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Seit Chemiestudent Brad während seines Nebenjobs im Supermarkt den lebensfrohen Jordy das erste Mal gesehen hat, ist er von ihm fasziniert. Doch Jordy hat bereits einen Freund und der ist so heiß, dass Brad sich kaum Hoffnungen macht. Als seine Eltern ihn auf eine Kreuzfahrt mitnehmen, treffen die beiden zufällig wieder aufeinander und während der Reise kommen sie sich zu Brads Überraschung näher. Aber hat Jordy tatsächlich Gefühle für ihn oder ist das zwischen ihnen nur ein Urlaubsflirt, der gegen den Alltag keine Chance hat? Buch 3 der »Zum Glück«-Serie. Buch ist in sich abgeschlossen.
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Seitenzahl: 236
Deutsche Erstausgabe (ePub) September 2016
Für die Originalausgabe:
© 2014 by Andrew Grey
Titel der amerikanischen Originalausgabe:
»Electrochemistry«
Originalverlag:
Published by Arrangement with Dreamspinner Press LLC, 5032 Capital Circle SW, Ste 2, PMB# 279, Tallahassee, FL 32305-7886 USA
Für die deutschsprachige Ausgabe:
© 2016 by Cursed Verlag
Inh. Julia Schwenk
Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung,
des öffentlichen Vortrags, sowie der Übertragung
durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile,
Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit
Genehmigung des Verlages.
Bildrechte Umschlagillustration
vermittelt durch Shutterstock LLC; iStock
Satz & Layout: Cursed Verlag
Covergestaltung: Hannelore Nistor
ISBN ePub: 978-3-95823-609-7
Besuchen Sie uns im Internet:
www.cursed-verlag.de
Aus dem Englischen von Stefanie Petermann
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Klappentext:
Seit Chemiestudent Brad während seines Nebenjobs im Supermarkt den lebensfrohen Jordy das erste Mal gesehen hat, ist er von ihm fasziniert. Doch Jordy hat bereits einen Freund und der ist so heiß, dass Brad sich kaum Hoffnungen macht. Als seine Eltern ihn auf eine Kreuzfahrt mitnehmen, treffen die beiden zufällig wieder aufeinander und während der Reise kommen sie sich zu Brads Überraschung näher. Aber hat Jordy tatsächlich Gefühle für ihn oder ist das zwischen ihnen nur ein Urlaubsflirt, der gegen den Alltag keine Chance hat?
Für Dominic, Elizabeth, Jane, Lynn, Julianne, Tammy, Hayley, Shannon, Ariel und meine ganze Dreamspinner-Familie. Ohne euch könnte ich das alles nicht bewerkstelligen. Ich liebe jeden Einzelnen von euch.
Ich wusste genau, dass ich mich immer daran erinnern würde, wie ich ihn zum ersten Mal gesehen hatte.
Der einzige Job, den ich damals hatte an Land ziehen können, war der bei Giant, wo ich an Wochenenden die Nachtschicht übernahm. Ich wurde extra dafür bezahlt und es verirrten sich um diese Zeit kaum Kunden in die Filiale, also war ich überwiegend damit beschäftigt, die Regale aufzufüllen und die Service-Station zu besetzen. Da es wirklich nicht viel zu tun gab, kam ich nebenher wunderbar mit dem Lernen voran.
Jedenfalls stand ich gerade draußen vor den Eingangstüren des Geschäfts und gönnte mir eine kleine Verschnaufpause, als er mit seinem grünen VW-Käfer-Cabrio auf den angrenzenden Kundenparkplatz einbog. Er zischte regelrecht an der Ladenfront vorbei, während I Will Survive aus den Lautsprechern seines Wagens plärrte und er dazu aus voller Kehle mitsang… und zwar schief. Angesichts der puren Lebensfreude, die er ausstrahlte, konnte ich mir dennoch nicht verkneifen zu lächeln.
Der Song endete, aber jedem in Hörweite wurde gleich darauf mit Chers Turn Back Time eine Zugabe gegeben. Seine Überschwänglichkeit kannte offenbar keine Grenzen und breitete sich aus wie Sonnenstrahlen, die durch eine dicke Wolkendecke brachen. Als das Lied ausklang, horchte ich gespannt auf ein weiteres, doch auf dem Parkplatz herrschte nunmehr Stille. Nach ein paar Sekunden wurde mir bewusst, dass ich unwillkürlich den Atem anhielt, während ich weitere Gesangseinlagen herbeiwünschte. Aber es geschah nichts. Die Nacht gewann ihre Normalität zurück, nach einem kurzen Moment der Spannung setzten Alltag und Banalität wieder ein. Ich war jedoch noch nicht bereit, wieder nach drinnen zu verschwinden. Stattdessen warf ich einen Blick auf die Uhr und wartete, während ich aufmerksam die Stelle beobachtete, wo das Auto des Sängers sich zwischen zwei andere gequetscht hatte.
