Glück oder Pflicht - Andrew Grey - E-Book

Glück oder Pflicht E-Book

Andrew Grey

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Beschreibung

Rancher Aubrey Klein hat einen außergewöhnlichen Nebenjob: Als maskierter Lone Rancher tritt er in einem Stripclub auf, um die Rechnungen seiner Farm bezahlen zu können. Nach einer Show wird er von seinem alten Schulfreund Garrett angesprochen, von dessen Homosexualität er bisher nichts gewusst hat. Zwischen den beiden Männern entwickelt sich eine tiefe Freundschaft, die schnell zu mehr wird. Aber Aubrey weiß, dass sein Leben zwischen Club und Ranch einem Kartenhaus gleicht und er sich irgendwann entscheiden muss, ob er sein Leben dem Glück oder der Pflicht widmen will... Band 4 der BELOVED-Romantikreihe. Buch ist in sich abgeschlossen.

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Seitenzahl: 282

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Deutsche Erstausgabe (ePub) Februar 2017

Für die Originalausgabe:

© 2016 by Andrew Grey

Titel der amerikanischen Originalausgabe:

»The Lone Rancher«

Originalverlag:

Published by Arrangement with Dreamspinner Press LLC, 5032 Capital Circle SW, Ste 2, PMB# 279, Tallahassee, FL 32305-7886 USA

Für die deutschsprachige Ausgabe:

© 2017 by Cursed Verlag

Inh. Julia Schwenk

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung,

des öffentlichen Vortrags, sowie der Übertragung

durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile,

Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit

Genehmigung des Verlages.

Bildrechte Umschlagillustration

vermittelt durch Shutterstock LLC; iStock

Satz & Layout: Cursed Verlag

Covergestaltung: Hannelore Nistor

ISBN-13:978-3-95823-081-1

Besuchen Sie uns im Internet:

www.cursed-verlag.de

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Klappentext:

Rancher Aubrey Klein hat einen außergewöhnlichen Nebenjob: Als maskierter Lone Rancher tritt er in einem Stripclub auf, um die Rechnungen seiner Farm bezahlen zu können. Nach einer Show wird er von seinem alten Schulfreund Garrett angesprochen, von dessen Homosexualität er bisher nichts gewusst hat. Zwischen den beiden Männern entwickelt sich eine tiefe Freundschaft, die schnell zu mehr wird. Aber Aubrey weiß, dass sein Leben zwischen Club und Ranch einem Kartenhaus gleicht und er sich irgendwann entscheiden muss, ob er sein Leben dem Glück oder der Pflicht widmen will...

Für Dana Piazzi und all meine Fans.

Für euch schreibe ich meine Geschichten.

Außerdem für B.A. und Lew – dafür, dass ihr mich in Greenville herumgeführt und einen aus dem Norden mit echter texanischer Gastfreundschaft bekannt gemacht habt.

Kapitel 1

Aubrey Klein lehnte sich mit einem Stöhnen in seinen Stuhl zurück. Ganz gleich wie sehr er auch versuchte, diese verdammten Zahlen schönzurechnen, sie brachten einfach nicht das gewünschte Ergebnis. Der Ranch ging es schon besser und gerade in den letzten sechs Monaten hatte er viel erreicht, aber nach wie vor blieb ihnen kaum mehr als die bloße Hoffnung auf ein glückliches Ende. Ein Loch, das über Jahre geschaufelt worden war, konnte nicht von heute auf morgen gefüllt und ausgeglichen werden, das wusste er. Die Schulden gingen allmählich zurück, und wenn es sein musste, konnte er vielleicht für weitere sechs Monate oder ein ganzes Jahr durchhalten, sofern das Wetter mitspielte.

Er schloss das Geschäftsbuch mit einem dumpfen Schlag und wünschte, sein Paps hätte die Aufzeichnungen schon vor Jahren digitalisiert. Und wenn er schon mal dabei gewesen wäre, hätte er auch gleich noch ein paar andere erforderliche Dinge erledigen können, die die Ranch davor bewahrt hätten, am Rande einer Zwangsvollstreckung zu stehen.

»Junge, bist du fertig da drin? Ich brauche draußen deine Hilfe.«

»Klar, Dad, ich komme gleich«, rief Aubrey zurück. Es gab Arbeit zu erledigen, denn allein der Wunsch nach besser organisierten Geschäftsbüchern der Ranch würde kaum zu etwas führen. Dafür waren harte Arbeit und Aufopferung nötig. Aubrey schauderte beim Gedanken an die Opfer, die er bereits erbracht hatte. Doch wenn diese Opfer halfen, die Ranch zu retten und seinen Eltern eine Lebensgrundlage zurückzubringen, dann würden sie es wert sein.

Er stand auf und verließ das Büro. Jahrelang war dieser Raum die Domäne seines Vaters gewesen, nun war er seine. Aubrey traf seinen Dad vor der Küche und folgte ihm nach draußen, wo eine Wagenladung Heu für die Pferde darauf wartete, ausgeladen zu werden. Aubrey stöhnte. »Wo kommt das denn her?« Er kniff die Augen zusammen. Sie hatten doch bereits eine ganze Scheune voller Heu.

