Liebe schafft Familie - Andrew Grey - E-Book

Liebe schafft Familie E-Book

Andrew Grey

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Beschreibung

Nachdem seine Schwester zusammen mit ihrer restlichen Familie bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen ist, ist Aries Leben nicht mehr dasselbe: Seine Eltern wollen ihn zu einer Heirat und der Zeugung eines Erben drängen, obwohl sie um seine Homosexualität wissen. Als Arie dem Druck nicht mehr standhält, flieht er zu seinem besten Freund Robbie auf die Laughton-Farm. Dort erwartet er vor allem Ruhe und Entspannung, trifft stattdessen jedoch auf den äußerst attraktiven Officer Duane Keenan, der ihm schon bald nicht mehr aus dem Kopf gehen will... Buch 7 der »Liebe...«-Serie

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Seitenzahl: 315

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Deutsche Erstausgabe (ePub) April 2016

Für die Originalausgabe:

© 2011 by Andrew Grey

Titel der amerikanischen Originalausgabe:

»Love Means… Family«

Originalverlag:

Published by Arrangement with Dreamspinner Press LLC, 5032 Capital Circle SW, Ste 2, PMB# 279, Tallahassee, FL 32305-7886 USA

Für die deutschsprachige Ausgabe:

© 2016 by Cursed Verlag

Inh. Julia Schwenk

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung,

des öffentlichen Vortrags, sowie der Übertragung

durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile,

Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit

Genehmigung des Verlages.

Bildrechte Umschlagillustration

vermittelt durch Shutterstock LLC; iStock

Satz & Layout: Cursed Verlag

Covergestaltung: Hannelore Nistor

ISBN ePub: 978-3-95823-593-9

Besuchen Sie uns im Internet:

www.cursed-verlag.de

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Klappentext:

Nachdem seine Schwester zusammen mit ihrer restlichen Familie bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen ist, ist Aries Leben nicht mehr dasselbe: Seine Eltern wollen ihn zu einer Heirat und der Zeugung eines Erben drängen, obwohl sie um seine Homosexualität wissen. Als Arie dem Druck nicht mehr standhält, flieht er zu seinem besten Freund Robbie auf die Laughton-Farm. Dort erwartet er vor allem Ruhe und Entspannung, trifft stattdessen jedoch auf den äußerst attraktiven Officer Duane Keenan, der ihm schon bald nicht mehr aus dem Kopf gehen will...

Aus dem Englischen von Bianca Srubar

Für meine eigene liebevolle Familie

Kapitel 1

»Robert Edward Hawkins!«, rief seine Mutter von unten. Arie legte seine Violine weg, bevor er die Tür seines Zimmers öffnete, in dem er geübt hatte.

»Ja«, rief Arie, als er Schritte auf der Treppe hörte und Junes Kopf erschien.

»Ihre Mama ruft Sie seit zehn Minuten«, sagte June mit ihrer lieblichen Stimme, während sie die Treppe hinunterblickte. »Ich bin nur hochgekommen, damit sie mir nicht auch noch meinen letzten Nerv raubt.« June, die leidgeprüfte Haushälterin von Aries Mutter, war einer der wenigen Menschen, die Suzanne Hawkins gewachsen waren.

»Ich habe geübt«, sagte Arie mit leiser Stimme, als würde das alles erklären. Während der letzten sechs Monate war das Spielen zu einer Zuflucht von seiner neuen Realität geworden.

»Ich weiß, Liebling, und das hab ich ihr auch gesagt, aber sie hört auf nichts, das sie nicht hören will. Das tut sie schon nicht mehr seit…« June ging an ihm vorbei ins Zimmer und begann aufzuräumen, ohne ihren Satz zu beenden, als müsste ihr Gedanke nicht ausgesprochen werden.

»Du musst das nicht tun. Ich werde später aufräumen«, sagte Arie, aber sie scheuchte ihn nur weg und Arie kam zu dem Schluss, dass er ebenso gut runtergehen konnte, um herauszufinden, was seine Mutter wollte.

Arie fand sie auf der hinteren Veranda, wo sie mit hochgelegten Füßen und einem Glas Eistee auf dem Tisch neben sich auf einem der gepolsterten Korbstühle saß. Und da es nach fünf war, vermutete er, dass da nicht nur Tee in ihrem Tee war.

»Arie, setz dich«, sagte sie und klopfte auf den Sessel neben sich. »Dein Vater und ich wollen mit dir reden.« Das Eis klirrte gegen das Glas, als sie es an ihre Lippen führte, und Arie schüttelte den Kopf. Seine Mutter war vorher auch keine Trinkerin gewesen.

Arie setzte sich und versteckte sein Seufzen hinter dem leichten Knarren, das der alte Korbstuhl dabei von sich gab. Das war es also – das Gespräch, eins der Dinge, die er versucht hatte aufzuschieben. Arie wartete einfach ab und lauschte den Klängen des späten Nachmittags: dem Zwitschern der Vögel und dem Zirpen der Insekten, wie sie es immer taten. Alles sah und hörte sich gleich an, aber nichts war wie vorher und würde es auch nie wieder sein.

»Arie.« Die dröhnende Stimme seines Vaters verkündete seine Anwesenheit und bald schritt der große Mann auf die Veranda hinaus und nahm seinen gewohnten Platz ein. »Deine Mutter und ich wollen schon seit einer Weile mit dir reden und wir denken, dass wir es nicht mehr länger aufschieben können, egal wie schwer es ist, darüber zu sprechen.« Sein Vater war immer ein stereotypischer Südstaaten-Gentleman gewesen – beständig, verlässlich, übertrieben ehrlich und direkt. Dinge, die Arie an ihm liebte, aber jetzt schien viel seiner Ausstrahlung verschwunden zu sein, so wie bei ihnen allen. »Wir glauben, es ist Zeit, dass du häuslich wirst und heiratest.«

Arie verkniff sich ein lautes Schnauben und sah seinen Vater ernst an. »Ich bezweifle, dass das je passieren wird. Ich bin schwul und ihr beide wisst das. Ich habe nicht die Absicht, jemanden zu heiraten, außer meine Heirat mit einem anderen Mann wird in Mississippi plötzlich legal, und wir alle wissen, dass Schweinen eher Flügel wachsen und sie fliegen werden, bevor das passiert.« Das war nicht das Gespräch, das er erwartet hatte. Um ehrlich zu sein, hatte er Fragen erwartet, die karriereorientierter waren.