Dann sah ich ihn: einen kleinen, schmächtigen Typen, der in Richtung Eingang schritt und seine Hüften schwang, als würde die Musik nach wie vor spielen. Ich suchte nach einem iPod oder Smartphone, konnte aber nichts dergleichen entdecken. Die Musik musste in seinem Kopf sein, und er liebte und lebte sie einfach. Zur Hölle, das tat ich auch.
Es hatte sicher nicht viele Momente in meinem Leben gegeben, in denen mir jemand wie er begegnet war, der derart unmissverständliche und ungehaltene Freude ausstrahlte. Doch dies war einer dieser Augenblicke und er zog mich unweigerlich in seinen Bann. Bevor ich wieder halbwegs klar denken konnte, hatte der Typ bereits die Schiebetüren passiert und ich folgte ihm blindlings. Was für eine Wahl hatte ich schon?
In dem fluoreszierenden Licht im Inneren sah er schlicht umwerfend aus: schlank, aber gut proportioniert, an seinen perfekten Füßen trug er lässig Flip-Flops. Mein Blick wanderte höher, vorbei an schönen Waden und hin zu einem festen, kleinen Hintern, der sich im Gehen weiterhin schwungvoll hin und her bewegte. Er hatte eine schmale Taille und einen Rücken, der nach oben hin breiter wurde und in ausladenden Schultern endete. Seinen Kopf krönte ein wuscheliges Bündel aus widerspenstigem, gebleichtem Haar.
»Brad«, flüsterte Helen und holte mich damit aus meiner Benommenheit zurück. Ich blinzelte einige Male und eilte schließlich hinüber zu meinem Platz hinter der Theke. Der Nachtmanager, Rick – kurz für Richard, aber hinter seinem Rücken nannten wir ihn nur Dick, weil das Wort sein Wesen viel besser beschrieb – steuerte unsere Richtung an. Die meiste Zeit über konnten wir tun und lassen, was wir wollten, solange keine Kunden unserer Aufmerksamkeit bedurften, aber wir mussten dabei zwangsweise auf unserem Posten bleiben, als wäre dies hier kein einfaches Lebensmittelgeschäft, sondern die verdammte Enterprise. Eine Sache wusste ich allerdings mit Gewissheit: Rick war nicht und würde niemals annähernd so sein wie Patrick Stewart.
Von der Position hinter meiner Theke aus versuchte ich, so viel zu beobachten wie nur irgend möglich. Unser hübscher Kunde tanzte beschwingt den Gang mit dem frischen Obst und Gemüse entlang und schnappte sich eine Tüte voller Äpfel, bevor er seinen Weg fortsetzte.
»Du weißt schon, dass Rick, der Dick einen Wutanfall epischen Ausmaßes bekommen wird, wenn er dich dabei erwischt, wie du einem unserer Kunden hinterherstarrst«, flüsterte Helen etwas überspitzt von der ersten Kasse herüber. Das brauchte sie mir nicht zu sagen, aber ich konnte einfach meine Augen nicht von ihm lassen. Er war genau mein Typ: zuckersüß und attraktiv auf eine nicht zu bemühte Art. Natürlich war mir klar, dass alles, was er anhatte, in gewisser Weise seine Persönlichkeit unterstrich, aber er versuchte es definitiv so aussehen zu lassen, als hätte er das Outfit eher beiläufig übergeworfen. Zweifellos besaß er ein ausgezeichnetes Gespür dafür, was ihm stand und was nicht, denn nicht jeder konnte sich erlauben, ein Shirt mit rosafarbenen, violetten, grünen und weißen Streifen zu tragen. Er schon.
»Ich weiß«, formte ich mit den Lippen. Daraufhin konzentrierte ich mich vorübergehend auf die alte Dame vor mir und half ihr mit dem Angebotspreis auf zwölf Dosen unserer Katzenfutter-Eigenmarke. Ich lächelte sie freundlich an und gab mir Mühe, sie vollkommen zufriedenzustellen, bevor ich mich artig bedankte und zusah, wie sie den Laden verließ. Alles, was ich dabei denken konnte, war, wie leid mir die armen Katzen taten, die dieses Zeug fressen sollten.