»John Bridger hatte was übrig und wir brauchen immer Heu, daher…«

»Dad.« Aubrey unterdrückte den Drang zu schreien. Das würde nichts nützen. Diabetes und seine Begleiterscheinungen hatten seinen Vater schleichend der Fähigkeit beraubt, die Dinge vollends zu durchdenken. Stattdessen neigte er nun dazu, emotionale Entscheidungen zu treffen statt geschäftlicher oder rationaler. »Die Scheune ist bereits voll bis oben hin. Da ist mehr als ausreichend Heu vorhanden.«

Dad ging zu dem Schober hinüber und spähte hoch. Aubrey konnte sehen, wie die Schultern seines Vaters leicht zusammensackten, als ihm bewusst wurde, dass sein Sohn recht hatte, und sofort wünschte Aubrey, dass es anders wäre. »Entschuldige, Junge, ich dachte…« Seine Worte verebbten in stiller Resignation. »Ich scheine nichts mehr richtig hinzubekommen.«

»Mach dir keine Gedanken, Dad. Ich finde schon einen Platz dafür. Aber frag mich das nächste Mal bitte, bevor du Sachen für die Ranch kaufst. Ich habe alles im Griff. Wir kriegen das schon hin.« Himmel, er hoffte wirklich bei Gott, dass er seinem Dad hier keine Lüge auftischte. Die Dinge liefen in der Tat besser und er hatte fast das nötige Geld zusammen, um endlich die schlimmsten Darlehen abbezahlen zu können, die sein Vater aufgenommen hatte. Sobald diese Schulden erst einmal getilgt waren, hoffte er, in der Lage zu sein, nach und nach auch die kleineren zurückzahlen und daneben etwas Geld lockermachen zu können für Ausbesserungen. »Warum gehst du nicht schon mal rein und schaust, was Mom für uns zum Essen vorbereitet hat? Ich kümmere mich schnell ums Ausladen.« Aubrey sah auf seine Uhr und stellte fest, dass er langsam einen Zahn zulegen sollte, sonst würde er sich verspäten.

»Alles in Ordnung?«, fragte Garrett Lamston, der gerade um die Scheune bog. Er arbeitete für Bridger und war offensichtlich derjenige gewesen, der mit der Lieferung betraut worden war. »Ihr braucht das Heu gar nicht, was?«

Aubrey wartete, bis sein Dad im Haus verschwunden war. »Nein, wir haben im Augenblick jede Menge. Ich weiß, dass viele Leute wegen der Dürre der letzten Monate welches benötigen. Aber ich…« Das Letzte, was er momentan gebrauchen konnte, war eine weitere Rechnung für Sachen, an denen kein Bedarf bestand.

»Keine Sorge. John hat deinem Vater seine Reste angeboten, weil er sicherstellen wollte, dass ihr genügend habt. Wir haben noch eine Reihe von anderen Abnehmern, die es gerne nehmen.« Garrett lächelte und Aubrey gab sein Bestes, sein Herz von den kleinen Hüpfern abzuhalten, die es immer vollführte, wenn Garrett in der Nähe war. Nicht dass es eine Rolle spielte. Er und Garrett waren Freunde – oder kannten einander zumindest seit ihrer Kindheit. »Ist kein Problem.«

»Das ist wirklich nett von dir«, sagte Aubrey erleichtert.

»Ich nehme an, es ist immer noch schwer für deinen Dad?« Garrett hob seinen Hut an und wischte sich über die Stirn, bevor er den alten, ehemals weißen Stetson wieder auf seinen Kopf setzte. Eben diesen Hut trug er nun schon seit vielen Jahren und er stand ihm heute noch genauso gut wie damals.

»Es wird auch nicht mehr besser. Das jahrelange Insulin und seine Weigerung, auf die Ärzte zu hören, fordern ihren Tribut. Mama tut, was sie kann, aber er ist eben ein sturer, alter Kauz, der sich ständig übernimmt. Letzte Woche habe ich ihn bewusstlos auf dem Scheunenboden gefunden, nachdem er versucht hatte, die Ställe zu reinigen, wobei er sich zu sehr verausgabt hat.« Er hatte seinem Vater Glukose injizieren müssen, um ihn wieder zu sich zu bringen. Das war alles andere als schön gewesen, aber er hatte getan, was getan werden musste.

Garrett nickte langsam in seiner ihm eigenen Art. »Ich wünschte, ich könnte etwas tun, um zu helfen.«

Aubrey klopfte auf den Anhänger. »Das hast du bereits.«

Garrett lächelte und wandte sich zum Gehen. Aubrey sah ihm nach, als er davonschritt – heilfroh, dass er allein war, denn jeder, der ihn dabei beobachtet hätte, wie er den ansehnlichen, kessen Cowboy-Hintern in diesen verdammt eng sitzenden Wranglers anstarrte, hätte haargenau gewusst, welche Art Gedanken und Bilder ihm durch den Kopf gingen. Er blinzelte, um seine lüsternen Vorstellungen abzuschütteln, und zwang sich zu einem neutralen Gesichtsausdruck, als Garrett in den Pick-up kletterte.

