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Mark Tate ist der Geister-Detektiv. Mit seinem magischen Amulett, dem Schavall, nimmt er es mit den Mächten der Finsternis auf und folgt ihnen in andere Welten und wenn es sein muss, bis in die Hölle. Ihm zur Seite steht May Harris, die weiße Hexe. (399) Dieser Band enthält folgende Romane von W.A.Hary: Krieg der bösen Geister Der Werwolf Verlorene Seelen Biss des Todes Sphäre der Erinnerung
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Verlorener Werwolf und Böse Seelen: 5 Gruselkrimis
Copyright
W. A. Hary Krieg der bösen Geister
W. A. Hary Der Werwolf
W. A. Hary Verlorene Seelen
W. A. Hary Biss des Todes
W. A. Hary Sphäre der Erinnerung
Mark Tate ist der Geister-Detektiv. Mit seinem magischen Amulett, dem Schavall, nimmt er es mit den Mächten der Finsternis auf und folgt ihnen in andere Welten und wenn es sein muss, bis in die Hölle. Ihm zur Seite steht May Harris, die weiße Hexe.
Dieser Band enthält folgende Romane
von W.A.Hary:
Krieg der bösen Geister
Der Werwolf
Verlorene Seelen
Biss des Todes
Sphäre der Erinnerung
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von
Alfred Bekker
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… und eine neue Chance für die Teufelsjäger
Das Ereignis ging in die Geschichte ein der Wetterkunde, und es war Dank gestochen scharfer Satellitenaufnahmen akribisch genau dokumentiert. Auch wenn keiner der Wetterbeobachter jemals auch nur ahnte, wie einer der gewaltigsten Hurrikane aller Zeiten quasi von einer Sekunde zur anderen aus dem Nichts entstehen konnte, um einen ganzen Landstrich zu verwüsten – und das mitten in Amerika…
*
…weil eben keiner der Wetterbeobachter auch nur im Entferntesten in Betracht zog, dass dies, was genauso aussah wie ein Hurrikan, in Wirklichkeit etwas ganze anderes war. Es handelte sich nämlich um die unmittelbaren Auswirkungen, als sich die Mächte des Bösen an dieser Stelle mit allen Mitteln zu bekämpfen begannen.
Die X-Organisation hatte sich tödlich provoziert gesehen. Zwar nur eine Finte von Peter Stenford, alias Leo Stein, der sich dabei der Macht des Urdämons Belial bedient hatte, aber eine Finte, die haargenau ihre beabsichtigte Wirkung erzielte. Und so provozierte umgekehrt die X-Organisation mit ihren Magiern und Dämonen die Schwarze Mafia, in dem Glauben, nur von dieser könne ein solcher Angriff erfolgt sein.
Jetzt sah sich die Schwarze Mafia ihrerseits angegriffen und hielt sich nicht mehr länger zurück. Bislang hatte sie nur argwöhnisch aus sicherer Entfernung beobachtet, was die Dunkle Bruderschaft der dreizehn Magier an der Quelle der Magie veranstaltete. Den magischen Ausbruch, als Peter Stenford zugeschlagen hatte, um die X-Organisation auf die falsche Fährte zu locken, werteten sie lediglich als Auswirkungen dessen, eben was die X-Agenten vor Ort zelebrierten. Die Schwarze Mafia war nicht nahe genug, um zu einem anderen Schluss kommen zu können.
Und den völlig unerwarteten Angriff der X-Agenten konterten sie, indem sie sich jetzt endlich ihrerseits um die Quelle der Magie kümmerten. Sie entdeckten dort die schlummernden Kräfte und auch, dass sie durchaus in der Lage waren, sie zu nutzen. Das war noch nicht lange so. Keiner der Dämonen machte sich jedoch Gedanken darüber, was die Quelle so sehr verändert haben könnte, und auch nicht, wann das eigentlich geschehen war. Dafür war auch gar keine Zeit mehr, denn die Magier der X-Organisation und auch einige der abtrünnigen Dämonen, die sich dieser Organisation angeschlossen hatten, befürchteten zu Recht, dass es der Schwarzen Mafia gelingen könnte, all ihre bisherige Arbeit zunichte zu machen.