Prüfend sah Helen sich um und flitzte herüber zu meinem Schalter. »Er kommt gerade aus der Milchabteilung. Ich werde gleich ein Problem mit meiner Kassenrolle haben, damit du Mister Niedlich abkassieren kannst.« Sie zwinkerte mir zu und eilte zurück zu ihrer Kasse, gerade noch rechtzeitig, bevor Rick um die Ecke bog. Ihm gegenüber mimte sie die Unschuld in Person und lächelte ihm freundlich zu, während er vorüberzog.
Rick war nicht viel älter als ich selbst und zum gefühlt tausendsten Mal fragte ich mich, was er getan hatte, um seinen Posten zu ergattern. Er musste mit jemandem geschlafen haben, denn sicherlich hatte er sich die Stelle nicht durch Fähigkeiten, seinen tollen Umgang mit Menschen oder mathematischen Scharfsinn verdient. Ich würde darauf schwören, dass der Mann selbst bei unbenebeltem Verstand kaum bis zwanzig zählen konnte.
»Hinten steht noch ein Wagen mit Konserven«, teilte er mir im Näherkommen mit. »Wenn gerade nichts los ist, schnapp sie dir und sortier sie in die Regale.«
»Meinst du den Wagen links, gleich wenn man das Lager betritt?«, fragte ich und Rick nickte. »Den wollte ich mir letzte Nacht schon vornehmen, aber es ist wohl überschüssige Ware, die uns fälschlicherweise zugeschickt wurde. Wir brauchen die Sachen nicht und Larry meinte heute Morgen, als ich ihm davon erzählte, dass ich sie erst mal stehen lassen soll.« Larry war der Geschäftsführer.
Rick sah mich an, als hätte ich auf einmal zwei Köpfe. Das tat er immer, wenn ich etwas wusste, das ihm noch nicht zu Ohren gekommen war. Was nicht allzu schwierig war. Er stand kurz davor, einen Streit mit mir vom Zaun zu brechen. Ich konnte sehen, wie es hinter seiner Stirn arbeitete, doch just in diesem Moment näherte sich der schnuckelige Typ von vorhin und Rick würde niemals wagen, irgendeinen Konfliktpunkt direkt vor Kunden auszudiskutieren. Der süße Kerl ging zunächst auf Helen zu, aber die hatte wie angekündigt die Abdeckung ihres Bondruckers offen, sodass er sich suchend umschaute.
»Was kann ich für dich tun?«, sagte ich fröhlich, woraufhin der Hübsche zu mir herüberkam.
Und er hatte verflixt noch eins die blauesten Augen auf dieser Erde und das perfekteste Lächeln auf den Lippen, die mich sofort auf sündige Gedanken brachten, welche ich schnellstmöglich wieder verdrängte. Zum Glück befand ich mich hinter dem Ladentisch. Er legte seine Artikel vor mir ab und ich begann, ihn routiniert abzukassieren.
Da stand er nun also, genau vor meiner Nase, hinreißend und offensichtlich schwul. Und mir fiel nicht das Geringste ein, was ich zu ihm sagen könnte, nachdem ich ihn geschlagene fünfzehn Minuten mit den Augen verfolgt hatte. »Die Äpfel sind im Angebot, wenn du zwei Beutel kaufst«, merkte ich an und zuckte innerlich zusammen. Das war alles, was mir einfiel? Als ob meine klugen Shoppingratschläge ihn irgendwie beeindrucken würden.
»Danke«, erwiderte er und machte keine Anstalten, meinem Tipp nachzukommen. »Einer reicht mir.«
Während ich mich seiner restlichen Einkäufe annahm, hoffte ich inständig, dass mir ein geistreicher Scherz oder wenigstens etwas interessantes Geplänkel einfallen möge, doch mein Kopf blieb leer. Als ich mit seinen Sachen fertig war und alles in Tüten verstaut hatte, kramte er bereits seine Geldbörse hervor. Ich nannte ihm noch den Betrag, er bezahlte, schnappte seine Errungenschaften und verließ den Laden.
»Das war erbärmlich«, meinte Helen. »Deine Blicke haben bei jeder seiner Bewegungen an ihm geklebt und das ist alles, was dir einfällt? Die sind im Angebot, wenn du zwei kaufst…« Sie prustete. »Kein Wunder, dass du ewig kein Date hattest. Was ist dein bester Anmachspruch? Willst du meine Äpfel polieren?«
Sie johlte erneut und ich verdrehte die Augen. Sie hatte nicht ganz unrecht, dessen war ich mir durchaus bewusst. Ich war noch nie gut darin gewesen, mit Männern zu reden, die mich interessierten. Meistens beobachtete ich sie bloß und blieb in sicherer Entfernung, sodass sie nicht wissen konnten, dass ich überhaupt existierte, und irgendwann einen Partner fanden, der nicht ich war.
