Gruselkrimi Romanpaket Extraband 1003 - W. A. Hary - E-Book

Gruselkrimi Romanpaket Extraband 1003 E-Book

W. A. Hary

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Beschreibung

Dieses Buch enthält folgende Mark Tate Romane: (599) W.A.Hary: Im Dunkeln hockt das Grauen W.A.Hary: Dämon ohne Gesicht W.A.Hary: Ein Teufel kommt selten allein W.A.Hary: Im Hause des Grauens W.A.Hary: Geisterschatten fallen düster W.A.Castell: Nostradamus und die Insel des Teufels W.A.Castell: Poker des Teufels Der Hass und die Rache treiben den ehemaligen Magier Chase dazu, einen perfiden Plan in Angriff zu nehmen. Überall auf der Welt sollen maßgebliche Persönlichkeiten beeinflusst werden, um die Macht an ihn und seine Helfer, die jenseitigen, zu übergeben. Es gibt nur einen, der ihn daran hindern kann: Gary Dano, der mit seinem zweiten Ich, Vincent Corell, alles daran setzt, die Menschen zu retten. Ihm zur Seite steht Inspektor Morley, der jedoch von seinen Vorgesetzten zurückgepfiffen wird. Mark Tate ist der Geister-Detektiv. Mit seinem magischen Amulett, dem Schavall, nimmt er es mit den Mächten der Finsternis auf und folgt ihnen in andere Welten und wenn es sein muss, bis in die Hölle. Ihm zur Seite steht May Harris, die weiße Hexe.

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W.A.Hary, W.A.Castell

Gruselkrimi Romanpaket Extraband 1003

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Inhaltsverzeichnis

Gruselkrimi Romanpaket Extraband 1003

Copyright

Im Dunkeln hockt das Grauen

Dämon ohne Gesicht

Ein Teufel kommt selten allein

Im Hause des Grauens

Geisterschatten fallen düster

Nostradamus und die Insel des Teufels

Poker des Teufels

Gruselkrimi Romanpaket Extraband 1003

W.A.Hary, W.A.Castell

Dieses Buch enthält folgende Mark Tate Romane:

W.A.Hary: Im Dunkeln hockt das Grauen

W.A.Hary: Dämon ohne Gesicht

W.A.Hary: Ein Teufel kommt selten allein

W.A.Hary: Im Hause des Grauens

W.A.Hary: Geisterschatten fallen düster

W.A.Castell: Nostradamus und die Insel des Teufels

W.A.Castell: Poker des Teufels

Der Hass und die Rache treiben den ehemaligen Magier Chase dazu, einen perfiden Plan in Angriff zu nehmen. Überall auf der Welt sollen maßgebliche Persönlichkeiten beeinflusst werden, um die Macht an ihn und seine Helfer, die jenseitigen, zu übergeben. Es gibt nur einen, der ihn daran hindern kann: Gary Dano, der mit seinem zweiten Ich, Vincent Corell, alles daran setzt, die Menschen zu retten. Ihm zur Seite steht Inspektor Morley, der jedoch von seinen Vorgesetzten zurückgepfiffen wird.

Mark Tate ist der Geister-Detektiv. Mit seinem magischen Amulett, dem Schavall, nimmt er es mit den Mächten der Finsternis auf und folgt ihnen in andere Welten und wenn es sein muss, bis in die Hölle. Ihm zur Seite steht May Harris, die weiße Hexe.

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

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Alles rund um Belletristik!

Im Dunkeln hockt das Grauen

W. A. Hary:

„… aber dort bleibt es nicht - garantiert!“

Der Friedhof lag im Schatten der Nacht. Er war klein und unbedeutend für Helsinki, der Hauptstadt von Finnland, aber nicht für das Böse, das ihn zu seinem Zentrum erko­ren hatte.

Und da geschah es. Am Himmel erschienen dräuende Wolken. Sie hingen so tief, als würden sie jeden Augenblick herunterstürzen, um alles unter sich zu begraben - die Lebenden und die Toten. Ein Sturm kam auf, peitschte die Trauerweiden, die Büsche, die Sträucher, warf Blumenstö­cke um und wirbelte raschelndes Laub über die engen Pfade zwischen den Gräbern. Ein Grollen erschütterte die Erde.

Vielerorts hoben die Menschen lauschend die Köpfe. Sie spürten ein Schaudern, ohne es sich erklären zu können.

Aber es blieb nicht bei dem unterirdischen Grollen. Der Laut schwang empor, erwuchs zu einem wahren Erdbeben, das jedoch auf den kleinen Friedhof beschränkt blieb. Wie war das möglich? Was verursachte das Grauen?

1

Niemand war zu sehen, bis sich ein mächtiger Schatten auf den Friedhof nieder senkte. Er ge­bot dem Sturm Einhalt und befahl der Erde, sich zu öffnen.

Knarrend bildete sich ein Spalt. Felsen zersplitterten. Die Friedhofserde wurde von Rissen übersäht. Der Spalt öffnete sich weiter, bis er die ersten Gräber berührte. Dort bewegte sich et­was. Es kreuchte und fleuchte wie Ungeziefer. Der Schatten wurde intensiver. Ein erneutes Beben erschütterte die Erde. Es mischte sich lautes Klagen dar­ein, das seinen Ursprung direkt in der Friedhofserde hatte. Der Spalt war breit genug und dennoch öffnete er sich weiter, diesen berstenden, knackenden, knarrenden und schließlich donnernden Laut des Grauens hervorrufend.

Da, eine Knochenhand schob sich aus dem Spalt, zitternd und zaudernd zunächst, aber gleich zielsicherer. Sie fand Halt und zog den Körper eines Toten nach. Knurrend schlug er um sich, als müsste er sich gegen etwas wehren. War es der mächtige Schatten, der die Toten in ihrer ewigen Ruhe störte und zu etwas antrieb, was sie selber nicht woll­ten? Die Toten mussten sich erheben. Dazu waren sie ver­dammt. Der schwarze Schatten verkörperte das Böse und entweihte den Friedhof.

Der Tote kletterte vollends aus dem Erdspalt. Ihm folgte ein Schreckensheer von Leichen, die teilweise schon viele Jahre unter der Erde gelegen hatten.

Der erste Blitz zuckte vom Himmel. Er überzog das Firmament mit einem glühenden Adernetz und konzentrierte seine Energien auf den Friedhof.

Hundert Tote hatten die Gräber verlassen. Mehr brauchte das Bö­se nicht. Die Energien fuhren in die Toten hinein und ver­wandelten sie. Als würde man Tarnkappen über sie werfen, verschwand der Eindruck, dass es sich um Leichname handelte, die vom Bösen beseelt wurden. Sie bekamen ihr menschliches Aussehen zurück. Mehr noch als das: Sie wirkten wie Zeitgenossen, denn selbst die Kleidung war auf das Heute abgestimmt.

Jenseits des Friedhofes stand ein Mann, der dies alles beobach­tete und vor sich hin murmelte: »Ich danke euch allen, Brüder und Schwestern, die ihr wie ich in der Schwarzen Mafia verbunden seid. Mit eurer Macht habt ihr das Heer geschaffen, mit dem ich in den Krieg ziehen will. Ich habe euch versprochen, Helsinki für das Böse zurückzuerobern, nach­dem es als Bastion der Schwarzen Mächte dank Mark Tate und seinen Freunden verlo­ren gegangen ist. Dunkel senkt sich über die Hauptstadt von Finnland - und in diesem Dunkel hockt das Grauen!«

Kaum hatte er ausgesprochen, als sich der Höllenspalt wieder schloss. Erneut raste ein Sturm über den Friedhof. Er brandete gegen die hundert Untoten an, ohne sie umwerfen zu können. Ihre Gesichter waren bleich und ihre Augen wirkten gläsern. Sonst konnte man sie nicht von Lebenden unterscheiden. Die Erde wurde geglättet, die Risse wurden verkittet. Danach sah alles wieder so aus wie vordem. Selbst die Wolken verzogen sich. Etwas Grauenvolles war ge­schehen und kein Mensch ahnte etwas davon.

Das Schreckensheer setzte sich in Marsch und stieß auf seinen Hauptmann: Per Brake, der dä­monische Gesandte der Schwarzen Mafia. Sie waren be­reit zur Rache und Per Brake übermittelte ihnen auf lautlose, ja gespenstische Art und Weise die Details seines grausamen Planes...

*

Alle hundert waren in Gruppen auf gespalten. Per Brake befand sich bei einer der Gruppen. Die Verständigung erfolgte mittels Schwarzer Magie. Denn Per Brake war ein Magier. Falls er hier in Helsinki Erfolg hatte - woran er keine Sekunde zweifelte -, avan­cierte er innerhalb der Schwarzen Mafia zum Schwarzen Don und mächtigsten Magier - von Finn­land. Damit würde Finnland in­offiziell von der Schwarzen Mafia ausgebeutet werden.

Per Brake knirschte mit den Zähnen. Ein großes Ziel. Zuerst aber musste er das Chaos in Hel­sinki säen, damit jedermann wusste, zu was er fähig war. Nach dieser Nacht des Schreckens würde er seine Macht ausbauen und Forderungen an die Mächtigen stellen. Der Triumph und der Sieg waren ihm gewiss. Daran würden auch Tab Furlong und seine Frau Kathryn nichts ändern, die sich als Vertreter der weißmagischen Gruppe um Mark Tate in Helsinki befanden.

Per Brake orientierte sich kurz. Dann gab er das Zeichen. Alles musste auf die Sekunde genau hinhauen. Das ergab die größten Erfolgsaussichten in diesem ent­scheidenden Vorspiel.

Die ersten Untoten stürmten aus der Deckung über den freien Platz. Es war eine Kleinigkeit ge­wesen für sie, durch den gesi­cherten Zaun zu kommen. Jetzt erfolgte die letzte Hürde. Das war nicht so ungefährlich, denn die Zentrale der Energieversorgung wurde seit dem Terroranschlag im letzten Jahr überwacht. Damals war es Terroristen gelungen, alle fünf Elektrozentralen lahm zu legen und Helsinki in das Chaos zu stürzen.

Per Brake lachte schadenfroh. Die ganze Bewachung würde nichts nützen und das Chaos würde diesmal noch schlimmer werden.

Das Summen der Hoch­spannung verfolgte die beiden Untoten. Ungeheure Energien flossen in den Drähten über ih­nen. Ausnahmslos endeten sie in dem weitläufigen Gebäude. Hier war eine der wichtigsten Elektro­hauptzentralen. Ein Großteil von Helsinki, der Hauptstadt Finn­lands, wurde von hier aus ver­sorgt. Ja, das war goldrichtig für die finsteren Pläne der Schwarzen Mafia.