»Sieh mal, mein Sohn«, begann sein Vater. Robert Edward senior schrie oder erhob seine Stimme nie – das musste er nicht. Man erkannte allein an seinem Tonfall, wie er über etwas dachte, und diesen hier benutzte er, wenn er keine Auseinandersetzung zuließ. »Du bist unser einziger Sohn und wenn die Familie fortbestehen soll, dann musst du einen Erben produzieren.«

Arie wusste, dass die Trauer aus ihnen sprach, und versuchte, nicht allzu wütend zu werden. »Wir leben nicht im achtzehnten Jahrhundert, Dad. Ich muss keinen Erben produzieren und wenn der Familienname ausstirbt, dann ist es eben so. Das ist nicht das Ende der Welt.« Arie stand auf, um zu gehen, aber sein Vater erhob sich ebenfalls. Der große Mann sagte nichts, das tat sein finsterer Gesichtsausdruck für ihn. Arie erwiderte den Blick seines Vaters. Diese Unterhaltung musste eine der unglaublichsten in seinem ganzen Leben sein. Das Leben von allen war auf den Kopf gestellt worden, aber das war definitiv nicht die Lösung.

»Arie, komm mit«, sagte sein Vater und Arie folgte ihm ins Haus, durch das Wohnzimmer und in den großen Flur, der sich durch den Hauptteil der Vorkriegsvilla zog, in der er aufgewachsen war. »Das sind alles deine Vorfahren, die fast dreihundert Jahre zurückgehen. Hier wird dein Porträt hängen und dort sollte das deines Sohnes hinkommen.« Sein Vater deutete auf die Gemälde, die seinen Familienstammbaum darstellten. »Hört das alles mit dir auf? Was wird mit Arbor House und alldem hier passieren, wenn du nicht mehr da bist? Du musst an die Zukunft denken.«

»Ich weiß, Dad. Aber ich werde nicht irgendein Mädchen heiraten, um unser beider Leben zu ruinieren. An diesem Punkt in meinem Leben habe ich kein Interesse daran, Kinder zu haben. Vielleicht eines Tages in der Zukunft, wenn ich jemanden finde, mit dem ich mich niederlasse, werden wir Maßnahmen für Kinder ergreifen, aber ich denke, du und Mama müsst verstehen, dass das vielleicht nie passiert.« Arie hatte selten so mit seinem Vater gesprochen. Tatsächlich redeten sie überhaupt selten miteinander. »Ich weiß, dass dich das enttäuscht, aber ich bin schwul. Ich denke, du und Mama müsst das endlich akzeptieren.«

»Du weißt, dass wir dich zwingen könnten«, sagte sein Vater, jedoch ohne Nachdruck in der Stimme oder Streitlust in der Körperhaltung, und Arie dachte, dass er die Antwort darauf schon kannte.

Arie lachte. »Eigentlich kannst du das nicht. Du könntest versuchen, mich zu enterben, und das wäre in Ordnung, aber du kannst mich zu nichts zwingen, nicht wirklich.« Arie seufzte, da ihm auch nicht gerade nach dieser Unterhaltung zumute war. »Ich sage das nicht, um euch zu verletzen, weil ich euch beide sehr liebe, aber ihr müsst mich mein eigenes Leben leben lassen.«

Für ein paar Minuten dachte Arie, sein Vater würde etwas einwenden, aber dann sah Arie etwas an seinem Vater, das er selten gesehen hatte: Resignation mit einem Hauch Enttäuschung. Oh, er hatte diesen Gesichtsausdruck schon zuvor gesehen, aber nie an ihn gewandt, und es brach Aries Herz. Er liebte seine Eltern und wie die meisten Kinder wollte er, dass sie stolz auf ihn waren, und er wollte, dass sie glücklich waren, genauso wie er zur Abwechslung mal glücklich sein wollte und musste. Arie wusste nicht, was er sonst noch sagen sollte, und hoffte, sein Vater würde das für ihn übernehmen, aber der drehte sich einfach um, ging den Weg zurück, den er gekommen war, und gesellte sich zu Aries Mutter auf die Veranda. Arie blieb, wo er war, und versuchte, sich darüber klar zu werden, ob er noch mal das Gespräch mit ihnen suchen sollte, aber er war nicht sicher, ob das etwas bringen würde. Er drehte sich um und ging zur Treppe, da er fand, dass er genauso gut weiterüben könnte, aber er war nicht mehr in Stimmung dazu.

Oben an der Treppe angekommen, sah er den Flur hinunter, in dem er als Kind mit Charlotte Verstecken gespielt hatte. Beinahe konnte er das Lachen seiner älteren Schwester hören, das von dem Wind durch die offenen Fenster getragen wurde. Er wusste, dass die Worte seines Vaters von Verlust und Trauer herrührten, und bezweifelte, dass sie wirklich von ihm erwarteten zu heiraten.

»Was ist los, Liebling?«, fragte June, als sie aus seinem Schlafzimmer kam. »Sie sehen so aufgewühlt aus.«

»Mom und Dad wollen, dass ich heirate«, erwiderte Arie und Junes Augen wurden groß, bevor sie zu lächeln begann. »Ich meine es ernst«, fügte Arie hinzu und Junes Lächeln verschwand.