Obwohl die Dinge sich änderten – in diesem Teil von Texas vermutlich eher gemächlich –, wollte er das Schicksal nicht herausfordern und jeden wissen lassen, wie er tickte. Angesichts der mühsamen Instandhaltung der Ranch waren das Letzte, was er brauchen konnte, eine brodelnde Gerüchteküche und Leute, die keine Geschäfte mehr mit ihm machen wollten. Das könnte das Ende von allem bedeuten, für dessen Bewahrung er so hart gearbeitet hatte.

Aubrey hob die Hand in einer Mischung aus Abschiedsgruß und Dankeschön. Garrett ließ das Fenster herunter und beugte sich raus, sodass Aubrey einen vorteilhaften Blick auf seinen Kopf und die breiten Schultern werfen konnte. »Wir sollten uns demnächst mal auf ein Bier treffen. Ruf mich an, wenn du das nächste Mal in die Stadt fährst, dann passe ich dich ab.«

»Ich übernehme die erste Runde«, rief Aubrey und schluckte hart, als Garrett eine Sekunde länger zu ihm zurückstarrte als notwendig. Die Hitze in Aubreys Magen nahm schlagartig zu, als ein gewisses Kribbeln seinen Bauch ausfüllte und sofort potenzielle Möglichkeiten in seinem Kopf herumschwirrten. Er schloss die Augen und war kurz davor, sich abzuwenden, als Garretts Kopf im Fahrzeug verschwand und die Tür mit einem dumpfen Geräusch zugeschlagen wurde. Eine Hand hing lässig aus dem Fenster, als sich der Pick-up mitsamt Anhänger aufmachte, die Auffahrt hinunterzurollen. Aubrey atmete tief ein und fragte sich, ob er wirklich gesehen hatte, was sein Gehirn ihm vorgaukelte. Es musste Einbildung gewesen sein. Immerhin kannte er Garrett schon seit Jahren und in all der Zeit hatte es nie Anzeichen dafür gegeben, dass Garrett sich mehr für Bullen als für Kühe interessierte.

Nachdem diese kleine Krise noch mal abgewendet worden war, zwang Aubrey seine Aufmerksamkeit weg von den etwaigen Inhalten von Garretts Jeans und wandte sich Richtung Haus um.

»Bist du schon fertig mit dem Heu?«, wollte sein Dad von seinem geliebten Fernsehsessel im Wohnzimmer aus wissen, als Aubrey aus der drückenden Hitze hinein in die klimatisierte Behaglichkeit des Hauses trat.

»Bridger hat es uns angeboten, weil er sichergehen wollte, dass bei uns alles gut läuft. Aber es gibt andere Leute, die es wesentlich dringender brauchen, also wird es jetzt an die verkauft.« Er tätschelte sachte die Schulter seines Dads. »Wir werden keine Probleme dadurch bekommen. Alles ist gut.«

»Okay, dann…« Sein Dad legte die Füße hoch und Aubrey schätzte, dass er wahrscheinlich in weniger als fünf Minuten eingeschlafen sein würde.

»Lust auf Essen?«, fragte seine Mom, die gerade aus der Küche kam. Die letzten Jahre war sie sichtlich gealtert, ebenso wie sein Dad. Ihr Haar war inzwischen überwiegend ergraut und besaß nicht mehr die rabenschwarze Farbe, an die er sich noch aus vergangenen Tagen erinnerte. Im Gegensatz zu seinem Vater war sie gesundheitlich in guter Verfassung, aber die Sorge um Dad hatte ihre Spuren an ihr hinterlassen.

»Das wäre großartig. In etwa einer Stunde muss ich los.« Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr.

»Wieder nach Dallas, um deine Freunde zu treffen?«, hakte sie ohne Vorwurf oder Urteil nach.

»Ja.« Er nahm am Esstisch Platz und hängte seinen Hut neben sich über die Stuhllehne.

»Du musst öfter mal raus. Die Dinge hier werden auch laufen, wenn du hin und wieder nicht da bist.« Sie holte Teller und trug ihren besonderen Makkaroni-Salat auf. Dazu gab es ein großes, üppig belegtes Sandwich aus hausgemachtem Brot. Keines dieser Sägespänenteile – wie sie sie nannte – aus dem Supermarkt. Mom handhabte Dinge gerne auf die altmodische Art und Weise, wann immer sie konnte, aber es wurde zunehmend schwerer für sie. Alles, was Aubrey wollte, war, das Leben seiner Eltern einfacher zu machen. Dafür war er bereit, alles zu tun, was nötig war.

»Schmeckt wirklich lecker«, lobte er sie. Über seine wöchentlichen Ausflüge nach Dallas und die Freunde, die er dort traf, wollte er lieber nicht allzu viel preisgeben. Je weniger er sagte, desto weniger Lügen erzählte er, was für gewöhnlich ein guter Plan war, wenn es um seine Mom ging. »Du kümmerst dich immer so gut um uns.« Er nahm einen weiteren Bissen von seinem Roastbeef-Sandwich und seufzte leise.

»Du bist zur Zeit derjenige, der sich um uns kümmert«, entgegnete sie und blickte hinüber in den benachbarten Raum.