Die beiden erreichten das Ein­gangsportal. Per Brake wunderte sich schon, wieso noch nichts passierte. Der Platz, an dem frü­her der Wächter gestanden hatte, war leer. Keiner der heute vor­handenen Wächter befand sich auf dem Präsentierteller. Man hatte nur deshalb so lange gezö­gert, um zu sehen, ob noch ande­re nachfolgten. Gewiss standen jetzt die Männer in der Wach­zentrale an ihren Infrarot­schirmen und wunderten sich, dass sie niemanden sehen konn­ten. Denn Untote hatten keine Körperwärme und auch Per Bra­ke, der Magier, war für die In­frarotkameras unsichtbar.

Im nächsten Augenblick flammten die Scheinwerfer auf und gossen grelles Licht über das Gelände.

»Halt, stehen bleiben!« rief eine mächtige Lautsprecherstimme über den Platz.

Die beiden Untoten rissen wie gedrillte Soldaten ihre Ma­schinenpistolen hoch und schick­ten eine Garbe in den Lautspre­cher. Es gab einen Kurzschluss. Rauch puffte empor. Und da wurde das Feuer von den Wäch­tern eröffnet.

Per Brake wusste genau, wo die Wächter zu finden waren. Weil er es wusste, war es auch seinen Untoten bekannt. Die Wächter setzten ihre Maschinengewehre ein. Sie feuerten erst auf den Boden vor die beiden laufenden Untoten. Abermals rissen diese ihre Maschinenpistolen hoch. Sie schossen mit einer unglaublichen Präzision. Drei Wächter, die sich nicht tief genug in Deckung ge­drückt hatten, wurden getroffen. Sie kippten über die Brüstung der Wachgalerie und segelten in die Tiefe. Mit einem dumpfen Lauf kamen sie im Hof an. Die anderen Wächter drehten durch, als sie das sahen. Sie hielten ihre Ma­schinengewehre jetzt genau auf die beiden Mörder und zogen den Abzug durch. Die Kugeln trafen ins Ziel, aber Tote können nicht mehr sterben. Die beiden Toten wurden zwar vom Aufprall der Geschosse zu Boden gerissen, doch sie standen sofort wieder auf und liefen weiter. Einer hatte seine Maschinenpistole verloren und hob sie wieder auf.

Die Tür zum Gebäude war ge­schlossen. Sie jagten ihre Kugeln in das Schloss und warfen sich gegen die Tür. Ein Mensch hätte diese brutale und rücksichtslose Gewalt nicht in solchem Maße durchführen können, aber die Untoten waren unempfindlich gegenüber jedem Schmerz und rücksichtslos sich selbst gegenüber. Die Tür wurde von ihnen aufgesprengt. Die beiden liefen weiter.

Die Wächter der Elektrozentra­le schalteten die Alarmsirenen ein und beeilten sich, um den beiden Eindringlingen entgegenzutreten.

Per Brake hörte im Inneren des Gebäudes die Maschinenpistolen seiner Leute knattern und lachte hart. Jetzt löste er sich mit zwei weiteren Untoten aus der De­ckung und rannte ebenfalls über den Platz. Der Rest blieb zurück und gab Feuerschutz. Die Kugeln zischten über sie hinweg und ließen den Verputz des Gebäudes herunterrieseln. Einer der Wäch­ter, die sich noch auf der Galerie befanden, bediente todesmutig sein Maschinengewehr und hielt es direkt auf den Dreiertrupp. Die Geschoßgarbe hämmerte herüber und traf voll ins Ziel. Im gleichen Augenblick wurde der Schütze selber tödlich getroffen und schrie ein letztes Mal. Per Brake wurde von den Treffern umgeworfen. Er stöhnte laut. An drei Stellen waren Kugeln in seinen Körper eingedrungen. Eine Kugel hatte sein Herz durchbohrt. Er knallte die rechte Hand mit der Handflä­che auf die schreckliche Wunde und saugte die Kugel mit ma­gischen Kräften wieder heraus. Sofort schloss sich die Wunde wieder. Der wahnsinnige Schmerz verging, als er es an den anderen Körperstellen genauso machte. Dabei verlor er naturgemäß Kräf­te, doch das konnte sich Per Brake leisten. Er brauchte nur daran zu denken, wie groß das selbst gesteckte Ziel war. Das beflügelte ihn.

Er sprang auf und hetzte sei­nen Untoten hinterher. Sie waren schneller und besser mit den Treffern fertig geworden und hatten im Summen der Anlage fast den Eingang erreicht. Per Brake hetzte in langen Sätzen über den Platz und lief einen Superrekord. Das machte ihm kein Mensch nach. Aber Per Bra­ke war kein Mensch mehr. Er war dabei, vom Magier zum Dämon zu reifen.

Ein einzelner Wächter wagte es, sich der Dreiergruppe ent­gegenzustellen. Er hatte keine Chance. Lautes Rattern zerstörte den Frieden unter den singenden Drähten. Tödlich getroffen sank der Wächter zu Boden. Ohne sich auch nur einen Sekundenbruch­teil aufhalten zu lassen, stiegen die drei über ihn hinweg und stießen das innere Portal auf. Die Türflügel schwangen hinter ihnen wieder zu. Die drei nahmen einen anderen Weg als ihre Vorgänger, denn diese mussten sich um den Rest der Bewachung kümmern.

Der zweite Schub preschte her­an. Per Brake registrierte es nur am Rande. Von oben wurde kein Feuer mehr gegeben. Die Wächter auf der Galerie waren bereits aus­geschaltet.

Die drei rannten den kahlen Gang entlang zur Zentrale und erreichten die Eingangstür. Mit den Füßen traten sie die Tür auf. Hier herrschte keine hektische Betriebsamkeit. Nur drei Männer versahen ihren wichtigen Dienst. Sie saßen im großen Rund des Raumes verteilt, beobachteten Messanzeigen und betätigten Knöpfe und Schalter und Hebel. Sie taten Dinge, von denen die Eindringlinge keine Ahnung hatten. Aber die ungebetenen Gäste interessierten sich auch gar nicht dafür. Sie hatten anderes vor, als eine Informa­tionsbesichtigung zu veranstal­ten. Die drei Angestellten hatten die Schüsse sehr wohl gehört. In ihren Gesichtern stand die nackte Angst. Bis jetzt hatten sie gehofft, dass die Bewachung stark genug war. Jetzt sahen sie sich ge­täuscht. Wieder zogen die Unto­ten die Abzüge der Maschinenpis­tolen durch.

Per Brake brüllte begeistert: »Wir haben massenhaft Zeit. Macht alles kurz und klein.« Sie ballerten wild in die Anlage hin­ein. Meterlange Stichflammen schossen aus der aufplatzenden Verkleidung. Einer der Untoten kam zu nahe und wurde vom Feuer erfasst. Er grollte abgrund­tief. Per Brake hätte ihm vielleicht helfen können, aber er sah wenig Sinn darin. Kalt lächelnd schaute er zu, wie einer seiner Kämpfer im Feuer verging. Am Ende blieb nur noch ein Häufchen Asche übrig - und eine Maschinenpistole, die nun keinem mehr gehörte.

Das Grauen griff weiter um sich. Per Brake konzentrierte sich auf die anderen vier Kommandos. Synchron hatten sie die restli­chen Anlagen, in und um die Stadt verteilt, angegriffen. Überall waren die Sirenen aufgeheult. Und in Helsinki gab es totalen Stromausfall. Außer in den Kran­kenhäusern und in anderen wichtigen Institutionen, die sofort auf Notstromaggregate um­schalteten.

So ein Notstromaggregat hatte auch der Rundfunk. Über Radio hörte man die nervöse Stimme eines Sprechers: »Bitte, keine Panik, verehrte Helsinkier. Den­ken Sie an die Ereignisse von vor einem Jahr. Leider ist schon wieder in Helsinki der Strom aus­gefallen. Bleiben Sie bitte daheim in Ihrer Wohnung und verschließen Sie Fenster und Tü­ren.«

Per Brake hatte kein Radio. Trotzdem wusste er von der Radiosendung. Hier waren sie noch nicht fertig. Noch hätte man die Anlage reparieren können. »Die Handgranaten«, brüllte er. Diese beiden Worte wurden auch von den Untoten in den anderen vier Elektrozentralen verstanden. Er übermittelte sie ihnen auf ma­gische Weise. Jeder der Untoten hatte Handgranaten dabei. Sie wurden gezündet und strategisch verteilt. Ihre Ladungen hatten eine Verzögerung von mehr als die üblichen fünf Sekunden. Da­für war die Sprengkraft höher. Die Untoten agierten im Auftrag der Schwarzen Mafia und in dieser Organisation gab es für alles Spezialisten, die sich nicht auf Zufälle einließen. Die Schwarze Mafia schlug noch ein­mal zu. Ausführende waren die lebenden Toten, die in dieser Nacht ihren Gräbern entstiegen waren, weil man ihre ewige Ruhe unterbrochen hatte. Jetzt rannten sie. Mitten unter ihnen war Per Brake. Er freute sich auf das Feu­erwerk.

Kaum hatten sie das Ende der Absperrung erreicht, als das Ge­bäude der Elektrozentrale hoch­ging. Mehrere Detonationen vermischten sich zu einem grollenden Konzert der Vernich­tung. Die Mauern platzten aus­einander, das Dach wurde weggefetzt, um einer Feuersäule Platz zu machen, die zum Himmel raste. Drähte, die von Überland kamen und noch Energie führten, klatschten zusammen und erzeugten ein Feuerwerk beson­derer Art. In der Folge fiel ein Teil der Stromversorgung auch im Hinterland aus.

Per Brake betrachtete das Feu­er. Es spiegelte sich in seinen grausamen Augen wider. Die ersten Gesteinsbrocken regneten nieder, gefolgt von leichterer Asche. Der Rauchpilz über dem kläglichen Überrest der stolzen Elektrozentrale wurde vom Wind erfasst und über die Stadt ge­trieben. Per Brake genoss es mit seinem teuflischen Gemüt. Ein Gesteinsbrocken traf ihn am Schädel und erzeugte nicht ein­mal eine Schramme. Er warf den Kopf in den Nacken und brüllte sein schreckliches, grausames, mit magischer Energie angerei­chertes Lachen. Der Wind trug es der Rauchsäule nach und wo es die Ohren von Menschen erreich­te, erzeugte es Angst und Ent­setzen. Per Brake. Das war seine große Nacht - die Nacht des Grauens.

