Herr von Blumenstein, verkaufte um 1492 beide Herrschaften dem damaligen Thuner Stadtschreiber Hans Duby, der von Bern belehnt wurde. Anlässlich dieser Handänderung dürfte Bern die Niedergerichtsrechte in Stocken an sich gebracht haben. Es teilte Stocken dem Gericht Reutigen zu, änderte dies aber 1505 auf Bitte der Leute von Stocken mit der Zuteilung zum Gericht Amsoldingen. Das war das Ende der «Herrschaft Stocken». Das Burglehen Stocken dagegen blieb bestehen. Es kam mit Blumenstein im Erbgang an Barbara Duby beziehungsweise ihren Ehemann, den Apotheker Valentin (Veltin) Kleberger. 1556 wurde Jakob von Wattenwyl damit belehnt, der es in seiner Herrschaft Blumenstein verwaltete.

8 Foto: Christoph Hurni, flickr.com

9 Dubler Anne-Marie, Die Region Thun-Oberhofen auf ihrem Weg in den bernischen Staat (1384–1803), in: Berner Zeitschrift für Geschichte und Heimatkunde, S. 92ff (2004)

10 Dubler Anne-Marie, Die Region Thun-Oberhofen auf ihrem Weg in den bernischen Staat (1384–1803), in: Berner Zeitschrift für Geschichte und Heimatkunde, S. 96ff (2004)

11 Moll Heinz, Niederstocken-Jagdburg, in: Ruinen von Burgen und Sakralbauten im Kanton Bern, S. 137ff (2019)

2. Belp-Montenach

Die Herrschaft Belp befand sich seit dem späten 12. Jh. in der Hand der Herren von Montagny (von Montenach). Die einstige Feste Belp (später Hohburg genannt) lag am Belpberg auf einem Bergvorsprung.12

Emil Friedrich Welti zeigte anlässlich eines Vortrags im Rahmen der Jahresversammlung des Historischen Vereins des Kantons im Jahr 1927 die wichtigsten Fakten zu den Freien von Belp-Montenach auf13:

Die Burg am Nordhang des Belpberges, an die heute noch ein paar Mauerreste erinnern, war bis zum Anfang des 14. Jh. der Sitz der Freiherren von Belp, die in der Geschichte des Bernerlandes eine nicht unbedeutende Rolle spielten. Ihren Namen tragen diese Freien nach dem Ort Belp, der in lateinisch geschriebenen Urkunden "Pelpa" oder "Perpa" genannt wird.

Einige erblicken in den Freien von Belp ein welsch-burgundisches Geschlecht, und darauf würde auch die in Salins ausgestellte Urkunde vom Jahre 1107 deuten, in der der Name Belp zum ersten Male erscheint. In dieser Urkunde nämlich findet sich unter den Zeugen einer Schenkung des Grafen Wilhelm von Burgund an Guichard, den Herrn von Beaujeu, der Name des Odalricus (Ulrich) von Belp.

Abb. 5 Wappen der Freiherren von Belp-Montenach

Jean Louis d'Estavayer, der Genealoge des Hauses d'Estavayer, behauptet, in zwei Urkunden von 1053 und 1090, die aber bis heute niemand sonst gesehen hat, den Nachweis gefunden zu haben, dass dieser Ulrich von Belp der Sohn eines Lambert von Estavayer gewesen sei, und Max von Diesbach vertritt die Ansicht, daß die Ähnlichkeit des Belp-Montenacher Wappens — ein fünfmal von rot und weiss gespaltener Schild mit gelbem Schildeshaupt — mit dem Wappen der Estavayer — fünfmal von blau und rot gespaltener Schild, darüber ein weißer Querbalken mit drei roten Rosen — den Genealogen recht zu geben scheine, die den Ursprung des Hauses Belp von den Estavayer herleiten. Die Verwandtschaft beider Häuser beweist in der Tat ein Dokument aus dem Jahr 1220. Daraus geht aber nicht hervor, dass sie schon zu Ende des 11. Jh. bestanden habe. Die Wappen der Belp und der Estavayer aber sind darum keine Zeugnisse für den Ursprung des Hauses Belp, weil zu Ende des 11. Jh. Wappen von Freien noch nicht existierten; solche Wappen sind bei uns erst viel später aufgekommen.