»Hat er schon gegessen?«

»Ja. Er hatte Hunger, also habe ich ihn gleich versorgt, als er reinkam«, flüsterte sie. »Er hat gegessen, sich dann in seinem Sessel niedergelassen und ist dort sofort eingeschlafen.« Sie wandte sich ab und nahm mit ihrem eigenen Teller am Tisch Platz. Seine Mom aß immer als Letztes. »Heute Morgen hat Carolann sich gemeldet. Sie hat erzählt, dass sie mit ihrer Arbeit in San Francisco sehr beschäftigt ist und so.«

Aubrey nickte und versuchte, keine Eifersucht oder Bitterkeit in sich hochkochen zu lassen. Seine Schwester hatte immer Ausreden gefunden, um nicht nach Hause kommen und aushelfen zu müssen. Aubrey biss abermals in sein Sandwich, um ein böses Brummen zurückzuhalten. Mitschuld an dem Ganzen war nicht zuletzt der Umstand, dass sein Dad ein Darlehen zu Lasten der Ranch aufgenommen hatte, um Carolann bei der Finanzierung ihres Stanford-Studiums zu unterstützen.

»Sie meinte, sie hätte einen Scheck geschickt, um uns nach und nach das Geld zurückzuzahlen.«

Aubrey senkte den Kopf und versuchte, das aufkommende Hmpf zu unterbinden. Aus irgendeinem Grund schien die Post Carolanns Schecks regelmäßig zu verschlampen. »Das ist gut«, sagte er dennoch. Es hatte keinen Sinn zu streiten. Mom würde nichts davon hören wollen. Schließlich war Carolann ihre einzige Tochter, genau wie er der einzige Sohn war, und Mom würde niemals zulassen, dass jemand schlecht über eines ihrer Kinder redete. Abgesehen davon wusste Aubrey, dass der Kredit die Entscheidung seiner Eltern gewesen war, und was geschehen war, war nun mal geschehen. »Wenn ich zurück bin, werde ich die neue Elektroleitung nach draußen zur Scheune verlegen. Ich kann die Kabel unterirdisch verlegen und damit die alte Oberleitung abschaffen.«

»Soll ich irgendwas für dich erledigen, während du weg bist?«

»Pass nur auf, dass Dad die Pferde füttert und mit Wasser versorgt. Ich habe in der Scheune schon alles bereitgestellt, also sollte es ihm leichtfallen. Heute Abend und morgen Früh muss er sich darum kümmern. Nachmittags werde ich zurück sein und kann dann wieder übernehmen.«

Sie warf ihm einen entrüsteten Blick zu. »Wir machen diese Arbeit schon seit…«

Aubrey hielt besänftigend die Hand in die Höhe, um zu verhindern, dass sie sich in Rage redete. »Ich wollte nur helfen.« Aubrey sah zum Wohnzimmer hinüber. »Er hat eine ganze Anhängerladung voll Heu gekauft, das wir nicht gebraucht haben«, fügte er im Flüsterton hinzu. »Ich hab mich darum gekümmert, aber ich mache mir Sorgen.«

Das Feuer in ihren Augen erlosch. »Ich mir auch.« Ihre Stimme war kaum mehr als ein Wispern und angefüllt mit Schmerz und Besorgnis. Er hasste die Belastung, die all das für sie bedeutete. »Wir kümmern uns um alles.« Sie nahm seinen Teller, sobald er fertig gegessen hatte. »Zieh los und hab etwas Spaß. Du arbeitest so hart, du hast es dir verdient. Nutz die Gelegenheit, mit deinen Freunden mal ein bisschen Dampf abzulassen. Ich sehe dich dann morgen.«

Aubrey stand auf und küsste seine Mom auf die Wange. Danach steuerte er mit großen Schritten sein Zimmer an und ergriff die kleine Tasche, die fertig gepackt auf ihn wartete. Er nahm sie mit hinaus zum Pick-up und unternahm einen letzten Rundgang, um sicherzugehen, dass alles an seinem Platz war, bevor er in den Wagen stieg und sich auf den Weg von Greenville nach Dallas machte.

Kapitel 2

»Ladies, Gentlemen und all diejenigen von euch, die sich noch nicht entschieden haben«, scherzte der Showmaster über die Lautsprecher. Der Witz war steinalt und einer von denen, die Aubrey jede Samstagnacht zu hören bekam. Reger Betrieb herrschte um ihn herum, doch Aubrey konzentrierte sich ganz auf die bevorstehende Aufgabe. »Heute Nacht haben wir ein fantastisches Programm für euch am Start.« Aus der versammelten Menge stieg lauter Jubel auf, der die Wände zum Beben brachte. »Und wir wissen alle genau, auf wen ihr wartet…«

Ein weiterer, noch lauterer Ruf der Begeisterung ließ den Boden vibrieren. Die Aufregung in seinem Inneren nahm zu, als Aubrey einen Schritt auf den Bühnenaufgang zu machte. Er kannte bereits die Masche, die hier abgezogen wurde – alles war einzig und allein darauf ausgelegt, den Zuschauern ordentlich einzuheizen.

