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Unendlich viele innovative Gedanken enden in akademischen Archiven und in Nachlässen (und meist im Papier-Container. Hunderttausende Arbeiten von Studenten, die im Hauptstudium auf dem Höhepunkt ihrer intellektuellen Karriere unendliche viele Spezialthemen bedenken, gehen verloren, denn nur wenige, die in die Forschung gehen, können sie weiterentwickeln. Die meisten gehen in eine Praxis, die nur noch Aspekte ihres Könnens abruft. Kann ein Land wie das unsere es sich leisten, auf diese Arbeiten zu verzichten, denn die geringe Zahl der Forschenden kann das ganze Feld gar nicht abdecken. Ich finde, es wird Zeit, die Texte von solchen Arbeiten der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Darum veröffentliche ich meine Arbeiten ... und manche haben auch nach 40 Jahren noch nicht an Aktualität verloren.
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Seitenzahl: 367
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Gewidmet:
Meiner Tochter Kerstin-Raffaela
1.
Hauptseminar zu Karl Barth von Dr. Winzler (FU Berlin)
SoSe 1982 - Referat zu: ‚Phänomene des Menschlichen‘ Karl Barth, Kirchliche Dogmatik 3.2
2.
SoSe 1983 ST Prof. Cramer (KiHo Berlin) Ethik Bonhoeffers Proseminar-Arbeit Systematische Theologie
‚Das konkrete Gebot und die göttlichen Mandate’
3.
SoSe 1983 – Dr. Schmutzler (FU Berlin)
Übung ‚Erziehung zum Frieden in Religionsunterricht und Kirche‘ Referat ‚Kirche und Krieg‘
4.
WiSe 1983-84 KiHo Berlin NT-Seminar
‚Poetische Formen im NT‘, Prof. K.-G.Eckart NT-Seminararbeit: ‚Exegese des Textes 1. Petrusbrief 3,13-22‘
5.
WiSe 1985-86 und SS 1986 KG Proseminar
KG ‚Der Arianische Streit‘, Dr. Wyrwa Proseminararbeit: ‚Athanasius – Der Ablauf des arianischen Streites‘
6.
WiSe 1985-86 Hauptseminar Prof. H. Wörner
‚Die Lehre von der Erbsünde‘,
Exegetische Elemente des ‚Fallmythus‘
Seminararbeit, Alttestamentliche Grundlagen: Gen. 2,4b - 3,24
7.
SoSe 1986 KG - Hauptseminar: Prof. Selge
‚Speculum Perfectionis‘ – Spiegel der Vollkommenheit Referat: ‚Speculum Perfectionis‘
8.
SoSe 1986 NT- Oberseminar: Prof. v. d. Osten-Sacken
‚Neutestamentliche Zeitgeschichte‘
Referat ‚Das Judentum in der religionsgeschichtlichen Arbeit am NT‘
9.
SoSe Seminar 1987: Prof. Selge
Seminararbeit ‚Theologie in Berlin‘
10.
SoSe Seminar 1987: Prof. Wickert
Referat ‚Schismen des 3. und 4.Jahrhunderts‘
J. Kurtz: Lehrbuch der Kirchengeschichte, 1887
11.
SoSe 1987: Prof. Selge
Seminararbeit: ‚Konfessionsprobleme in Brandenburg im 17.-18.Jh.‘
12.
SoSe Seminar 1987: Prof. Eckart
‚Die vorpaulinisch-hellenistischen Gemeinden‘
Seminararbeit: ‚Gnostische Motive‘ (Bultmann; Theologie des NT §15, S.
166-186)
13.
SoSe 1987: Seminar: Prof. Gestrich
Paul Tillich ‚Systematische Theologie I-III“
Seminararbeit: „Paul Tillich, Erbsünde“
14.
WiSe 1986/87: Übung: Pfr. J. Kleiner
Übung zum Diakonie-Praktikum
Meine Studienzeit
gemäß Studienbuch
Der Verfasser mit den Neffen Marcel und Mathias
„Glaube will genährt werden“, darum braucht es Prediger. Ich habe das Theologiestudium als einen Reifeprozess erfahren. Sicher, mein Weg war weiter als bei 60% der Studenten und Studentinnen, die ich im Laufe der Zeit kennengelernt habe, denn die kamen aus Pfarrfamilien. Die Absolventen waren damals (1980) zu 70 % männlich und zu 30% weiblich. Alle hatten eine gymnasiale Vergangenheit. Ich habe erst einen Handwerksberuf nach der Mittleren Reife erlernt, habe dann am Abendgymnasium das Abitur gemacht, ein 10-jähriges Projekt der Volkshochschule, dass durch Bayern gestoppt wurde. Mich hat das zum Glück nicht betroffen, aber es hat vielen, die in meiner Situation waren, geschadet. Wenn man bedenkt, dass Bayern bis 1978 noch ein Agrar-Anhängsel der Bundesrepublik war, dass nur durch den Ausgleich der Länder die Chance erhielt, im Chor der Bundesländer aufzuholen. Für mich ist ein Franz-Josef Strauß noch immer das soziale Dilemma der Bayern. Heute sorgt der aktuelle Ministerpräsident Bayerns mit seiner verschlafenen Energie-Wende dafür, dass das Bundesland wieder das wird, was es war – ein ökonomischer Appendix an einer BRD. Schade um das schöne Bundesland. Aber jeder bekommt, wen er wählt.
Doch wieder zu meiner Studienzeit. Als Student mit einem geringen sozialen Status unterscheidet man sich darin von den anderen, dass man am Abend erst die vielen von den Professoren genutzten Fremdwörter nachschlagen muss. Der Rest hängt aber vom Fleiß ab.
In der Kirchlichen Hochschule mochte ich besonders Prof. K.-G. Eckart und einige ‚Jungprofessoren‘, sowie die die Theologen der FU oder des Instituts für Altorientalistik. Prof. Gollwitzer, Dr. Winzler (ST) und Dr. Elsas (Religionsgeschichte) waren für mich auch besondere Menschen.
Schwierig war meine familiäre Situation. Ich musste eine Familie ernähren. Am Wochenende machte ich dreimal zwölf Stunden Nachtdienst als Nachtwächter … da gab es viel Zeit zum Lernen. Die Wohnung bekam ich für 50% Mietzahlung, weil ich im Pfarrhaus der Vater-Unser-Gemeinde (Berlin-Wilmersdorf) zugleich Hausmeister war, also im Winter Schnee beseitigte, allwöchentlich das Außengelände des Kindergartens und das Treppenhaus des Pfarrhauses reinigte. In der Gemeinde leitete ich eine Jugendgruppe an und war im Gemeindebeirat. Ich übernahm auch immer wieder Wochenschlussandachten (je Sonnabend um 18 Uhr). Und jahrelang war ich auch im Redaktionsteam des Gemeindebriefes und druckte diesen (mit einer gemeindeeigenen Druckmaschine, die kein anderer mehr bedienen konnte, als die Gemeinde sich einen Hausmeister nicht mehr leisten konnte). Hinzu kam das Mitsingen im Chor … nicht ganz uneigennützig, weil ich der Meinung war, ein Pfarrer muss auch singen können. Das alles war mein Leben als Student. Wunderbar und arbeitsintensiv.
Mehr als 10 Jahre lang habe ich einen Teil des Bafögs zurückzahlen müssen. Aber ohne Bafög wäre alles noch schwerer gewesen. Das war es mir wert.
Das Spannendste im Theologiestudium waren natürlich die nötigen Arbeiten, die die Uni verlangte. Hier zeigt sich am besten, was ich mit Reifeprozess bezeichne: Von einem sozial engagierten Christen wurde ich langsam zu einem Theologen.