Das bedeutete Krieg.
Der Krieg der bösen Geister nämlich!
Beide Parteien zehrten zusätzlich von den Kräften, die hier herrschten. Allerdings nur von denen negativer Art. Denn im Ursprung hatte es sich um eine Quelle des Guten gehandelt, geschaffen einst von den Goriten, um das Böse aus der Welt zu verbannen. Dass dieselbe Quelle jetzt ausgerechnet dazu hatte dienen sollen, genau das Gegenteil zu bewirken, nämlich die endgültige Rückkehr des Bösen auf Erden… Das war ein Frevel ganz besonderer Dimension. Eigentlich. Aber es bedeutete nicht, dass sämtliche positiven Energien von hier für immer verschwunden waren. Es war den negativen Energien nur gelungen, sie im Laufe der Zeit zu verdrängen und weitgehend unwirksam zu machen.
All die negativen Energien, die von den Mächten des Bösen angezapft wurden, um sich gegenseitig zu bekämpfen, entluden sich innerhalb von Sekunden. Um die jeweiligen Gegner zu vernichten.
Viele Gegner traf es in der Tat. Viele Dämonen wurden für immer ausgelöscht – hüben und drüben.
Aber nicht alle.
Der gewaltige Hurrikan, der dabei unter anderem die nahe Stadt Pearlhampton dem Erdboden gleich machte, war lediglich eine Randerscheinung der eigentlichen Geschehnisse.
Wie gesagt, alles spielte sich letztlich innerhalb von Sekunden ab.
Diese jedoch genügten voll und ganz, um zwei sehr geschwächte feindliche Parteien letztlich zum Rückzug zu zwingen.
Und die Quelle der Magie war dadurch beinahe bar jeglicher negativer Energien, die durch den Krieg der bösen Geister fast völlig verpufft waren.
Sie würden sich sehr rasch wieder erholen können, um erneut die positiven Energien zu übertrumpfen. Dann würden die Geister der verstorbenen Indianer hier auch noch weiterhin zur Untätigkeit verdammt bleiben. Sie würden den Bürgern von Pearlhampton kaum noch Unterstützung der positiven Art zubilligen können.
Falls die Bürger von Pearlhampton überhaupt diese Art von Hurrikan überlebt hatten…
*
Die Sphäre des Untoten
Ja, alles hatte sich dramatisch verändert. Nichts war mehr so wie all die Jahre hindurch, die ich hier bereits verbracht, während mein zweites Ich auf Erden weiterhin das Böse bekämpft hatte. Ich hatte hier die Stellung halten müssen, um eine Rückkehr der Sphäre des Untoten zu verhindern. Damit war ein wichtiger negativer Faktor im Dienste des Bösen erst einmal auf lange Sicht gesehen verbannt.
Und dann hatte die X-Organisation alles getan, um die Sphäre aus der Verbannung zurück zu holen. Wohl wissend, dass in den richtigen Händen diese Sphäre ein Machtfaktor ohnegleichen darstellte. Die hier gespeicherten magischen Energien waren wahrlich dazu geeignet, die Welt aus den Angeln zu heben. Zumindest jedoch, das Böse unangefochten über alles Irdische siegen zu lassen. Die Menschheit wäre am Abgrund gewesen, die Menschen nur noch willfährige Sklaven ihrer dämonischen Herren.
Genau das hatte die X-Organisation erreichen wollen, und der Untote, der eigentliche Herr der Sphäre, hatte das Spiel mit machen wollen.
Was inzwischen auf Erden geschehen war, davon hatte ich keine Ahnung. Aber als ich hier die Auswirkungen sah, befürchtete ich zunächst das Schlimmste. Es sah ja auch wirklich sehr schlimm aus.
Die Sphäre war von einer drohenden Dunkelwolke umgeben, die alles andere verbarg. Es gab nicht mehr den dauerklaren Sternenhimmel, der sich unveränderbar all die Jahre über mir befunden hatte. Es gab nur noch die quirlende schwarze Wolke, und die ganze Sphäre war in Aufruhr. Es fühlte sich an wie ein Erdbeben, doch es war sicherlich etwas anderes: Da waren Kräfte am Werk, die Raum-Zeit-Strukturen dieser Sphäre gewaltig zu stören.