*

»... wird der Ausnahmezustand verhängt. Die Bürger von Helsinki werden noch einmal gebeten, ihre Wohnungen nicht zu verlassen. Militär wurde angefordert, um die Straßen von Helsinki zu überwa­chen. Es handelt sich erneut um einen gut vorbereiteten Terrorakt. Die Terroristen hatten keine Gna­de mit den Menschen, die in den Elektrozentralen arbeiteten. Das Militär wird Notzentralen errich­ten und damit versuchen, die Versorgung der Stadt im Laufe des morgigen Tages wieder einigermaßen zu sichern. Wichtig ist dabei, dass die Bürger nicht in Panik ausbrechen. Sonst vergrö­ßern sie nur das Unglück. Es wird alles getan, die Täter ausfin­dig zu machen. Noch ist nicht be­kannt, ob es sich um die selbe Tätergruppe wie voriges Jahr...«

Yrjö Sibelius schaltete das Radio aus. Das flackernde Kerzenlicht warf taumelnde Schatten über sein Gesicht und verlieh ihm ein gespenstisches Aussehen. Er betrachtete seine Gäste: Kathryn und Tab Furlong.

»Was halten Sie davon?« fragte Sibelius, der Polizeipräsident von Helsinki. Er hatte die beiden Eng­länder dazu überredet, ein paar Tage seine Gäste zu sein.

»Die Schwarze Mafia!« sagte Tab Furlong, seines Zeichens Chefinspektor von New Scotland Yard.

Kathryn, seine Frau, knetete die Hände. »Ja, die Schwarze Ma­fia«, sagte sie tonlos. »Wie heißt es noch im Sprichwort: Kaum ist die Katze aus dem Haus, tanzen die Mäuse auf dem Tisch. Die Katze heißt in diesem speziellen Fall Mark Tate. Seit Mark in der Dimension Oran verschollen ist, wird die Schwarze Mafia immer dreister. So schwere Geschütze hat sie noch nie aufgefahren. Was hat sie denn vor? Will sie sich in dieser Art an Helsinki rächen?«

Tab Furlong nickte zu ihren Worten. »Die Schwarze Mafia will ein Exempel statuieren und zeigen, wozu sie in der Lage ist. Aber die Mitglieder der Schwarzen Mafia sind im Grunde genommen feige. Ich bin überzeugt davon, dass hinter alldem nur ein einziger Magier steht. Den gilt es ausfindig zu machen.«

»Nur ein einziger Magier?« echote Sibelius erstaunt. Er hatte einen unglaublichen Wandel mit­gemacht - vom ungläubigen Realisten zum Mitstreiter gegen das Böse. Schuld daran waren seine Erfahrungen im Falle Scharlon.

»Und seinen untergeordneten Helfern!« fügte Tab Furlong hinzu. »Das ist typisch für die Vorge­hensweise der Schwarzen Mafiosi. Würden sie auf einmal ihre Macht vereinen, könnten sie die Erde überrollen. Aber das werden sie niemals wagen. Diese Frage darf ich nicht nach den Gesetzen der Logik beantworten, denn so etwas wie Logik besteht bei den Schwarzen Mafiosi nicht. Vielleicht haben sie Angst davor, mit einem solchen ent­scheidenden Schlag die Mächte des Himmels auf den Plan zu rufen? Entscheidend dürfte vor allem auch die Tatsache sein, dass sie aufeinander eifersüchtig sind. Früher hätte ich niemals für möglich gehalten, dass es so et­was wie die Schwarze Mafia über­haupt geben könnte. Jetzt weiß ich es besser und lasse mich dennoch nicht täuschen. Würde die Schwarze Mafia mit einem Schlag die Erde unter ihre Knute zwingen, müssten sich unter ihr Führer herauskristallisieren, auf deren Wort die anderen hören. Das ist nach wie vor undenkbar. Jeder würde gern die Welt beherr­schen und keiner gönnt es dem anderen. Deshalb haben wir Men­schen auch noch eine Chance.«

»Also nur einen einzigen Gegner und seine Helfer«, brummte Sibelius und lehnte sich zurück. »Es ist unglaublich, was dieser einzige alles auf die Beine gebracht hat. Da sind die Terro­risten vom vorigen Jahr wahre Waisenknaben. Und damals hatten wir enorme Hilfe. Der ame­rikanische Präsident war zu Gast. Entsprechend dem wimmelte es nur so von Geheimdienstlern. Wir Polizisten hatten mit der Ange­legenheit relativ wenig zu tun. Ehe wir uns versahen, war der Fall auch schon abgehandelt.« Er schnellte nach vorn wie ein zu­schnappender Raubvogel. »Aber der Ausnahmezustand bedeutet auch, dass wir erneut die Besetzung des Regierungspa­lastes befürchten. Zufällig waren noch einige der Herren und Damen Senatoren anwesend, als das Licht ausfiel.«

»Aber das ist ja entsetzlich!« rief jemand von der Tür her. Es war die Frau von Polizeipräsident Yrjö Sibelius. Minna Sibelius hatte noch immer nicht ganz verdaut, dass es so etwas wie Schwarze Magie und Schwarze Mafia wirklich geben sollte. Sie kam nä­her.

Ihr Mann sagte: »Ich muss mit Ihnen rechnen können, Herr und Frau Furlong. Hören Sie? Es gibt in dieser Stadt nur zwei Experten, was Schwarze und Weiße Magie betrifft. Das sind Sie. Und kom­men Sie mir nicht mehr mit Mark Tate. Er hat mit diesem Fall nichts zu tun, weil er wahrschein­lich selber in der Patsche sitzt.«

Die Furlongs standen auf. »Wir sind bereit dazu.«

»Und wie gehen Sie vor?«

»Sorgen Sie für ein gutes Funk­gerät und eine Stelle, mit der wir ständig in Verbindung bleiben können. Des weiteren müssen Ih­re Polizisten die Straßen überwa­chen. Und dann machen wir uns auf den Weg, um unseren Gegner zu finden.«

»Brauchen Sie Unterstützung?«

»Nein, Herr Sibelius, vorläufig nicht. Wir werden sie gegebenen­falls anfordern.«

»Viel Glück!«

2

Per Brake brauste mit dem Wagen kreuz und quer durch die Stadt. Er wusste, dass Dunkel­heit allein genügte, um Massen­hysterie und Panik zu erzeugen. In der Nähe des Vergnügungs­zentrums stellte er den Wagen ab. Er war allein und befand sich dennoch ständig im Kontakt mit seinen rund hundert Untoten. Auf der Straße herrschte Getüm­mel. Einige in der Menge be­gannen zu schreien. Die Men­schen wollten der Finsternis ent­rinnen - aber alle in verschie­denen Richtungen. So bildete sich eine Menschentraube nach der anderen. Per Brake begab sich mitten hinein. Er genoss es mit satanischer Freude, war er doch für alles Böse in dieser Nacht verantwortlich.

Jemand setzte ihm seinen Ellenbogen ins Gesicht. Dank sei­ner Magie konnte Per Brake in der Dunkelheit so gut wie am helllichten Tag sehen. Wenn er es nur wollte. Er erkannte die angst­verzerrte Miene des Schuldigen. Der Mann war völlig außer sich und wusste nicht mehr, wo er war und was er tat. So erging es Tausenden. Der Himmel war leicht bedeckt. So drang nicht einmal das Sternenlicht zu ihnen herunter. Man konnte kaum die Hand vor den Augen sehen.

Irgendwo machte einer einen schrecklichen Fehler, indem er sich in sein Auto hockte und die Scheinwerfer einschaltete. Die Menschen schrieen auf und jag­ten hinüber wie Motten zum Licht. Per Brake sah die riesigen Schatten, die gegen die Häuserwände geworfen wurden und hörte die Angst und das Ent­setzen. Der Autofahrer bezahlte seinen Fehler mit dem Leben und Per Brake, der Grausame, der Furchtbare, der Gesandte der Schwarzen Mafia, lachte dazu sein schreckliches Lachen. Die Menschen um ihn herum spürten das Böse und wichen erschro­cken vor ihm zurück. Per Brake lachte ihnen ins Gesicht.

Die Scheinwerfer erloschen. Glas zersplitterte. Die Sirenen von Polizeifahrzeugen klangen auf und hallten herüber. Die Streifen­wagen näherten sich rasch. Yrjö Sibelius hatte seine Polizisten ge­schickt, um die Ordnung wieder­herzustellen. Nur Per Brake wusste, dass ihm das nicht gelingen konnte. Die lange Nacht hatte erst ihren Anfang gefunden. Und er lachte abermals. Die Men­schen flohen vor ihm, aber das Lachen holte sie ein. Sie wussten, dass niemand dem Grauen ent­rinnen konnte - dem Grauen, das da rings um sie im Dunkeln hockte. Hundert Untote waren unterwegs, um das Chaos zu vergrößern.

*

Helsinki, schwedisch Helsing­fors, war seit 1812 die Haupt­stadt Finnlands und der absolute Mittelpunkt sowohl in kultureller als auch in wirtschaftlicher Hin­sicht. Und der Mittelpunkt von Helsinki wiederum war der re­präsentative Senatsplatz, von den Einheimischen Suurtori genannt, mit dem Denkmal Zar Alexanders II., gesäumt von der klassizistischen Domkirche, dem Senatsgebäude und der Universität. Auf den breiten Treppen, die zur Domkirche hinaufführten, hatten sich Ungezählte versammelt, um gemeinsam das Ende der Katastrophe mit Namen Dunkelheit abzuwarten. Denn nicht überall brachen die Menschen in Panik aus. Und sie gaben nicht viel auf die Meldungen, dass die Dunkelheit in dieser Nacht besiegt werden konnte. Gemeinsam fühlten sie sich stark. Meistens handelte es sich um Jugendliche. Manche wirkten abgerissen und ver­gammelt. Ein Volk, wie man es in jeder Großstadt antrifft - bei den Brunnen, in den Parks, in den Zentren und Fußgänger­zonen.

Per Brake, der Schwarze Ma­fioso, wusste von seinen Untoten, wie viele Menschen versammelt waren. Das passte ihm gut. Er verließ das Vergnügungsviertel mit dem gestohlenen Wagen und fuhr in Richtung Suurtori. Ob­wohl er es auf einmal eilig hatte, fuhr er einen kleinen Umweg. Er mied die Hauptstraßen, denn dort würde erfahrungsgemäß das Chaos am größten sein. Nach sei­ner Rechnung spaltete sich die Einwohnerschaft von Helsinki nunmehr in drei Hauptgruppen: Die einen würden weisungsgemäß Türen und Fenster verbarrika­dieren und erst einmal abwarten. Die anderen gingen auf die Stra­ße, weil für sie die Einsamkeit ih­rer Wohnung unerträglich war. Die anderen strebten zwar eben­falls nach draußen, aber ihr Mo­tiv war Plünderung, Raub und Mord.