»Ich kenne Sie und Ihre Schwester, seit Sie Windeln getragen haben, Gott hab ihre Seele gnädig, und ich kenne Ihre Mutter, seit sie eine junge Lady gewesen ist, also kenne ich diese Frau beinahe so gut wie mich selbst. Und ich kann Ihnen sagen, dass die beiden seit dem Unfall nur ihre Sterblichkeit spüren und wollen, dass Sie glücklich sind. Sie verheiraten zu wollen, ist wahrscheinlich nicht der Weg, um das zu erreichen, aber sie wissen nicht, wie sie ihre Hoffnung ausdrücken sollen, dass Sie jemanden kennenlernen, sesshaft werden und Babys bekommen.« June nahm seine Hand in ihre von der Arbeit schwieligen Hände. Das fühlte sich so tröstend wie eine Schmusedecke an. »Geben Sie ihnen einfach Zeit und sie werden einlenken. Sie stehen beide an einem Scheideweg und wissen nicht wohin.«

»Danke, June«, sagte Arie, schüttelte den Kopf und war ein wenig verstört, als seine eigene Trauer an die Oberfläche kam. Nachdem er die Tür zu seinem Schlafzimmer geöffnet hatte, sah er seine Violine, die in ihrem Koffer auf dem jetzt gemachten Bett lag. Er hob sie auf und ließ seine Hände über das Instrument gleiten, das beinahe so sehr ein Teil von ihm war wie seine Arme und Hände. Arie hob den Bogen, legte das Instrument unter sein Kinn und stoppte den Bogen genau über den Saiten. Die Musik, die normalerweise seine Gedanken flutete, wollte nicht kommen. Arie verlor jegliches Zeitgefühl, wie lange er einfach nur gedankenverloren dastand, und dann begann die Musik zu spielen, langsam und tief, und seine Trauer verschmolz mit dem Lied in seinem Kopf.

Ohne nachzudenken ließ Arie das Instrument sinken und nahm es mit sich, als er das Schlafzimmer verließ und die Treppe hinunterstieg. Er ging durch den Flur und das Wohnzimmer und sah, dass seine Eltern immer noch auf ihren Stühlen saßen. Was ihn überraschte, war, dass sie ihre Stühle so gedreht hatten, dass sie Seite an Seite saßen, und sich an den Händen hielten, ohne etwas zu sagen. Arie hob die Violine an sein Kinn, zog den Bogen über die Saiten und ließ zu, dass das Lied, das in seinem Kopf und Herzen spielte, aus ihm herausbrach. Sobald er die erste Note gespielt hatte, nahm Arie nichts um ihn herum mehr war.

Die Musik war kraftvoll genug, um ihn in seine Gedanken zu versetzen. Er spielte den Verlust, der sich seit Monaten in ihm aufgebaut hatte. Selbst als er nach draußen ging, spielte er weiter. Er sah seine Eltern auch nicht wirklich, wusste aber, dass sie da und erstarrt waren.

Arie spielte weiter und weiter und hörte nicht auf, da die Musik in seinem Kopf auch nicht aufhörte. Als er seine Augen öffnete, schien die Welt verschwommen zu sein. Nachdem Arie erkannt hatte, dass er weinte, spielte er sich durch die Tränen und den Kloß in seinem Hals, der so groß war, dass er ihn erwürgte, spielte immer weiter und ließ alles raus, das er für sich behalten hatte. Er hatte seine Musik als Zuflucht benutzt, aber jetzt benutzte er sie zur Befreiung.

Als das Lied endete, ließ Arie den Bogen sinken und sah auf den gepflegten Rasen hinaus, auf dem er als Kind gespielt hatte. Für eine Weile rührte sich niemand von ihnen, dann drehte sich Arie zu seinen Eltern und sah die Tränenspuren auf ihren Wangen. Noch nie in seinem Leben hatte Arie seinen Vater weinen gesehen und er war nicht sicher, ob er erleichtert oder besorgt sein sollte. Während allem, was sie durchgemacht hatten, hatte Senior nie geweint. Seine Mutter hatte es getan – monatelang. In letzter Zeit saß sie nur noch da, sah sich um und trank zu viel. »Das war wunderschön, Arie«, sagte sie und ihre Stimme brach. »Wer hat das geschrieben?«

»Niemand, Mom. Das war nur, was ich fühle«, erklärte Arie und sah weg, um ihnen ein wenig Privatsphäre zu geben, während er wieder zu spielen begann. Dieses Mal spielte er anstatt seiner Gefühle Erinnerungen; die glücklichen Zeiten, die er mit Charlotte erlebt hatte, als sie Kinder gewesen waren; das erste Mal, als er seinen Neffen gehalten hatte; Charlottes Hochzeitstag – alles schmolz ineinander. Als er diesmal seinen Bogen sinken ließ, war Arie erschöpft. Ohne seine Mutter oder seinen Vater anzusehen, ging er zurück ins Haus und hinauf in sein Zimmer, wo er sein Instrument in den Koffer legte, bevor er auf dem Bett zusammenbrach, sein Gesicht im Kissen vergrub und seinen Tränen freien Lauf ließ.

Er fühlte sich wie ein Baby, als er sich dermaßen die Augen ausheulte, aber er konnte nichts dagegen tun. Er hatte Trauer und Verlust so lange in sich behalten, dass er nicht länger so tun konnte, als wäre alles in Ordnung. Ein leises Klopfen an seiner Tür drang durch seine Tränen zu ihm durch und Arie hob den Kopf. »Es ist Zeit fürs Abendessen.« Junes Stimme kam durch die Tür und dann hörte er das vertraute Knarren der Dielen davor, als sie wegging. Arie wischte sich über die Augen und zwang sich aufzustehen. Er wusste, dass er wahrscheinlich furchtbar aussah, und wollte nicht, dass seine Familie ihn so sah, also legte er einen Zwischenstopp im Badezimmer ein, um sich Wasser ins Gesicht zu spritzen, bevor er die Treppe nach unten ging.