»Komm schon, du bist doch ein toller Kerl. Du bist niedlich, auf eine nerdige Art und Weise, und verdammt klug. Alles, was du tun musst, ist, die Menschen in ein Gespräch zu verwickeln. Du weißt so unheimlich viele Dinge. Wenn nur ein paar davon mal deinen Mund verlassen würden, würden die Leute dich bestimmt interessant finden.«
Jetzt rollte ich wirklich mit den Augen. »Bitte«, unterbrach ich sie, sah mich um und trat hinter der Ladentheke hervor, als ich sichergestellt hatte, dass Rick nicht in Hörweite war. »Hast du mich mal angesehen? Ich bin das reinste Knochengerüst.« Ich drehte mich um. »Und ich habe keinen Arsch«, fügte ich in gut hörbarem Flüsterton hinzu. »Meine Hosen gehen von der Taille zu den Beinen mit praktisch nichts dazwischen.«
»Ach, erzähl doch nichts«, sagte Helen. »Dein Hintern ist nur gut versteckt.« Sie hielt ganze zwei Sekunden durch, bevor sie in Lachen ausbrach. »Du bist wirklich ziemlich arschlos in dieser Hose. Aber daran ist eher die Hose schuld. Du musst dir vorteilhaftere Klamotten besorgen.«
»Ja, natürlich«, sagte ich. »Meine Eltern besitzen das nötige Kleingeld, ich dummerweise nicht.« Mom und Dad hatten zugestimmt, mir das Schulgeld sowie Unterkunft und Verpflegung zu bezahlen, sonst nichts. Dad erwartete von mir, dass ich einen Teil meiner Ausbildung selbst finanzierte, daher auch der Job hier im Lebensmittelmarkt. Wenn ich Geld für besondere Extras wollte, musste ich es aus eigener Anstrengung verdienen.
Nicht dass ich mich darüber beschweren würde. Der Unterricht am Dickinson College war großartig, und auf diese Weise erarbeitete ich mir einen Teil meines Lebensunterhalts selbst. Auch Dad hatte sein Vermögen aus eigener Kraft erwirtschaftet. Er war Augenarzt und hatte beizeiten seine eigene Praxis eröffnet, die über die Jahre so stark gewachsen war, dass unter ihrem Dach mittlerweile auch zahlreiche Optiker ihrer Arbeit nachgingen und eine weitere riesige Geschäftsstelle in Long Island aus dem Boden gestampft werden musste. Das gesamte Unternehmen hatte mein Vater quasi aus dem Nichts erschaffen und von mir verlangte er nun, dass ich mir ähnliche Fähigkeiten aneignete.
»Man muss nicht wahnsinnig viel Geld besitzen, um sich gut zu kleiden. Du brauchst nur jemanden, der ein Auge dafür hat.« Sie lächelte süß und ich erwiderte es.
»Das passt gerade, weil ich dich nämlich noch was fragen wollte. Meine Leute machen über Thanksgiving eine Kreuzfahrt…«
»Und du willst mitgehen«, beendete sie meinen Satz. »Na klar, ich helfe dir schon, deine Schichten abzudecken.«
»Darauf wollte ich nicht hinaus«, erklärte ich ihr. »Tatsächlich hab ich mich gefragt, ob du vielleicht mitkommen möchtest. Sie haben eine Kabine für mich gebucht und meinten, ich könne gerne einen Gast mitbringen. Du müsstest allerdings auf dem Schiff für deine eigenen Ausgaben aufkommen und dir noch ein Flugticket nach Fort Lauderdale besorgen. Aber das kostet dich insgesamt nur ein paar hundert Kröten.«
Helen starrte mich ungläubig an und quietschte plötzlich wie eine Verrückte. Dann hielt sie sich schnell eine Hand vor den Mund und führte einen stummen Tanz hinterm Ladentisch auf.
»Aber im Gegenzug musst du mir helfen, besser auszusehen«, erinnerte ich sie.
»Deal. Aber so was von«, willigte sie mit einem breiten Grinsen ein.
»Was stimmt euch beide denn so fröhlich?«, fragte Rick dazwischen, der in diesem Augenblick den Gang entlanggeschlendert kam.