Per Brake knirschte mit den Zähnen. »Die Nacht der Nächte!« knurrte er. Es klang abgrundtief wie aus einem Grab. Er befuhr gerade eine Seitenstraße und trat auf das Gas, um schneller voran zu kommen. Die Häuser rechts und links wurden vom Schein­werferlicht überstrahlt. Keine Menschenseele war zu sehen und der Motor übertönte alles. Als wä­re Helsinki eine tote Stadt. Plötz­lich änderte sich das Bild. Aus einer Einfahrt schoss ein schwe­rer amerikanischer Stra­ßen­kreu­zer und stellte sich quer. Im Schatten des Fahrzeuges spran­gen ein paar Figuren her­um. Per Brake glaubte, ein Messer Sekun­denbruchteile blitzen zu se­hen. Es gab nur eine Alternative: Entweder anhalten oder mit voller Geschwindigkeit gegen den Stra­ßenkreuzer prallen. Aber auch dann würde er nicht weit kom­men.

Per Brake ging mit dem Gas herunter und bremste ab. Darauf hatten die Typen nur gewartet: Ein Plünderungskommando, das auch vor einem Mord nicht zu­rückschreckte. Im Verborgenen, in der Finsternis, in der Deckung des Nachtschattens blühte und gedieh das Verbrechen. Men­schen sahen es als einmalige Ge­legenheit an, sich zu bereichern. Gewiss stiegen allerorten auch Kriminelle in abgesperrte Wohnungen hinein. Wenn der Tag erwachte, würde man die Spuren des Grauens schon se­hen: Erwachender Tag? Per Brake kicherte leise. Er war gespannt darauf, was die Gangster zu tun gedachten. Kaum stand sein Wagen, ging alles sehr schnell. Sie preschten von zwei Seiten heran. Insgesamt waren es etwa fünfzehn, meist im halbwüchsigen Alter. Sie waren mit Schlagstöcken, Fahrradketten und dergleichen bewaffnet. Einige trugen ziemlich lange Messer bei sich und der große Bärtige, der zur Fahrerseite kam, sogar ein altmodisches Schwert, das er bestimmt aus einer Sammlung entfernt hatte.

Per Brake rührte sich nicht von seinem Platz. Die mit den Schlag­stöcken hieben gegen die Wind­schutzscheibe. Sie zerplatzte und die Scherben regneten auf Brakes Schoß. Brake grinste breit. Die Fahrertür wurde aufgerissen. Die Hand des Bärtigen zuckte vor, um Brake zu packen.

Die Beifahrertür war abge­schlossen. Kein Problem für die Killer. Sie schlugen auch da die Scheibe ein und entriegelten die Tür. Wie die Geier warfen sie sich auf Per Brake. Sie schlugen und traten nach ihm und zerrten ihn nach draußen. Eine Taschen­lampe leuchtete ihm ins Gesicht. Im Schein der Lampe glitzerten seine Augen wie geschliffene Dia­manten. Sie sahen diese Augen, ließen sich aber nicht zurück­schrecken. Geübt durchsuchten sie seine Kleidung. Aber er hatte nichts bei sich, was für sie von Wert gewesen wäre. Auch der Wagen war völlig leer. So lange ließen sie ihn am Leben - bis sie zu dieser Erkenntnis gelangt waren.

Alle gingen schweigend und routiniert vor, als hätten sie jah­relang nichts anderes getan. Der Bärtige holte mit seinem Schwert aus, um Per Brake zu erschlagen. Es durfte keine Zeugen dieser ruchlosen und dabei völlig sinn­losen Tat geben. Das Schwert zuckte herunter und traf Per Bra­ke, den Schwarzen Mafioso, am Hals. Ein Laut, als hätte das Schwert Granit getroffen. Von der Wucht des Schlages wurde das Schwert aus den Händen des Bärtigen geprellt. Der Killer, der hinter Per Brake stand, ließ sich auch davon nicht beirren. Er sah den schmalen Rücken von Per Brake vor sich und stieß mit dem Messer zu. Die Klinge drang tief ein. Im nächsten Augenblick wurde sie glühend heiß. Der jungendliche Killer wollte den Griff loslassen und schrie über­rascht. Die Hand ließ sich nicht mehr lösen. Die Hitze stieg sprunghaft und verbrannte seine Hand. Das Metall des Messers verflüssigte sich und tropfte weiß glühend zu Boden. Der Killer schrie wie am Spieß. Der grau­same Schmerz warf ihn um. Er strampelte und schrie.

Die anderen wichen plötzlich vor dem Schwarzen Mafioso zu­rück. Sie hatten erkannt, dass sie an den Falschen geraten waren. Per Brake wollte sie nicht ver­nichten, sondern wollte ihnen nur eine Lehre erteilen. Danach soll­ten sie noch grausamer weiterma­chen. Das war in seinem Sinne. Sie kamen nicht weit. Seine Ma­gie hielt sie auf. Einer zog einen Revolver und richtete ihn auf Per Brake. »Das Schwein mache ich alle!« schrie er. Sein Finger krümmte sich um den Abzug. Der Hammer schlug vor und traf die Patrone. Der Schuss brach. Jeder konnte die Mündungsflamme und den Pulverdampf sehen. Und je­der konnte sehen, dass die Kugel ein kleines Loch in die Jacke von Per Brake stanzte. Vom Aufprall wurde Per Brake herumgerissen. Aber er griff sich an die Wunde und lachte heiser. Als er die Hand öffnete, lag die Kugel darin. Achtlos ließ er sie fallen. Als der Mordschütze erneut den Abzug betätigen wollte, ging das nicht mehr.

Per Brake streckte die Rechte aus. »Her damit!« forderte er auf Finnisch. Der Killer wollte es nicht, doch die Waffe machte sich selbständig und ließ sich nicht mehr halten. Die jugendlichen Verbrecher starrten darauf und wollten es nicht begreifen. Der Revolver schwebte frei durch die Luft und landete in der Hand des Magiers. Er hielt die Waffe hoch, damit auch jeder sehen konnte, was er damit anstellte. Wie vordem das Messer, begann der Revolver zu glühen. Die Patronen, die sich noch in der Trommel befanden, detonierten mit ohren­betäubendem Krachen. Es war, als würde Per Brake mit seiner Hand einen Blitz zum Himmel schicken. Als er die leere Hand herunternahm, war sie unver­letzt.

Per Brake ließ die anderen sein grausames, satanisches Lachen hören. Der Schwerverletzte, der ihn hatte niederstechen wollen, wimmerte längst nicht mehr. Per Brake hatte für ein Opfer gesorgt. Endlich brachten sie ihm den nö­tigen Respekt entgegen. Sie er­kannten das personifizierte Böse und wussten auf einmal, dass sie nicht entrinnen konnten.

»Ihr habt euch bereits ent­schieden, bevor ihr mich getroffen habt«, sagte Per Brake hart. »Ihr habt euch für das Böse entschie­den. Es gibt keinerlei Möglichkeit mehr für euch, dem Satan zu ent­rinnen. Gehorcht!« Per Brake hatte recht. Sie waren rettungslos verloren. »Geht und mehret das Chaos - nicht um euch zu bereichern, sondern um dem Bösen zu dienen, denn diese Nacht gehört dem Bösen allein!« Jetzt ließ er sie allesamt laufen. Schweigend wandten sie sich ab und gingen davon. In ihren Augen brannte das Feuer des Satans, dem sie nunmehr unrettbar gehörten. Sie würden Böses tun bis zu ihrem Tod, dann war der Pakt erfüllt. Die Hölle wartete auf sie.

Per Brake lachte wieder einmal und sein Lachen hallte von den dunklen Hausfassaden wider, bis er in den amerikanischen Stra­ßenkreuzer stieg und davon­brauste. Das Fahrzeug, mit dem er gekommen war, ließ er einfach stehen. Er hatte durch das In­termezzo Zeit verloren, doch das war nicht so tragisch. Die Zeichen auf dem Senatsplatz mit Namen Suurtori standen nach wie vor günstig. Der Untotentrupp warte­te auf ihn.

Kurz nahm er Kontakt mit den Untoten auf. Alles in bester Ord­nung. Und dann gab es noch einen Kontakt mit einem anderen Trupp. Die Falle für Tab Furlong und seine Frau Kathryn, denn mit den beiden hatte Per Brake etwas ganz Besonderes vor. Es galt, ein Exempel zu statuieren. Die Furlongs hatten sich im Kampf gegen das Böse bislang als zu erfolgreich erwiesen. Vor allem hatten sie der Schwarzen Mafia maßgeblich geschadet.

Per Brake dachte gehässig: Ich werde auch ihnen eine Lehre er­teilen - nachhaltig und triumphal! Die Schwarze Mafia wird daran erkennen, was sie an mir hat.

Ja, das waren seine Gedanken. Ähnliche Gedanken, wie sie noch vor wenigen Tagen Scharlon, der mächtige Dämon aus dem Zwi­schenreich der Dämonen, gehegt hatte. Scharlon war gescheitert und von den Furlongs vernichtet worden. Für Per Brake zählte das wenig. Umso größer wertete er seinen eigenen Erfolg, den er so gut wie in der Tasche zu haben glaubte. Denn die Voraus­setzungen waren diesmal ganz anders.

3

Tab Furlong und seine Frau waren mit ihrem Mietwagen un­terwegs. Tab hatte das Steuer übernommen, während seine Frau das Handsprechgerät auf dem Schoß liegen hatte. »Nimm doch mal probehalber Ver­bindung auf«, bat Tab sie.

Kathryn nickte ihm zu und öff­nete das Fenster einen Spalt breit, um die Antenne hinauszu­schieben. »Vögel an Nest«, sagte Kathryn in das Mikrophon.

»Hätten sich auch einen anderen Code aussuchen können«, brummte Tab Furlong missmutig. Er blickte nach vorn durch die Windschutzscheibe. Die Menschen schienen dem Rat der Polizei zu folgen und sich in ihren Wohnungen zu verkriechen. Je­denfalls war hier niemand zu se­hen. Tab fuhr nicht so schnell. Die Scheinwerfer seines Wagens trieben zwei Lichtkegel in die Dunkelheit. Wieder einmal schob sich eine Wolke vor die Scheibe des Mondes und verdeckte ihn ganz. Die Schwärze der Nacht lag wie ein schwarzer Mantel über Helsinki. Tab Furlong erinnerte sich, dass vor mehr als einem Jahr schon einmal das Licht in Helsinki ausgefallen war. Damals war US-Präsident Jimmy Carter ausnahmsweise zu Besuch in der finnischen Hauptstadt gewesen. Eine Terrorgruppe hatte das Kommando über Finnland übernehmen wollen und besetzte das Senatsgebäude. Wie sich die Vorgänge ähnelten! Tab Furlong hatte damals in der Zeitung darüber gelesen. Wie behauptet wurde, hatten der russische und der amerikanische Geheimdienst ausnahmsweise zusammengearbeitet, um der Gefahr zu begegnen, ehe sie sich über die Grenzen von Finnland hinaus zu einer Katastrophe ausweiten konnte. Viele behaupteten sogar, damals habe die Welt ganz dicht vor dem dritten Weltkrieg gestanden. Denn die Terroristen hatten geglaubt, die Russen würden sie unterstützen. Niemand ahnte zu diesem Zeitpunkt, dass die Russen in Wirklichkeit ihre Afghanistanaktion vorbereiteten und deshalb für so etwas absolut keine Zeit hatten. Mit ihrer gemeinsamen Arbeit mit dem CIA postulierten sie in aller Welt Friedfertigkeit.