»Soll ich ihn am Ende der Show auf die Bühne lassen?«

Der daraus resultierende Lärm war ohrenbetäubend. »Jetzt!«

»Ich kann euch nicht hören«, trällerte der Moderator und die Menschenmenge wurde noch lauter. »Alles klar, ihr wollt ihn, ihr kriegt ihn. Den einen… den einzigen… den Cowboy, von dem ich mich jederzeit auf einen heißen Ausritt mitnehmen lassen würde. Den Lone Rancher!«

Die Musik pulsierte und auf der Bühne wurde es dunkel, als Aubrey hinaufstürmte. Sobald die Lichter wieder aufleuchteten, flippten die Männermassen vor ihm vollkommen aus. Er schwang seine Hüfte zur Seite und die Männer jubelten, während sie ausgelassen zum Beat der Musik auf und ab sprangen. Er begann, sich zu bewegen, ballte die Fäuste und stieß seine Lenden in einem Rhythmus vor und zurück, der auf raue und anzügliche Weise schweißtreibenden Sex nachahmte. Der Saum seiner ledernen Beinkleider flatterte dabei unbändig um ihn herum. Schließlich drehte er sich um und gönnte seinen Bewunderern einen unverhohlenen Ausblick auf sein von Jeansstoff umhülltes Hinterteil, das von den Cowboy-Chaps zusätzlich in Szene gesetzt wurde. Er ließ seine Hüften kreisen und kniff die Backen zusammen, vollführte einen Tanz der besonderen Art, der die Menge in schieren Rausch versetzte.

Seine Weste war das Erste, was er verlor. Aubrey schälte sie sich vom Leib und ließ sie über seinem Kopf kreisen, während er mit den Hüften rotierte und seinen gesamten Körper zu dem hämmernden Bass bewegte, der ihn ausfüllte. Er beherrschte seine Routinen in- und auswendig, konnte sich völlig gehen lassen, versank tief in sich selbst und tat einfach, was sich gut anfühlte. Er kickte seine Stiefel an die Seite und entfernte anschließend die Chaps, die in einem Aufblitzen von Leder quer über die Bühne segelten und geradewegs außer Sichtweite der Zuschauer landeten. Nur noch mit einem karierten Hemd, der Jeans sowie Hut bekleidet – und natürlich der Maske, die er die ganze Zeit über trug, wenn er sich hier im Club befand –, wirbelte er herum, wandte dem Publikum seinen Rücken zu und zerrte an seinem Hemd, das er erst weit auseinanderspreizte und daraufhin über seine Schultern gleiten ließ. Er ließ es ein wenig hin und her flattern, schnellte wieder zu den Zuschauern herum und zog dabei das Hemd wieder zu.

Ihre Energie sprang auf ihn über und sandte Wellen aus sexueller Spannung, die über seinen Rücken bis zu seinem Kopf hochwanderten und anschließend wieder abwärts schossen, dabei seine Haut zum Prickeln brachten und seine Haare an Armen und Beinen aufstellten. Er fühlte sich so lebendig. Noch einmal öffnete er sein Hemd, schmiss es diesmal von sich und ließ seine Brustmuskeln spielen, begleitet von anfeuernden Pfiffen und Zurufen. Aubrey fiel rückwärts auf seine Handflächen und sprang dann wieder auf die Füße. Diese Bewegung wiederholte er mehrmals und endete schließlich mit den Händen am Boden, wo er die Hüften zur großen Freude der Massen kontinuierlich in Richtung Decke stieß.

Die Musik wurde eine Spur langsamer, ging gewissermaßen in einen Line-Dance-Beat über. Er katapultierte sich auf die Füße, setzte die Bewegungen mit seinen Beinen fort, während seine Hände knapp oberhalb der übergroßen, funkelnden Gürtelschnalle lagen, wodurch sein Schritt besonders zur Geltung kam, als er unablässig die Hüften wiegte. Die Menge rastete völlig aus, ihre Bewegungen wurden immer wilder und ekstatischer. Zahlreiche Männer hielten ihre Hände in die Höhe und schlugen die Luft über ihren Köpfen zusammen, als er umherschritt und diverse Typen mit Blicken in seinen Bann zog – ihnen zuzwinkerte, das Spiel voll auskostend, und schamlos drauflosflirtete. Als die Musik anschwoll, stieg auch die Anspannung der Menge bis zum Maximum und im Einklang mit dem Beat zog er an seiner Hose. Schon hatte er sich von seiner eng anliegenden Jeans befreit und schleuderte sie sogleich von sich.

Im winzigsten Tanga überhaupt, der rein gar nichts der Vorstellungskraft überließ, trat er von der Bühne herunter und hinein in die Menschenmassen. Ein Strom aus Geldscheinen flog in die Luft, die er einen nach dem anderen allesamt einsammelte und in seinen Bund steckte. Obendrein erntete er ein paar freche Grapscher – die gehörten eben dazu – und als die Musik schlussendlich aufhörte, nachdem die letzten Dollarnoten eingeheimst worden waren, kletterte der Lone Rancher – nur mit Tanga und Maske am Leib sowie einem Lächeln auf den Lippen – auf die Bühne zurück, drehte sich um und vollführte zum Abschied einen letzten Stoß mit dem Unterleib.

Das war der Moment, in dem Aubrey ihn sah. In der zweiten Reihe von rechts. Dort stand Garrett und hatte die Augen fest auf ihn gerichtet. Obwohl Aubreys ganzer Körper schweißüberströmt war, wurde ihm augenblicklich kalt. Bis tief in die Knochen ergriff ihn ein Frösteln, das so heftig war, dass er sich fragte, ob ihm je wieder warm werden würde. Ein letztes Mal winkte er in die Menge und beeilte sich dann, von der Bühne zu kommen, wobei er die Treppenstufen in seinem Fluchtdrang eher entlangstolperte.

