Glück kann man nicht kaufen - Andrew Grey - E-Book

Glück kann man nicht kaufen E-Book

Andrew Grey

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Beschreibung

Brian Paulson und Cade McAllister kommen aus völlig unterschiedlichen Welten: Für Brian ist Geld das Wichtigste und dank einer wohlhabenden Familie hatte er auch schon immer genug davon; Cade musste zwei Jobs annehmen, um sich, seine Mutter und seinen geistig beeinträchtigten Bruder über Wasser zu halten. Als Cade im Park überfallen wird, schreitet Brian ein, um ihm zu helfen. Doch Cade kann sich revanchieren, als Brians Großvater stirbt, seine Konten eingefroren werden und er plötzlich keine Bleibe mehr hat. In ihrer ungewöhnlichen WG kommen sich die beiden Männer trotz ihrer Unterschiede langsam näher, aber eine Klausel im Testament von Brians Großvater droht, alles zu zerstören…

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Seitenzahl: 309

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Deutsche Erstausgabe (ePub) März 2019

Für die Originalausgabe:

© 2016 by Andrew Grey

Titel der amerikanischen Originalausgabe:

»Chasing the Dream«

Originalverlag:

Published by Arrangement with Dreamspinner Press LLC, 5032 Capital Circle SW, Ste 2, PMB# 279, Tallahassee, FL 32305-7886 USA

Für die deutschsprachige Ausgabe:

© 2019 by Cursed Verlag

Inh. Julia Schwenk

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung,

des öffentlichen Vortrags, sowie der Übertragung

durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile,

Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit

Genehmigung des Verlages.

Bildrechte Umschlagillustration

vermittelt durch Shutterstock LLC; iStock

Satz & Layout: Cursed Verlag

Covergestaltung: Hannelore Nistor

Lektorat: Susanne Scholze

ISBN-13: 978-3-95823-749-0

Besuchen Sie uns im Internet:

www.cursed-verlag.de

Aus dem Englischen von Charlotte Roiß

Liebe Leserin, lieber Leser,

vielen Dank, dass Sie dieses eBook gekauft haben! Damit unterstützen Sie vor allem den Autor des Buches und zeigen Ihre Wertschätzung gegenüber seiner Arbeit. Außerdem schaffen Sie dadurch die Grundlage für viele weitere Romane des Autors und aus unserem Verlag, mit denen wir Sie auch in Zukunft erfreuen möchten.

Vielen Dank!

Ihr Cursed-Team

Klappentext:

Brian Paulson und Cade McAllister kommen aus völlig unterschiedlichen Welten: Für Brian ist Geld das Wichtigste und dank einer wohlhabenden Familie hatte er auch schon immer genug davon; Cade musste zwei Jobs annehmen, um sich, seine Mutter und seinen geistig beeinträchtigten Bruder über Wasser zu halten. Als Cade im Park überfallen wird, schreitet Brian ein, um ihm zu helfen. Doch Cade kann sich revanchieren, als Brians Großvater stirbt, seine Konten eingefroren werden und er plötzlich keine Bleibe mehr hat. In ihrer ungewöhnlichen WG kommen sich die beiden Männer trotz ihrer Unterschiede langsam näher, aber eine Klausel im Testament von Brians Großvater droht, alles zu zerstören…

Mit herzlichem Dank an:

BA und Julia.

Ihr seid großartige Freundinnen und wunderbare Frauen.

Ich liebe euch beide!

Kapitel 1

Brian Paulson stand umringt von Menschen, die er kannte, in seinem Wohnzimmer, und hielt ein Martiniglas, das einer seiner Freunde auffüllte, als er sich durch die Menge bewegte. Sie hatten vor Kurzem aufgehört, Drinks zu mixen, also bekam Brian diesmal nur einen Spritzer Gin, der seine Oliven wieder einweichte. Nicht, dass es irgendetwas ausmachte. Er war im wahrsten Sinne des Wortes obenauf. Seine Eigentumswohnung nahe der Spitze des Cudahy Towers war eine der prestigeträchtigsten Adressen der Stadt ‒ er war von der Crème de la Crème der jungen Leute in Milwaukee umgeben und stand im Mittelpunk der Aufmerksamkeit. »Esst, trinkt, habt Spaß!«, sagte er zu niemand Bestimmtem. Das war sein Motto. Tja, fast. Er lebte sein Leben nach der Devise, dass wenn das Leben ein Bankett wäre, er das größte, beste und beliebteste haben würde.Esst, trinkt, fickt, habt Spaß und macht euch keinerlei Sorgen war also vermutlich korrekter.

Ein Jubeln ertönte von den versammelten Leuten und der Mann, der mit Peter Gervais gekommen war, schlang einen Arm um Brians Hals und zog ihn in einen tiefen Kuss, der ihn beinahe die Zehen krümmen ließ. »Lass uns irgendwohin gehen und ein wenig von dem Spaß haben, für den du so berühmt bist«, versuchte er zu sagen, aber der Kerl war so betrunken, dass er die Worte nur lallte. Davon abgesehen kannte Brian nicht einmal den Namen des Mannes. Er war heiß genug, um Brians Standards zu entsprechen, aber er bezweifelte, dass der Typ in seinem angetrunkenen Zustand für mehr als zwei Sekunden einen hochbekommen würde.

»Was hältst du davon, dass wir dir noch einen Drink besorgen?«, bot Brian an.

»Petey«, rief der beschwipste Kerl, als Peter vorbeiging. Er löste sich von Brian und hängte sich an Peter, den er feucht küsste.

»Wenn ihr zwei es miteinander treiben wollt, geht runter in deine eigene Wohnung«, sagte Brian zu Peter, der ohne sich von dem Kerl loszumachen knurrte und sich zur Tür aufmachte.