Auch May Harris an meiner Seite war völlig konsterniert.
Doch dann sagte sie:
„Kein Grund zur Panik, Mark. Es ist nicht schlimm genug, um die Sphäre zu vernichten. Und selbst wenn: Es wäre ja eigentlich in unserem Sinne, nicht wahr?“
„Was, um alles in der Welt, ist denn überhaupt passiert? Und wieso bist du darüber so ruhig?“, regte ich mich auf.
Ich schaute über die Lichtung hinweg, in deren Mitte die Tempelruine mit dem Dimensionstor sich befand. Durch das Dimensionstor waren wir aus der Untersphäre der Drachendämonen hierher zurück gekehrt. In der Drachensphäre hatte sich nichts dergleichen bemerkbar gemacht, aber hier, direkt vor Ort…
Der lebende Dämonenwald wurde wie vom Sturm gebeutelt, obwohl sich kaum ein Lüftchen regte – erstaunlicherweise. Der Boden bildete Wellen wie die Oberfläche eines vom Wind gepeitschten Meeres. Wir hatten Mühe, uns auf den Beinen zu halten.
Die ersten Blitze zuckten nieder.
Sie fuhren irgendwo in den Boden und pflanzten sich dort fort. Ich spürte ihre Auswirkungen und wusste gleichzeitig: Wäre ich in dieser Sphäre nicht unsterblich gewesen, hätte es mich glatt umgebracht.
Und May blieb nach wie vor ruhig?
Ich schielte nach dem Elementargeist, der uns zurück geführt hatte. Er wirkte nach wie vor wie ein unruhiges Irrlicht, das in Brusthöhe umher zuckte.
Wusste der Elementargeist etwa mehr – und hatte er May entsprechend informiert?
Er hatte!
Denn May sagte jetzt:
„Beinahe wäre es den X-Agenten gelungen, die Sphäre zurück zu holen, kraft der Quelle der Magie. Trotz deiner Anwesenheit hier, Matk. Aber jemand oder etwas hat ihnen einen Strich durch die Rechnung gemacht. Beinahe in letzter Sekunde. Der Elementargeist hat es heraus gefunden. Er weiß aber nicht, wer oder was die Störung verursachte. Aber offensichtlich wehren sich die X-Agenten dagegen. Ein regelrechter Krieg des Bösen entbrannte. Doch er dauerte nur wenige Sekunden an, vielleicht noch kürzer. Dabei wurden dennoch gewaltige Energien frei gesetzt. Da die Sphäre ziemlich knapp davor war, ihren Weg zurück zur Erde zu finden, gibt es hier diese Nebenwirkungen.“
„Nebenwirkungen?“, echote ich entgeistert ob dieser meiner Meinung nach maßlosen Untertreibung und schaute umher.
Der Dämonenwald sah auf einmal ziemlich welk aus, als würde er absterben. Und dann erhob sich über den Bäumen ein urweltliches Klagen, aus Richtung Friedhof der Verdammten, ganz eindeutig.
Ich wusste sofort, wer das war: Der Untote! Er war das mächtigste Wesen in dieser seiner eigenen Sphäre. Er hatte sich magisch abgekapselt auf dem Friedhof der Verdammten, wo es den einzigen Zugang zum Diesseits gegeben hatte – so lange dieser noch hatte funktionieren können.
Ich begriff: Die Auswirkungen, die wir hier erlebten, waren gar nichts gegen das, was dem Untoten in diesen Sekunden widerfuhr!
Und er hatte sich mit viel Aufwand abgekapselt auf „seinem“ Friedhof, was bedeutete, dass nur ein relativ geringer Teil der Störenergien überhaupt durchschlagen konnte, um direkt auf die übrige Sphäre sich auszuwirken.
„Was, um alles in der Welt, hat denn eine solch gewaltige Macht?“, entfuhr es mir.
„Der Krieg des Bösen hat…“, begann May.