»Fuck«, stöhnte er, als er es zum Umkleidebereich zurückgeschafft hatte und sich von den Banknoten zu befreien begann, die überall an ihm klebten. Der halbe Trick bestand darin, vorsichtig vorzugehen, damit das scharfe Papier ihm nicht an empfindlichen Stellen in die Haut schnitt.

Einer der Tänzer hatte eine Flasche Wasser auf dem Tisch vor ihm bereitgestellt, als er hereingeeilt war. Aubrey hatte nicht gesehen, wem er zu danken hatte. Dafür war er gedanklich noch viel zu sehr mit der Tatsache beschäftigt, dass Garrett da draußen gewesen war. Nun, das beantwortete zumindest eine seiner Fragen, warf jedoch gleichzeitig eine ganze Reihe neuer auf. Hatte Garrett ihn erkannt? Gott, er hoffte inständig, dass dem nicht so war. Sein Herz raste und er schnappte sich die Flasche, um gierig daraus zu trinken, als einer der anderen Jungs ihm die Klamotten von seinem Strip zurückbrachte.

»Du sahst wirklich klasse aus«, meinte Hank, The Hunk, und überreichte ihm die Sachen mit einem lässigen Zurückschleudern seiner langen blonden Mähne. »Die gehen immer voll auf dich ab.«

»Das liegt an der Maske« erwiderte Aubrey. Im Club nahm er sie nur ab, wenn er allein auf der Toilette war und sein Gesicht abwischen musste. Ansonsten wusste keiner von den Typen, wie er aussah, und größtenteils respektierten alle seine Privatsphäre. Schließlich hatte jeder Dinge in seinem Leben, die er nicht vor aller Welt ausbreiten wollte.

»Machst du auch bei der nächsten Show mit?«, wollte Hank wissen, der gerade in eine Feuerwehrhose stieg und die dazugehörige Brandschutzjacke überzog, bevor er sich einen Feuerwehrhelm aufsetzte.

»Ja. Ich bin nur samstags hier, da versuche ich schon, beide Shows zu machen.« Aubrey fühlte sich wieder deutlich normaler. Der Schweiß, der sich während seines Auftritts angesammelt hatte, hatte sich inzwischen verflüchtigt und sein Wasserhaushalt war wieder ausgeglichen. Er machte sich daran, sein Kostüm für die zweite Showeinlage überzuziehen, bei der alle Jungs zusammen tanzen würden. Sobald er bereit war, machte er sich auf den Weg in den Backstage-Bereich und wartete auf seinen Einsatz. Für gewöhnlich beobachtete er die anderen Akteure, um sich gelegentlich etwas Neues abzuschauen, doch diesmal wurde sein Blick von der Zuschauermenge angezogen, wo er erneut Garrett ausmachte. Der schien das Spektakel recht halbherzig zu verfolgen und reckte die restliche Zeit über den Hals.

Aubrey machte sich startklar für seinen Auftritt, als er bemerkte, wie Garrett sich einen Weg aus der Menge hinausbahnte. Unwillkürlich stieß er ein kleines, erleichtertes Seufzen aus. Vielleicht hatte Garrett genug für heute Nacht und brach auf? Er hoffte es stark.

»Gentlemen, Lustmolche und Perverslinge von überallher, es ist Zeit für das Finale, also lasst uns alle Jungs noch mal auf die Bühne holen!« Der Club versank in Dunkelheit, während alle ihre Positionen einnahmen. Dann sprangen die Lichter an und alle Tänzer folgten ihrer Routine. Hemden und Hosen verabschiedeten sich im Einklang und brachten die Schar zum Kochen. Die Musik baute sich stetig auf und die größeren Jungs beugten sich vornüber, damit die kleineren über deren Rücken rollen konnten. Drei Beats lang ragten ihre Beine in die Luft, dann standen alle wieder auf ihren Füßen, ließen synchron die Hüften kreisen und setzten ihre Oberkörper gezielt ein. Jeder körperliche Vorzug wurde geschickt ausgespielt. Die Musik erreichte ihren Höhepunkt, dann erloschen die Lichter. Kaum hatte die Musik geendet, bebten die Wände, weil alle Mann tosend applaudierten und mit den Füßen auf den Boden stampften. Aubrey und die anderen eilten von der Bühne herunter, während der Showmaster sich bei allen Anwesenden fürs Kommen bedankte.

Während die Menschenmassen nach draußen strömten, kamen die Akteure des Abends zur Ruhe. Der Club wurde gereinigt und für die zweite längere und kostspieligere Show dieser Nacht vorbereitet. Aubrey zog sich an und verließ den Club, um etwas frische Luft zu schnappen.

Durch die Hintertür trat er nach draußen in die Nacht hinein, die sich stickig und schwer anfühlte. Aubrey schaute zum Himmel hinauf und hoffte, dass der Regen, der in der Luft lag, nordwärts in Richtung Zuhause ziehen würde.

»Du bist der Lone Rancher, nicht wahr?«

Aubrey erkannte die Stimme und drehte sich langsam um. »Ja«, bestätigte er mit minimal gesenkter Stimme, inständig hoffend, dass es nicht zu aufgesetzt klang. Seine richtige Stimme würde Garrett sofort erkennen.