»Brian«, sagte Simone Lavender, als sie an seine Seite trat. »Ich weiß, dass du schwul bist, Honey, aber ich habe mit Giles da drüben gesprochen und er hat gesagt, dass du mit deiner Ausstattung umgehen kannst, also habe ich mich gefragt, ob du einen Abstecher ins Abenteuer machen möchtest, damit du siehst, was du verpasst.« Normalerweise hatte sie eine Stimme, die weich wie Seide war und ihr fehlte es nie an Gesellschaft. Wenn Simone aber trank, klang sie heiserer als ein Fernfahrer nach einer Woche auf der Straße. Sie hatte auch Manieren wie einer, die sie zeigte, indem sie ihn begrapschte und kicherte. »Verdammt, Honey.«

Brian entfernte ihre Hand und brachte sie dazu, sich auf das Sofa zu setzen. Er reichte ihr sein Glas und suchte nach etwas anderem.

»Danke für den Abend«, sagten Dennis und Richie, als sie sich gegenseitig halb aufrecht hielten.

Dennis war Besitzer einer Kunstgalerie und Richie hatte drei Autohäuser von seinem Vater geerbt. Brian winkte, als jemand die Musik lauter drehte und begann, seine Hüften zu wiegen und sich vom Rhythmus leiten zu lassen.

Gott, er liebte es, Spaß zu haben, und es hielt an, selbst als es später und die Party ruhiger wurde. Leute verabschiedeten sich und die Gruppe wurde kleiner.

»Hey, Brian, da ist ein Typ am Telefon, der sagt, er sei dein Onkel«, rief Ryan aus dem Barbereich. Er torkelte hinüber und drückte Brian sein Handy in die Hand.

»Brian«, blaffte sein Onkel. »Ich höre, du benimmst dich wie üblich.« Seine Stimme triefte vor Verachtung, der Heuchler.

»Wie geht's der Geliebten, Onkel Harry?«, fragte Brian und schlug sich dann die Hand vor den Mund. »Ich schätze, darüber hätte ich nichts sagen sollen, oder?« Er lachte böse. »Oder ist es okay, solange Tante Jean nicht dabei ist?«

»Brian«, blaffte er wieder.

Mann, er liebte es, das Arschloch auf die Palme zu bringen – nur ein Teil des Spaßes mit seiner abgefuckten Familie.

»Dein Großvater ist heute Nachmittag verstorben.«

Onkel Harry gab sich ganz geschäftsmäßig und eine Sekunde lang vertrieb der Stich, der durch Brians Herz und Bauch fuhr, die Musik und die Menschen im Zimmer und alles war still.

»Hast du mich gehört?«

»Ja, hab ich.« Langsam kehrten die Geräusche um ihn herum zurück und der kurzzeitige Schock des Verlustes verschwand. Wie konnte er etwas verlieren, was er verdammt noch mal ohnehin nie besessen hatte? »Was soll ich deswegen tun?«

»Die Beerdigung ist vermutlich in ein paar Tagen, also zeig dich um Gottes willen und sei nüchtern. Du musst den Rest der Familie nicht blamieren.«

»Himmel, das können wir nicht zulassen«, fügte er höhnisch hinzu.

»Auf Wiederhören, Brian, und geh dich ausnüchtern.« Sein Onkel legte auf.

Brian legte das Handy auf den Tisch neben sich. Er sah sich im Raum um, der eine Sekunde lang schwankte und sich dann stabilisierte. Auf einmal fühlte er sich nüchtern, was das absolut Letzte auf der Welt war, was er in diesem Moment wollte. Brian ging hinter den Barbereich, öffnete den Schrank und griff nach dem Tequila, der am nächsten stand, einer edlen, dreieckigen Flasche. Er zog den Korken heraus, kippte die Flasche und trank den starken Alkohol in großen Schlucken. Verdammt, so war es besser.

»Was ist passiert?«, fragte jemand hinter ihm.

Brian machte sich nicht die Mühe zu antworten. Stattdessen ging er zur Mitte des Raumes zurück, sprang aufs Sofa und stellte sich auf die Kissen.

»Lasst uns einen Toast aussprechen.« Brian blickte in die Flasche und versuchte ein paar Sekunden lang nachzudenken. Natürlich befand er sich im Moment weit jenseits davon, also kam nicht viel dabei heraus. »Auf meinen Großvater, Marvin Paulson, den Mann hinter dem Geld, das alles bezahlt. Nie anwesend und distanziert wie du warst, bist du zumindest die ewige Stimmungskanone.« Er war drauf und dran zu trinken, hielt aber inne. »Warte, du kannst keine Stimmungskanone mehr sein, weil du tot bist. Also ruhe in Frieden und lass mir meinen.« Brian trank wieder. Er achtete nicht darauf und kümmerte sich nicht darum, ob es sonst noch jemand tat. Er wollte alles vergessen und der schnellste Weg, das zu tun, führte durch den Boden der Flasche, die er in der Hand hielt. Er sank auf das Sofa hinab und bekam es kaum mit, als die letzten seiner Gäste gingen.

Brians Mund war trocken und schmeckte wie Dreck. Er öffnete seine Augen einen Spaltbreit und versuchte, sich zu bewegen. Verdammt, sein Rücken schmerzte und sein Bein fühlte sich merkwürdig an. Er brauchte einen Moment, bis ihm bewusst wurde, dass er auf seinem Sofa lag, den Kopf in einem Kissen vergraben und das Bein oben in den Polstern verdreht. Langsam befreite er sich und versuchte aufzustehen, wobei er sich sofort wünschte, sich nie bewegt zu haben.