Ja, das alles ging Tab Furlong durch den Kopf, als er durch die auf seiner Route leeren Straßen von Helsinki fuhr. Leer waren sie gewiss nur deshalb, weil er sich in den Seitenstraßen hielt. Das war kein Zufall. Er suchte das Böse, das Zentrum der negativen Kräfte, die diesmal für das Grauen verantwortlich zeichne­ten. Das Böse hatte von den Ter­roristen damals gelernt und wendete eine ähnliche Taktik an, um Angst und Schrecken zu ver­breiten. Etwas, womit man nicht hatte rechnen können, denn die Elektrozentralen waren besser be­wacht worden als überall in der Welt. Das Böse hatte damit be­wiesen, wie mächtig es war.

Tab Furlong knirschte mit den Zähnen, während Kathryn ihre Sprachprobe zelebrierte. »Einwandfrei«, kommentierte sie das Ergebnis. Sie bogen um die Ecke. Beide erschraken. Auf der Straße hatte sich eine Menschen­menge versammelt. Sie würden nicht hindurch kommen. Schon wurde man auf sie aufmerksam. Die Leute wurden von den Scheinwerfern geblendet. Ihre Augen hatten sich an das Licht von Taschenlampen gewöhnt. Tab Furlong schaltete um auf Stand­licht. Die Leute winkten ihm zu. Kurz öffnete sich die Front der Versammelten. Tab und Kathryn sahen jemand in verkrümmter Haltung am Boden liegen: eine Leiche! Die rechte Hand war total verstümmelt.

»Mein Gott!« entfuhr es Ka­thryn. Tab Furlong stoppte den Wagen und stieß den Wagen­schlag auf. Er tat es nicht aus Neugierde. Sie waren auf der Su­che. Beide spürten die Anwesen­heit des Bösen, hatten jedoch das Zentrum noch nicht geortet. »Du willst wirklich aussteigen?« erkundigte sich Kathryn ein wenig bang. Sie betrachtete die Versammlung.

»Ja!« erwiderte Tab fest. Ka­thryn wollte nicht allein zurück bleiben. Sie stieg mit aus. Ge­meinsam gingen sie auf die Leute zu. Es wurde Schwedisch geredet. Die Furlongs verstanden kein Wort.

»Was ist denn passiert?« rief Tab in englischer Sprache. Englisch und Deutsch waren die häufigsten Fremdsprachen in diesem Land, in dem ansonsten Schwedisch und Finnisch ge­bräuchlich waren. Lange Zeit bildete Schwedisch die Haupt­sprache, was sich in der Literatur des finnischen Volkes bemerkbar machte. Die ersten rein finnischen Werke entstanden erst im neunzehnten Jahrhundert und stellten auch heute noch mehr oder weniger Ausnahmen dar.

Einer verstand, was Tab Furlong wollte. »Mord!« antwortete er auf Englisch. Kathryn und Tab erreichten ihr Ziel. Irgendwie hatten die Leute Vertrauen zu ih­nen. Bereitwillig zeigten sie die Leiche. Außerdem stand ein Wagen mitten auf der Straße. Die Scheiben waren eingeschlagen. Als sich Kathryn und Tab dem Fahrzeug näherten, spürten sie die magische Ausstrahlung und begriffen, warum die Leute, nicht näher herantraten. Selbst ein völ­lig unbegabter Mensch konnte das Grauen spüren. Wer hatte darin gesessen? Der Teufel persönlich?

»Der Gesandte der Schwarzen Mafia«, murmelte Tab Furlong brüchig. Ja, der Zufall hatte ih­nen diese Begegnung verschafft. »Hat jemand gesehen, was hier vorging?« Die Leute blickten ihn mit bleichen und ängstlichen Gesichtern an. Natürlich wussten sie Bescheid. Sie waren nicht um­sonst hier versammelt. In den Häusern hatten sie es nicht mehr ausgehalten. Der Bote des Grauens war weitergefahren. Wahrscheinlich mit einem anderen Auto. Die Leute standen hier herum, weil sie sich gemein­sam stärker und geschützter fühlten. Eine Frau weinte leise vor sich hin. Ihr Mann legte den Arm um ihre Schultern und tröstete sie mit halblauter Stimme.

»Was ist hier vorgefallen?« frag­te Tab Furlong noch einmal.

Der vorhin schon einmal auf Englisch geantwortet hatte, sagte daraufhin: »Ich stand am Fenster. Sie haben mich nicht bemerkt. Eine Gruppe von jugendlichen Killern stoppte ein Auto und wollte den Fahrer umbringen. Sie hatten keine Chance gegen ihn.« Er ballte die Hände zu Fäusten und blickte sich mit flackerndem Blick um. »Ich - ich habe es deut­lich gespürt. Etwas unsagbar Bö­ses ging von dem Mann aus. Er brachte einen der Killer um und gab den anderen den Auftrag, noch grausamer zu werden, aus­zuschwärmen und das Chaos in der Stadt zu vergrößern.« Er schüttelte sich. »Deshalb sind wir hier. In unseren Wohnungen sind wir hilflos ausgeliefert. Hier draußen sind wir viele und stark.«

Jetzt begriff Tab auch, warum sie beide so bereitwillig aufge­nommen waren. Man stufte sie als gefahrlos ein und wollte durch sie die Einheit vergrößern. Die Angst der Menschen war so groß, dass sie nicht einmal von der Lei­che abgeschreckt wurden. Unbe­wusst hatten sie ausgerechnet diesen Ort ausgesucht.

»Wohin sind die Killer verschwunden?«

Der Mann deutete auf die Stra­ße hinunter. »Sie bringen jeden um, der ihnen begegnet. Davon bin ich überzeugt.«

»Und ich an eurer Stelle würde diese Stelle hier meiden. Wenn die zurückkommen, dann gewiss hierher!« riet Tab.

Der Mann schüttelte den Kopf. »Das glauben wir nicht. Die werden Helsinki durchkämmen, aber diese Straße hier meiden, denn hier haben sie eine Nie­derlage erlitten.«

Nichts sprach dafür und nichts sprach dagegen. Tab zuckte die Achseln und wandte sich ab. »Wir werden weiterfahren, den Bur­schen hinterher.«

Der Mann schrak zusammen. »Das wollen Sie wirklich wagen? Aber wenn...«

»Keine Sorge. Einer muss sich doch um die Kerle kümmern.« Tab lief zum Auto zurück, dicht gefolgt von Kathryn. Sie stiegen ein. Bereitwillig machten die Leu­te Platz. Einige schüttelten un­gläubig die Köpfe und sahen ih­nen nach. Wahrscheinlich glaub­ten sie, das Ehepaar niemals mehr lebend wieder zu sehen.

Kathryn öffnete mal wieder das Fenster und richtete die Antenne hinaus. »Vögel rufen Nest.« Die Antwort erfolgte prompt: »Nest hört, Vögel kommen.« Kathryn berichtete mit knappen Worten, was sie erlebt hatten und schloss: »Die Kerle sind gefährlich und schrecken vor nichts zurück. Sie bringen alles um, was lebt und sich bewegt.« Der in der Zentrale knurrte: »Dann sind sie ein zu­sätzliches Problem. Es sind die ersten Fälle von Plünderung be­kannt. Diesmal ist es erheblich schlimmer als letztes Jahr. Ich begreife das nicht. Die Helsinkier sind normalerweise ein unge­wöhnlich friedliches Volk.« Tab und Kathryn sahen sich an. Gern hätte Kathryn entgegnet: »Es ist, weil das Böse in der Stadt zu re­gieren beginnt!«, aber sie verkniff sich diese Bemerkung. Der Mann in der Zentrale war nicht in­formiert. Nur Sibelius, der Polizei­chef, wusste Bescheid, dass zweifelsohne die Schwarze Mafia hinter der Aktion steckte. Kathryn sagte in das Mikrophon: »Ende - bis nachher!«

»In Ordnung. Wir werden uns darum kümmern. Danke und Ende vom Nest.«

Tab Furlong gab Gas. Plötzlich wurde er von einer eigenartigen Unruhe erfasst. Unwillkürlich tastete er nach seiner Brust und kratzte sich. Bis es ihm bewusst wurde. Der tätowierte Drudenfuß auf dem Brustbein! Das Zeichen hatte sich leicht erwärmt. Daher dieses unangenehme Kribbeln. Er warf einen Seitenblick auf Ka­thryn. Sie spielte mit ihrem Dru­denstein, hatte ihn vom Hals abgenommen und vor sich auf den Schoß gelegt. »Wir kommen der Sache langsam näher!« schnarrte Tab Furlong. »Vorhin hätten wir fragen sollen, in wel­che Richtung der Magier gefahren ist. Jetzt ist es zu spät, das Ver­säumte nachzuholen. Ob er dieselbe Richtung genommen hat?«

»Der Wagen stand jedenfalls in die andere Richtung«, antwortete Kathryn.

»Hat nicht viel zu sagen.«

»Wir werden sehen!« Sie nä­herten sich dem Vergnügungs­viertel der Stadt. Die ersten Wagen brausten ihnen entgegen. Sie waren teilweise beschädigt. Bei dem einen fehlte sogar die Tür. Sofort setzte sich Kathryn wieder mit der Zentrale in Ver­bindung.

»He, Vögel«, rief der Mann in der Sprechfunkzentrale, »wissen wir alles schon. Aber wir können nicht genügend Leute in das Viertel schicken. Die Straßen von Helsinki müssen alle kontrolliert werden. Wir haben sowieso zu wenig Leute.«

»Aber hier scheint das Zentrum zu sein.«

»Glauben Sie wirklich?«

»Sonst würde ich es doch nicht sagen«, brummte Kathryn ärger­lich. Nun, die Reaktion des Mannes in der Zentrale war zu begreifen. Er verstand nicht, wieso zwei Engländer hier eine so wichtige Rolle spielen sollten. Zwar hatte Sibelius persönlich Anweisungen gegeben, aber das war an sich nicht Grund genug.