Ich würde mir wünschen, dass mehr Studenten und Studentinnen ihre Arbeiten veröffentlichen würden, denn Studenten sind vor den Prüfungen auf dem Höhepunkt ihrer wissenschaftlichen Erkenntnisse, wenn sie nicht als Doktoranden weitermachen. Der Weg in die Praxis lässt nur noch denen Raum, sich wissenschaftlich weiter zu entwickeln, die das auf Kosten der Gemeindearbeit machen. Anders habe ich es jedenfalls nie erlebt. Umso spannender wäre die Veröffentlichung dieser Arbeiten von denen, die danach im Pfarramt blieben, darum mein Anlauf, denn da sind sicher viele Schätze zu heben, weil die verschiedensten Themen bearbeitet wurden.
Meine Benotungen waren immer ordentlich, zwei oder drei, aber das sagt ja nur etwas darüber aus, was Professoren erwartet haben. Andere hätten mit anderen Erwartungen die Arbeiten ganz anders bewertet … schlechter oder besser. Deshalb lohnt es sich, die große Zahl der Arbeiten der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Ich würde mich darüber freuen … und mache hiermit einen Anfang.
Johannes Simang
Referat zu: „Phänomene des Menschlichen“ Sommersemester 1982 – Barth, Kirchliche Dogmatik 3.
Hauptseminar zu Karl Barth von Dr. Winzler (FU Berlin)
Inhalt:
Polan Klassisches Beispiel zum Wesen des Menschseins.
Zöckler, Otto, Titius, Portmann Antwort der Theologen auf die Darwinsche Deszendenztheorie
J. G. Fichte Versuch des Idealismus, das Phänomen des Menschlichen zu ergründen
K. Jaspers
Existenzialistisches Erklärungsmodell Resumée
E. Brunner
Auszüge als Schlusswort zum Thema:
„Phänomene des Menschlichen“
Karl Barth: Was zwischen Gott und dem Menschen stattfindet, ist gerade kein bloßes Verhältnis, sondern ein bestimmtes Verhalten, das in der Initiative Gottes seinen Ursprung hat (S.→).
Phänomene des Menschlichen
Während die Christologie die Bestimmung des Menschen Jesu vornimmt, beinhaltet die Anthropologie eine Bestimmung des Menschen im Allgemeinen, es geschieht eine Abgrenzung zum Menschen Jesu. Der Mensch wird gekennzeichnet als ein in irgendeiner Beziehung zu Gott stehendes Wesen, wobei das Verhältnis zu Gott eine notwendige konstante Bestimmung des menschlichen Wesens ist.
Maßstäbe für den Vollzug der Abgrenzung sind Mindestforderungen, die christologisch Grundlegendes sichtbar machen und die Grenze für die theologische Bestimmung des menschlichen Wesens ergeben.
I. Wenn der Mensch Jesu das Sein Gottes beinhaltet und ein Mindestmaß an Gleichheit zum menschlichen Wesen schlechthin besteht, muss jedes menschliche Wesen als zu Gott zugehörig betrachtet werden.
II. Wenn die Gegenwart und die Offenbarung Gottes beim Menschen Jesu die Geschichte der Errettung aller Menschen ist, so müsste jeder Mensch in einer solchen Geschichte existieren
III. Wenn das göttliche Handeln des Menschen Jesu der Freiheit, Souveränität und Ehre Gottes dient, müsste (aufgrund der minimalen Gleichheit) die eigentliche Bestimmung eines jeden menschlichen Wesens in der Ehre Gottes liegen (da er an jener Geschichte teilnehmen darf).
IV. Wenn der Mensch Jesu im Vollzug der Herrschaft Gottes existiert, existiert auch das allgemeine menschliche Wesen unter der Herrschaft Gottes.
V. Wenn das Wesen des Menschen Jesu in der Geschichte als des Menschen Retter besteht, dann muss auch jedes menschliche Wesen in dieser Geschichte bestehen. Seine Freiheit besteht darin, sich für Gott zu entscheiden, daher entsprechen die Aktionen des wirklichen Menschen den göttlichen Aktionen.
VI. Geschieht in Jesu Gottes Werk, Gottes Wort, so existiert das menschliche Wesen allgemein wenigstens als Existenz, die Gottesdienst darbringt.
Diese sechs Punkte sind Mindestforderungen an Gleichheit, um die theologischen Phänomene des Menschlichen zu erforschen. Menschliche Selbsterkenntnis, die zum Wesen des wirklichen
Menschen führt, kann nicht der Schattenmensch (der das wirkliche Menschenwesen zu erkennen glaubt) vermitteln, sondern nur die Symptome dessen.
Der Schattenmensch hat sich der Erkenntnis Gottes, damit der Voraussetzung der Erkenntnis des Menschen, entzogen, weil er sich als das Maß des Wirklichen betrachtet.
Menschliche Geschichte ist begründet im Verhältnis zu Gott und im Verhalten Gottes zum Menschen. Die Eigenmächtigkeiten des Schattenmenschen, diese Fragen zu übergehen, führen zu Symptomen jener Phänomene (des Schattenmenschen), deren Summierung - und damit an den wirklichen Menschen und das wirklich Menschliche vorbei.
Schilderung der Entwicklung der Darstellungsweisen des menschlichen Phänomens durch die Philosophie an Hand symptomatischer Denkweisen mit kritischen Anmerkungen K. Barths:
l. Klassisches Beispiel: POLAN – Anthropologe
PoIans Denkweise basiert auf der aristotelischen Definition:
Homo est animal ratione praeditum -
Die Definition für Vernunft ist Denk- und Erkenntnisfähigkeit.
Das Wesen der Vernunft besteht darin, von der Ursache zur Wirkung und umgekehrt zu schließen und so zur Erkenntnis aller Dinge zu gelangen (Ursprung der naturalistischen Denkweise).
Polan macht das „animal ratione praeditum“
zum Gegenstand hochtheologischer Erörterungen,
bezeichnet auch Gott als Schöpfer und Herrn desselben,
stellt die Beziehung zu Gott in einer ausführlichen, sinnbildlichen Beschreibung des menschlichen Körpers und der vernunftbegabten Seele dar.
Erläutert die in Gott begründete und auf Gott bezogene Bestimmung des Menschen und die Lehre von des Menschen GottebenbildIichkeit, Barth: Vom Begriff des animalischen Wesens und dem Begriff Vernunft führt kein notwendiger Weg zu Gott und kein notwendiger Weg zurück zum Menschen als ein auf Gott bezogenes Wesen.
Die Interpretation lässt nicht erkennen, dass die Beziehung zu Gott zum Wesen des Menschen gehört. Gemäß den angelegten Maßstäben (Mindestforderungen) hat Polan daher nicht die Phänomene des wirklichen Menschen dargestellt, denn der wirkliche Mensch existiert in einer bestimmten in Gottes Verhalten zu ihm begründeten Geschichte, egal ob als rationales oder animalisches Wesen. Was nicht im Geschehen dieser Geschichte ist, beschreibt den Schattenmenschen. Ratio oder animal sind Symptome des Menschlichen, nicht mehr, daher ist die Absicht Polans vom Allgemeinen zum Besonderen zu schließen nur erahnbar.
Der wirkliche Mensch ist ein Geschöpf und nicht bloß Bestandteil einer geschöpflichen Gesamtwirklichkeit. Er grenzt sich gegen seine Mitgeschöpfe ab durch Phänomene.
Diese Phänomene - man kennt und sieht sie - sind stumm, als solche keine Symptome, sie zeigen auf eine wesentliche Einheit des Menschen mit der Umwelt, wie auf Besonderheiten ihr gegenüber hin.
Die theologische Neuzeit hat einen Wandel der Grundfrage der Apologetik erfahren. Die Apologeten mühen sich nicht mehr, die Existenz Gottes zu beweisen, sondern sie stellen die Frage nach dem spezifisch menschlichen Wesen inmitten der übrigen Wesen des Kosmos. Schleiermacher führte zur Erkenntnis, dass das Thema der Theologie in der menschlichen Religion in den Aussagen über den Menschen selbst besteht.