»Sorry, Mr. Brian, habe ich Sie aufgeweckt? Ich versuche, es nicht zu tun.«

»Ist okay, Maria.« Er stöhnte und setzte sich auf, wobei er sich den schmerzenden Kopf hielt. Die Augen ließ er geschlossen.

»Sie brauchen das hier«, sagte sie und Brian öffnete seine Augen gerade weit genug, um die Flasche Wasser zu erkennen, die sie ihm hinhielt. Wie himmlisches Manna öffnete er sie und trank die Hälfte. Seine Kehle brannte einen Moment lang, bevor das Feuer gelöscht war.

Der größte Teil des Chaos von der Party war beseitigt und in große schwarze Tüten verpackt worden, die bei der Tür standen. Der Staubsauger war herausgeholt, aber zur Seite gestellt worden, vorerst noch nicht benutzt. Brian glaubte nicht, dass er das Geräusch ertragen könnte, ohne sich zu übergeben und war dankbar, dass Maria leise gewesen war. Er schaffte es aufzustehen und schlurfte zu seinem Schlafzimmer, welches sauber war. Sogar das Bett war gemacht. Er ließ sich darauf fallen, schloss die Augen und ließ seinem Kater freien Lauf.

Er erinnerte sich nicht daran, die Tür geschlossen zu haben, aber Maria musste es getan haben. Dann drang das gedämpfte Summen des Staubsaugers an seine Augen. Er nahm ein Kissen vom Bett, zog es über seinen Kopf und wartete darauf, dass das Geräusch endete.

»Mr. Brian«, hörte er ein paar Minuten später, als es verstummt war.

»Ja?«

»Ich bin fertig«, sagte Maria leise. »Ich bringe Müll raus.«

»Danke.« Er griff nach dem Wasser und trank den Rest. Zumindest fühlte er sich dadurch besser. Langsam stand er vom Bett auf und ging ins Bad, wo er ein paar Schmerztabletten nahm und sein mitgenommenes Gesicht im Spiegel anstarrte. Er musste sich waschen und präsentabel machen, aber zuerst brauchte er mehr Wasser. Er trank ein Glas und machte sich frisch, bevor er den Raum verließ.

»Das mit Ihrem Großvater tut mir leid«, sagte Maria im Gehen von der Wohnungstür.

Er war nicht sicher, was er sagen sollte. Brian verkniff sich den spitzen Kommentar über die Beziehung zu seiner Verwandtschaft, der ihm auf der Zunge lag. Stattdessen bedankte er sich einfach bei der Latina mittleren Alters und hörte, wie die Tür hinter ihr zufiel. Gott sei für sie gedankt. Die Wohnung war geputzt und wieder in ihren Normalzustand versetzt worden. Er ließ sich wieder auf den geradegerückten und aufgeschüttelten Polstern und Kissen des Sofas nieder, das sein Raumausstatter für ihn ausgesucht hatte.

Bis zu diesem Moment hatte der Alkohol seine Arbeit getan und er hatte sich nicht erinnern können, aber jetzt holte ihn der Tod seines Großvaters wieder ein. Mehr als alles andere wollte er einen weiteren Drink, aber das war keine gute Idee. Also suchte er stattdessen nach seinem Handy. Er fand es und bemerkte eine Reihe verpasster Anrufe und Nachrichten. Sie schienen alle das gleiche Thema zu haben, eine Art Familientreffen, das sein Onkel um vier Uhr am heutigen Tag veranstalten wollte. Brian entschied sich, in den sauren Apfel zu beißen und seinen Vater tatsächlich zurückzurufen.

»Also lebst du doch«, sagte sein Vater, als er ans Telefon ging. »Ich habe mich schon gefragt, ob die Party, die du geschmissen hast, als dein Onkel angerufen hat, die ganze Nacht dauern würde.«

Er und sein Vater waren nicht oft einer Meinung, besonders nicht, was Candy, die dritte Frau seines Vaters, betraf, die ein oder zwei Jahre älter war als Brian. Und Brian dachte, dass es allgemein bekannt war, dass er schwul war. Er hatte schon eine ganze Weile kein Geheimnis mehr daraus gemacht. Was für einer Familie gehörte er da nur an.

»Ich dachte, ich ruf dich an, um rauszufinden, worum es bei diesem Familientreffen geht.«

»Die Beerdigung natürlich. Es wird erwartet, dass jemand so Wichtigem wie Marv ein würdiger Abschied bereitet wird, und die Familie möchte dafür sorgen, dass alle damit einverstanden sind.«

»Ja, einverstanden mit dem, was Onkel Heuchler tun will.«

»Dein Onkel Harry ist jetzt das Familienoberhaupt. Zumindest sieht er das so und ich bezweifle, dass du in naher Zukunft in der Lage sein wirst, ihm diese Ehre streitig zu machen.«

»Warum kümmert es dich? Seit Mum gestorben ist, bist du den ganzen Mist los und mit dem was du von ihr geerbt hast, bist du offenbar ein ziemlich guter Fang.«

»Ich habe deine Mutter geliebt«, sagte sein Vater und Brian hielt ein paar Sekunden lang inne, als er zum ersten Mal seit Langem echte Gefühle bei seinem Vater hörte. »Sie und ich waren glücklich zusammen, und wir hatten dich.«

»Was ist dann passiert, Dad?«, fragte Brian. »Du hast wieder geheiratet und ich bin weggeschickt worden, weil Debbie, die liebe Ehefrau Nummer zwei, keine Kinder wollte.« Es machte ihm immer noch zu schaffen, dass sein Vater seine Tussi von einer Ehefrau lieber in seinem Leben gewollt hatte als ihn.