Das Auftreten der Belp in der Geschichte fällt in die Zeit, in der die Zähringer ihre Macht auf die burgundischen Lande auszudehnen begannen, und es zeugt für die Bedeutung und das Ansehen des Hauses Belp, dass seine Angehörigen oft unter den Zähringern nahestehenden Adeligen genannt zu finden sind. Als treuer Anhänger Berchtolds des Zweiten reiste Ulrich von Belp mit seinem Sohne Rudolf im April des Jahres 1111 zur Beisetzung seines herzoglichen Gönners nach dem Kloster St. Peter im Schwarzwald. Derselbe Ulrich und sein Sohn Konrad waren dabei, als Herzog Konrad um 1131 mit diesem Kloster Güter tauschte und wiederum befand sich Ulrich mit seinem dritten Sohne Burkhart im Gefolge des Herzogs, als dieser kurz darauf dem nämlichen Gotteshaus Güter Übertrag. Den Burkhart von Belp sehen wir ferner mit dem Herzog Konrad 1131 in Strassburg vor dem Hofgericht König Lotars. Auch bei der grossen Versammlung burgundischer Edelleute und zähringischer Ministerialen im Jahr 1175, an der Herzog Berchtold IV. mit seinem Sohne, dem nachmaligen Gründer Berns, teilnahm und dem Kloster Rüeggisberg die Schübelmatt an der Galtern schenkte, fehlen die Belp nicht.

Abb. 6 Der Hügel der Ruine Hohburg am Belpberg (Ansicht von Südosten).3

Als dritten Belp führt lange nach diesen die Zeugenliste auch den Burkhart von Belp auf. Rudolf von Belp, der Sohn Konrads, begleitete Berchtold IV. ebenfalls, als er 1178 dem Prior von Peterlingen das Grundstück zurückgab, auf dem die Kirche St. Niklausen zu Freiburg im Üechtland erbaut worden war.

Die Freien von Belp besassen neben ihrer Herrschaft im Gürbetal auch noch die Herrschaft Montenach bei Peterlingen. Wie Montenach an die Belp gelangte, ist nicht zu ermitteln. Man weiss bloss, dass Rudolf, einer der drei Söhne jenes Ulrich von Belp, des ersten bekannten Gliedes seines Geschlechts, im Jahr 1146 als Rudolf von Belp, ein anderer Sohn Konrad aber, als Konrad von Montenach bezeichnet ist und schliesst daraus, dass 1146 beide Herrschaften, Belp und Montenach im Besitz des Hauses Belp gewesen seien. - Vielleicht ist Contesson, die in einer Urkunde von 1178 als Herrin von Montenach neben Rudolf von Montenach, dem Sohne Konrads, genannt ist, die Frau Konrads gewesen und durch sie Montenach an ihren Gatten gelangt. Festzuhalten ist, dass seit 1146 zwei Linien der Belp zu unterscheiden sind, die deutsche, bei der Belp vom 12. bis in das 13. Jh. verblieb, und die den Namen Belp beibehielt, und die welsche Linie, die fortan den Namen von Montenach führt. Nur Wilhelm, ein Chorherr der Stift Amsoldingen, der zur Montenachschen Linie gehörte, nannte sich noch von Belp.

Während die Nachfahren Konrads von Montenach bis ins 15. Jh. unschwer nachzuweisen sind, ist nicht klar, von welchem der beiden Brüder Konrads die wenigen nach 1146 noch erscheinenden Belp abstammen, von Rudolf oder von Burkhart. Von 1195 bis 1223 verschwindet der Name Belp vollständig aus den Urkunden.