»Fordere Verstärkung an!« bat Tab Furlong keuchend. Dicke Schweißperlen standen auf seiner Stirn. »Verdammt, hier scheint es tatsächlich zu sein. Kein Wunder, dass die Leute wie die Wahnsinnigen vorgehen. Ich glaube, die zerfleischen sich gegenseitig.« Er bog um eine Kur­ve und hatte mindestens fünfzig Leute vor sich. Sie stürzten sich gerade auf ein fahrendes Fahr­zeug. Von der Wucht des Zu­sammenpralles wurden einige der Angreifer durch die Luft geschleu­dert. Wo sie am Boden aufkamen, rührten sie sich nicht mehr. Der verzweifelte Fahrer des Wagens verlor die Kontrolle über das Steuer und kam von der Straße ab. Er prallte gegen eine Hauswand. Verputz bröckelte. In der Wand zeigte sich ein klaf­fender Riss. Die Angreifer waren heran und stürzten sich abermals auf den Wagen. Ihre Gesichter leuchteten bleich im Licht der Scheinwerfer von Tabs Fahrzeug.

»Bis später!« brüllte Kathryn in das Funkgerät. »Wir werden ange­griffen.« Das war nicht über­trieben. Noch während der verletzte Fahrer mit brutaler Ge­walt aus seinem Wagen geholt wurde, wandten sich die Wahnsinnigen gegen das Ehepaar Furlong. Tab sah ihnen entgegen und spürte, das nicht alle Angreifer Menschen waren. Da waren auch Untote dazwischen. Er spürte es ganz deutlich und unmissverständlich. Tab warf das Steuer herum. Die ersten erreichten den Wagen. Rückwärtsgang. Am Heck krachte und schepperte es. Keinerlei Schreie. Die Angreifer blieben stumm. Mit bloßen Fäusten zertrümmerten sie die Heckscheibe. Vorwärtsgang. Die Fahrertür wurde aufgerissen. Kathryn hielt ihre Tür verzweifelt fest. Mehrere Schläge hatten die Scheibe getroffen, sie jedoch nicht zu zerstören vermocht. Tab war weniger glücklich dran. Aber er konnte sich auch jetzt nicht darum kümmern, denn er musste schließlich lenken. Und er musste Gas geben! Die Räder radierten kreischend über den Asphalt. Der Wagen machte einen Satz nach vorn. Eine Hand wischte herein und verkrallte sich in Tabs Hemd. Aber dadurch kam die Hand auch mit dem tätowierten Drudenfuß in Berührung. Ein markerschütternder Schrei. Der Untote, der Tab vom Steuer hatte wegziehen wollen, brüllte wie am Spieß. Tab sah, dass sich das bisher menschlich wirkende Gesicht veränderte. Innerhalb von Sekundenbruchteilen zerfiel es. Der blanke Totenschädel leuchtete hindurch. Die Hand glitt ab und löste sich gleichzeitig auf. Tab trat das Gas bis zum Bodenblech durch. Der Wagen kam frei. Die Angreifer jagten hinterher, ohne die Chance, die Flüchtenden einzuholen oder gar aufzuhalten. Das Ehepaar Furlong hatte mehr Glück gehabt, als der unglückliche Fahrer, der vor ihren Augen gestorben war.

»Wir sollten diesem Viertel den Rücken kehren«, murmelte Ka­thryn brüchig. Dunkle Ringe hatten sich unter ihren Augen ge­bildet. Sie verstand es, sich zu beherrschen, aber Tab wusste, dass Kathryn um ihn entsetzliche Angst gehabt hatte. Kathryn Furlong, geborene Warner, wurde nicht zum ersten Mal mit den Mächten des Bösen konfrontiert, aber sie konnte sich niemals dar­an gewöhnen. Wer denn schon?

»Das geht nicht!« entgegnete Tab Furlong. Das leichte Zittern in seiner Stimme konnte er nicht vermeiden. »Ich wollte, Mark Tate könnte hier sein. Seit er in der ge­heimnisvollen Dimension ORAN verschollen ist, wird die Schwarze Mafia wirklich üppiger. Sie hält sich wohl an uns schadlos.«

»Ja, wir sind in Gefahr, aber wir nicht allein, Tab. Denke an die Menschen von Helsinki, an Finnland, an die Welt... Wenn das Böse in dieser Stadt siegt, dann wird es sich von hier aus ausbrei­ten.«

»Ich habe den Verdacht, dass beim ersten Lichtausfall vor über einem Jahr ebenfalls die Schwarze Mafia daran gedreht hat. Nur wandte sie damals keine Magie an.«

»Laut den Presseberichten war es schlimm genug.«

»Diesmal wird es mit Sicherheit schlimmer. Wer weiß, wie viele Unschuldige in dieser Nacht ihr Leben gelassen haben.« Wütend hieb Furlong auf das Lenkrad. Ja, wir können diesem verfluchten Viertel nicht den Rücken kehren, sondern müssen weiterfahren, dachte er. Hier ist das Zentrum des Bösen. Wir spüren es beide recht deutlich. Wir müssen das Zentrum aufsuchen, um von dort aus die Macht zu brechen. Ob unsere bescheidenen Mittel über­haupt dazu ausreichen?

Noch während sie sich von der Stelle entfernten, wo sie beinahe das Opfer der Angreifer geworden wären, spürten sie, wie sich der Einfluss des Bösen allmählich verringerte. Das war der letzte Be­weis, dass sie zurückfahren mussten. Tab Furlong lenkte den Wagen in eine Seitenstraße. Auf anderem Weg kehrten sie in das Vergnügungsviertel zurück. Das Viertel war nicht so groß, vielleicht deshalb, weil die Helsin­kier nicht so vergnügungssüchtig waren wie andere Großstädter in aller Welt.

Wir werden das Zentrum des Grauens finden.

Kathryn funkte noch einmal mit der Zentrale und gab genauen Bericht. Ihr Gesprächspartner gab sich entsetzt und versprach, sofort Hilfe zu entsenden. Da vorn war ihr Ziel. Tab Furlong bremste ab. Kathryn hob den kleinen Handscheinwerfer und leuchtete nach dem Straßenschild. »Bist du sicher?« fragte sie.

»Ja und du?«

Statt einer Antwort gab Ka­thryn den Straßennamen durch und fügte hinzu: »Wir warten auf die Streifen.«

»In Ordnung und Ende vom Nest.«

Die Straße lag tot und verlassen da. Nichts zeigte sich, nichts rührte sich und alle Men­schen schienen ausgezogen zu sein. Tab und Kathryn kurbelten die Scheiben herunter. Von Ferne wehten Stimmen herüber. Ein Hund klagte in den Himmel. Ein Motor heulte kurz auf. Das war alles. Sonst kein Geräusch. Sonst kein Hinweis darauf, dass Kathryn und ihr Mann wirklich das Zentrum der bösen Macht gefunden hatten. Außer ihrem Gefühl.

Kathryn spielte mit ihrem Dru­denstein. Das war ein ringför­miger Kiesel mit einem kreis­runden Loch, natürlich ge­wachsen und nicht etwa von Menschenhand geschaffen. Der Drudenstein war ein wichtiges Kampfmittel gegen magische Kräfte. Kathryn, selbst mit He­xenkräften ausgestattet, konnte den Drudenstein auch als eine Art Verstärker einsetzen. Sie hob den Stein in Augenhöhe und spähte durch das runde Loch die Straße hinunter. Das Bild verschwomm etwas. Nur ein Teil der Straße wurde kontrastreicher. Obwohl das Scheinwerferlicht na­turgemäß nicht überallhin kam. »Schalte das Licht aus, Tab!« murmelte Kathryn. Tab Furlong gehorchte. Er beobachtete seine Frau. Der Drudenstein begann leicht zu glühen. Kathryns Gesicht spiegelte die Anspannung wider. Sie konzentrierte sich voll und ganz auf die selbst gestellte Aufgabe. Besonders eines der Häuser war gestochen scharf zu sehen, obwohl die Scheinwerfer nicht mehr brannten und nur der Mond durch eine Wolkenöffnung schaute. Der Drudenstein erzeug­te im Innern des Wagens gespenstisches Leuchten, aber er nahm auch magische Felder auf, die sich drüben bei dem bewuss­ten Haus befanden. Die Öffnung im Stein verstärkte sie. Deshalb konnte Kathryn alles sehen. Sie wollte wissen, was darin vorging, doch der Blick ins Innere blieb ihr verwehrt. Das Haus glitt näher, als würde Kathryn durch ein Fernglas mit »Gummilinse« sehen. Die Hausnummer. Monoton sprach Kathryn sie aus.

Tab nickte dazu, obwohl seine Frau im Moment überhaupt nicht auf ihn achtete. Er blickte in die Düsterheit da draußen und spür­te einen Schauer über seinen Rücken rieseln. Tab Furlong konnte außer den dunklen Häuserschatten überhaupt nichts sehen - selbst jetzt, da sich seine Augen an das spärliche Licht ge­wöhnt hatten. Sein Herz pochte ein paar Takte schneller. Kathryn hatte er einmal mit May Harris, der Lebensgefährtin von Mark Ta­te, verglichen. May Harris war in den letzten Jahren zur fast perfekten Hexe gereift. Sie stand mit all ihren Kräften auf der Seite des Guten. Aber Kathryn war nicht so stark wie May Harris, ob­wohl der Drudenstein schon ein sehr wichtiges Hilfsmittel war. Sie hatte ihn von ihrem ersten Mann geerbt. Dieser war einen Pakt mit dem Satan eingegangen und hatte Kathryn mit Reichtum und ewiger Schönheit beschenkt. Sei­netwegen gab Kathryn einst ihre Karriere als Primaballerina auf. Aber dann hatte ihr erster Mann den Pakt einlösen müssen. Mit Selbstmord hatte er retten wollen, was zu retten war. Er machte es nur noch schlimmer, denn jetzt hielt sich der Satan an Kathryn schadlos. Bettelarm kehrte sie in ihre Heimatstadt London zurück. Dort wurde sie von den bösen Mächten bereits erwartet. Nur durch die Hilfe von Tab Furlong gelang es ihr damals, die ganze Sache heil zu überstehen. Die beiden kannten sich von früher schon, als Kathryn noch gar nicht verheiratet gewesen war. Jetzt entdeckten sie ihre gegenseitige Zuneigung erneut und heirateten später. Dinge, die Tab in diesen Sekunden durch den Kopf stiegen.

Kathryn ließ die Hand mit dem Drudenstein sinken. Sie wirkte erschöpft.

»Was hast du gesehen?« erkun­digte sich Tab brüchig.