Ich machte eine wegwerfende Handbewegung und fuhr ihr dazwischen, ziemlich laut, ziemlich unbeherrscht, weil ich auf einmal ziemlich aufgeregt war:
„Nein, May, das ist Quatsch! Da sind andere Energien im Spiel, die sich hier auswirken, ganz andere. Nicht die Mächte des Bösen. Die haben ihre Auswirkungen nicht hier, sondern unmittelbar auf Erden, sonst könnten sie dem Untoten nicht so sehr zusetzen – und auch nicht dieser Sphäre des wahrhaft Bösen. Sie wären nämlich gleich gepolt. Denn hier, das ist was ganz anderes… Spürst du es denn nicht selber?“
Ich ballte die Hände zu Fäusten und sank unwillkürlich auf die Knie. Der kalte Schweiß trat mir auf die Stirn.
Ja, ich spürte es, und es kam mir verdammt noch mal sehr bekannt vor.
Es waren Energien, die mich an etwas erinnerten.
Und diese Erinnerung überrannte mich jetzt wie eine Sturzflut.
„Das Ritual der Goriten!“, brüllte ich, ohne mir dessen überhaupt noch bewusst zu sein.
Ich musste den Eindruck erweckt haben wie einer, der völlig den Verstand verlor. Aber ich bemerkte auch nicht mehr, dass May unwillkürlich auf Abstand sprang.
Nur der Elementargeist ließ sich in keiner Weise beirren, wie es schien.
Das erzählte sie mir allerdings erst viel später.
Jetzt spürte ich nur die Energien. Es waren die Energien der Goriten. Und ich erinnerte mich. Nicht so genau, eher vage. Aber es war eine Erinnerung:
Das Konglomerat der Mächtigen, die Vereinigung aller Geister der Goriten.
Ich war der Gorite Mahsa beim alles entscheidenden Ritual. Wir hatten keinen anderen Ausweg mehr gesehen. All unsere Bemühungen hatten insgesamt zu wenig gefruchtet. Ganz im Gegenteil, letztlich hatten wir das Böse so sehr gegen uns aufgebracht, dass es sich zum alles entscheidenden Kampf massierte.
Aber wir waren vorbereitet – bereit zum Ritual. Wir hatten rechtzeitig die Quelle der Magie geschaffen und saßen hier zusammen.
Wir waren inzwischen über fünftausend Magier, die sich dem Guten verschrieben hatten. Wir waren das, was man Weiße Magier nannte oder Weiße Hexer. Wir waren Männer und Frauen. Wir kamen aus völlig verschiedenen Gegenden auf der Welt.
Es spielte sich viele tausend Jahre in der irdischen Vergangenheit ab, in einer Zeit lange vor jeglicher Geschichtsschreibung.
Wir waren die Vereinigung aller Geister der Goriten und handelten so perfekt im Gleichtakt wie ein einzelnes Wesen, getragen von den Energien der Quelle.
Und wir siegten!
Doch zu welchem Preis?
Keiner von uns überlebte diesen Kampf. Die Energien, die wir entfesselten, um das Böse aus der Welt zu verbannen, richteten sich am Ende… gegen uns selber.
Man könnte auch sagen: Die Geister, die wir riefen, denen waren wir letztlich selber nicht gewachsen gewesen!
Später, in späteren Leben besser gesagt, hatte ich immer wieder angenommen, die Goriten seien deshalb von der Bildfläche verschwunden, eben weil es ihnen gelungen war, das Böse zu verbannen. Aber das Gute ist nichts ohne das Böse. Genauso wenig wie es das Licht ohne Schatten geben konnte.
Es mag sein, dass beides die entscheidende Rolle spielte: Eben weil das Böse nun verbannt war, wurden die Mächte des Guten nicht mehr benötigt – und mussten genauso verschwinden. Zum anderen jedoch waren es tatsächlich die zur Verbannung des Bösen eingesetzten Energien, die letztlich alle Goriten töteten…
Doch was war das?
Ein einziger überlebte, nämlich… Mahsa!
Ich war damals der Gorite Mahsa gewesen!
Ich allein… überlebte das magische Inferno!