Seine Eltern saßen immer noch auf der Veranda, auf der der Tisch gedeckt worden war. Arie setzte sich und legte seine Serviette über seinen Schoß, während seine Mutter und sein Vater sich stumm von ihren Stühlen erhoben. Für Arie sah es nicht so aus, als hätte einer von ihnen einen Muskel bewegt, seit er nach oben gegangen war, und selbst als sie zum Tisch kamen, schienen sie mechanisch einen Schritt vor den anderen zu setzen, die Augen leicht glasig.

June stellte das Abendessen auf den Tisch und ging. Zu dritt aßen sie in fast totaler Stille. So ging es seit Monaten, es gab nur ein paar Momente, in denen sie miteinander zu reden schienen, und dann wieder Stille.

»Wir müssen damit aufhören«, sagte Arie, als seine Mutter ihren Stuhl hervorzog. Er konnte das nicht länger ertragen. »Wir suhlen uns seit Monaten nur in unserer Trauer.«

»Was sollen wir deiner Meinung nach tun? Sie vergessen?«, schnappte seine Mutter, bevor sie nach ihrem frisch gefüllten Glas Tee griff. »Dazu bin ich weder bereit noch gewillt.«

»Suzanne, das sagt Arie doch gar nicht. Ich denke, er meint, dass wir miteinander reden sollten.« Sein Vater drehte sich zu ihm. »Du hattest letzte Woche ein Vorspiel und hast gar nicht erzählt, wie es gelaufen ist.«

Arie legte seine Gabel weg und schluckte. »Ich denke, es ist gut gelaufen. Sie haben gesagt, dass es viele Bewerber gibt, was bedeutet, dass sie niemandes Hoffnungen zunichtemachen wollten, aber sie schienen beeindruckt, und die Tatsache, dass ich in der Nähe bin, schien sie zu interessieren. Ich werde warten müssen. Sie haben gesagt, dass sie die Entscheidung in ein paar Wochen treffen. Ich habe ein paar Empfehlungen von der Highschool und wie es aussieht, kann ich im Herbst mit ein paar von den Orchesterstudenten arbeiten.« Arie hatte herauszufinden versucht, wie er seine Liebe zur Musik zum Beruf machen konnte. »Ich habe während der letzten sechs Monate ziemlich oft vorgespielt. Ich wünschte nur, ich könnte mal eine Pause machen.«

Senior war ausgebildeter Anwalt, aber er hatte auch eine Menge Geld geerbt und es sich zum Beruf gemacht, die Familienhinterlassenschaften zu vergrößern. Er war auch Partner in einer Anwaltskanzlei in Natchez, aber ging nicht mehr oft ins Büro. Sein Name stand an der Tür und das reichte aus, um Klienten anzuziehen. »Ich weiß und ich bin sehr stolz auf dich.«

Aries Blick flog von seinem Teller zu seinem Vater. Er konnte kaum glauben, was er da gehört hatte. Senior war nie sehr großzügig mit Lob gewesen. »Vielen Dank. Ich habe hart gearbeitet, aber in dieser Gegend gibt es nur begrenzte Möglichkeiten.«

»Dann musst du vielleicht etwas weiter weg suchen«, sagte sein Vater und Arie hörte ein dumpfes Geräusch, dann einen Schrei und das Brechen von Glas, gefolgt von dem Kratzen des Stuhls seiner Mutter über den Boden. June war beinahe sofort da, wischte den von Aries Mutter verschütteten Tee auf und die bekleckerte Tischdecke ab, bevor sie davoneilte, nur um mit einem weiteren Glas, einem Besen und einem Kehrblech zurückzukommen, um das Chaos aufzuräumen.

»Ich werde kein weiteres Kind verlieren.« Seine Mutter kreischte fast, die Augen aufgerissen, während ihr Tränen über die Wangen liefen. »Das kann ich einfach nicht.«

Arie sah seinen Vater an, der den Kopf schüttelte, und sie ließen das Thema für den Moment fallen. Sie verfielen wieder in Schweigen, das nur von dem Klirren des Bestecks gegen die Teller unterbrochen wurde.

Als Arie fertig gegessen hatte, verließ er den Tisch und seine Eltern und kehrte in sein Zimmer zurück. Er musste für eine Weile aus dem Haus, aber er war nicht sicher, wohin. Er nahm das Telefon, sah seine Kontaktliste durch und stoppte, als eine Nummer herausstach. Er drückte den Anrufknopf, wartete und hoffte auf eine Antwort.

»Arie«, sang die Stimme seines Freundes Robbie beinahe durch die Leitung. »Ich bin so froh, dass du anrufst.«

Normalerweise war Robbies Enthusiasmus ansteckend, aber für Arie heute nicht. »Ich habe mich gefragt, ob du mir einen Gefallen tun kannst. Ich brauche eine Auszeit. Würde es euch was ausmachen, wenn ich zu euch komme und dich und Joey besuche?«

»Läuft es nicht gut?« Robbie hielt inne, als hätte er die Antwort auf seine eigene Frage erkannt. »Entschuldige, natürlich tut es das nicht. Ist irgendwas passiert?«

»Nichts Neues. Ich brauche dringend einen Tapeten- und Perspektivwechsel. Mom und Dad blasen im Haus Trübsal, verdammt, das tun wir alle. Es fühlt sich fast tot an. Und ich könnte ein wenig… Ich weiß nicht. Ich schätze, ich könnte meinen besten Freund gebrauchen.« Arie war nicht sicher gewesen, ob er fragen sollte. Letztendlich besaßen Joey und Robbie kein eigenes Haus. Sie arbeiteten beide auf der Farm und lebten dort, also war es eigentlich Geoffs Haus und seine Entscheidung.