»Das Haus Nr. 8 ist das Zentrum. Darum spielt sich hier auch nichts ab. Die Menschen meiden unbewusst diesen Ort. Wahrscheinlich sind sogar die umstehenden Häuser leer. Das Böse schirmt sich ab.«

»Du meinst, wir brauchen den Bann nur zu brechen und retten damit Helsinki vor dem Chaos?«

Kathryn zuckte die Achseln. »Ich weiß nicht recht, was ich da­von halten soll, Darling. Indem wir das Böse beseitigen, wird es nicht plötzlich hell in der Stadt. Aber ich denke daran, dass die Schwarze Mafia diesen Schlag nicht ohne Grund gegen Helsinki gemacht hat. Das bereitet mir Kopfschmerzen. Wer weiß, was heute Nacht noch passieren soll?«

Tab Furlong zuckte die Achseln. Der Drudenstein war wieder etwas erkaltet. Das ma­gische Leuchten war erloschen. Die beiden saßen im Dunkeln. »Vielleicht ist es nur eine Falle? Ich überlege gerade, ob wir wirklich auf die Polizisten warten sollen. Was nutzen denn her­kömmliche Schusswaffen?«

Kathryn gab keine Antwort darauf. Statt dessen deutete sie nach hinten. Dort war Schein­werferlicht aufgetaucht. Im nächsten Augenblick bog ein Wagen um die Ecke. »Du wirst die Polizei nicht davon abhalten können, das Haus da vorn zu be­treten.«

Tab stieß die Tür auf. »Du hast recht, Kathryn. Beißen wir in den sauren Apfel. Vielleicht sind die Polizisten sogar eine große Hilfe?« Auch Kathryn wollte aussteigen. »Stop!« rief Tab Furlong und er­griff ihren Arm. »Bitte, Liebes, bleibe hier und gib mir Rückendeckung.«

»Rückendeckung, eh? Ich glau­be eher, dass du mich in Si­cherheit lassen willst. Mein Lieber, ich weiß schon, was ich zu tun und zu lassen habe, seit ich volljährig bin.«

Tab schüttelte ernst den Kopf. »Bitte, Kathryn, ich meine es wirklich ernst. Ich weiß nicht, was mich in dem Haus da vorn erwartet, aber falls es sich um eine Falle handeln sollte, kann mir in Helsinki außer dir kein Mensch mehr helfen!«

Kathryn zögerte. Da beugte sich Tab zu ihr hin und küsste sie.

Die Polizisten stoppten hinter ihrem Wagen und löschten das Licht. Dann stiegen sie aus und eilten herbei. Sie waren bis an die Zähne bewaffnet. Tab Furlong zählte fünf Beamte. Also waren sie insgesamt zu sechst.

»Viel Glück«, murmelte Kathryn und drückte ihm etwas in die Hand: den Drudenstein. »Kannst du damit umgehen?«

»Nicht so gut wie du. Vielleicht wäre es besser, wenn du...?«

»Nein ich komme auch so zu­recht. Denke daran, dass ich einiges über Magie weiß. Vielleicht sogar mehr als du. Ich werde Sibelius eine wichtige Stütze sein, wenn es darum geht, dich wieder herauszuhauen. Aber noch ist es nicht soweit...« Sie küssten sich abermals. Dann musste Furlong aussteigen.

Kurz informierte er die Polizis­ten. Sie waren erstaunt, dass Tab sogar das Haus wusste. Aber er hielt sich nicht mit umständli­chen Erklärungen auf.

»Wir stürmen!« entschied der Truppführer.

Tab Furlong hatte nichts dagegen, sondern fragte nur: »Was ist mit den anderen?«

»Die kommen nach. Wir waren am nächsten. Kommt mit, ehe man auf uns aufmerksam wird. Dann ist alles zu spät. Haben Sie eigentlich eine Schusswaffe, Mr. Furlong?«

»Nein!«

Er drückte ihm eine Pistole in die Hand. »Auf ausdrücklichem Wunsch von Polizeipräsident Si­belius. Wenn in diesem Haus wirklich die Terroristen stecken, dürfen Sie nicht mit leeren Händen hineingehen.«

Tab Furlong brummte etwas Unverständliches und wog ab­schätzend die Pistole in der Rech­ten. Er war Chefinspektor bei Scotland Yard und der Yard war immerhin dafür berühmt, dass er Konflikte mit Kriminellen meis­tens ohne Waffengewalt löste. Dann zuckte er die Achseln. Er befand sich in einem anderen Land und würde sich an die hier gebräuchlichen Gepflogenheiten halt anpassen. Sie rannten los. Unterwegs zog Tab seine Ta­schenlampe. Die würde er wohl notwendig haben. Das Haus er­reichten sie in Rekordzeit. Tab Furlong war der dritte. Das war mit Absicht geschehen. Er hatte das Nest der Terroristen ausge­macht und sollte auch den Hauptpart übernehmen. Sie brauchten sich nicht extra abzu­sprechen. Auch Tab Furlong war schließlich ein routinierter Poli­zist. Die ersten beiden si­cherten rechts und links der Haustür. Tab entsicherte die geliehene Pistole und suchte mit dem Zeigefinger den Abzug. Die Waffe war klar. Mit dem linken Fuß angelte er nach der Türklin­ke und stieß die Tür auf. Blitz­schnell wich er zur Seite aus. Doch nichts geschah.

Tab Furlong wartete sekunden­lang. Dann sprang er in den stockdunklen Hausgang hinein. Die Taschenlampe in seiner Lin­ken flammte auf. Ihr Lichtkegel zuckte hin und her. Direkt vor ihm führte eine Treppe hinauf in den ersten Stock. Die Wände wirkten schmutzig und hatten schon lange keine Farbe mehr gesehen. Die Hausbewohner hielten nicht viel von Sauberkeit und Renovierung. Tab Furlong blieb nicht allein. Andere Polizis­ten kamen nach ihm herein und verteilten sich. Nur einer blieb draußen, um den Rückzug zu si­chern und alle zu warnen, falls sich etwas Unvorhergesehenes er­eignete.

Tab Furlong wartete nicht mehr länger. Es war an der Zeit, dass er handelte. Die anderen erwarteten es von ihm. Er hastete zur Treppe. Den linken Arm streckte er aus. Der Lichtkegel richtete sich nach oben. Etwas bewegte sich dort blitzschnell. Tab reagierte gut, indem er sofort zur Seite sprang. Ein Schuss krachte. Es hörte sich in der Enge des Treppenhauses an wie ein Kanonenschlag. Obwohl Tab schnell gewesen war, wurde die Lampe von der Kugel gestreift und ihm beinahe aus der Hand geprellt. Tab Furlong unterdrück­te einen Fluch. Zwei andere Poli­zisten sprangen vor und eröffne­ten ohne Warnung das Feuer. Einer von ihnen war ange­griffen worden. Das hatten sie mit allen Polizisten auf der ganzen Welt gemeinsam: Sobald es gegen einen der ihren ging, kannten sie keine Gnade mehr. Der Schütze oben im ersten Stock war unvor­sichtig. Er wurde getroffen. Seine Waffe polterte die Treppe herun­ter. Doch damit war der Kampf längst nicht entschieden. Etwas flog herunter, zischte durch die Luft und hielt genau auf die beiden Polizisten zu. Unwillkür­lich wollten sie darauf schießen. Tab kam ihnen zuvor. Er hechtete vor und fing das Ding in der Luft. Ihm war als einzigem klar, um was es sich handelte: eine Hand­granate! Tab schickte das Ding postwendend zurück. Die oben sprangen nicht schnell genug in Deckung. Das Ei detonierte.

Obwohl alle in den toten Win­kel der Treppe gesprungen waren, einschließlich Tab Furlong, konn­ten sie sich der Druckwelle nicht ganz entziehen. Die Treppe be­kam einen gewaltigen Schlag ab und brach halb zusammen. Dreck ergoss sich über die Köpfe der Polizisten. Die Beamten be­gannen wie wild zu ballern. Falls jetzt oben noch jemand lebte, sollte er gezwungen werden, sei­nen Kopf einzuziehen und durfte vor allem keine Gelegenheit mehr bekommen, noch so ein Ei auf die Reise zu schicken.

Tab Furlong sprintete los. Er musste in diesen Kugelhagel hin­ein, koste es, was es wolle. Er jag­te die Treppe hinauf. Rechts und links schlugen Kugeln ein. Die stark in Mitleidenschaft gezogene Treppe knirschte bedenklich und sackte ein Stückchen ab. Tab durfte sich davon nicht abhalten lassen. Das Holz zerfetzte und ließ Splitter um seine Ohren fliegen. Tab Furlong stoppte keinen Sekundenbruchteil und erreichte sein Ziel. Das Obergeschoß lag in Finsternis. Von unten wurde nicht mehr geleuchtet, um Tab nicht zur Zielscheibe zu machen. Er ließ seine eigene Lampe aufflammen und leuchtete in einen langen Gang hinein. Die Mauern ringsum sahen sehr lädiert aus. Die letzte Treppenstufe war wegrasiert. Außerdem hing das Podest schief. Es schaukelte unter Tabs Fußtritten. Leichen gab es keine. Damit schien sich Tabs Verdacht zu bestätigen: Hier handelte es sich keineswegs um Terroristen, sondern um Gegner, denen man mit einer Handgranate nicht beikommen konnte.

Der Gang lag leer und verlassen vor Tab. Als würde sich niemand mehr im Haus befinden. Tab Furlong spürte die Gänsehaut auf seinem Rücken. Außerdem brannte der auf seiner Brust eintätowierte Drudenfuß. Das untrügliche Zeichen, dass er vorsichtig sein musste. Er er­innerte sich der Polizisten, die unten warteten und gab ihnen ein Zeichen. Zwei von ihnen kamen herauf. Tab machte ihnen Platz, indem er schon mal in den Gang hinein schlich. Dabei si­cherte er sorgfältig nach allen Sei­ten. Das Treppenpodest krachte mal wieder beängstigend. Die Treppe in den zweiten Stock konnte man nicht mehr benutzen. Sie war nur noch Kleinholz. Aber Tab Furlong hatte das Gefühl, dass sie den zweiten Stock überhaupt nicht brauch­ten. Wenn schon, dann fanden sie hier ihr Ziel.

Die Hand mit der Pistole wurde schweißnass. Er hatte auf einmal Angst, ganz erbärmliche Angst. Er wusste, dass mindestens hin­ter einer dieser Türen das Grauen auf ihn wartete. Und wie konnte er ihm entrinnen? Bestimmt nicht mit einer Schusswaffe. Nervös leuchtete er eine der Türen an. Wütend trat er dagegen. Die Tür sprang auf. Einer der Polizisten wirbelte an Tab Furlong vorbei ins Innere. Tab Furlong leuchtete ihm. Der Raum war leer. Es gab nicht einmal ein Möbelstück. Auch Tab riskierte einen Blick. Da sah er die Kreidestriche am Boden. Den Polizisten fielen sie nicht auf. Das waren auch keine in magischen Dinge geschulten Leute. Tab erkannte schwarzma­gische Zeichen, die jedoch nicht vollständig waren. In dieser An­ordnung bildeten sie noch keine Gefahr. Aber sie zeigten, dass hier Experten am Werk gewesen waren. Hatten die Polizisten eine größere Aktion gestört? Es sah danach aus und Tab Furlong glaubte schon gar nicht mehr an eine mögliche Falle für seine Per­son.