Nein, halt, das war kein Überleben im Sinne des Wortes. Ich – mein Geist! - wurde fort gerissen, im entscheidenden Moment. Ich wurde aufgesogen von einer undefinierbaren Kraft. Ich erkannte, dass eine Art Sphäre entstand, außerhalb des Diesseits. Weder Jenseits noch Diesseits. Eine ganz eigene, vergleichsweise winzige Sphäre, die mich aufsog und mich schützte.
Ich begriff und korrigierte den ersten Eindruck: Es war meine eigene Sphäre. Schon länger. Sie hatte bereits zu meinen Lebzeiten bestanden und war nicht erst jetzt neu entstanden.
Zu meinen Lebzeiten? Zu welchen Lebzeiten? Als ich schon Mahsa, der Gorite, gewesen war?
Oder hatte es bereits Leben vor diesem Leben gegeben?
War mein erstes Leben etwa… doch nicht mein Leben als Mahsa, der Gorite, gewesen? War ich damals schon ein Wiedergeborener gewesen, ohne es zu wissen?
Dann hatte ich wahrlich nicht genauso sterben können wie alle anderen.
Ich wusste auf einmal, dass ihre Geister noch immer vereint waren – im Tode!
Nur mein Geist war als einziger fort gerissen worden, im gleichen Moment, als mein Körper starb.
Wie immer, wenn der Tod über mich kam.
Und von dieser Sphäre aus fand ich einen neuen Wirtskörper, um wiedergeboren zu werden. Immer wieder. Bis zur Gegenwart. Um zum Beispiel in der heutigen Zeit der Teufelsjäger Mark Tate sein zu können…
Und was wurde damals aus dem Konglomerat der Mächtigen, als ihre Körper in ihre Atome zerblasen wurden von den gewaltigen Energien, die sie benutzt hatten, um das Böse zu verbannen?
Ich wusste auf einmal definitiv, dass keiner der Goriten für immer gestorben war. Sie waren nach wie vor vereint. Sie bildeten immer noch das Konglomerat der Mächtigen. Und sie waren nicht weniger mächtig als damals, als sie es schafften, das Böse für so viele Jahrtausende zu besiegen, bis in die heutige Zeit…
Ja, gewiss, ich wusste auf einmal definitiv, aus was das Amulett bestand, dessen Träger ich normalerweise auf Erden war.
Ich wusste, der rote Stein, um den herum jemand das Amulett gefertigt hatte, damit es aussah wie ein rotes Auge…
Das Amulett mit Namen Schavall – das war die geballte Vereinigung aller Goriten, die damals den Kampf gewonnen hatten!
Über fünftausend mächtige, weißmagisch geschulte Geister, die sich für das Gute geopfert hatten und sich dabei im Tode untrennbar miteinander vereinigten.
Und nur einer von ihnen war einen anderen Weg gegangen, weil es sein einsames Schicksal war als der Seelenwanderer.
Ich allein!
*
Die Erinnerung war da - und ich erwachte wie aus einem Traum.
Ich sprang auf die Beine.
Die Unsterblichkeit, die mir diese Sphäre hier bescherte, sorgte dafür, dass ich nicht geschwächt blieb.
Ich schaute mich um und sah jetzt dies alles hier mit ganz anderen Augen.
Es waren keineswegs die Randerscheinungen des Krieges der bösen Geister, die durchschlugen, um der Sphäre zu schaffen zu machen, sondern es war die Quelle der Magie selber. Sie war noch immer aktiv, obwohl ich mich all die Zeit nicht ein einziges Mal mehr an sie zurück erinnert hatte.
Doch, ein einziges Mal zumindest. In einem der Leben nach meinem Goritendasein. Da hatte es mich zur Quelle zurück geführt. Als habe sie mich persönlich zu sich gerufen. Ich hatte den glutroten Stein gefunden. Ich selbst war es gewesen, der den Schavall geschaffen hatte, um den Stein herum. Ich hatte das Amulett geschmiedet. Ich hatte die Silberkette angelegt – die erste in der Geschichte des Schavalls.