»Warte mal kurz«, sagte Robbie und Arie hörte für ein paar Sekunden gedämpfte Stimmen, bevor Robbie wieder ins Telefon sprach. »Wie bald kannst du hier sein und wie lange willst du bleiben?«

»Ich sag dir Bescheid, sobald ich meine Reisevorbereitungen getroffen habe.«

»Geoff sagt, es gibt genug Platz, und er hat eine Liste mit Aufgaben für dich.« In Robbies Stimme schwang ein Lachen und Fröhlichkeit mit, etwas, das Arie seit einer Weile nicht mehr gehört hatte, und er fühlte, wie sie seinen Geist erreichten.

Er und Robbie unterhielten sich eine Weile und als Arie auflegte, wusste er, dass er das Richtige getan hatte. Eine halbe Stunde mit Robbie und schon schien er sich ein wenig leichter ums Herz zu fühlen und ein kleiner Teil der Trauer war verschwunden. Jetzt musste er nur noch herausfinden, wie er das seiner Mutter sagen sollte.

Kapitel 2

Sein Flugzeug landete auf dem kleinen Flughafen in Muskegon. Arie stieg die Stufen auf die Rollbahn hinunter und ging in das alte Terminalgebäude. Er kam sich fast so vor, als wäre er in einer Zeitschleife in den Sechzigern gefangen – bis auf die nachgerüstete Security hätte er schwören können, dass er gerade in der Zeit zurückgereist war. Als er im Terminal ankam, sah er Joey, der auf ihn wartete. Robbie stand neben ihm und hielt mit einer Hand den Arm seines Partners und in der anderen seinen weißen Stock.

Zu seiner Schande fühlte Arie einen eifersüchtigen Stich, gefolgt von Schuld. Arie war mal in Robbie verliebt gewesen. Er wusste, dass Robbie ihn liebte, aber nur als Freund. Außerdem waren Joey und Robbie wirklich perfekt füreinander und fast unzertrennlich. Rückblickend hatte Arie eingesehen, dass Joey für Robbie auf eine Art perfekt war, wie Arie es nie hätte sein können. Robbie rief Aries Beschützerinstinkte hervor, während Joey seine Unabhängigkeit unterstützte.

Als Arie auf sie zukam, ließ Robbie Joeys Arm los, ging ihm entgegen und traf Arie auf halbem Weg, bevor er ihn in eine Umarmung zog. »Ich habe dich vermisst«, sagte Robbie in sein Ohr, während er ihn hielt. Arie ließ sich einfach festhalten, während die wenigen anderen Passagiere aus dem Flugzeug sie umrundeten.

»Ich habe dich auch vermisst«, sagte Arie und Robbie ließ ihn los. Joey umarmte ihn als Nächster und klopfte ihm auf den Rücken, bevor er ihn freigab und Robbies Arm ergriff.

»Wie war dein Flug?«, fragte Robbie.

»Nicht schlecht. Am schlimmsten war meine Mutter. Sie wollte nicht, dass ich gehe, und hat sich beinahe geweigert, mich loszulassen, als ich mich von ihr verabschiedet habe. Sie hat solche Angst, mich genau wie Charlotte zu verlieren, dass sie mich praktisch angefleht hat, nicht zu gehen, und dann zu fahren, anstatt zu fliegen.« Arie konnte die Gefühle seiner Mutter verstehen.

Er hatte selbst ein paar Bedenken bezüglich der Reise gehabt, aber er war fest entschlossen, nicht zuzulassen, dass Angst sein Leben bestimmte. »Ich rufe sie besser an.« Arie holte sein Handy heraus und wählte die Nummer von zu Hause, während sie darauf warteten, dass das Gepäck kam. Arie konnte die Erleichterung in der Stimme seiner Mutter hören, als er ihr sagte, dass er pünktlich gelandet und alles in Ordnung war.

»Geht's ihr gut?«, fragte Joey, nachdem Arie aufgelegt hatte.

»Irgendwann schon, denke ich. Aber ich weiß, dass sie getrunken und sich riesige Sorgen gemacht hat.« Arie fühlte mit seinem Vater und June, die wahrscheinlich den ganzen Tag versucht hatten, mit ihr zurechtzukommen. Glücklicherweise hatten die beiden ihn ermutigt zu fliegen. Sein Vater versuchte, einen Weg zu finden, um seine Mutter ebenfalls aus der Stadt herauszubekommen. Er hatte begonnen, von einer Reise auf einem der riesigen Kreuzfahrtschiffe, die in New Orleans ablegten, zu sprechen.

Aries Koffer kamen und Joey half ihm, sie zum Auto zu tragen. Während er und Joey sie in den Kofferraum hievten, stieg Robbie ins Auto. Nachdem Arie und Joey ebenfalls Platz genommen hatten, fuhren sie los. Arie kannte den Weg zur Farm nicht, also entspannte er sich in seinem Sitz und ließ Joey fahren.

»Robbie hat ein bisschen davon erzählt, was deiner Schwester zugestoßen ist«, sagte Joey, als sie auf der Autobahn beschleunigten. »Mein herzliches Beileid.«

»Vielen Dank. Sie und Paul haben sich beide so auf ihre Reise mit Bryce und Lizette nach Barbados gefreut. Sie wollten damit Pauls Partnerschaft in der Anwaltskanzlei, in der er gearbeitet hat, feiern. Sie haben diese ganzen Dinge geplant, die sie machen wollten, während sie dort sind. Die Kinder waren beide solche Wasserratten und Charlotte hat für sie alle eine Schnorcheltour gebucht, damit sie Wasserschildkröten und Schiffswracks sehen können. Paul hat einen dieser Katamarane gechartert. Sie hätten solchen Spaß gehabt. Sie wollten Kajak fahren und alles Mögliche machen.« Arie wusste, dass er ein wenig abschweifte, aber alles wollte gleichzeitig raus, also ließ er es zu.