»Brad und ich gehen auf eine Kreuzfahrt«, antwortete Helen offen.
Rick stockte. »Ihr zwei?« Er gluckste und wandte sich wieder Helen zu. »Du weißt schon, dass er ein bisschen zu viel Zeit am anderen Ufer verbringt.« Rick rückte Helen dicht auf die Pelle. Sie war ein hübsches Mädchen, dünn und mit langen, rabenschwarzen Haaren, die im Licht leicht schimmerten. »Was nicht heißt, dass ich nicht interessiert wäre.«
»Oh bitte«, erwiderte Helen scharf. »Mit dir gehe ich ganz sicher nicht aus.«
»Na ja, ich kann euch beiden schlecht zur selben Zeit freigeben.« Er klang bei diesen Worten so dermaßen selbstgefällig, dass ich ihm liebend gerne eine reingehauen hätte. Helen hingegen lächelte nur lieblich und lehnte sich über die Theke zu ihm.
»Ich denke doch, denn andernfalls wird deine kleine Anmache eben als sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ausgelegt werden. Und ich habe einen Zeugen.« Helen straffte sich und stellte sich aufrecht hin. »Du siehst, Brad und ich machen in der Woche von Thanksgiving beide Urlaub und du wirst das netterweise für uns arrangieren.« Sie grinste verschlagen und ich durfte mit ansehen, wie Rick ein bisschen in sich zusammenschrumpfte. »Wir wären dir so dankbar.«
Rick drehte sich weg und ich erkannte den abgrundtiefen Hass in seinem Gesichtsausdruck. »Du wirst trotzdem niemals irgendetwas von ihm bekommen.«
»Begreif es doch. Brad und ich sind Freunde und er wird sicher sehr viel weiter mit mir kommen, als du es jemals könntest.« Helen warf ihr Haar zurück. »Was kann ich für Sie tun?«, sagte sie, als ein Kunde sich ihrer Kasse näherte. Rick trat beiseite und Helen ignorierte ihn fortan. Ich für meinen Teil entschied, dass nun ein guter Zeitpunkt war, um die Einkaufstüten und Vorräte unter dem Tresen zu ordnen, und hoffte stark, dass Rick währenddessen in sein Büro verschwand oder wo auch immer er den Großteil der Nacht verbrachte. Das war mir ziemlich egal, solange er keinen von uns belästigte.
Sobald er gegangen war, entschlüpfte Helen ein neuerliches Quietschen, gefolgt von einem Schmunzeln. »Jetzt müssen wir ihn nur noch bis Thanksgiving ertragen. Er wird uns wahrscheinlich tierisch auf die Nerven gehen, aber ich werde ihn schon irgendwie bei der Stange halten. Immerhin sind es nur noch drei Monate bis dahin, das sollten wir überleben.« Sie blickte sich um. »Erzähl mir doch was über das Schiff. Ist es eins von diesen großen?«
»Oh ja. Wir sind auf einem echten Royal-Caribbean-Schiff. Die sind mit allem nur Denkbaren ausgestattet: Seilrutsche, Surf-Maschine, wirklich das volle Programm. Wir werden dort sieben Tage am Stück einen Mordsspaß haben.« Auch ich konnte das selige Grinsen nicht unterdrücken. Das würde so ein geniales Erlebnis werden.
Ja, ich würde ein Mädchen mitbringen und meine Mutter das wahrscheinlich als irgendein Zeichen dafür deuten, dass ich diese ganze Schwulen-Sache überwunden hatte. Meine Eltern liebten mich, aber es gab Zeiten, in denen sie absichtlich blind sein konnten. Ungefähr wie damals, als ich zwölf war und wir hoch nach Maine gefahren waren, weil Mom und Dad unbedingt Muscheln ausgraben wollten. Warum überhaupt jemand freiwillig dergleichen unternehmen wollte, ging schon über meinen Verstand, aber nun ja, wir gingen. Besorgten uns einen Eimer und Dad zusätzlich spezielle Schäufelchen.
Es war ganz spaßig und ich hatte im Grunde eine schöne Zeit, zumindest bis sie von mir erwarteten, die Muscheln tatsächlich aufzuheben. Die Schalen waren okay, andere Partien dagegen widerlich schlüpfrig und schleimig. Am Ende grub ich sie bloß aus und mein Dad musste sie in den Eimer verfrachten.