Gott wurde zum „Objektgehalt“ des menschlichen frommen Bewusstseins. Daher ließ man sich die Kant’sche Auflösung der alten Gottesbeweise gefallen.
Im 19.Jahrhundert bestritt die auf die neuere Naturwissenschaft begründete Weltanschauung auch die besondere Existenz eines von seiner Umwelt geschiedenen Menschen (Darwin‘sche Deszendenztheorie: Der Mensch stammt vom Affen ab). Durch Gottes Selbstbeweise in seinem Werk und Wort war der Beweis für des Menschen Besonderheit schon geführt, man hatte jedoch die Gottesfrage gemäß Kant entschieden.
Da ein Verzicht betreffs der besonderen Stellung des Menschen zur Selbstaufgabe der Theologie geführt hätte, musste eine Reaktion derer erfolgen; die damaligen Theologen erkannten jedoch wie Polan nicht, dass das Verhältnis Gottes zum Menschen und umgekehrt, Bestandteil der Definition des Menschen ist und aus dem Phänomen des Menschen erkennbar ist.
Antwort der Theologie auf die Mutationstheorie:
Führung der Beweise der besonderen Stellung des Menschen (Apologetik) in drei geschichtlichen Stufen der modernen theologischen Apologetik.
2.1 Otto Zöckler - Theologe, Greifswald
Zöcklers Argumentation basiert in erster Linie auf die naturwissenschaftlichen Unterschiede, wie a) pathologische Erscheinungsformen (z.B. Idiotismus, konnte bei Tieren bis dato nicht nachgewiesen werden, und b) konnten biogenetische Umwandlungen ebenso wenig vorgenommen werden.
Ein weiterer Beweis der Eigengeschöpflichkeit des Menschen sei die Tatsache seiner Freiheit und seines Selbstbewusstseins, die ihn als Geistwesen auszeichneten, wie sein Sprachvermögen. Aus diesen Tatsachen begründete Zöckler, dass der Mensch ein Naturreich für sich darstellt (wie Mineralreich, Tier- und Pflanzenreich, sowie Geister- und Engelwelt). Dieses Menschenreich war für ihn das Reich des Geistes, mit der zivilisatorischen und ethischen Aufgabe der Erfüllung (nicht ohne erlösende Hilfe).
2.2 Rudolf Otto – Theologe, 20.Jahrhundert
Otto befürwortete die Annahme der Deszendenztheorie durch die Theologie, da er sie nur als Vorspiel betrachtete, dem der Sprung ins separate Naturreich folgte. Otto argumentierte wie folgt:
Der absolute Wert ist unabhängig vom Hervorgehen aus dem Unvollendeten.
Die Seele ist in keiner Weise die bloße Funktion der Prozesse körperlichen Werdens, sondern je mehr sie sich selbstverwirklicht, umso mehr wächst ihre Selbstständigkeit und Unabhängigkeit.
Die Psyche ist nicht ableitbar aus dem Physischen, sondern steht ihm schöpferisch gegenüber.
Wir vereinigen unsere Vorstellungen in ein Bewusstsein (denken zu denken, wissen um Wissen) (Ich-Bewusstsein). Dieses Ich-Bewusstsein macht uns zum Ausgangspunkt eines eigenen Geschehens, wir sind demzufolge handelnde und freie Wesen.
Die Vernunft schafft Normen des 'richtigen' Denkens und Wollens.
Wir erleben individuelles „Ich“ jedoch nicht nur in der Vernunft, sondern auch in unserem Gemüt, dies ist eine Bedingung, die unableitbar aus vorher Vorhandenem ist.
Der Vorgang in der Tierseele ist unbekannt, man kann aber Tiere lediglich dressieren Während man Menschen (Naturvölker) zu geistigem Leben erziehen kann. Daraus folgert Otto, dass Tiere geschichtslose Naturprodukte sind.
Der Mensch setzt dem Naturprodukt homo sapiens eine Menschheitsgeschichte mit einer neuen Schöpfung auf: Die Welt und das Leben des Geistes.
Der Mensch, veranlagt mit geistigen Leben und geistigem Besitz, wird zur Persönlichkeit.
Persönlichkeit definiert Otto als ein uns vorgesetztes Ureigenes, als unsere höchste Aufgabe und innerste Wesensanlage --- und deutliche Abgrenzung des Menschen gegen die ganze Welt und alles Sein.
2.3. Arthur Titius – Theologe
Eine noch entschlossenere Darstellung entwirft Titius, der überzeugt davon ausgeht, dass der „rezente“ (der erdgeschichtlichen Gegenwart angehörige) Typus Mensch aus einem tierähnlichen der Eiszeit entstammt.
Körperliche Vorzüge: Gerader Gang, Verwendung und Ausbildung seiner Hände.
Geistige Vorzüge: Hypertrophie des Gehirns (Wachstum durch Inanspruchnahme). Die menschliche Psyche unterstellt Titius dem allgemeinem Entwicklungsgang, da auch Tiere wichtige seelische Funktionen aufweisen, die Grundlage höheren Geisteslebens bilden (z.B. Wahrnehmung, Gedächtnis und Erinnerung, Fähigkeit zur Assoziationsbildung, bewusste Kontrolle der Triebe durch Furcht und Hoffnung usw.).
Unterschiede: Auch primitive Menschen bekleiden sich, benutzen das Feuer, fertigen Werkzeuge und Waffen, rauchen, lachen, geben Dinge einen Namen und kennen Sitten, nicht nur soziale Unterschiede und Instinkte, usw.
Hinweise auf eine Besonderheit des menschlichen Seelenlebens ist der Besitz geistiger Energie durch die Hypertrophie des menschlichen Gehirns.
In das naturwissenschaftliche Bild hat Titius auch die religiöse Idee, den christlichen Begriff vom Menschen eingefügt.
Unter Gottebenbildlichkeit des Menschen (Gen.1) versteht er geistige und Vernunftanlage einschließlich der Fähigkeit zu freier Willensbestimmung.
Begründung der Anthropologie:
Die religiösen Ziele des Menschen ergeben sich aus dem höchsten religiösen Ideal - von Christus und dessen Idealen.
Anlagen zur Erreichung der Ziele findet sich in der allgemeinen und vernünftigen Anlage des Menschen.
Religiöse Ideale bezüglich Jesu:
1. Ideal Jesu: Gotteskindschaft (verwirklicht in Jesus) - Jeder Mensch ist mit dieser Anlage (Gottkindschaft) begabt.
Dem Tier ist Gott wie der Dämon unfassbar – die Menschheit trägt als ihre Bestimmung und in ihrer Anlage Gottmenschheit in sich.
Die Familie ist in ihrer Natürlichkeit Sinnbild höchster religiöser Lebensführung.
Das Ideal des Vaters entspricht dem Übergang zur Gottheit.
Das Gefühl der Heimat und des Eigenrechtes im Vaterhaus beinhaltet - um eine Dimension erweitert - Weltheimatgefühl und Weltbürgerrecht.
2. Ideal Jesu: Allgemeine Menschenliebe
Diese beinhaltet die Teilnahme des Menschen an der gesamten durch den mit Gott begründeten religiösen Bruderbund.
Die Hemmung der Realität dieses Ideals geschieht durch den Wettbewerb um die Mittel zum Dasein.
Das Interesse des Menschen an alle Lebensformen kennzeichnet das Streben nach jenem Ideal einer gottgewollten Weltharmonie.
Arbeit im Dienst des Ideals
vom Gipfel der Entwicklung - dem Menschen.
Naturbeherrschung als Kulturprozess
Ziel: Entwicklung über die Bildung der Arten hinaus auf ihre harmonische Zusammenfassung zum Ganzen.
3. Ideal Jesu: Reich Gottes, d.h. Idealzustand
Überwindung der Hemmungen des Einzelnen.
Völlige Gottesgemeinschaft und Bruderliebe.
Bsp. der Natur: Das Atom - Eine leuchtende, schwingende Welt im Kleinen
übertragbar: Paulus (1.Kor.15) Übergangsmöglichkeit vom Erdenleib zum Sternenleib.