»Du hast die bestmögliche Ausbildung erhalten. Das war, was wichtig war«, protestierte sein Vater. »Darüber müssen wir nicht wieder diskutieren. Dinge sind getan und Entscheidungen gefällt worden, über die wir beide nicht glücklich sind, aber so ist es eben. Ich werde zu dem Treffen gehen, um zu sehen, was geplant wird, und du kannst gerne bei mir mitfahren, wenn du möchtest.«

»Nein. Ich komme selbst hin. Wir sehen uns bei Onkel Harry.« Er legte auf und warf sein Handy in die Kissen. Dann sah er auf die Uhr. Es war fast zwei Uhr nachmittags. Zumindest wurde sein Kopf klarer. Er hatte Zeit, sich zu duschen, umzuziehen und etwas Leichtes zu essen, bevor er aufkreuzte. Wenn er Glück hatte, würde sein Onkel Häppchen servieren. Das wäre vielleicht ein bisschen viel, aber nach der Beerdigung erwartete Brian absolut, dass sein Onkel den Champagner köpfen würde. Schließlich war es wahrscheinlich, dass er all das Geld und die Macht erhalten hatte, die er sich so viele Jahre lang ersehnt hatte. Nicht, dass Brian das ein verdammtes bisschen interessierte. Solange sie sich zur Hölle noch mal aus seinem Leben heraushielten, wäre er glücklich und könnte so weitermachen wie bisher.

Brian ging ins Bad, zog sich aus und duschte. Jetzt wünschte er sich, dass er gestern nicht so betrunken gewesen wäre, dass er niemanden gebeten hatte dazubleiben. Dann hätte er die Anspannung, die so nah an der Oberfläche lag, mit hartem, intensivem Ficken lösen können. Das hatte er nun davon, dass er beschlossen hatte, seinen Schmerz im Alkohol zu ertränken. In Zukunft musste er vorausschauender sein, zumindest wenn es um einen guten Fick ging. Als er sich geduscht hatte, trocknete er sich ab und zog eine Boxershorts an. Dann öffnete er seinen großen Kleiderschrank und ging hinein, um zu entscheiden, was er anziehen würde.

Er hatte eine Myriade Auswahlmöglichkeiten von jedem bekannten Designer. Seine Shoppingtrips nach New York waren legendär. Er drehte eine schnelle Runde, entschied sich für eine fast schwarze Armani-Jeans und grinste, als er das scharlachrote Seidenhemd von Prada sah, das er letzten Monat gekauft hatte. Wenn sie dachten, dass er sich genauso künstlich trist geben und so mürrisch verhalten würde, wie es die anderen sicher tun würden, konnten sie ihn schön gernhaben.

Brian zog das Hemd vom Bügel und hielt den luxuriösen Stoff in seinen Händen. Seine Großmutter hätte ihn für diesen letzten Gedanken getadelt. Ohne darüber nachzudenken, hängte Brian das Hemd wieder auf und entschied sich für die hellblaue Version. Seine Großmutter hatte ihm immer gesagt, dass diese Farbe ihm am besten stand. »Das betont deine Augen, Liebling«, hatte sie einmal behauptet, als sie miteinander einkaufen gewesen waren. Und er hatte es im Kopf behalten wie so viele andere Dinge, die sie zu ihm gesagt hatte.

Seine Großmutter war weniger als ein Jahr nach seiner Mutter gestorben, die in Westafrika gearbeitet hatte, um dort Dorfbewohnern zu helfen. Verdammt, es schien, als hätte jeder etwas oder jemanden, das oder der ihm wichtiger war als er. Bei seinem Großvater war es das Geschäft oder all die Wohltätigkeitsorganisationen und Stiftungen gewesen, mit denen er bis zu seinem Tod gearbeitet hatte. Bei seiner Mutter waren es Kinder auf der anderen Seite der Welt. Bei seinem Vater... Die Dinge hatten einmal besser gestanden, aber dann war es ihm wichtiger geworden, Frauen hinterherzujagen. Nur seine Großmutter war immer da gewesen, und innerhalb eines Jahres hatte er sie und seine Mutter verloren.

Brian schüttelte diesen Mist ab und zog das Hemd an. Dann wählte er einen Gürtel aus feinem Leder aus. Er betrachtete sich im Spiegel, bevor er seine Füße in ein Paar italienische Slipper schob. Nach einem letzten Blick ging er zurück in die Küche, holte den Mixer hervor und mischte einen Proteinshake, den er hinunterstürzte und dabei froh war, dass sein Magen nicht rebellierte. Dann machte er sich fertig zum Gehen.

Er schnappte sich eine Lederjacke, die mehr gekostet hatte als die Hypothekenraten der meisten Leute, streifte sie sich über, verließ die Eigentumswohnung und fuhr mit dem privaten Aufzug für das obere Stockwerk in die Tiefgarage hinab. Dort stieg er in seinen Porsche. Mit offenem Verdeck fuhr er am Lake Drive entlang, wobei er für die Jacke dankbar war, da er die frische Seeluft atmen wollte. Schließlich fuhr er vor der riesigen Villa im Tudor-Stil vor und bog in die Einfahrt ein, wo er hinter einer Reihe teurer Autos parkte, die wohl einen Teil der Schulden eines kleinen Landes begleichen könnten.

Als er aus dem Wagen stieg, blickte er zur Villa hoch und fragte sich, warum zur Hölle alles an seiner Familie so künstlich war, wie sie es waren. Nichts war von Dauer und Häuser, Autos und Menschen wirkten alle vergänglich. Als er die Autotür geschlossen hatte, zog er seine Jacke etwas enger und schritt zur Tür. Sie öffnete sich, als er näher kam.