»Du warst wirklich unglaublich«, meinte Garrett. »Bist du ein echter Cowboy?« Er lehnte sich näher und Aubreys Herz setzte einen Schlag aus. Er glaubte, Erkennen in Garretts Augen zu sehen, und dachte schon, das Spiel wäre aus. »Ich denke, ja. Deine Schwielen und Schnittverletzungen beweisen es.« Garrett pfiff durch die Zähne. »Ich bin auch ein Cowboy, aber du würdest mich nie in ähnlicher Situation antreffen. Zum einen kann ich nicht tanzen und andererseits wüsste ich nicht, wie ich erzählen soll, dass ich mir vor Fremden die Klamotten vom Leib reiße, wenn ich mal einen Mann treffen sollte, der mir gefällt. Trägst du deswegen die Maske? Damit du später abstreiten kannst, was du tust?«

Aubrey knirschte mit den Zähnen. »Nein. Die trage ich, um meine Privatsphäre zu wahren.«

»Dann wissen deine Leute zu Hause nicht, dass du schwul bist, was?« Er schmunzelte. »Keine Sorge, bei mir auch nicht. Ist echt schwierig hier im Bible Belt der USA, das verstehe ich.« Garrett erweckte den Anschein, als wollte er gleich gehen, und Aubrey hoffte inständig, dass er recht hatte. Er würde ihm gewiss nicht erzählen, dass er durch das Tanzen versuchte, die Ranch seiner Familie zu retten. Je mehr Informationen er preisgab, desto größer war die Wahrscheinlichkeit, dass irgendetwas davon in Garrett das Wiedererkennen triggerte. »Verbringst du… du weißt schon… Verbringst du manchmal Zeit mit Typen, wenn der Club zumacht?«, fragte Garrett. »Solltest du das tun, würde ich mich unwahrscheinlich gerne dafür anbieten.« Das Feuer in Garretts Augen war unglaublich anziehend und es kostete Aubrey seine gesamte Willenskraft, den Kopf zu schütteln.

»Ich tanze und das war's. Aber da drin sind jede Menge andere Typen, die bestimmt liebend gern Zeit mit dir verbringen würden. Ganz sicher.« Seine Zähne knirschten bei dem Gedanken, dass Garrett mit irgendeinem anderen Kerl nach Hause ging, aber das hatte er sonst auch nicht getan und er würde jetzt nicht damit anfangen, auch wenn er schon, solange er denken konnte, für Garrett schwärmte. Es würde ohnehin zu nichts führen, insbesondere nach dem, was Garrett heute Nacht alles gesagt hatte.

»Ich nehme an, deine Eltern wissen nicht, was du hier treibst?«, hakte Garrett nach, als ob er über etwas Wichtiges gestolpert wäre.

Bevor er seinen Kopf von einer Reaktion abhalten konnte, nickte er auch schon. Die Vorstellung allein, was seine Mom und sein Dad sagen würden, wenn sie wüssten, was er jede Samstagnacht trieb, reichte aus, um ihm Übelkeit zu bescheren. Im Idealfall könnte er den Großteil der Schulden abbezahlen, wenn er das hier noch ein paar Monate durchzog. Danach konnte er den Lone Rancher an den Nagel hängen und das war's dann. Niemand brauchte jemals diesbezüglich erleuchtet zu werden – weder seine Familie noch die Leute in der Stadt. Bisher war alles reibungslos verlaufen und plötzlich stand Garrett hier neben ihm. Gott sei Dank war es dunkel und die Leute sahen meist nur, was sie sehen wollten.

»Ich muss wieder rein.« Er wandte sich ab und drückte die Tür auf. Es war ein feiger Abgang, aber er musste von hier verschwinden. »Bis demnächst.« Aubrey trat ins Innere und beschwor sich selbst, keinen letzten Blick zurückzuwerfen. Aber verdammt, er tat es trotzdem.

Garretts Blick brannte sich in sein Innerstes, seine Hitze und sein Verlangen überstrahlten die Dunkelheit wie ein Signalfeuer. Er war beim Zurücksehen ertappt worden und verharrte seinerseits starrend, während Garretts feuriger Blick kleine Elektroschocks durch seinen Körper sandte. Wie viele Male hatte er sich gewünscht, dass Garrett ihn so ansehen möge? Doch die Glut und die Leidenschaft waren auf einen Mann gerichtet, der, zumindest soweit Garrett Bescheid wusste, ein Fremder war. Er konnte die Anziehung kaum leugnen, aber letzten Endes verhinderte die Maske, die er trug, dass Garrett seiner wahren Identität auf die Schliche kam. Zur Hölle, womöglich war die ganze Maskerade überhaupt erst Schuld daran, dass Garretts Motor auf Touren kam.

Aubrey musste dem ein Ende setzen. Er drehte sich als Erster weg, ließ die Tür hinter sich zufallen und schloss damit Garrett aus – zusammen mit der erdrückenden Wärme und Luftfeuchtigkeit.