»Du musst nicht darüber sprechen, wenn du nicht willst«, sagte Robbie und griff zwischen den Vordersitzen nach hinten, um Aries Bein leicht zu berühren.

»Ist okay. Darüber zu reden, fühlt sich irgendwie gut an.«

»Wissen sie, was passiert ist?«, fragte Robbie.

»Offiziell dauert es noch Monate, da die Untersuchung noch läuft. Bis jetzt hat man noch nicht einmal alle Trümmer gefunden. Es gibt Anhaltspunkte, dass das Flugzeug mechanische Probleme mit der Hydraulik hatte und die Piloten es nicht mehr steuern konnten. Sie sind mitten in der Karibik abgestürzt. Man hat Teile des Flugzeugs gefunden, aber noch keine Leichen geborgen. Ich denke, das war das Schlimmste für Mom und Dad, weil sie wochenlang Hoffnungen gehegt haben, dass sie wie durch ein Wunder überlebt haben und irgendwo auf einer kleinen Insel sind und nur noch gefunden werden müssen. Letztendlich gab es einen Gedenkgottesdienst und seitdem waren wir irgendwie scheintot. Ich denke, sie fangen endlich an zu akzeptieren, dass sie nicht zurückkommen, aber das hat lange gedauert.«

»Und jetzt wollen sie, dass du heiratest«, sagte Robbie und Arie hörte Joey schnauben.

»Sie wissen aber, dass du schwul bist, oder?«

»Natürlich wissen sie das. Und sie haben das nur einmal vor ein paar Wochen gesagt. Ich denke nicht, dass sie das wirklich ernst gemeint haben. Zumindest sobald sie erkennen, um was sie da eigentlich bitten. Sie trauern, aber sie haben nicht ganz unrecht. Mit Bryce und Lizette hätte die Familie fortbestanden, aber jetzt – ohne sie – wird sie mit mir enden.«

»Das muss sie nicht«, sagte Robbie und Arie sah, wie Joey seinen Arm ausstreckte und das Knie seines Partners tätschelte.

»Ich weiß. Aber ich denke nicht, dass ich wirklich Kinder will. Und ich werde bestimmt keine alleine haben.«

»Also brauchst du einen Mann, der Kinder mag«, scherzte Robbie. Arie verdrehte die Augen, egal, ob jemand das sehen konnte oder nicht.

»Ich denke, ich brauche nur jemanden, der mich interessiert, Punkt.«

»Was ist mit Chad? Letztes Jahr seid ihr oft miteinander ausgegangen. Was ist aus ihm geworden?«, fragte Robbie.

»Es hat sich rausgestellt, dass er ein Versager ist, genau wie die meisten Männer, die ich anziehend finde. Er war einer der Schlimmsten. Ich habe dir doch erzählt, dass Chad oft geschäftlich verreist ist.«

»Ist das der Grund, warum es nicht funktioniert hat?«, fragte Joey, während er fuhr.

»Nein. Mit den Reisen wäre ich klargekommen, denn wenn wir zusammen waren, war er immer so aufmerksam und wirklich nett. Aber ich habe herausgefunden, dass er an jedem Ort, den er regelmäßig besucht, jemanden wie mich hat. Chad war ein echter Playboy.«

»Was hast du gemacht?«, fragte Joey. »Wenn das jemand mit mir oder Robbie gemacht hätte, hätte ich…« Joey umklammerte das Lenkrad so fest, dass seine Knöchel weiß wurden.

»Es ist okay, Joey«, beruhigte Arie ihn. »Ich habe es herausgefunden, weil ich ein paar der eingegangenen Nachrichten auf seinem Handy gesehen habe. Also habe ich ein paar der Nachrichten an jeden in seiner Kontaktliste weitergeleitet. Wie sich herausgestellt hat, hat Chad mit ein Dutzend Kerlen zu jeder sich bietenden Gelegenheit geschlafen. Der Mann war wirklich ein Schwein. Seitdem hatte ich nicht wirklich das Verlangen, mit jemandem zusammen zu sein. Vor einer Weile habe ich jemanden kennengelernt, aber dann ist das mit Charlotte passiert, und mir war nicht unbedingt danach, irgendwas zu tun.«

»Nun, auf der Farm kannst du dir Zeit nehmen und wieder auf die Beine kommen«, sagte Robbie.

»Danke«, erwiderte Arie und lehnte seinen Kopf gegen die Stütze, während sie weiterfuhren. Sie verfielen in Schweigen und Aries Augenlider wurden schwer. Er hatte seit einer gefühlten Ewigkeit nicht mehr gut geschlafen und es dauerte nicht lange, bis er wegdöste.

***

Er wachte mit einem Ruck auf, als das Auto durchgeschüttelt wurde, da sie von der Autobahn auf eine holprige Landstraße wechselten. Arie blinzelte, sah aus dem Fenster und versuchte herauszufinden, wo sie waren. Ungefähr zehn Minuten später wurde die Umgebung vertrauter und dann fuhren sie den Hügel hoch und Arie sah die Farm. Es war eine Weile her, seit er zu Besuch gewesen war. Alles sah mehr oder weniger gleich aus, zumindest von außen. Aus dem Autofenster schauend reckte Arie den Hals, damit er die Pferde sehen konnte, als sie die Kurve nahmen, bevor sie in die Auffahrt einbogen. Joey parkte vor dem Haus und Arie hörte, wie der Kofferraum geöffnet wurde. Arie stieg aus, blieb neben dem Auto stehen und sah sich um. In den letzten paar Jahren war er einmal zu Besuch gewesen und überrascht, wie gleich alles aussah, roch und klang. Pferde stampften und wieherten auf der Weide. Heu, Stroh, Dünger und unzählige andere Gerüche reizten seine Nase und erinnerten ihn daran, wie es auf der Farm war.