Das hätte definitiv bereits ein Hinweis auf meine sexuelle Orientierung sein müssen. Aber nein, Mom krallte sich stets an der Hoffnung fest, dass sie eines Tages eine Schwiegertochter bekommen und dabei helfen können würde, eine pompöse Hochzeit zu planen. Ich versuchte ihr zwar zu erklären, dass sie den Traum nicht zwangsläufig aufgeben müsste – statt einer Braut gäbe es eben zwei Bräutigame –, aber davon wollte sie nichts wissen. Ihrer Ansicht nach gehörten zu Hochzeiten Bräute und alles drehte sich um das obligatorische weiße Kleid. Ich liebte meine Mom wirklich innig, aber nichts und niemand auf dieser Welt würde mich jemals dazu bekommen, ein verdammtes Brautkleid anzuziehen.
Zur Abwechslung kam mal wieder ein Kunde vorbei und kurz darauf bildete sich eine Art Mini-Ansturm. Nachdem sich die Dinge beruhigt hatten, verließ ich meinen Platz, um nachzusehen, ob hinten etwas aufgefüllt werden konnte. Die Nachtschichten waren wirklich ruhig und zogen sich manchmal ewig hin. Der Trick bestand darin, möglichst beschäftigt und in Bewegung zu bleiben.
Tatsächlich fand ich einen Wagen mit Artikeln, die einsortiert werden mussten, schob ihn zum Gang mit den Konserven und machte mich an die Arbeit. Ich entwickelte gerade einen Rhythmus, als ich nach vorn gerufen wurde.
Ich hob die Absperrung an der Kasse an und näherte mich dem Kundenservicebereich, als ich den süßen Typ von vorhin wiedererkannte, der mich über die Theke hinweg ansah. »Ich hab das Falsche gekauft«, erklärte er und schob eine Packung Makkaroni mit Käse über den Ladentisch. Die Energie, die er zuvor ausgeströmt hatte, war merklich zurückgegangen und er wirkte plötzlich äußerst verhalten. »Offensichtlich gibt es da einen Unterschied.«
»Was brauchst du?«
»Es müssen unbedingt die von Kraft sein«, sagte er.
»Gib mir eine Minute«, bat ich ihn und hastete davon. Ich wusste, welches Produkt er haben wollte, und steuerte schnurstracks den richtigen Gang an. Dort griff ich nach einer der blau-goldenen Verpackungen und ging damit zurück zum Schalter. Mir fiel auf, dass er wiederholt und reichlich nervös von einem Fuß auf den anderen trat. »Hast du die gemeint?«, fragte ich und überreichte die Schachtel.
»Ja, genau«, atmete er aus. »Wer kann die schon auseinanderhalten? Ich esse das Zeug nicht, aber soll wissen, dass es einen Unterschied gibt?« Ich tauschte die Artikel für ihn um und er zahlte mir die zwanzig Cent Differenz. »Danke für die Hilfe«, sagte er noch, bevor er kehrtmachte und erneut ging.
Verflucht noch mal, und schon wieder verfolgte ich ihn mit Blicken, bis die Glasschiebetüren sich hinter ihm schlossen.
Als ich aufschaute, bemerkte ich, dass Helen mich ihrerseits musterte und den Kopf schüttelte. »Sehr erinnerungswürdig«, sagte sie nur.
»Was hätte ich denn machen sollen?«
»Keine Ahnung. Anbieten, ihm zu zeigen, wo die richtigen Nudeln sind. Ihn womöglich fragen, welche Kurse er belegt. Er hatte ein Dickinson-Polo an und das sah sogar richtig gut an ihm aus. Ihn einfach ungeniert anquatschen und angraben. Was hätte es schon geschadet?«
Jetzt war es ohnehin zu spät, also zuckte ich nur mit den Achseln und nahm die Arbeit wieder auf. Aber ich dachte noch die ganze restliche Nacht an ihn, und sogar am nächsten Morgen, als ich endlich wieder etwas Zeit nur für mich hatte.
Ich sah ihn danach einige Male auf dem Campus. Er war ständig umgeben von einer unheimlichen Menge an Bekannten und Freunden. Was mich überraschte, war allerdings, dass es sich bei einem dieser Freunde um den Quarterback des Footballteams handelte. Irgendetwas wollte da nicht recht zusammenpassen. Oder war die Welt über Nacht in Schräglage geraten? Die meisten Typen, mit denen er abhing, erschienen mir ziemlich normal oder ein bisschen nerdig wie ich, aber auf der anderen Seite waren da eben die Footballspieler, die offenbar genauso zum Freundeskreis gehörten.