Diese drei Ideale sind für Titius der Nachweis der im naturwissenschaftlichen Menschenbild vorhandenen Anlage für die christliche und religiöse Ideal- und Zielbestimmung des Menschen. Sie sind gleichzeitig Beweise für die Besonderheit des Menschen unter den übrigen Wesen des Kosmos und dienen der Gegenüberstellung der naturwissenschaftlichen Weltanschauung und dem Ja bzw. Nein des christlichen Glaubens.
Mittels dieser Gegenüberstellung verhinderte Titius und Gleichgesinnte die Nivellierung des Menschen durch den Menschen.
Anfechtbares in Bezug auf die Apologeten und unbeantwortet gebliebene Fragen:
Zöckler: Die in eine „reißende Progression begriffene höhere Humanität“ ist nicht unbedingt ein Phänomen des Menschlichen.
Otto: Ob die Persönlichkeit, damit das eigenste Freie, Überlegene des Menschenwesens als solches im Verhältnis zu allem anderen zu erkennen ist?
Titius: Seltsam, dass v. Harnack und vorher H. Lotze in Bezug auf das Ideal Jesu übereinstimmen und Jesus seinerseits hier mit den modernen Naturwissenschaften zusammentrifft.
Sind die drei Anlagen wirklich gesehene Phänomene?
Die Vielseitigkeit der beachteten Gesichtspunkte zeigt immerhin im Gegensatz zu Polan auf, dass die menschlichen Phänomene innerhalb des übrigen geschöpflichen Seins spezifisch sind.
2.4 A. Portmann
Erklärungsversuche, wobei er aber mehr Interesse für die Entwicklungslehre als für die Theologie bekundet.
Das Menschenbild erstellt er mit Gestaltungskräfte künstlerischen und religiösen Erlebens als Fernziel, vorerst bietet er exakte Wissenschaft.
Er beschreibt in vielen Einzelheiten den Ablauf des Wachstums beim Menschen, mit Parallelen zu anderen Lebewesen, von der Geburt bis zum Altwerden.
Der auffällige Schlusssatz: Das Leben fordert vom Menschen mehr, als die bescheidene Sicherheit, welche uns Bruchstücke der Tatsachenforschung bieten können. Nicht jeder theologische Apologet hat diese Schranke bemerkt.
Portmann weist darauf hin, dass Phänomene des Menschlichen ersichtlich werden aus dem Objekt Mensch im Vergleich mit anderen Wesen.
Der Mensch muss in seiner Umwelt gesehen werden,
naheliegendes Phänomen ist die tierische Umwelt
Besonderes Merkmal des Menschen ist der Geist.
(Weltoffenheit, Kultur, Sozialverhalten, Geschichtlichkeit, ein Unsicherheitsfaktor ist die unvollendete Forschung der Naturwissenschaften, ein Sicherheitsfaktor ist dagegen der wissenschaftliche Dialog.
Forschungsergebnisse sind nicht als Dogmen zu betrachten, sondern als Indizien, also der Ergänzung, Kontrolle und Diskussion bedürftig da ihnen nur eine relative Sicherheit anhaftet. So sind u.a. folgende Fragen nicht beantwortbar:
Sind die menschlichen Möglichkeiten vollständig sichtbar?
Nehmen wir alle tierischen Möglichkeiten wahr?
Haben menschliche Phänomene (Geist, Psyche, Kultur, Geschichtlichkeit) mehr wert als tierische Phänomene?
Ist nicht gerade das menschliche Streben die Ursache allen Leides (Schopenhauer)?
Ist der Geist des Menschen nicht gerade dessen Krankheit (L. Kiages)?
Haben menschliche Phänomene (Geist, Psyche, Kultur, Geschichtlichkeit) mehr wert als tierische Phänomene?
Diese Basis der Selbsterkenntnis ist nicht mehr als eine beschränkte, relative Erkenntnis. Das 19.Jahrhundert brachte mit dem Fortschritt der Entfaltung der menschlichen Möglichkeiten, dass der Mensch sich selbst unbekannt wurde und deshalb den wirklichen Menschen nicht mehr sah.
So ist auch die Erkenntnis der Phänomene des Menschlichen, ihre Deutung als Symptome, nicht mehr als eine beschränkte, bedingte, relative Erkenntnis.
Zitat: ‚Die Erkenntnis des Menschen selbst muss ihr vorangehen und diese wächst auf einen ganz anderen Boden.‘
Um neben den aufgeführten Apologeten auch Portmann gerecht zu werden, erachtet es K. Barth als notwendig, die Kritik defiziler zu gestalten.
Der Vergleich mit besonderen Erscheinungsformen reicht nicht aus.
Der Mensch wird nicht nur durch sinnliche Wahrnehmung zum Phänomen. Die Gestalt seines Seins kann nicht nur Randproblem der naturwissenschaftlichen Anthropologie sein, da manche erfahrungsmäßigen Erkenntnisse über das Gesamtbild organischen Lebens hinausweisen.
Die klassische Definition ist daher ungenügend, weil zu naturalistisch, denn die ‚ratio‘ dient lediglich der Näherbestimmung des „animal". Die Theologen des 19.Jahrhunderts übernahmen diese These, ohne auch nur einen Gedanken daran.
Wenn unser Sein geschieht, heißt das, wir sind Subjekt.
Besagtes Geschehen ist unabhängig von uns, ohne Naturwissenschaft, ist daher kein natürliches Phänomen (- Erweiterung des Gesichtsfeldes).
Selbsterkenntnis muss daher auch heißen:
Zitat: ‚Erkenntnis unserer selbst als in der Entscheidung unseres selbst Begriffenen, Erkenntnis unserer selbst in unserem Sein als Wollende, sich Verhaltende und Handelnde, Erkenntnis unserer selbst in der darin offenbaren Freiheit unseres Seins gegenüber seiner natürlichen Bestimmtheit.‘
Mit folgenden Thesen untermauert Karl Barth den Vorstoß von einer naturalistischen zu einer idealistischen (ethischen) Betrachtungsweise: 1. Der Mensch ist ein Wesen für sich.
2. Er vollzieht eine Bewegung, die im Zusammenhang der Bewegung des übrigen Kosmos erklärt und beschrieben, aber nicht aus ihr abgeleitet werden kann.
3. Er ist der übrigen Welt verhaftet und verbunden und doch zuerst und zuletzt sich selbst zugehörig.
Der Bereich der Naturwissenschaften führt zu anderen Betrachtungsweisen (Ideal), da er über sich hinausweist, aber auch zurück auf den Standpunkt des Zustandekommens dieser Sicht, dadurch ergibt sich ein steter Wechsel der Bereiche.
Dieser Wechsel der Identität in beide Bereiche beim Denken des Menschen über sich selbst existiert wie folgt:
1. Im Bereich des Seins, im welchen er sich denkt;
2. Im Bereich der Entscheidung, im welchen er handelt.
3. Im Bereich seiner Zugehörigkeit zu allem anderen Sein.
4. Im Bereich seiner Freiheit.
Der Mensch kann sich selbst nicht sehen, ohne die naturwissenschaftliche Sicht durch die ethische zu ergänzen, - Prioritätenstreit -. Dieses Phänomen der freien Entscheidung genügt keinem der sechs materialen Kriterien, da es allein den Menschen, bzw. seine Existenz zeigt (nicht den wirklichen Menschen).
Die Unterschiedenheit des wirklichen Menschen von anderen Wesen besteht in einer bestimmten Entscheidung, in einer bestimmten Freiheit, in der durch die inhaltlich gefüllten Existenz.
Dieses Phänomen umfasst beide Möglichkeiten; es ist neutral und verweigert die entscheidende Aussage:
Schreiten mit oder ohne Gott -
Mit Gott: Zum wirklichen Menschen werden durch die bestimmte Entscheidung.