Abb. 7 Originaltext aus der Berner Chronik des Conrad Justinger von 1420.14

Die Grenzen der Herrschaft im 12. und 13. Jh. sind nirgends angegeben. Sie hat sich jedenfalls über dasjenige Gebiet erstreckt, in dem die Belp als Grundherren die niedere Gerichtsbarkeit, d. h. Twing und Bann und Frevelgericht, besassen und die niedere Gerichtsbarkeit stand ihnen im Dorf Belp und auf dem Belpberg nachweisbar zu. Man wird aber aus den ihnen auch in andern Teilen des alten Kirchspiels Belp gehörigen Rechten schliessen dürfen, dass die Grenzen der Herrschaft mit den Grenzen der Kirchhöre zusammengefallen seien. Vielleicht reichte die Herrschaft im Süden noch weiter, sicher ist jedoch nur, dass hier bis 1267 das Dorf Wattenwyl den Belp gehörte. Auch über die Frage, wann die Belp in den Besitz ihres Gebietes und wie sie zu den Herrschaftsrechten gelangt seien, die sie von Grundherren zu eigentlichen Dynasten erhoben, geben die bernischen Geschichtsquellen keine Antwort. Offenbar hängt auch die Entstehung der Herrschaft Belp mit der Auflösung der karolingischen Grafschaftsgaue zusammen. Im Verlauf dieses Auflösungsprozesses, der sich über mehr als zwei Jahrhunderte hinzog, muss der Belper Grundbesitz der Freien von Belp von der Gaugrafschaft losgelöst und ihnen übertragen worden sein.

Es sei hier erwähnt, daß der Belper Laienzehnt Reichszehnt gewesen ist und ursprünglich mag der Grundbesitz der Herren von Belp ein ihnen vom Reich verliehenes Lehen gewesen sein. Die Befreiung des Belpschen Grundbesitzes von der Gaugrafschaft verschaffte jedoch den Belp noch nicht die einem Landesherrn, einem Dynasten, zustehende Landeshoheit.

Voraussetzung der Landeshoheit bildete die Verleihung der hohen Gerichtsbarkeit, des Gerichts über Leben und Tod, durch den König, und es ist ganz unsicher, ob die Hochgerichtsbarkeit, die wir stets mit der Herrschaft Belp verbunden finden, zu den Belp verliehenen oder von ihnen usurpierten Rechten gehörte. Nach einer Öffnung aus dem Jahre 1459 war der Bezirk, in dem damals die Herrschaft die Hochgerichtsbarkeit besass, beschränkt auf das Dorf Belp und «innerhalb des Etters», d.h. auf die Belper Dorfmarch.

Die Landesherrlichkeit der Freien von Belp erhielt durch den Krieg, den Herzog Berchtold V. von Zähringen gegen den burgundischen Adel in den Jahren 1190/91 zu führen hatte, einen harten Schlag. Leider kennt man die Ursachen des Krieges nicht, doch geht man kaum fehl, wenn man ihn auch mit der Gründung Berns in Verbindung bringt. Zuerst sollen sich die welschen und nach ihnen die deutschen Adeligen des transjuranischen Burgund gegen den Herzog aufgelehnt haben. Unter dem aufständischen Adel befanden sich auch die Freien von Belp und das Fehlen von Nachrichten über sie in den dem Krieg folgenden 28 Jahren wird mit dem für den Adel verhängnisvollen Ausgang des Krieges zu erklären sein. Wenn nachher im 13. Jh. die Belp auf ihre Burg am Belpberg zurückkehrten, so müsste Wernher von Belp, der in Bern im Jahr 1223 neben Toto von Ravensburg, Aymo von Montenach und andern als Zeuge an einer Gerichtsverhandlung teilnahm, der letzte Burgherr der deutschen Belper Linie gewesen zu sein.

Ein anderer Belp, Burkhart, hatte sich in Uri angesiedelt, wo er um 1250 seine dortigen Güter und Eigenleute der Fraumünsterabtei Zürich verkaufte. Als Herr von Belp kann er nicht in Betracht kommen. Die Herrschaft Belp muss schon längere Zeit vor 1250 von der deutschen Linie an die welsche Linie, an die Montenach gefallen sein, denn die Montenach verfügen seit dem 13. Jh. über die Güter der alten Herrschaft Belp. Auf den Herrschaftswechsel weist zuerst eine Urkunde von 1239 und aus der nämlichen Urkunde geht hervor, daß die Montenach Burger der Stadt Bern geworden sind. Ob die Belp nach dem eben genannten Krieg von 1190/91, dem sogenannten Baronenkrieg, freiwillig auf ihre Herrschaft zugunsten der Montenach verzichteten, ist nicht bekannt. Freiwillig sind offenbar die Montenach nicht Bernburger geworden. Die Aufnahme in das Berner Burgrecht muss die Bedingung gewesen sein, unter der Herzog Berchtold V. der Übertragung der Belper Herrschaft an die Montenach zustimmte. Die Einbürgerung mochte ihm als das beste Mittel erschienen sein, um Streitigkeiten oder Feindseligkeiten zwischen dem jungen bernischen Gemeinwesen und den Belper Nachbarn vorzubeugen. Die Montenach versäumten jedoch später die Gelegenheit nicht, sich von dem ihnen aufgezwungenen Burgrecht los zu machen. Zu Anfang des 14. Jh. mussten sie noch einmal Bernburger werden und das zweite Mal sorgte Bern dafür, dass sie dem Burgereid nicht mehr untreu wurden.