»Robbie, die Hintertür ist ungefähr sechs Schritte direkt vor dir. Ich muss ein paar Sachen überprüfen und sichergehen, dass alle Aufgaben für den Tag erledigt sind.« Arie beobachtete, wie Joey seinen Partner sanft küsste, ehe er zum Stall eilte.

»Komm rein, dann zeige ich dir dein Zimmer. Geoff ist wahrscheinlich auf den Feldern. Ich würde den Nachmittag gerne mit dir verbringen, aber ich muss ein paar Dinge im Büro erledigen.« Robbie bewegte sich so selbstsicher. Ja, er war vorsichtig, aber in seinen Bewegungen auch sehr sicher. Arie hob einen seiner Koffer aus dem Kofferraum, bevor er Robbie ins Haus folgte.

»Adelle«, rief Arie, als er sie in der Küche sah, wo sie am Herd stand und in einem großen Topf rührte, der wie die köstlichste Hühnersuppe der Welt roch.

»Mr. Arie«, flüsterte sie mit einem Lächeln. »Schön, Sie zu sehen. Als Mr. Robbie erzählt hat, was passiert ist, hab ich mit Ihnen und Ihrer Familie mitgelitten. Ich bin froh, dass Sie uns besuchen. Räumen Sie Ihre Sachen in Ihr Zimmer und kommen dann wieder runter. Essen wird in etwa einer Stunde fertig sein.« Sie bewegte sich, scheinbar ohne Geräusche zu machen, durch die Küche.

Robbie ging weiter durchs Haus und blieb am Fußende der Treppe stehen. »Du bist oben im ersten Zimmer auf der rechten Seite. Ich bin hier im Büro. Du kannst zu mir kommen, wenn du dich eingerichtet hast. Lass dir Zeit«, sagte Robbie leise.

»Okay«, flüsterte Arie und wunderte sich, warum sich alle so seltsam verhielten, aber vermutete, dass sie schon ihre Gründe haben würden. Vorsichtig trug Arie seinen Koffer die Treppe hinauf und stellte ihn in das helle Schlafzimmer, das er auch bei seinem letzten Besuch bewohnt hatte. Er packte aus und verstaute die Sachen in der Kommode, ehe er zum Auto zurückkehrte, um einen weiteren Koffer zu holen. Als Arie damit fertig war, war er müde und durstig. Nachdem er die Treppen nach unten gegangen war, fand er Robbie tatsächlich im Büro vor, wo er leise ins Telefon sprach. »Das ist perfekt. Wir sehen Sie und Ihre Tochter dann Samstag.« Robbie legte auf. »Bist du fertig?«

»Ja«, erwiderte Arie. »Kannst du mir sagen, warum alle flüstern?«

»Weil Jakey ein Mittagsschläfchen macht.«

»Wer ist Jakey?«

»Oh, offensichtlich habe ich dir das nicht erzählt. Vor ungefähr sechs Monaten haben Geoff und Eli Jakey bekommen. Er ist neun Monate alt. Sie haben ihn vor ein paar Monaten offiziell adoptiert. Er ist wundervoll, aber wenn er von seinem Schläfchen aufwacht, gibt es kein Halten mehr, also hat sich jeder daran gewöhnt, wirklich leise zu sprechen, bis er aufwacht.«

»Geoff und Eli haben einen kleinen Jungen?« Aries Augen weiteten sich überrascht.

»Ja. Jakey wurde seiner Mutter ungefähr einen Monat nach seiner Geburt weggenommen, weil sie ihn vernachlässigt hat. Leider hat sie ein Drogenproblem und ist jetzt im Gefängnis, wo sie für einige Jahre bleiben wird. Als er zu uns gekommen ist, war er unterernährt und sie haben mir gesagt, dass die Ärzte nicht sicher wären, ob er nicht einen dauerhaften Schaden erlitten hätte. Aber jetzt geht es ihm wirklich gut. Soweit ich es beurteilen kann, ist er ein glückliches Baby. Sie sagen, dass er blonde Haare und blaue Augen hat, aber ich kann dir aus eigener Erfahrung sagen, dass er auch Lungen hat, die Laute zustande bringen, die einen erschüttern, und ein Lachen, in das man sich verliebt. Außerdem macht er regelmäßig in die Windeln und das ist nie angenehm.« Robbie verzog das Gesicht und lächelte gleichzeitig.

»Da ist ja mein Junge«, hörte Arie jemanden vom Türrahmen aus sagen. Er drehte sich um und sah Eli mit einem kleinen Jungen mit großen Augen und Daumen im kleinen Mund auf dem Arm dort stehen. »Arie, ich bin froh, dass du zu Besuch kommen konntest«, sagte Eli mit einem Lächeln. »Dieser kleine Teufelsbraten ist Jakey.« Eli drehte seinen Sohn und Jakey vergrub sein Gesicht sofort an Elis Schulter. »Oh, heute bist du schüchtern«, sagte Eli und drehte sich so, dass Arie Jakey sehen konnte. Arie musste zugeben, dass der kleine Kerl hinreißend war. »Willst du Onkel Arie kennenlernen?«

Arie fühlte einen Knoten in seiner Brust, als Eli ihm Jakey reichte. Arie hielt den kleinen Jungen, der aussah, als wäre er kurz davor, in Tränen auszubrechen. Jakey verbog sich, damit er Eli sehen konnte.