Er widmete sich der nächsten Tür. Aber zwei weitere Polizisten, die von unten heraufgekommen waren, kamen ihm zuvor und traten die Tür auf. Ein Schlaf­zimmer. Die Betten waren durch­wühlt. Einer der Polizisten leuch­tete im Zimmer umher. Da schwang langsam die Tür des Kleiderschrankes auf. Eine Hand kam zum Vorschein. Die Nerven der Polizisten waren zum Zer­reißen gespannt. Nur so war zu erklären, wieso der eine der beiden Polizisten sofort schoss. Die Kugel durchschlug ohne Schwierigkeiten die dünne Holztür. Sie schwang weiter auf. Ein Mann fiel aus dem Schrank, direkt vor die Füße des Polizisten. Seine Augen waren weit aufgerissen, das Gesicht grausam verzerrt. Er musste etwas Schreckliches gesehen haben. Nicht die Kugel hatte ihn getötet, sondern das Grauen!

Tab wandte sich ab. Er spürte einen imaginären Kloß in seiner Kehle und war nicht in der Lage, ihn hinunterzuschlucken. Der To­te war der eigentliche Bewohner dieser Etage. War er der einzige, der sein Leben hatte lassen müssen? Tab Furlong begann, das Böse zu hassen, das Un­schuldige grausam heimsuchte und eine ganze Stadt, ja, ein ganzes Land, in Angst und Schre­cken versetzte, ohne dass ein klares Motiv erkennbar wurde. Aber brauchte das Böse über­haupt ein Motiv, um böse zu sein? Worte, die Tab Furlong immer wieder von seinem Freund Mark Tate gehört hatte. Sie trafen haargenau den Kern der Sache.

Zwei Polizisten folgten Tab Furlong mit knappem Abstand, als er weiterging. Auf die nächste Tür achtete er schon gar nicht mehr. Er überließ sie den Be­amten. Und das erwies sich als ein Fehler. Diese Tür öffnete sich selbständig. Zwei bewaffnete Kerle erschienen darin und schossen sofort auf die Polizisten. Die Helsinkier Polizei hatte keine Waschlappen geschickt, sondern Kämpfer. Ihre Reflexe konnten sich sehen lassen. Sie spritzten sofort auseinander und er­widerten das Feuer. Ihre Kugeln trafen ins Ziel, während sie selber verschont blieben. Zwei Gegner gegen ausgebildete Polizisten? Die konnten doch gar keine Chance haben. Die Kugeln steppten deutliche Löcher in die Jacken der beiden Bewaffneten. Aber die beiden kümmerten sich gar nicht darum. Tab erkannte mit einem Blick, woran das lag: Er hatte Untote vor sich! Jetzt waren die Polizisten irritiert. Sie kamen nicht einmal mehr auf die Idee, Deckung zu suchen. Die beiden Untoten richteten ihre wie aus Glas wirkenden Augen auf die Beamten und wollten abermals schießen. Diesmal würden die Polizisten wider Erwarten den Kürzeren ziehen. Tab Furlong wollte nicht tatenlos dem Blutbad zusehen. Seine eigene Pistole war völlig nutzlos. Damit konnte er die Untoten in keiner Weise beeindrucken. Das hatte er bereits gesehen. Jemand, der schon tot war, konnte nicht mehr getötet werden - mit keiner Waffe der Welt. Aber man konnte mit anderen Mitteln gegen ihn angehen: mit magischen Mitteln! Die Untoten wurden von den Kräften der Hölle beseelt. Also musste man eine Möglichkeit finden, diese Kräfte zu stören.

Tab Furlong steckte blitz­schnell seine Pistole ein und riss das Hemd vor der Brust ausein­ander. Der Drudenfuß wurde sichtbar. Das Brandzeichen gegen das Böse sprang den beiden Un­toten förmlich entgegen. Sie stießen ein dumpfes Röhren aus und rissen die Arme hoch, um ih­re Augen zu schützen. Tab Furlong blieb unerbittlich. Seine Hände schossen vor und packten die Untoten. Kaum berührte er sie, als ihre Körper schlaff wurden. Die weißmagische Kraft des Drudenfußes floss durch sei­ne Arme auf die Untoten über und zerstörte die Verbindung zur Hölle. Sie wurden wieder zu dem, was die vorher gewesen waren: modrige Leichen, die seit vielen Jahren unter die Erde gehörten. Mehr noch als das: Sie zerfielen zu Staub. Ein Luftzug ließ Wolken wie Rauch emporsteigen und trieb sie gegen die Polizisten.

Die Beamten waren wackere Kämpfer. Aber das, was sie so­eben erlebt hatten, war für ihre Nerven zuviel. Schreiend wandten sie sich ab und rannten zur Treppe. Tab Furlong wollte ihnen nachbrüllen: »So wartet doch!« Aber er kam nicht mehr dazu. Er hatte die Tür, vor der er die beiden Untoten vom Joch des Bö­sen befreit hatte, den Rücken zugekehrt und jetzt erscholl eine grollende Stimme aus dem Raum dahinter: »Stopp, Mr. Furlong!«

Tab Furlong erstarrte in der Bewegung. Er wollte sich herum­drehen. »Stopp, habe ich befoh­len!« grollte die Stimme. »Rühren Sie sich nicht von der Stelle, Chefinspektor, oder ich blase Ih­nen ein ganzes Magazin in den Rücken. Sie haben keine Chance. Auch mit Ihrem verdammten Dä­monenbanner nicht.«

Tab erinnerte sich der Worte seines Vaters: »Durch die Täto­wierung bist du unangreifbar für die Mächte des Bösen, mein Sohn!« Ja, der Vater, ein Pfarrer und längst auf dem Zentralfried­hof von London, hatte dabei nur an magische Dinge gedacht und nicht etwa an Schusswaffen in den Händen von Untoten. Hätte sich Tab nur umdrehen können, hätten die Untoten keine Chance gegen ihn gehabt. So aber zwangen sie ihn mit ganz norma­len Waffen zum Gehorsam.

Tab wandte sich einem Ge­danken zu, der näher lag und zuerst interessant war: Wieso hatten sie ihn überhaupt am Leben gelassen? Also doch eine Falle für Kathryn und mich! be­antwortete er selbst diese Frage. Nur gut, dass Kathryn draußen blieb.

»Was habt ihr vor?«

Der Untote lachte und das klang wie direkt aus einem Grab. Schnarrend näherte er sich. »Du wirst es sehen, Chefinspektor Tab Furlong.«

»Sage nicht immer Chefinspek­tor zu mir. Ich bin hier in Helsin­ki nur ein Privatmann.«

»Obwohl du dich so gut mit Po­lizeipräsident Yrjö Sibelius ver­stehst? Gratuliere zu deiner Urlaubskarriere in einem fremden Land.«

Tab hätte sich am liebsten her­umgedreht und auf den Untoten eingeschlagen, obwohl das völlig unsinnig gewesen wäre. Er hörte unten Stimmen: Die Polizisten. Sie berieten sich. Offenbar hatten sie ihren anfänglichen Schrecken überwunden. Würden sie wieder einzugreifen versuchen? Tab Furlong wusste, wie sinnlos das sein würde. Die Polizisten würden sterben müssen. Das war auch das einzige, was dabei heraus­kam. »Bleibt, wo ihr seid!« rief er deshalb. »Sie haben mich als Gei­sel! Wenn ihr mich befreien wollt, dann riskiert ihr nur unnötig mein und euer Leben.« Es kam keine Antwort.

Der Untote hinter Tab Furlong kicherte. Es klang irre. Aber er hinderte Tab Furlong nicht am Verhandeln.

»Was wollen die Terroristen?« rief jemand von unten zurück. Anscheinend waren die Polizisten überein gekommen, dass es besser war, auch weiterhin von Terroristen zu reden. Im Grunde genommen waren die Untoten auch gar nichts anderes. Nur ver­übten sie ihren Terror aus anderen Motiven heraus.

»Ich weiß es noch nicht. Sie halten mich in Schach, hindern mich jedoch nicht am Reden.«

Abermals kicherte der Untote. Gern hätte ihn Tab Furlong gese­hen, aber das wäre dem Untoten nicht bekommen. Das tätowierte Zeichen hätte ihn vernichtet.

»Was wollt ihr wirklich?« stieß Tab hervor.

Der Untote antwortete mit sei­ner grollenden Stimme: »Ich sagte dir schon einmal, dass du dich überraschen lassen sollst.«

»Wer hat euch geweckt?«

»Die Schwarze Mafia. Genügt dir das? Sie schickte ihre Kraft und gab uns den Auftrag. Und wir handeln im Sinne der Schwarzen Mafia. - Wo ist deine Frau Kathryn?«

Tab Furlong erhob seine Stimme, aber er sprach nicht zu dem Untoten, sondern wieder zu den Polizisten: »Zieht euch besser zurück - und setzt meine Frau über die Vorgänge in Kenntnis. Sagt ihr, diese Leute wären von der Mafia.«

»Mafia?« echoten die Beamten.

»Ja, aber sie sind keine Mitglie­der, sondern wurden von der Ma­fia nur geschickt, um das Chaos in Helsinki zu beschwören. Wahr­scheinlich ist das nur der Auftakt für eine größere Sache. Die Hel­sinkier sollen zermürbt werden. Sie sollen wissen, wozu man in der Lage ist.«

Die Polizisten gaben keine Ant­wort mehr. Zogen sie sich tat­sächlich zurück? Tab Furlong lauschte, aber er hörte keinen Mucks. Die Polizisten verstanden es, sich so zu bewegen, dass man ihr Vorhandensein nicht bemerkte. »He, habt ihr gehört?« Auch diesmal keine Antwort.

Wieder mal kicherte der Unto­te. »Genug geplaudert, Furlong. Wir werden jetzt diesen ungastli­chen Ort verlassen, kapiert?«

»Wohin?«

»Keine so neugierigen Fragen. Es wurde alles besprochen, was wichtig ist. Nur noch eine kleine Anmerkung am Rande, Furlong: Falls du versuchen solltest, mich auszutricksen, wird dir das wenig nützen. Ich bin hier nicht allein. Es befinden sich andere Untote in Bereitschaft und - in Deckung. Sie werden sofort eingreifen, falls mir etwas passieren sollte.«

»Welcher Dämon spricht aus dir?«

Statt einer Antwort stieß ihm der Untote den Lauf seiner Pistole unsanft in den Rücken und trieb ihn somit den Gang entlang. Ziel des Untoten war das Fenster am Ende des Ganges. Aha, die Ent­führung sollte also über den Hin­terhof erfolgen. Kaum hatte Tab das gedacht, als er irgendwo eine Fensterscheibe klirren hörte. Im nächsten Augenblick breitete sich ein strenger Geruch aus. Wieder ein Grund für den Untoten, böse zu kichern. Es nagte an Tabs Nerven.

»Vorwärts!« befahl der Untote.