Eine Urkunde von 1239 zeigt, dass die Montenach und vor ihnen die Belp auch auf dem rechten Aareufer in der Landgrafschaft Kleinburgund, und zwar in Muri, Güter besassen, zu denen auch die Vogtei und das Patronatsrecht der Kirche von Muri zählten. Diese Güter verkauften um 100 Mark Silbers im Jahre 1239 an die Propstei Interlaken Gepa von Montenach, eine geborene Wolhusen, und ihr damals minderjähriger und darum durch einen Vormund vertretener Sohn Aymo, von der Not gezwungen, wie sie sagten, und um der Zahlung unerträglicher Wucherzinse enthoben zu sein.

Abb. 8 Reste einer Mauer auf der Nordseite der Ruine Hohburg.

Der Verkauf wurde 1240 vor dem Gericht der Stadt Bern erneuert, weil dort die Verkäufer und der Käufer Burgrecht hatten, und gleich darauf in Muri wiederholt. Im Jahre 1245 wurde von dem inzwischen volljährig gewordenen Aymo von Montenach und Interlaken ein neuer Kaufvertrag über dieselben Murigüter abgeschlossen und es ist die Frage aufgeworfen, aber nicht beantwortet worden, was wohl die Kontrahenten zur Wiederholung der sehr kostspieligen Rechtshandlung — man denke bloss an die Beherbergung und an die Beköstigung der vielen Urkundszeugen — veranlasst habe. Die Antwort erteilt das deutsche Recht des Mittelalters. Nach deutschem Recht nämlich war ein mündig Gewordener befugt, die für ihn während der Unmündigkeit durch seinen Vormund abgeschlossenen Rechtsgeschäfte für ungültig zu erklären, und von diesem Rechte machte Aymo von Montenach, als er 1244 volljährig geworden war, Gebrauch, um vom Käufer bessere Bedingungen zu erlangen. Aymo handelte diesmal allein, ohne seine Mutter, denn für sie war der erste Vertrag gültig, sie hatte keinen Rechtsgrund zum Widerruf. Statt 100 Mark verlangte und erhielt 1245 Aimo 120 Mark für seine Güter. Der neue Vertrag kam in Freiburg im Üechtland zum Abschluss und wurde dann in Bolligen erneuert. Die Fertigung von Liegenschaften nämlich hatte entweder vor dem Gericht oder am Ort der belegenen Sache zu geschehen. In der Kaufsurkunde fehlt der in den früheren Verträgen enthaltene Hinweis, dass Muri in der Landgrafschaft des Grafen von Buchegg gelegen sei und dass der Vertrag gemäss Recht und Brauch der Landgrafschaft erneuert werde. Zeugen der Fertigung in Bolligen waren ausser sechs Burgern der Stadt Bern eine ganze Reihe dem Grafen von Kyburg ergebener Adeligen und Ministerialen. Die grosse Zahl der kyburgischen Vertreter weist aber auf ein besonderes Interesse Kyburgs am Verkauf der Murigüter und dieses Interesse gründet sich wohl darauf, dass Kyburg Muri nicht als ein zur Landgrafschaft Klein-Burgund gehöriges Gebiet, sondern als einen Teil des den Kyburgern in Klein-Burgund zugefallenen Zähringischen Erbes betrachtete.

Aymo von Montenach, derselbe, der 1245 seine Güter von Muri an das Gotteshaus Interlaken verkauft hatte, war 1254 gezwungen, sich dem Grafen Peter von Savoyen zu unterwerfen. Aymo musste erklären, daß er die Burg Belp als savoyisches Lehen besitze, das Graf Peter jederzeit an sich ziehen könne. Belp als savoyisches Lehen taucht lange nachher wieder auf. Im Jahr 1557 nämlich weigerte sich anfänglich Bern, die Herrschaft Belp als freies Eigen auf Anton von Luternau zu übertragen, indem es sich auf einen Brief des Grafen Amadeus von Savoyen vom Jahr 1412 stützte worin sich dieser die Lehen Frutigen, Belp und Aarberg vorbehalten habe.