Ohne Gott: Als Mensch die wesentliche Entscheidung verfehlt und die Wirklichkeit verwirkt zu haben (Schattenmensch).
Schreitender (ist nicht) wirklicher Mensch. Ein Schreitender ist nicht mehr als ein Schatten eines Menschen ohne jegliche Symptome des wirklichen Menschen, d.h. der wirkliche Mensch, als auch der Schattenmensch als Schreitende werfen denselben Schatten.
Zitat: ‚Sind wir nicht in der Lage, uns im Phänomen wieder zu erkennen, weil wir uns schon zuvor erkannt haben, dann gibt es überhaupt keine Erkenntnis unserer menschlichen Wirklichkeit.‘
Dieses Phänomen beschäftigt u.a. J.G. Fichte und gemäß dem Verständnis seiner Zeit und gemäß der Rolle, in die er gedrängt wurde (Atheismus-Streit) versucht er in dem Werk „Zweifel - Wissen - Glauben" Einzelheiten des Phänomens zu erläutern.
3. J. G. Fichte - Philosoph - Bestimmung des Menschen:
Bestimmung des Menschen: Zweifel - Wissen - Glauben
Zweifel des menschlichen Ichs an seiner Realität gegenüber der gewussten Außenwelt, um das Wissen darum, dass das Ich selbst, indem es weiß, Realität dieser Außenwelt ist und um den Glauben als Tathandlung, in der das Ich sich als alleinige Realität behauptet.
Ursache des Zweifels:
Der Mensch weiß um die Naturkräfte (Kraft der Entstehung usw.), die unabhängig vom Bewusstsein des Menschen wirken, wie auch die Denkkraft der allgemeinen Naturkraft entspringt. Das Bewusstsein aller Individuen wiederum wirkt zusammen als vollendetes Bewusstsein des Universums.
Die Entscheidung, die der Fichte‘sche Mensch zu treffen hat, ist ein naturgemäß bestimmter, notwendiger Sieg.
Die Natur handelt, nicht der Mensch.
Des Menschen Herz sucht die Freiheit der Entscheidung.
Die Entscheidung ist wie erläutert als Bestimmung aufzufassen, lehnt der Mensch Entscheidungen ab.
Da dies wiederum dem Herzen entgegensteht, er also nicht unentschieden bleiben kann, hat er Zweifel.
Ich nehme nicht die Außenwelt, sondern nur meine Empfindungen wahr, wobei die Empfindung zu Empfindbarem wird (sprich: Gegenstand). Denken ist daher nicht mehr, als sich des Bewusstseins von
Gegenständen bewusstwerden zu werden, dies ist zugleich der Grund der Empfindung (sprich: Wahrnehmung). Aus dem bewussten Bewusstsein leitet sich das Bewusstsein des eigenen Seins ab.
Das Ich ist Subjekt und Objekt zugleich
Subjekt:
Ich schaue mich selbst an.
Objekt:
Ich bin das von mir geschaute Ding.
Zitat: ‚So entsteht alles, was außer uns ist, so auch das Besondere und Mannigfaltige dieser Außenwelt, so auch deren Zusammenhang in sich nur durch unser Bewusstsein. So sind die Gesetze, durch die die Gegenstände einander mit eiserner Notwendigkeit gegenseitig bestimmen und so das Weltsystem bilden, nichts anderes als die Gesetze unseres eigenen Denkens.‘
Die Notwendigkeit der Dingwelt ist also nur in unserem Denken, somit ist das Zweifel-Problem gelöst, die Furcht vor Determinismus ist unbegründet. Streitpunkt bleibt: ‚Willen oder Wissen!‘
Die Motivation des Bewusstseins ist das ‚Ich‘, ein ‚ich bin‘ folglich die Erdichtung meines Denkens.
Mein Anschauen ist nur Traum; mein Denken ist die Quelle allen Seins und aller Realität, sozusagen der Traum jenes Traums.
Zitat: ‚Ein System des Wissens ist notwendig ein System bloßer Bilder, ohne Realität Bedeutung und Zweck.‘
Wissen ist nicht Realität -
Realität lässt sich also nicht aus bloßem Wissen schaffen.
Glaube ist Ergreifen der Realität:
Bestimmung ist: Dein Wissen tun, nicht bloßes Wissen.
Mit ,,Glauben" ergreift der Mensch die Realität, denn die Wahrheit entstammt nicht dem Wissen, sondern dem Gewissen.
Der Mensch gebietet sich den Geist (- der Zweifel beseitigt) selbst, ist gehorsam, glaubt daher. Er betrachtet die ihn umgebende Welt als Objekt und Sphäre seines pflichtmäßigen Handelns. Dieses Betrachten und Handeln lässt ihn mit Hilfe der praktischen Vernunft, ohne die die Welt in ein absolutes Nichts versinkt, als Grundlage aller Vernunft, diese Sphäre erkennen.
Der Mensch soll den Gesetzen und den Geboten des Handelns vertrauen, um so ein in der Zukunft liegendes Sein zu ergreifen.
Darauf basierend kann die folglich entstandene universelle Humanität zur Hoffnung und zur Aufgabe werden, deren Ziel die Errichtung eines einzigen, wahren, rechtmäßig verfassten Staates ohne Streit, Privatzwecke usw. (siehe: ‚Monaden‘ bei Leibniz) ist - da ist die Hoffnung auf ein ewiges Leben, bestimmt durch Willen, den Willen zur Tathandlung.
a) einer geistigen: Herrschen durch Willkür.
b) einer sinnlichen: Wirken durch einzelne Taten. „Während die geistige Ordnung durch die Erkenntnis des Unvollkommenseins zur Unsterblichkeit führt, wird dieses Ziel in der sinnlichen Ordnung durch den Willen zur Entscheidung erreicht.
Der einzig, ewige Wille zielt zurück auf den Weltschöpfer (Barth: Nicht / statt/ Gott) in der endlichen Vernunft.
Schluss der Fichte‘schen Philosophie:
Zitat: ‚Es ist zweifellos die Anschauung dieses einen einzigen ewigen Willens, der im Menschen zugleich Ich und Du, zugleich Subjekt und Objekt ist.‘
Des Menschen praktische Haltung in der Welt (im Friedensstaat) soll allein am Fortgang der Vernunft und der Sittlichkeit orientiert sein; Sinnliches ist gleichgültig.
Ebenso wenig interessiert die eigene Persönlichkeit, da nur kollektives Bewusstsein als notwendig verstanden wird.
Körperliche Leiden, Krankheit und Schmerz fühlt man wohl, es wird jedoch nur die Natur, nicht das erhabene Ich getroffen. Das Ich-Wesen tritt als Handelnder in die Gesellschaft ein. Demzufolge ist der Tod die Stunde der Geburt zu neuerem, herrlicherem Leben; der Aufstieg aus der Hülle (Körper) in die Sphäre des Universums.
Zitat: Unendlicher .... ‚ich bin dir verwandt‘.
Zitat: ‚So lebe und so bin ich, und so bin ich unveränderlich, fest und vollendet für alle Ewigkeit; denn dieses Sein ist kein von außen angenommenes, es ist mein eigenes, einiges, wahres Sein und Wesen.
Barth: Beschrieben ist das Phänomen in ethischer Sicht.
Als Quintessenz ergibt sich, dass der Mensch in der Tat seines Willens aus den Bereich seiner natürlichen Bedingtheit in den Bereich seiner eigenen Freiheit schreitet. Fichte liefert jedoch ein Gegenbeispiel, indem er das Phänomen des Menschen durch subjektive Betrachtungsweise verdunkelt.
Fichtes Mensch kann das Eine und Alles sein (beabsichtigte Tendenz), er hat keine Grenze, keine Bestimmung, kein Jenseits und ist die Umwelt des Geistes, sowie das Universum, eben ein autarkes Wesen.
Fichtes Lehre: Philosophie der Freiheit
‚Philosophie der Freiheit‘ wurde Fichtes Lehre seinerzeit genannt, da das menschliche Phänomen ethisch im Licht der Freiheit steht.