»Die sind alle gut miteinander befreundet«, sagte Helen zu mir eines Tages Mitte November, als sie mich wieder einmal beim Starren ertappte. Sie saß in einem roten Adirondack-Stuhl neben mir, dick eingepackt in winterliche Kleidung, um der frostigen Kühle an diesem dennoch sonnigen Nachmittag zu trotzen. »Herrgott, du hast immer noch nicht den Mumm zusammengekratzt, mit ihm zu reden, nicht wahr?«
»Nein«, sagte ich schlicht und hielt meine Lehrbücher wie einen schützenden Schild vor mich.
»Siehst du den Typ, der direkt neben Freddie steht? Das ist sein fester Freund.«
»Ist nicht wahr!«, sagte ich viel zu laut und drehte mich weg, als diverse Leute in der Umgebung ihre Köpfe neugierig in meine Richtung wandten. »Du verarschst mich doch.«
»Tu ich nicht. Die beiden gehen schon seit fast einem Jahr miteinander aus. Offenbar gab es letztes Jahr erst einen kleinen Aufruhr deswegen, aber inzwischen kümmert sich niemand mehr wirklich darum. Er ist schließlich immer noch ein guter Quarterback und das Team hat ihre Beziehung akzeptiert.« Helen grinste. »Ich finde das ja super. Dadurch ist jeder auf dem Campus einmal ordentlich wachgerüttelt worden. Für alle, die jetzt noch ihr Coming-out haben, ist das hier keine große Sache mehr.«
»Echt cool«, sagte ich und schielte nach wie vor flüchtig zu ihnen hinüber… als mir ein Typ auffiel, der auf jenen anderen zusteuerte, von dem ich wohl leider langsam besessen war.
»Übrigens: Sein Name ist Jordy, und du hast zu lange gewartet. Er ist mit jemandem zusammen.«
Helen neigte den Kopf, als sich ein weiterer Kerl der Gruppe anschloss. »Ich hab dir gesagt, du hättest mit ihm reden sollen.« Der Neuankömmling schlang einen Arm um Jordys Taille und zog ihn dicht an sich heran. Jordy ging zwar darauf ein, aber irgendwas an der Art, wie sie beieinanderstanden, war…
»Hör auf zu starren. Das ist ein bisschen erbärmlich und verzweifelt.«
»Herzlichen Dank«, sagte ich. »Bist du deswegen zu mir rübergekommen? Um mich zu beschimpfen?«
»Nein, eigentlich wollte ich dich zu den Dingen befragen, die ich vielleicht einpacken sollte. Es geht ja schon in weniger als einer Woche los und ich kann immer noch nicht glauben, dass wir dieses arschkalte Wetter eintauschen gegen Sonnenschein und jede Menge Spaß.«
»Pack Sachen für den Pool ein, Blusen, T-Shirts, Strandkleider und so was in der Art. Die Temperaturen werden sich sehr sommerlich anfühlen. Abgesehen davon gibt es zwei formelle Dinner-Nächte. Meine Mom liebt es, viel Trubel darum zu veranstalten.« Ich lehnte mich zu ihr hinüber. »Sie hat mir bereits einen Smoking besorgt, den ich dazu anziehen soll. Du wirst wohl ein paar richtig feine Kleider brauchen.« Ich fühlte mich schlecht, weil Helen nur dank eines Stipendiums hier studieren konnte und ich diesen Teil der Abmachung völlig vergessen hatte.
»Darum habe ich mich schon gekümmert. Von den besonderen Anlässen habe ich online gelesen und mir daraufhin ein paar hübsche Sachen aus dem Secondhand-Shop in der Stadt besorgt.« Das musste ich Helen lassen: Sie hatte wirklich ein Talent dafür, aus schwierigen Umständen das Beste herauszuholen.
»Bring auch ein paar bequeme Laufschuhe mit oder dergleichen, denn an den Häfen, wo wir anlegen, können wir ausgedehnte Shoppingtouren machen oder sonst irgendwelchen Aktivitäten nachgehen. Mom meinte, sie würde einen Schnorchel-Ausflug auf St. Thomas buchen, falls wir Lust darauf haben. Auf Sint Maarten gibt es ebenfalls einige spaßige Möglichkeiten, sich die Zeit zu vertreiben. Vielleicht können wir Jet-Skis mieten.« Ich lächelte selig und Helen bebte praktisch vor Begeisterung. »Das wird so genial.« Wir unterhielten uns noch eine ganze Weile, standen dann auf und beeilten uns, um zu unseren nächsten Kursen zu gelangen.