Als Peter von Savoyen im Jahr 1265 gegen Rudolf von Habsburg und zugleich gegen die Stadt Freiburg zu Feld ziehen musste, wandte sich Aymo von Montenach, dessen ganzes Trachten darauf gerichtet war, sich aus dem savoyischen Joch zu befreien und des Berner Burgrechts loszuwerden, sogleich gegen die dem Savoyer treu gebliebene Stadt Bern, die einen Teil ihres Kriegsvolks dem Grafen Peter zu Hilfe geschickt hatte. Über die Kämpfe zwischen Montenach und Bern sind wir nicht näher unterrichtet. Peter von Savoyen siegte über seine Feinde bei Chillon und in diesem Gefecht soll Aymo von Montenach das Leben verloren haben. Wilhelm, Aymos Sohn, musste für den Verrat des Vaters büssen und auch mit seiner Feste Montenach dem Grafen Peter huldigen. Wie sich die Stadt Bern mit dem Sohn ihres ehemaligen Burgers Aymo auseinandersetzte, meldet uns die Geschichte nicht. Auch Bern wird nicht unterlassen haben, seine Friedensbedingungen festzusetzen, und wenn wir in einer Urkunde von 1269 lesen, dass Wilhelm von Montenach und sein Bruder Heinrich Eigenleute, damit sie Burger von Bern werden könnten, frei gaben und für alle Folgen der Freilassung der Stadt Bern sowohl als den freigegebenen Leuten Garantie leisteten, so gehört vielleicht die Befreiung von Eigenleuten, die sich um das Berner Burgrecht bewarben, zu den Friedensbedingungen, die den Montenach von Bern gestellt wurden.

Auf ihrer Burg am Belpberg haben die Montenach nur hie und da residiert, während ihrer Abwesenheit führte dort ein Kastellan den Befehl. Dauernder Wohnsitz der Herrschaftsherren wurde die Burg erst wieder, nachdem durch die Teilung ihres väterlichen Erbes zwischen Wilhelm und Hartmann von Montenach, die Herrschaft Montenach dem Wilhelm und die Herrschaft Belp dem Hartmann zugefallen war. Da die Teilung zu Streitigkeiten unter den beiden Brüdern geführt hatte, war sie 1277 schiedsgerichtlich durch den Bischof von Lausanne, den königlichen Landvogt Konrad von Wädiswyl und anderevorgenommen worden. Nach den Bestimmungen des Urteils erhielt Hartmann mit der Herrschaft Belp auch alle Besitzungen der Montenach östlich der Saane gegen Alemannien hin gelegen. In diesen Besitzungen waren also die Montenachschen Güter am rechten Aareufer inbegriffen und die Herrschaft Gerenstein, als dritte Herrschaft der Montenach, würde sicher erwähnt worden sein, wenn sie 1277 im Besitz der Montenach gewesen wäre.

Abb. 9 Original-Wiedergabe des Stammbaums derer von Belp aus15.

Hartmann von Montenach, der neue Herr von Belp, muss noch in jungen Jahren bald nach dem Antritt seiner Herrschaft gestorben sein, denn im Jahr 1281 handelte für seine hinterbliebenen Söhne als Vogt Ulrich von Maggenberg.

Für seine Schutzbefohlenen nämlich tauschte Maggenberg ein einst von ihrem Grossvater Aimo dem Spital zum heiligen Geist in Bern geschenktes Grundstück im Hindenbüel gegen eines in den Angen ein, das zur Belper Allmend gehörte. Die über den Tausch ausgestellte Urkunde ist rechtsgeschichtlich darum interessant, weil sie zeigt, daß der Herrschaftsherr nur mit ausdrücklicher Zustimmung aller Gemeindebewohner über die Allmend verfügen durfte. Die Allmend war Eigentum der Benutzer und da der Liegenschaftentausch die ganze Gemeinde interessierte, wurde er in der Kirche zu Belp vor den versammelten Gemeindegenossen vorgenommen.