»Sie sind im Wohnzimmer«, sagte Mrs. Carson ohne zu lächeln. »Mein Beileid, Mr. Brian.«

»Danke«, antwortete er automatisch. Sie war die Einzige, die ihm leidtat. Mrs. Carson hatte jahrelang für seine Großeltern gearbeitet und jetzt musste die beinahe Sechzigjährige offenbar für seinen Onkel arbeiten. Er lächelte sie an und erinnerte sich, wie sie immer Kekse und Milch für ihn bereitgehabt hatte, wenn er seine Großeltern besucht hatte und nie ein einziges Weihnachten vergessen hatte, bis er aufs College gegangen war. Jedes Jahr hatte sie ihm immer ein kleines Geschenk in die Hand gedrückt und dann ihren Finger an die Lippen gelegt, damit er niemandem davon erzählte. Sie waren nie teuer gewesen, aber sie waren immer von Herzen gekommen. Zu schade, dass er keins mehr hatte.

»Tja, Brian ist da, zu spät wie immer, also können wir wohl anfangen«, sagte sein Onkel, der ein Glas mit etwas Klarem, vermutlich Gin, und ein paar Eiswürfeln in der Hand hielt. »Dads Beerdigung wird am Freitag stattfinden und es scheint, er hat sie selbst geplant. Zumindest hat das sein Anwalt vor ein paar Stunden gesagt. Es handelt sich offenbar um einen einfachen Gottesdienst und die Beisetzung neben Mom.«

Brian setzte sich so weit wie möglich von seinem Onkel entfernt auf einen freien Stuhl, und verbrachte die meiste Zeit damit, aus dem Fenster zu sehen.

»Mir wurde auch gesagt, dass das Testament am Samstag verlesen wird.«

»Das war's dann wohl mit deinem Golfspiel«, sagte Brian gerade laut genug, damit alle es hören konnten. »Wie schade. Zumindest bleibt der Rasen dann einen Tag vor deinen Löchern verschont.«

Sein Onkel ignorierte ihn, aber Brian sah, wie sich seine Hand anspannte und hoffte, dass das verdammte Glas zerbrach.

»Wir wurden gebeten, um zehn dort zu sein. Pünktlich.«

Sein Onkel starrte ihn wütend an und Brian drehte sich weg, um durch das Fenster wieder das glitzernde Wasser des Lake Michigan zu betrachten. Er liebte den Ausblick. Natürlich war das vermutlich der Grund, warum sein Onkel das Anwesen gekauft hatte. Wenn man in eine Richtung blickte, konnte man am Ufer entlang nach Norden sehen und in der anderen bis nach Downtown. Aufgrund der Form des Geländes war es ein einzigartiger Aussichtspunkt.

»Gibt es Fragen?«, erkundigte sich sein Onkel lauter als nötig. »Ich erwarte, dass die Presse vor Ort sein wird, also zieht euch um Himmels willen angemessen an.«

Er wusste, dass das an ihn gerichtet war, aber Brian reagierte nicht darauf. »Ist dieses kleine Treffen vorbei?«, fragte er.

»Du könntest etwas respektvoller sein«, flüsterte seine Tante Jeanette neben ihm. »Das ist dein Großvater, von dem du dich verabschiedest.«

Sie stellte sich gerne als Vermittlerin von Anstand und Manieren dar, selbst als ein Mann mit völlig ausdrucksloser Miene neben ihr saß, der halb so alt war wie sie. Er wünschte sich vermutlich nichts mehr, als jetzt im Fitnessstudio Gewichte zu stemmen oder so etwas. Zumindest ließ die Art, wie er sich im Spiegel am anderen Ende des Raumes musterte, das vermuten.

»Und du könntest dich deinem Alter angemessen verhalten«, flüsterte er zurück. »Aber andererseits hast du wahrscheinlich lange suchen müssen, bis du jemanden auf deinem geistigen Niveau gefunden hast.« Brian hatte vor einiger Zeit entschieden, dass er sich von seiner Familie nichts vormachen lassen würde. Sie waren alle ziemlich verkorkst.

»Nun denn...«, sagte sein Onkel und Brian sah auf seine Uhr.

Was für eine Zeitverschwendung. Onkel Harry versuchte immer, sich wichtig zu machen, und musste im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen.

»Wir werden uns am Freitag versammeln, um uns von unserem Vater und Großvater zu verabschieden.«

Wie sein Onkel es schaffte, kein bedrohliches Grinsen auf seinem Gesicht erscheinen zu lassen, war soweit Brian es beurteilen konnte, ein Wunder.

Der Rest seiner Verwandtschaft begann herumzuschlendern und sich zu unterhalten. Brian war nicht daran interessiert, mehr Zeit mit ihnen zu verbringen als er unbedingt musste, also verließ er den Raum und hielt auf die Tür zu.

»Auf Wiedersehen, Mr. Brian«, sagte Mrs. Carson, als er an ihr vorbeiging.

»Lassen Sie sich nicht von ihnen einschüchtern«, sagte er ihr.

Sie lächelte das gleiche nachsichtige Lächeln, an das er sich noch aus Kindheitstagen erinnerte. »Keiner von ihnen ist unfreundlich zu mir. Ich bin nur hier, weil Ihr Onkel mich gebeten hat, während der Beerdigung zu helfen. Danach gehe ich in Rente. Ihr Großvater und Ihre Großmutter haben dafür gesorgt, dass mir das möglich ist.« Sie nahm seine Hand. »Jetzt, da meine Zeit mit Ihrer Familie fast vorüber ist, kann ich aussprechen, was ich schon lange sagen wollte. Ihre Großeltern haben öfter an Sie gedacht, als Sie wissen und beide haben Sie sehr geliebt.«

Brian zweifelte nicht an der Liebe seiner Großmutter. »Er hatte eine miese Art, das zu zeigen.« Trotzdem wusste Brian es zu schätzen, dass es sie genug kümmerte, um etwas zu sagen. Er lehnte sich vor und küsste sie auf die Wange. »Aber danke.« Er drückte ihre Hand und ging, stieg in seinen Wagen und fuhr so schnell er es wagte von dem Haus weg.