»Du siehst aus, als hätte gerade jemand deine Katze getreten«, merkte Hank an, als Aubrey sich zehn Minuten später zu den anderen in den Umkleidebereich gesellte. Zuvor hatte er auf der Toilette Halt gemacht, um die Maske abzunehmen und sich etwas Wasser ins Gesicht zu spritzen, damit er etwas runterkam. Die Zuschauer und der ganze Trubel brachten ihn für gewöhnlich in Fahrt, aber das war nichts verglichen mit dem, was Garrett mit einem einzigen intensiven Blick in ihm ausgelöst hatte.

»Ach was.« Er gab sein Bestes, seiner Stimme einen lockeren Klang zu verleihen, und seine Gedanken von Garretts feuriger Aura abzulenken. »Mir ist nur was Seltsames passiert.« Er schaute sich um. »Wo ist Simon?«

»Verdient sich draußen ein bisschen was dazu…« Hank zog die Augenbrauen in die Höhe. »Vor einer Weile hat ein Typ gegen die Tür geklopft, der nach dir suchte. Ich hab ihm gesagt, dass du draußen bist. Vor ein paar Minuten kam er zurück und hat gefragt, ob er mit unserem Polizisten sprechen kann. Offensichtlich war er ein böser Junge und muss jetzt bestraft werden.« Er grinste über seinen eigenen Witz.

Nun, das verriet ihm immerhin einiges über Garretts Interesse. Er war nur spitz, und auch wenn Aubrey seine erste Wahl gewesen sein mochte, war er ziemlich schnell zu Simon übergegangen. »Okay.«

»Falls du doch interessiert warst, hättest du was sagen sollen. Ich weiß ja, dass du so was nicht machst, also hab ich mir nichts weiter gedacht, als ich den Kerl von dir weggelockt und auf Simon angesetzt habe.« Hank ging weiter und Aubrey fragte sich, ob der Typ, von dem sie sprachen, tatsächlich Garrett war oder ob er voreilige Schlüsse zog. Nicht, dass es eine Rolle spielte. Selbst wenn Garrett an ihm als Aubrey interessiert war – und dafür hatte es ganz sicher in wer wusste wie vielen Jahren keinerlei Anzeichen gegeben –, war es letztlich egal, was Garrett wollte. Er hatte überdeutlich gemacht, dass er sich eine schnelle Nummer mit einem Tänzer vorstellen konnte, aber nichts darüber hinaus.

»Die Show fängt in dreißig Minuten an«, verkündete Barry, der bereits in seinem Smoking steckte – ohne Hemd, verstand sich. »Heute Abend mit anderer Reihenfolge. Lone Rancher, dich möchte ich als Letzten auf der Bühne haben. Die Massen drehen bei dir völlig durch und viele kommen speziell, um dich zu sehen. Sie sollen heiß sein, vor Erwartung zittern und schon möglichst viel getrunken haben, bevor du deinen Auftritt hinlegst. Wir eröffnen mit Hank und dann…« Er blickte sich suchend um. »Findet Simon und holt seinen Schwanz aus wessen Mund auch immer er ihn gerade gesteckt hat«, tönte er und fixierte Mike. »Und vergiss nicht, ihm mitzuteilen, dass ich seinen arroganten, kleinen Arsch zur Tür hinausbefördere, wenn er noch einmal zu einer Showbesprechung zu spät aufkreuzt.«

Aubrey bemühte sich um einen unbeteiligten Gesichtsausdruck. Er musste noch eine Showeinlage schaffen, dann konnte er zurück ins Hotel, schlafen gehen und am nächsten Morgen nach Hause fahren – hoffentlich mit tausend Dollar in der Tasche. Bereits jetzt hatte er nahezu die Hälfte davon beisammen, nur durch das, was er nach seiner ersten Performance aufgesammelt hatte, und das, was er in Form von Trinkgeld am Ende der Show erhalten hatte. Die zweite Show ging länger und die Stammkunden hatten in der Regel schon ein oder zwei Drinks intus, bevor sie hier auftauchten. Nach ein paar kleinen Aufwärmübungen war das Publikum schließlich erpicht darauf, dass es losging. Sein einziger Nachteil, wenn er als Letzter auftrat, war, dass die Zuschauer bis dahin womöglich nicht mehr viel Geld übrig hatten. Doch wenn er Glück hatte, würden sie extra viel für ihn aufsparen und er konnte den Großteil dessen einheimsen, was sie bei sich trugen.

»Ladies, Gentlemen und all diejenigen von euch, die sich noch nicht entschieden haben…« Die Show begann und Barry stellte sicher, die Regeln in sein übliches neckisches Geplänkel zu hüllen und dennoch sehr deutlich zu machen. Nachdem er seine Pflicht und Schuldigkeit getan hatte, brachte er Hank auf die Bühne und fuhr mit einer Demonstration fort, wo genau die Kunden zugreifen durften und wo nicht. Der Teil fand immer großen Anklang, besonders wenn Barry ein Spektakel daraus machte, Hank in den Schritt zu fassen und sich dann Luft zuzufächeln, als ob er vor Hitze schier überwältigt wäre. »Nun, da ihr wisst, wo ihr nicht anfassen dürft und wo es erlaubt ist…« Barry streckte die Finger aus und Hank schlug darauf, bevor sie seinen Schritt erreichten. Es war jedes Mal lustig, aber Aubrey musste es nicht zwingend sehen. Es gehörte zum Standardprogramm, das er so oft miterlebt hatte, dass er es in- und auswendig konnte.