Der Rest der Woche verlief ganz okay, wobei das Wochenende dank der Arbeit regelrecht dahinkroch. Die darauffolgende Woche schien erst recht unendlich langsam zu vergehen. Ich war noch mit Vorlesungen und Seminaren beschäftigt. Das alleine war sogar in Ordnung, aber die Chemieprüfung genau vor den Thanksgiving-Ferien war es, die mir wie ein Tritt in den Allerwertesten vorkam. Der Professor vermittelte stets den Eindruck, wunderbar zerstreut und geistesabwesend zu sein. Jedoch wusste er anscheinend alles über Chemie. Einer meiner Kommilitonen erzählte mir, dass er für die brillante Forschungsarbeit, die er geleistet hatte, eine bedeutende Auszeichnung erhalten sollte. Mir persönlich fiel es schwer, über die Tatsache hinwegzukommen, dass der Mann nur einige Jahre älter war als ich selbst. Er hatte in seinem jungen Leben bereits so vieles geschafft, ich hingegen nicht das Geringste.
Schließlich war der letzte Kurs vorbei. Ich packte meine sieben Sachen und schaffte es, für Helen und mich eine Mitfahrgelegenheit zum Bahnhof in Harrisburg zu organisieren. Der Freund, der uns fuhr, war einverstanden, uns auf seinem Weg aus der Stadt am Zielort abzusetzen. Vier Stunden später erreichten wir die Penn Station in New York City, wo meine Eltern uns einsammelten. Sie hatten für die Nacht vorausschauend ein Hotel in der Stadt gebucht, da unser Flug von Newark nach Fort Lauderdale ausgesprochen zeitig am nächsten Morgen starten würde.
Meine Mutter und Helen verstanden sich vom ersten Moment an wunderbar, was genauso gruselig wie großartig war. Ich konnte den hoffnungsvollen Ausdruck in den Augen meiner Mutter erkennen.
»Lass sie hoffen, was immer sie hoffen will«, meinte mein Vater, als er und ich unten im Foyer auf die Ankunft der Damen warteten.
»Ich bin schwul, Dad. Daran wird sich nichts ändern.« Ich konnte fast nicht glauben, dass ich diesen Satz gerade inmitten der Lobby des Marriott-Hotels herausposaunt hatte. »Ich weiß wirklich nicht, warum Mom darauf besteht, ihren Kopf in den Sand stecken zu müssen. Das macht die Sache für mich nicht unbedingt einfacher.« Ich wandte mich ab, um die verglasten Aufzüge zu beobachten, wie sie die Säule im Zentrum des Gebäudes hoch und runter glitten, ähnlich einer sich fortwährend bewegenden Plastik. »Das gibt mir ständig das Gefühl, ich wäre nicht gut genug, und dass ich jemand sein müsste, der ich nicht bin, nur um sie glücklich zu machen.« Na also, ich hatte es endlich vor einem meiner Elternteile herausgebracht.
»Ich werde mit deiner Mutter reden«, versprach Dad.
Mir war bewusst, dass die meisten schwulen Jungs sich wahrscheinlich zuerst ihrer Mutter gegenüber outeten, aber ich hatte es meinem Dad gesagt. Er war eben nicht nur mein Dad, sondern außerdem ein wirklich guter Freund und ein noch besserer Zuhörer. Ich ging immer davon aus, dass letztere Fähigkeit wohl Teil dessen sein musste, was ihn zu einem so erfolgreichen Arzt machte. Selbstverständlich war Dad absolut begeistert gewesen, als ich ihm mitgeteilt hatte, dass ich Naturwissenschaften im Hauptfach studieren würde. Er nahm sicher an, dass diese Entscheidung für mich die Pforte öffnete, um in seine Fußstapfen treten und die medizinische Fakultät besuchen zu können. Nicht, dass ich was gegen Medizin hatte, aber ich wollte viel lieber in die Experimentalchemie gehen und Forschungen betreiben.
»Danke, Dad«, sagte ich, als ich Helen und Mom aus dem Fahrstuhl steigen und uns entgegenlaufen sah.
»Sieht sie nicht hübsch aus«, sagte Mom zu mir, während sie einen Blick zu Helen warf.
»Das ist genug jetzt, Margaret«, rügte mein Vater, und nahm ihren Arm. Mom schaute unschuldig zu ihm auf und Dad führte sie davon. Ich konnte sie leise miteinander sprechen hören und kannte natürlich das Thema des Gesprächs.
»Deine Mom ist sehr nett.«