Barth stellt die Frage, ob Fichte am Ende seines Werkes weiter als am Anfang ist und untersucht mit diesem Hintergrund die Trilogie.
Im Buch ,,Zweifel“ spricht Fichte dem Menschen seine Freiheit in der Konsequenz und Vollständigkeit ab, im Buch ,,Glauben" aber zu.
Die Stimme des Herzens (-Gegenstimme) ruft nach Freiheit, der Willensentschluss zur Freiheit beruht auf die Gegenstimmen - die Gegenstimme wird deterministisch erklärt.
Konsequenz: Fichte erklärt gerade nicht des Menschen Freiheit.
Auch im Buch „Wissen“ findet Fichte nicht zur Freiheit.
Es heißt nicht: Der Mensch weiß sich als Subjekt seines in die Freiheit führenden Tuns, sondern: Der Mensch ist Subjekt der Ereignisse. Wissen ist nicht Realität.
Der Mensch ist gleich allen Seins, er ist Gewusstes, damit eben nicht real als Gewusstes.
Der Mensch weiß nicht, dass er ist!
Barth: Hat Fichte das Phänomen Mensch überhaupt gesehen?
Das Buch ,,Glauben“ deutet doch darauf hin.
Voraussetzung für jegliche menschliche Freiheit ist wohl sich seiner selbst bewusst zu werden.
Das Buch „Glauben" beginnt mit dem ‚Willensentschluss des Menschen# neu mit dem Aufbau des (Fichte'schen) wirklichen Menschen.
Der Zweifler, der Wissende, der Glaubende – ein Mensch, vorher unsichtbar, wird sichtbar.
Was wirklich erschien, wird als wirklich dargestellt.
Fichtes autarker Mensch ein Gegensatz.
Mit der praktischen Vernunft „setzt“ Fichtes Mensch alles: Wollen - Handeln - Freiheit - Güte - sein Sein - das Universum.
Die Freiheit bringt ihm den Strom des Lebens, die Unendlichkeit, usw.
Der Fichte'sche Mensch wird ewig unveränderlich, fest, vollendet. Ist das menschliche Freiheit?
Fichte hat den Menschen mit der Vorstellung von Autarkie dargestellt, um ihn ohne Gott zu sehen.
Fichtes Mensch ist Fichtes Gott und Fichtes Gott ist Fichtes Mensch.
Der wirkliche Mensch ist jedoch nicht mit Gott identisch, daher ist Fichtes Werk nicht einmal eine Umkehrung, lediglich ein Gegenbeispiel für das Phänomen Mensch,
4. Karl Jaspers - Psychiater und Philosoph
Karl Jaspers ist neben Heidegger der wichtigste Existenzphilosoph.
Er geht davon aus, dass die Erfahrungen von Grenzsituationen (Tod, Leiden, Schuld) zu einer noch angesichts des Scheiterns aller innerweltlichen Bemühungen zu bewahrenden Gewissheit des Seins führen und damit zum philosophischen Glauben an die Existenz Gottes.
K. Jaspers geht davon aus, dass die Erkenntnis des Menschen aus einer partikularen Perspektive heraus nur den Raum der Situation, nicht aber den Menschen selbst sichtbar macht. Dieses Nichterkennen führt zum vermeintlichen Sicherkennen in der Transzendenz des Seins. Die Transzendenz seines natürlichen, ethischen Wesens ist der wirkliche Mensch, von dem aus er zurückblickt, um die menschlichen Phänomene zu sehen, jedoch ohne den wirklichen Menschen zu sehen.
Fragen K. Barths an K. Jaspers:
a) Das 20.Jahrhundert war voll von Grenzsituationen (Konflikte, Kriege). Ist in dieser Zeit jemand dem Anderen begegnet und hat sich dieser Jemand verändert?
b) Ist in Grenzsituationen die Transzendenz dieses Andere, der Faktor (Gott?) dessen, wodurch wir existieren? Ist besagte Transzendenz nicht laut Karl Jaspers die Grenzerfahrung, in der wir uns selbst suchen und in deren Erfragung wir unsere Existenz haben? Kann an der Grenze der jeweiligen Grenzsituationen nicht ein Dämon stehen? - Nach dem Strickmuster einer Abrechnung, die dem sich die bewährenden Ruhe vor dem Teufel verspricht? Existenzphilosophie stellt Karl Jaspers dar als ein Hinausgreifen über sich selbst. Wonach jedoch greift sie?
Das unerklärliche Andere reicht als Antwort nicht, da es wirkliche Gehalte der christlichen Tradition nicht erkennbar werden lässt.
c) Was sagt die eigentliche Anweisung aus?
Die Anweisung lautet, sich dem ihm Angst einflößenden Anderen unbedingt und vertrauensvoll hinzugeben, um so die vollkommene Ruhe zu erlangen.
Was geschieht, wenn man nicht den vorgeschriebenen Weg geht, sondern einen zweiten Weg wählt, nämlich den der bedingten, beschränkten Hingabe (Trotz)?
Wird man dann nie von Lebensangst frei?
Auch die Problematik der Gleichgültigkeit und Resignation bezieht diese Anthropologie nicht ein, die sich gerade als Zeichen der heutigen Zeit darstellt.
Kann man über diese Lethargie Herr werden?
Karl Jaspers Philosophie lässt die Existenz nur in Bezug auf die Transzendenz gelten, sonst nicht. Unabdingbare Voraussetzung ist also fraglos bei der Suche nach unserem Selbst, dass wir noch an uns interessiert sind. Resignation und Gleichgültigkeit hat, wie erwähnt, keinen Platz.
d) Ist der Mensch zu unbedingtem Vertrauen und entsprechender Hingabe, die letztlich nur zur Erfüllung führen, fähig?
Laut Karl Jaspers entbehrte der Mensch der Transzendenz, da er sie über sich hinausgreifend suchte.
Bringt er sie jetzt mit, besitzt sie also; war Transzendenz das Element seiner eigenen Existenz?
Karl Jaspers zeigt nicht, dass der durch das menschliche Dasein gehende Riss Kraft seiner geschichtlichen Beziehung zur Transzendenz überwunden und geschlossen wird; für ihn besteht der Riss scheinbar nicht. Von daher ist eine geschichtliche Beziehung zwischen beiden nicht möglich, schon gar nicht durch Grenzsituationen.
Der wirkliche Mensch ist weder durch naturalistische, idealistische, noch existenzialistische Interpretationen entdeckt worden.
Phänomene wurden als echte Symptome letztlich überall entdeckt, jedoch nicht die Herkunft des autonomen, menschlichen Selbstverständnisses, dass Karl Barth allein auf Gott bezieht.
Gott weiß, wer und was der Mensch ist.
Da der Mensch ein Gottesgeschöpf ist, gibt es für ihn nur den Weg mit Gott.
nicht nur ein bloßes Verhältnis, sondern ein bestimmtes Verhalten zu Gott durch die Initiative Gottes führt zum Ursprung des menschlichen Selbstverständnisses mit einer dynamischen, bewegten Aktualität.
Eine Bewegung des Verhaltens und des Seins findet sich in allen Betrachtungsweisen. Diese Bewegung muss jedoch auf ein ‚tuendes Sein‘ hinzielen, denn dann besteht die ‚Freiheit‘ des Vernehmens, Empfangens, Erfahrens, Hörens usw. durch Gott.
Die Freiheit des menschlichen Seins ist endlich ein Wechselverkehr zwischen Mensch und Gott, der des Menschen Geschichtlichkeit beinhaltet.
Der Andere muss nicht notwendigerweise Gott sein (Warum nicht der Tod, der das menschliche Dasein begrenzt?). Besagter Anderer erscheint als Gott (, jedoch nicht unbedingt gemäß christlicher Begrifflichkeit). Es besteht auch keine Aktualität in der Beziehung des Menschen zum ‚Anderen‘.