Er hatte kein Interesse daran, nach Hause zu gehen und keinen Ort, an dem er sein musste. Er fuhr zurück Richtung Downtown und parkte vor einem der Eingänge zum Lake Park. Hier kam er gerne her, um nachzudenken. Er schloss das Auto ab und steckte die Schlüssel ein. Die Sonne war ganz herausgekommen und der Wind abgeflaut, also ließ er seine Jacke auf dem Rücksitz und beschloss, ein wenig spazieren zu gehen. Der Park war voller Wege, Rasenflächen und Lichtungen. Er war von Frederick Law Olmsted entworfen worden, dem Mann, der den Central Park in New York geplant hatte, also gab es ein paar ähnliche Elemente wie Brücken, einen Leuchtturm, Löwenskulpturen und riesige frei stehende Bäume. Teile des Parks waren magisch und Brian hielt auf einen Bereich mit einer wunderbaren Brücke zu, die einen atemberaubenden Ausblick auf den See bot.

Er durchquerte ihn halb, ging an dem steinernen Sitzbereich und den großen Löwen vorbei auf die Brücke und blieb in der Mitte stehen, um auf das Wasser hinauszustarren. Leute gingen an ihm vorüber und hinter ihm vorbei, aber er achtete nicht auf sie. Es war ein mieser Tag nach einer beschissenen Nacht gewesen und der Rest der Woche würde nicht besser werden.

Sein Handy unterbrach die Abwärtsspirale, die seine Gedanken eingeschlagen hatten. »Hey, Bri-Bri, hier ist Peter. Hast du Lust, abendessen zu gehen und danach einen Club unsicher zu machen?« Er hielt einen Moment inne. »Oh Scheiße. Ich hab das mit deinem Großvater vergessen. Ich sollte...«

»Nein. Ich würde gerne ausgehen.« Zumindest hätte er etwas zu tun und etwas außer seiner blöden Familie, über das er nachdenken konnte.«

»Was machst du da?«, rief ein Mann in ziemlich hoher Stimmlage.

Brian drehte sich um und sah einen Mann, der rasend schnell auf ihn zurannte.

»Haltet ihn auf, bitte!«, rief ein anderer Mann.

»Was ist –«, hörte er Peter sagen und ließ dann sein Handy fallen, als der Kerl mit ihm zusammenkrachte. Brian bewahrte sich davor, schwer zu stürzen, indem er den Mann packte, mit sich nach unten zog und ihn als Polster benutzte. Brian erholte sich rasch, aber der Typ, der auf der Flucht gewesen war, war nicht so schnell und blieb unbeweglich liegen, als ein kleiner Mann auf sie zurannte.

»Bastard!«, rief er in Richtung des Gefallenen und packte das, was dieser immer noch in der Hand hielt. »Hat meine Geldbörse gestohlen.« Der kleine Mann trat den anderen und sah so aus, als würde er ihn gleich halb tot prügeln wollen.

»Hey, Mann...«, murmelte der Mann auf dem Boden.

Brian griff nach dem Arm des kleinen Mannes. »Lass der Polizei was über.« Er fand sein Handy auf dem Boden der Brücke und machte einen Anruf. Der Kerl auf dem Boden war dabei aufzustehen. »Ich würde das nicht tun, wenn ich du wäre, oder ich lasse ihn wieder auf dich los, und ich glaube, er ist bereit, dir so in den Arsch zu treten, dass du eine Woche nicht mehr sitzen kannst.«

»Was?«

Er sah Brian an. Der Mann war völlig high. Brian wusste nur zu gut, wie das aussah. Die Polizei kam zu Fuß, eilte zu ihnen und übernahm die Kontrolle über die Situation. Sie stellte rasch fest, wer das echte Opfer war, und schleppte den Stoner zu einem Polizeiauto.

»Danke«, sagte der kleine Mann und Brian bemerkte seine großen blauen Augen und mittellangen blonden Locken. Er hätte einen Haarschnitt vertragen können, war aber trotzdem süß.

»Gern geschehen, Tiger«, sagte Brian amüsiert.

»Er hat versucht, alles zu klauen, was ich für die nächste Woche habe, und wenn er entkommen wäre... Sorry, das musst du nicht wissen. Ich bin Cade McAllister und rede zu viel«, sagte er wie aus der Pistole geschossen. »Das passiert öfter, vor allem wenn ich aufgeregt bin.«

»Freut mich, dass ich helfen konnte.« Brian lächelte, ohne darüber nachzudenken. Cade hatte eine Energie, die sich in alle Richtungen auszubreiten schien. »Ich bin übrigens Brian«, fügte er hinzu, erinnerte sich an seine Manieren und streckte die Hand aus.

Cade schüttelte sie und wandte sich dann sorgenvoll den Polizisten zu. »Denken Sie, dass ich gehen kann? Heute ist mein erster Arbeitstag im Bartolome's und wenn ich zu spät komme...« Er tänzelte fast von einem Bein auf das andere, als er auf die Uhr sah. »Ich hatte einen Zeitpuffer, aber jetzt sind es nur noch ein paar Minuten.«

Einer der Polizeibeamten kam herüber und nahm Cade beiseite. Nach ein paar Minuten rannte Cade zurück.

»Ich muss gehen, aber noch mal danke. Und wenn du im Bartolome's isst, frag nach mir und ich sorge dafür, dass man sich um dich kümmert.«

Cade eilte von dannen und rannte beinahe den Weg entlang. Brian sah ihm nach und fragte sich, wie jemand diese Art von Energie und Stimmung haben konnte, nachdem er ausgeraubt worden war. Dann, als er sicher war, dass die Polizei mit ihm fertig war, beschloss Brian, dass es vermutlich keine gute Idee war, mehr Zeit im Park zu verbringen. Auch wenn er keine Ahnung hatte, was er den Rest des Tages über tun sollte. Er schätzte, dass er Peter zurückrufen und ausgehen würde.