»Hi, Jakey«, sagte Arie mit einem Lächeln und ließ ihn ein wenig auf seiner Hüfte hüpfen. Aber Jakey sah nicht so aus, als würde er es ihm abkaufen. »Ich bin ein Freund von deinem Onkel Robbie.« Jakey sah Eli und dann wieder Arie an, der ihn noch mal hüpfen ließ und dann am Bauch kitzelte. Jakey lächelte leicht und Arie machte es noch mal. Das hatte bei Bryce und Lizette immer funktioniert und es schien auch bei Jakey zu klappen, weil Arie ihn wieder kitzelte und er dieses Mal lachte, wobei er Arie seine zwei unteren Zähne zeigte.

»Du magst Onkel Arie, was, Jakey?«, sagte Eli mit einem Kitzeln. Jakey wand sich in Aries Armen, kicherte und lachte. »Bist du bereit fürs Abendessen? Ich denke, Adelle hat Hühnchen und Karotten für dich.« Arie gab Eli Jakey wieder zurück, der ihn, begleitet von Babygekicher, aus dem Zimmer flog.

Robbies Telefon klingelte. Arie ließ ihn rangehen, wanderte durch das Haus und in die Küche, wo Jakey in einem Hochstuhl saß und Eli ihn fütterte, während Adelle weiterhin am Herd arbeitete.

»Ich kann ihn füttern, wenn du willst«, bot Arie an. Er hatte Charlotte bei ihren beiden Kindern geholfen.

»Bist du sicher?«, fragte Eli und Arie nickte.

»Ich habe meine Nichte und meinen Neffen gefüttert, als sie in diesem Alter waren«, erwiderte Arie und unterdrückte die Erinnerungen und den Schmerz, die hochzukommen drohten. Erinnere dich an die guten Zeiten. Eli gab Arie den Löffel. Er setzte sich vor Jakey, füllte den Löffel mit dem zerkleinerten Hühnchen und hob ihn an, während Jakey seinen Mund erwartungsvoll öffnete.

»Er wird ungefähr die Hälfte des Glases essen, dann gib ihm ein paar Karotten. Danach kann er Pfirsiche haben«, erklärte Eli in einer fröhlichen Stimme, die er, wie Arie schnell bemerkt hatte, vor dem Baby aufsetzte. Arie wischte Jakeys Mund ab, bevor er ihn mit einem weiteren Löffel Hühnchen fütterte. Als es Zeit war, wechselte er zu den Karotten und Jakey aß sie mit dem gleichen Appetit wie das Hühnchen. Das Kind war offensichtlich ein Esser, mit dem man nicht zu spaßen hatte.

Arie hörte, wie sich die Hintertür öffnete, und sah auf, um einen großen Mann in Polizeiuniform zu sehen, der die Küche betrat. Arie wurde vorübergehend von einem breiten Schulterpaar, schmalen Hüften und einem wunderschönen Gesicht abgelenkt, sodass er für eine Sekunde vergaß, was er eigentlich tun sollte. Jakey jammerte leise und Arie gab ihm einen Löffel voller Karotten.

»Hi, Jakey«, sagte der uniformierte Mann, als er hinter Arie trat. Jakey grinste, den Mund voller Karotten, bevor er lachte und Arie damit bespuckte. Er versuchte noch, dem orangen Strahl auszuweichen, aber es war zu spät. Arie war übersät mit Karotten: auf seinem Hemd, Gesicht und wahrscheinlich auch in seinen Haaren. »Entschuldigung«, sagte der Mann hinter ihm mit einem kaum unterdrückten Lachen.

Arie drehte sich um, um ihn finster anzusehen, konnte es jedoch nicht. Vor allem, als er hörte, wie Adelle unterdrückt lachte. Eli war nicht so erfolgreich und schnaubte einmal, bevor er aufgab. Bald lachten alle, inklusive Arie. Adelle reichte ihm ein Handtuch und er wischte sich damit über Gesicht und Hemd, ehe er sich zu Jakey drehte, der immer noch kicherte und auf seine Haare deutete.

Officer Sexy nahm ihm das Handtuch aus der Hand. Arie blieb still sitzen, während der große Mann Karotten aus seinen Haaren wischte. »Ich wollte ihn nicht zum Spucken bringen, wirklich.« Die Stimme des Officers war tief und voll und umgab Arie wie eine Decke. »Mein Name ist Duane Keenan«, sagte er, wechselte das Handtuch von der rechten in die linke Hand und streckte sie Arie entgegen.

»Robert Edward Hawkins, aber alle nennen mich Arie.« Er schüttelte Duanes Hand. »Warum sind Sie hier? Es gibt doch kein Problem, oder?«

»Nein. Ich bin nicht wegen einer offiziellen Angelegenheit hier.«

»Wir hatten vor einer Weile ein paar Probleme und da war Duane sehr hilfreich. Er hat Geoff und mir auch geholfen, Jakey zu bekommen«, sagte Eli.

»Wir sind alte Kumpel, nicht wahr, Jakey?«, sagte Duane, während er den kleinen Jungen kitzelte. »Ich muss zum Dienst. Ich bin nur gekommen, um Hallo zu sagen und zu sehen, wie es Jakey geht. Wir sehen uns später.« Arie bemerkte, dass Duane ihn während der ganzen Zeit, die er geredet hatte, ansah, und er fühlte ein erregendes Kribbeln über seinen Rücken laufen. Duanes Blick verweilte auf Arie, dann lächelte er, bevor er sich zum Gehen wandte.

Ein Schlag auf Jakeys Plastiktablett sagte Arie, dass er bereit zum Essen war. Er fütterte Jakey mit mehr Karotten, wobei er hoffte, dass er kein weiteres Mal spucken würde. Als Jakey Karotten und Pfirsiche gegessen hatte, säuberte Eli ihn und setzte ihn in die Schaukel. Arie ging nach oben und machte sich ebenfalls sauber. Er wusch sich die Haare, bevor er Hemd und Hose wechselte.