Mit Emil Brunners Werk: „Der Mensch im Widerspruch“ mit dessen Ansatz er übereinstimmt, beschließt Karl Barth den Dialog zum Thema: „Phänomene des Menschlichen".
Im Geschehnis der göttlichen Selbstbezeugung ereignet sich das wahre Selbstverständnis des Menschen. Diese Aktualität des Menschen beinhaltet die Freiheit des Menschen, sich für Gott zu entscheiden, denn der Mensch ist im Wort Gottes. Das Wort ist Erkenntnisgrund und Seinsgrund.
Sommersemester 1983
Proseminar Systematische Theologie, Prof. Cramer
„Die Ethik D. Bonhoeffers“
Thema: „Das konkrete Gebot und die göttlichen Mandate“
Inhaltsverzeichnis
Einleitung: Gottes Gebot
Hauptteil I: Die Mandate a) allgemein b) konkret
Hauptteil II: Gottes Gebot in der Kirche
a) Gottes Gebot in der Kirche
b) Zum kirchlichen Mandat
c) Verhältnisbestimmung der Mandate untereinander
d) Definition und Stellung der Gemeinde
e) Kritik Bonhoeffers am konfessionellen Verständnis der Kirche
Schluss: a) Reflexionen zu Bonhoeffers Definition des kirchlichen Mandats
b) Reflexionen zur Mandatenlehre
Literaturverzeichnis
Bonhoeffer führt das Gebot Gottes als den allein möglichen Gegenstand einer ‚christlichen Ethik‘ ein. Gottes Gebot ist jedoch mehr als die allgemeinste Zusammenfassung aller ethischen Sätze und will sich auch nicht als Unbestimmtes im Unterschied zum Bestimmten oder als Allgemeingültig-Zeitloses im Unterschied zum Geschichtlich-Zeitlichem darstellen, es ist mehr als ein Prinzip. Gottes Gebot ist nicht aus der uns begegnenden Wirklichkeit erkennbar und nicht aus einem starren System der Ordnungen, sondern Gottes Gebot existiert allein in der Christusherrschaft. Bonhoeffer: „Das Gebot Gottes ist die totale und konkrete Beanspruchung des Menschen durch den barmherzigen und heiligen Gott in Jesus Christus.“
Gottes Gebot ist also konkrete Rede zum konkreten Menschen und kann nur gebunden an Ort und Zeit erfahren werden, das als Wirklichkeit ‚in der Weltwirklichkeit des Menschen zur Verwirklichung drängt‘ und es wächst nicht, so Bonhoeffer, aus der geschaffenen Welt heraus, wie es die Schöpfungsordnungstheologie formuliert.
Fazit: Kriege, Klassengegensätze und anderes sind nichts ‚Gottgeschaffenes‘. In der Lehre von den Mandaten will Bonhoeffer die Integration der ‚Ordnungen‘ in der Christusherrschaft aufzeigen (8.Schriften Bd.1. S.→).
Die Mandate
Bonhoeffers Mandatenlehre ist eine Ordnungstheologie. An seinem Versuch, dynamisch Weltgestaltung aus dem Glauben zu ermöglichen und die Aporien der Ordnungsethik zu überwinden, sind die theologischen Schwierigkeiten der Fundamentierung des Ethos in göttlicher Ordnung gut sichtbar.
Bis 1933 dachte Bonhoeffer über Ethik wie Künneth unter der Kategorie der Erhaltungsordnung nach. Sehr früh war er sich der Rede der Erhaltungsordnung bewusst. Er sagt, das sei eine gefährliche und trügerische Basis. „Man braucht ein Daseiendes nur als Gottgewolltes, Gottgeschaffenes auszugeben, und jedes Daseiende ist für die Ewigkeit gerechtfertigt: die Zerrissenheit der Menschheit in Völker, nationaler Kampf, der Krieg, die Klassengegensätze, die Ausbeutung der Schwachen durch die Starken, die wirtschaftliche Konkurrenz auf Leben und Tod. Nichts einfacher als dies alles - weil da seiend - auch als gottgewollt auszugeben und zu sanktionieren“ (9. Schriften Bd.1 S.→).
Ab 1933 wendete sich Bonhoeffer von der Erhaltungsordnung ab und behandelte die Grundfragen der individual- und Sozialethik unter der Kategorie ‚Göttliche Mandate‘.
Herkunftsmäßig ist die Rede von den Mandaten Luthers Lehre von den „drey ertzgewalten“: ordo oeconomicus, ordo politicus und ordo ecclesiasticus. Formal ergeben sich Bonhoeffers ordo politicus, dem ordo ecclesiasticus und der Zweiteilung des ordo oeconomicus in den Bereich der Familie und der Arbeit.
Wenn wir Bonhoeffers Ethik nach seiner Mandatenlehre befragten, so dürfen wir nicht vergessen, dass die vorliegende Ethik kein einheitlicher Entwurf ist. Alles, was Bonhoeffer zu den Mandaten geschrieben hat, sind eigentlich Vorarbeiten zu einer Mandatsethik. Drei Entwürfe finden wir in der Ethik (1. S.220-226; 2. S.303-319; 3. S.348-352).
Diese drei Entwürfe haben verschiedene Akzentsetzungen. Da aber die Grundgedanken gleich sind, dürfen wir Bonhoeffers Mandatenleh-re als ein Zusammengehöriges denken.
1. Ansatz: „Unter Mandat verstehen wir den konkreten in der Christusoffenbarung begründeten und durch die Schrift bezeugten Auftrag, die Ermächtigung und Legitimation zur Ausrichtung eines restitutiven göttlichen Gebots, die Verleihung göttlicher Autorität an eine irdische Instanz.“ (Ethik, S.304)
Alle Mandate haben Gestalt und Ziel in Jesus Christus: „Durch das Mandat der Arbeit soll eine Welt entstehen, die (…) für Christus offen ist.“ (Ethik, S.→) und „es werden in der Ehe Menschen geschaffen zum Dienst Jesu Christi“ (Ethik, S.→) und durch die „Schwertgewalt bewahrt die Obrigkeit die Welt für die Wirklichkeit Jesu Christi“. (Ethik S.→) Das Mandat Kirche dient der „Wirklichkeit Jesu Christi in Verkündigung, kirchlicher Ordnung und dem christlichen Leben“ und „um das ewige Heil der ganzen Welt.“ (Ethik, S.→)
2. Ansatz (1942/43): Noch ein weiteres Mandat wird genannt, nämlich das der Kultur (Es wird dem Mandat der Familie / Ehe zugeordnet). Hierbei wird nicht direkt aus der Bibel abgeleitet, sondern aus dem Zusammenhang Gottes Gebot und Welt: das Gebot Gottes als dynamisch aktuelle, auf Konkretion drängende, Gehorsam fordernde Bestimmung des Menschen, die sich nie in zeitlosen Konstanten aussagen lässt. (Ethik, S.351)
3. Ansatz (1940/41): Hier werden die Menschen in folgender Reihenfolge genannt: Ehe und Familie, Arbeit, Obrigkeit und Kirche. „Diese Mandate sind begründet um Christi Willen und auf Christus hin. (Ethik, S.350)
Durch die göttlichen Mandate will Bonhoeffer das Denken in zwei Räumen überwinden: den Dualismus von Natürlichem und Übernatürlichem. Dies Mandat belegt Bonhoeffer biblisch: Gott ließ dem Grundmandat der Arbeit (ab Gen.1) das der Familie, bzw. das der Ehe folgen und dann - ohne dieses erste Mandatenpaar zu relativieren – setzte er nacheinander Staat (Obrigkeit) und Kirche ein. Diese Mandate bleiben bis an das Ende der Welt bestehen.