Kapitel 2

Die Beerdigung war so schrecklich und deprimierend gewesen, wie er erwartet hatte. Sein Vater hatte darauf bestanden, dass er sich zu ihm und Candy, seiner dritten Frau, setzte. Ihr Name war Candice und sein Vater nannte sie tatsächlich Candy. Um den Schein zu wahren und einen Streit zu vermeiden, tat er, worum sein Vater ihn bat. Schließlich sollten sie eine große, glückliche Familie sein. Himmel, er hätte mit Begleitung kommen sollen. Das hätte alles und jeden durcheinandergebracht, aber verdammt, niemand hatte mit ihm auf eine Beerdigung gehen wollen.

Schließlich waren der Gottesdienst und auch die Beisetzung vorbei, bei der es ziemlich nass wurde. Mehr als einmal hatte Brian in den grauen Himmel aufgeblickt und gewusst, dass sein Großvater damit glücklich wäre. Noch eine letzte Sache und dann wäre es vorbei: die morgige Verlesung des verdammten Testaments. Er erwartete nichts, und das war auch gut so – er wollte nichts von seinem Großvater, zumindest nicht jetzt. Was er von ihm gebraucht hätte, war ihm nicht gegeben worden, und jetzt, da er tot war, hatte er keine Verwendung mehr für ihn.

Brian kam absichtlich fünf Minuten zu spät. Seine gesamte Familie hatte sich um einen riesigen polierten Mahagoni-Besprechungstisch versammelt, an dessen einem Ende eine würdevolle ältere Frau saß. Er schätzte, dass sie den Platz für den Anwalt seines Großvaters freihielt. Als sie nickte, wurde es ruhig im Raum und die Türen wurden geschlossen. Zwei andere Leute aus der Kanzlei setzten sich auf die leeren Stühle neben ihr.

»Ich bin Lydia Maxwell, Marvin Paulsons Anwältin und Testamentsvollstreckerin.«

Dieser eine Satz erklärte einiges. Er hatte den Namen Maxwell auf dem Briefkopf der Kanzlei gesehen. Nun, das war eine Überraschung.

»Ich habe Marvin gut gekannt und wir haben viele Jahre lang zusammengearbeitet.Ich verspüre seinen Verlust sowohl auf professioneller als auch persönlicher Ebene. Er und ich waren Kollegen wie auch Freunde.«

Brian stand in einer der hinteren Zimmerecken. Er dachte daran, eines von Onkel Harrys Bälgern von einem Stuhl zu ziehen, damit er sich hinsetzen konnte, aber er beschloss, dass es ihm einen schnellen Abgang ermöglichen würde, wenn er außer Sichtweite stand.

»Können Sie anfangen?«, fragte Onkel Harry ungeduldig. Er konnte nie auf irgendjemanden warten.

Lydia öffnete eine Mappe. »Marv legte fest, dass das Testament verlesen werden soll. In seinen eigenen Worten, weil er Sie alle wissen lassen wollte, dass das seine genauen Wünsche sind. Ich verzichte auf den Abschnitt mit den rechtlichen Formalitäten und komme gleich zu den wichtigen Punkten. Meinem Sohn, Harry Paulson...« Sie hielt inne und sah Brians Onkel an. »... vermache ich meinen Mehrheitsanteil am Milwaukee Sea Captains-Eishockeyteam. Du warst immer ein Sportfan und hast mehr Zeit vor dem Fernseher oder auf dem Golfplatz verbracht als irgendwo sonst, also sollte das genau deinen Geschmack treffen.« Sie unterbrach sich und hob eine Augenbraue. »Der Wert wird auf zwanzig Millionen Dollar geschätzt.«

»Das ist alles?«, knurrte Onkel Harry und schlug seine Hände flach auf den Tisch.

»Ja. Sie können jetzt den Raum verlassen«, sagte Lydia.

»Ich möchte wissen, was die anderen bekommen«, sagte er und starrte wütend über den Tisch.

»Das waren die Wünsche Ihres Vaters. Sobald Sie Ihren Nachlass erhalten haben, sollen Sie gehen.« Sie faltete ihre Hände über der Mappe und blickte ihn ruhig an. »Ich kann nicht weitermachen und Ihr Vater hat eine weitere Bestimmung vorgenommen. Er hat darauf bestanden, dass ich dazu autorisiert bin, Sie entfernen zu lassen. Gewaltsam, wenn nötig.«

Die anderen beiden Mitarbeiter starrten ihn ebenfalls an und Onkel Harry stand auf und ging. Das Drama war ein bisschen interessant. Sein Onkel liebte es, sich aufzuplustern und eine Show abzuziehen.

»Für meine Tochter, Jeanette. Jean, ich vermache dir meinen Anteil an der Paulson Brothers Brewery. Du hast den Großteil deines Lebens damit verbracht zu trinken und deswegen viel zu viel Geld ausgegeben. Wie dem auch sei, da du nie einen Geschäftssinn hattest, wird die Kontrolle über die Firma beim Vorstand bleiben.«

»Eine Brauerei«, spottete sie. »Wie viel ist die wert? Und wie bald kann ich sie verkaufen?«

»Können Sie nicht, solange der Vorstand nicht zustimmt«, sagte Mrs. Maxwell ruhig. »Guten Tag.«

Wieder wartete sie, und Brians Tante ging. Andere Familienmitglieder erhielten kleine Zuwendungen, einschließlich Treuhandfonds in verschiedenen Höhen für die verschiedenen jüngeren Enkel.

Schließlich waren nur noch Brian, sein Vater und Candy im Raum.

»Für meinen Schwiegersohn, Jerry Northway.«

Brians Mutter hatte ihren eigenen Namen behalten und als Brian geboren worden war, hatte sein Großvater darauf bestanden, dass Brian ein Paulson werden würde. Sein Vater richtete sich sofort auf, aber lange nicht so sehr wie Candy es tat.

»Ich weiß, dass du meine Tochter geliebt hast, und ihr Verlust war ein schwerer Schlag für uns beide. Wie dem auch sei, seit ihrem Tod hast du einen sehr fragwürdigen Geschmack bewiesen, was deine Gesellschaft betrifft. Aus diesem Grund vermache ich dir das Haus in Shorewood, in dem du momentan wohnst, sowie einen verwalteten Fonds, der groß genug für dessen Erhaltung ist und dein Leben lang halten wird. Er ist nicht auf jemand anderen übertragbar.« Was bedeutete, dass sein Großvater Candy, wie auch alle zukünftigen Frauen, komplett übergangen hatte. »Des Weiteren schlage ich vor, dass du deinen Mann stehst und dir eine Arbeit suchst.«

Sein Vater wirkte resigniert, aber Candy war erbost und wirkte so, als könnte sie jede Sekunde explodieren.

Zu dritt standen sie auf und verließen den Raum. Brian fragte sich, was mit dem restlichen Geld seines Großvaters passieren sollte. Da war sicher noch mehr. Aber vielleicht hatte sein Großvater auch zu seinen Lebzeiten das meiste davon weggegeben.

»Ich muss hier raus«, sagte Candy schnippisch und griff nach dem Arm seines Vaters. »Wir müssen dir einen gut bezahlten Job suchen, weil...«

Brian blendete ihre zuckersüße Stimme aus und als ein beinahe voller Aufzug ankam, trat er zurück und ließ sie gehen. Noch mehr Zeit in ihrer Nähe zu verbringen, war mehr, als er ertragen konnte. Er schätzte, dass Candy ein guter Mensch, vielleicht sogar ein netter Mensch hätte sein können, wenn sie einen konventionelleren Weg in ihrem Leben gewählt und ihre Hoffnungen und Träume nicht an die finanziellen Möglichkeiten seines Vaters gehängt hätte.

Die Aufzugtüren schlossen sich und ließen Brian im Flur zurück.

»Mr. Paulson«, sagte eine junge Frau in einem anwaltstypischen grauen Hosenanzug. »Bitte folgen Sie mir.«

»Ich bekomme nichts.«

»Woher wissen Sie das, Brian?«, fragte Mrs. Maxwell von ihrem Stuhl in dem anderen Raum aus.

Einen Moment lang fragte er sich, woher sie wusste, wer er war, aber vorhin hatte sie alle im Raum gekannt, also gehörte es wahrscheinlich zu ihrem Beruf, die Menschen in der Familie seines Großvaters zu kennen. Er folgte der jüngeren Frau und sie schloss die Tür hinter ihnen.

»Das ist Emily Forester und sie ist über alle Klauseln und Bedingungen im Testament Ihres Großvaters voll informiert.«

»Was wollen Sie von mir?«, fragte Brian.

»Ich werde Marv dazu sprechen lassen.«

Lydia machte eine Geste in Emilys Richtung, die ihr einen großen braunen Umschlag reichte, der mit rotem Wachs versiegelt worden war.

»Sie sehen, dass das Siegel intakt ist. Es wurde in unserer Gegenwart von Marv angebracht.«

Sie öffnete den Umschlag, zog einen USB-Stick heraus und gab ihn Emily, die ihn in einen Laptop steckte. Der riesige Flatscreen an der Wand schaltete sich ein und zeigte das Gesicht seines Großvaters in Nahaufnahme.

Zuerst war Brian erschrocken, wie alt er aussah. Die Wahrheit war, dass er in den letzten Jahren nicht sehr viel Zeit mit ihm verbracht hatte. »Wann ist das aufgenommen worden?«, fragte Brian, während er das Standbild betrachtete.

»Das Testament wurde vor fast einem Jahr verfasst«, antwortete Lydia und gab Emily ein Zeichen.

»Brian, wenn du das siehst, wissen wir beide, was passiert ist, und du befindest dich mit Lydia Maxwell und einem ihrer Partner in dem großen Besprechungszimmer. Und ich bin hier, um mit dir über dein Erbe zu sprechen.«

»Welches Erbe? Ich will nichts von dir«, sagte Brian.

»Vielleicht sagst du, dass du nichts möchtest, aber ich weiß, dass du etwas gewollt hast. Ich bin nicht perfekt, Brian, und habe in meinem Leben viele Fehler gemacht. Nachdem wir deine Mutter verloren hatten, dachten deine Großmutter und ich, dass unsere Herzen vertrocknen und sterben würden. Dann habe ich deine Großmutter verloren und ich denke, genau das ist mit meinem Herzen passiert. Ich weiß, dass es keine Entschuldigung ist und dass ich für dich hätte da sein sollen, aber ich war es nicht.«

»Ja, warst du nicht.« Brian drehte sich zu Lydia. »Das ist Mist. Wenn er Vergebung will, kann er zur Hölle fahren. Ich bin hier raus.«

Brian stand auf und hielt auf die Tür zu. Lydia stellte sich im entgegen und legte sanft ihre Hand auf seine Schulter.

»Setzen Sie sich wieder hin und hören Sie sich den Rest der Nachricht an«, sagte sie mit einer ruhigen Bestimmtheit, die ihn dazu brachte, zum Stuhl zurückzukehren.