In jedem Mandat wird die gleiche Struktur deutlich: Es ist von oben aus der Sphäre göttlichen Gebietens nach unten, in die Sphäre göttlichen Handelns gegeben, ist dieses Mandat durch die unendliche Größe göttlicher Autorität abgesichert, kann es keine Rangfolge in der Wichtigkeit der einzelnen Mandate geben. Jedoch sind gewisse Unterschiede vorhanden: Arbeit und Ehe sind kreative Mandate der Welt, auf denen sich alles aufbauen muss. Sie sind Voraussetzung für das erhaltende Mandat der Obrigkeit und das alle drei Mandate tangierende und ihre Beziehung zu Gott verdeutlichende Mandat der Kirche.
Gottes Gebot in der Kirche
Gottes Gebot öffentlich dargelegt in der Predigt und verborgen gehandhabt in der Beichte als Bestandteil der Kirchenzucht gehören für Bonhoeffer notwendig zusammen und sind gleichrangig.
Der unterschiedlichen Handhabung in der christlichen Konfession steht Bonhoeffer kritisch gegenüber:
1. Ohne Beichte ist Gottes Gebot (- in der Predigt allein -) nur eine Verkündigung allgemeiner sittlicher Prinzipien, aber kein konkreter Anspruch.
Die ev. Kirche findet erst mit der Beichte zu einer konkreten Ethik.
2. Tritt die Predigt hinter der Beichte zurück, befürchtet Bonhoeffer, dass die Freiheit des Glaubens beeinflusst wird und zudem, dass durch Absolutsetzung des kirchlichen Mandats die anderen göttlichen Mandate beeinflusst werden und damit ein ‚freies Miteinander‘ der Mandate verloren geht.
Die katholische Kirche „vergesetztlicht und pädagogisiert“ das göttliche Gebot durch die Konzentration der Ausbildung der Priester auf die Beichte; Bonhoeffer erachtet eine stärkere Entwicklung des christlichen Predigtamtes als notwendig.
„Gemeinsam ist den beiden Gestalten des göttlichen Gebotes in der Kirche, dass sie Verkündigung göttlicher Offenbarung sind.“ (Ethik, S. 310/227)
Zum kirchlichen Mandat
Das kirchliche Mandat ist das Mandat der Verkündigung des göttlichen Wortes. Die Kirche definiert Bonhoeffer als Ort der Verkündigung, an dem Gott selbst zu Wort kommt (Bonhoeffer: „In Jesus ist das göttliche Wort zur Erde gekommen und in der Gestalt der menschlichen Rede wiederkommen will“).
Das göttliche Wort ist ein himmlisches Wort aus Befehl und Einsetzung Jesu, das ein klares Gegenüber von oben und unten setzt.
Oben: Amt der Verkündigung;
Anstelle Jesu und Gott steht der Prediger mit der Verkündigung Unten: hörende Gemeinde
Den Prediger versteht Bonhoeffer als Exponent Gottes gegenüber der Gemeinde, der ermächtigt ist zur Lehre, Ermahnung, Tröstung, Sündenvergebung und auch zum Behalten der Sünde; er ist zugleich als Hirte der Gemeinde mit ihr, eingesetzt in der Gemeinde, nicht durch sie, da er die Legitimation durch den Willen Jesu Christi erhält.
So ordnet er auch die Heilige Schrift dem Prediger zu, der Gemeinde das Predigtbuch und Gebetbuch – Bonhoeffer versteht hierunter kein Bibelverbot als angemessenen Ausdruck des göttlichen Gegenübers von Gemeinde und Amt, denn hierin zeigt sich die Offenbarung Gottes (Ethik, S.312/229).
Die Verkündigung vom Wort Gottes soll die Gemeinde wecken, die Gemeinde wiederum soll das Predigtamt ehren und nicht versuchen, es in Abhängigkeit zu bringen, denn das Obensein des Predigtamtes wird durch das Untensein der Gemeinde bezeugt – ‚falsches Obenseinwollen der Gemeinde unterbindet und weist auf die göttliche Ordnung‘ (Ethik, S.311/228).
Bonhoeffer gesteht der Gemeinde entsprechend keine Prüfung der Predigt zu (nur „durch kirchenregimentliche Visitation“). Lediglich im Grenzfall ist die Notwendigkeit des Widerspruchs gegen die Predigt aufgrund der Heiligen Schrift vorhanden.
Verhältnisbestimmung der Mandate untereinander (Kirche – Obrigkeit, Arbeit, Ehe)
Die Kirche hat nur ein Wort (Christusverkündigung), das an Christen und Heiden gleichermaßen gerichtet ist.
Die Kirche hat nur ein Gebot – nicht eines für die Welt, ein zweites für die Christen -, das durch Jesus offenbarte, welches sie aller Welt verkündet, indem sie Jesus als Herrn und Heiland seiner Gemeinde und aller Welt bezeugt und damit in seine Gemeinde ruft (Ethik, S.311/228).
Jesus Christus, der ewige Sohn beim Vater in Ewigkeit
Nichts Geschaffenes kann ohne Christus als Mittler der Schöpfung gedacht oder in seinen Wesen begriffen werden.
Durch ihn und zu ihm ist alles geschaffen und alles hat seine Existenz nur in ihm, sonst ist Gottes Wille nicht erkennbar.
‚Jesus Christus – menschgewordener Gott‘ bedeutet:
Gott hat jedes menschliche Wesen leibhaftig angenommen. Jesus als Mensch ist dazu befreit, vor Gott wirklich Mensch zu sein. Als Mensch vor Gott zu leben heißt also: ‚für Gott und andere Menschen da sein‘ (Ethik, S.312/229).
Jesus Christus, der gekreuzigte Versöhner (Theologie des Kreuzes)
Durch die Verwerfung Jesu ist die Welt gottlos geworden. Die Wirklichkeit, die durch das Kreuz Christi gekennzeichnet ist, erfährt das Kreuz Christi als Kreuz der Versöhnung, das den Menschen befreit zum Leben vor Gott in einer gottlosen Welt, zum Leben in echter Weltlichkeit und zum Vernehmen der Verkündigung vom Kreuz der Versöhnung.
Versucht das Weltliche neben der Christusverkündigung sein eigenes Gesetz aufzurichten, kommt es zur Vergöttlichung des Weltlichen, das Weltliche setzt sich an Gottes statt; es fehlt die Freiheit und der Mut zu echter (wahrer – s. M. Ederle) Weltlichkeit, d.h. die Welt zu lassen, wie sie vor Gott in Wirklichkeit ist, nämlich eine in ihrer Gottlosigkeit mit Gott versöhnte Welt. Die echte Weltlichkeit ist nur aufgrund der Verkündigung des Kreuzes Jesu Christi.
Jesus Christus, der auferstandene und erhöhte Herr
Jesus Christus hat die Sünde und den Tod überwunden, alle Macht im Himmel und auf Erden ist ihm gegeben. Seine Herrschaft ist keine Fremdherrschaft, sondern die des Schöpfers, Versöhners, Erlösers, Ziel, Ursprung und Wesens allen Geschaffenen.
Jesus Christus zwingt niemanden fremde Gesetze auf, duldet aber keine von seinen Geboten abgelöste ‚Eigengesetzlichkeit‘ des Geschaffenen. Jesus Christus (sein Gebot) befreit das Geschaffene zur Erfüllung des ihm eigenen (- in Jesus innewohnenden) Gesetzes.
Das Gebot Jesu begründet keine Herrschaft der Kirche über andere Mandatsträger, sondern die Herrschaft Jesu über alle Mandanten beinhaltet die Befreiung derer zur Wahrnehmung der ihnen zukommenden Funktionen. Diese Befreiung ermöglicht das „Mit,- Für-, Gegeneinander der göttlichen Mandate“.
Die Herrschaft des Gebotes Gottes bedeutet jedoch nicht die Herrschaft der Kirche, denn deren Mandat ist die Verkündigung der Gotteserfahrung in Jesus Christus.
Die Kirche kann auch die Obrigkeit nicht zur Bekennung Jesu zwingen, da es nicht dem Mandat der Obrigkeit entspricht – so Bonhoeffer.
Definition und Stellung der Gemeinde