Gott, es war ebenfalls schon viele Jahrtausende her. Und ich war im Laufe von ungezählten Leben immer wieder der Träger des Schavalls geworden. Bis in die heutige Zeit.
Obwohl inzwischen die zweite Hälfte von May Harris die Trägerin geworden war. Weil meine zweite Hälfte auf Erden ihr Gedächtnis verloren hatte.
Ein Phänomen allerdings, das ich nicht so recht begreifen konnte.
Da war die eigene Minisphäre, in der all meine Erinnerungen, ja, alle Erinnerungen überhaupt von allen Leben, die ich jemals gelebt hatte, abgespeichert waren. Ich hatte zwar keinen willkürlichen Zugriff darauf, aber wenn es dringend erforderlich wurde, dann sickerten die entsprechenden Erinnerungen in meinen Schädel. So wie vorhin, als ich mich an die Quelle der Magie und die damaligen Umstände zurück erinnert hatte.
Denn alle Erinnerungen an alle Leben zusammen genommen, das war zuviel für einen Einzelnen. Das hätte ich nicht mit gesundem Geist überstehen können!
Ich legte den Kopf in den Nacken.
„Dein Elementargeist hat einerseits recht, aber andererseits irrt er sich gewaltig. Es hat den Krieg der bösen Geister gegeben, aber dabei wurden die Verunreinigungen der Quelle weitgehend beseitigt. Es ist eine Schande, dass ausgerechnet die Quelle der Magie, mit der wir Goriten damals das Böse von der Welt verbannten, ausgerechnet diesem Bösen in der heutigen Zeit dazu verhelfen sollte, die Macht wieder an sich zu reißen. Über die Jahrtausende war die Verunreinigung erfolgt. Weil sich kein Gorite mehr darum gekümmert hat.“
Ich schaute May ernst an.
„Es gibt sowieso nur noch einen Goriten, wie es aussieht, nämlich… mich.“
„Und alle anderen?“, rief sie ungläubig.
„Alle anderen existieren auch noch, aber nicht mehr als lebende Wesen, sondern sie sind…“ Ich brach ab. Es kam mir nur mühsam über die Lippen: „Sie sind der Schavall!“
Sie schaute mich jetzt an, als hätte ich wahrhaftig den Verstand verloren.
Ich ließ mich davon jedoch in keiner Weise beirren.
„Und jetzt weiß ich auch, wieso das alles so ist, wie es ist. Wieso der Schavall sowohl mich vor vielen Jahren als auch dich letztlich verdoppelt hat. Er kann auf diese Sphäre hier nicht unmittelbar Einfluss nehmen.“
„Aber das wissen wir doch schon die ganze Zeit - sowieso“, wandte May ein.
„Ja, sicher, aber wir kannten sein Motiv hierfür nicht!“
„Und – und das kennen wir jetzt?“
„Ja, May, der Schavall hat gewusst, dass es so kommt. Und er hat dafür gesorgt, dass wir rechtzeitig eingreifen können.“
„Du meinst, Mark Tate und May Harris, unsere beiden anderen Hälften… haben den Krieg des Bösen…?“ Sie konnte und wollte es nicht glauben.
Ich schüttelte den Kopf.
„Nein, das habe ich nicht gesagt. Wahrscheinlich war meine zweite Hälfte gar nicht daran beteiligt. Ich nehme an, ich bin ohne Gedächtnis mit ganz anderen Dingen beschäftigt, sozusagen an einer ganz anderen Front, wenn auch im selben Krieg zwischen Gut und Böse. Aber ich denke mir, dass deine zweite Hälfte an den Vorgängen nicht so ganz unschuldig ist. Irgendwie ist es dir gelungen, den Krieg der bösen Geister anzuzetteln und somit die Befreiung der Sphäre des Untoten zu verhindern.“
Ich schöpfte tief Atem.
„Aber das heißt natürlich nicht, dass alle Gefahr für immer gebannt ist. Schau dich um, May, die Sphäre beginnt schon wieder, sich zu erholen. In ein paar Minuten, so schätze ich, sieht alles so aus wie vorher, obwohl die weißmagischen Energien noch immer gewisse Auswirkungen haben. Ich spüre sie.“
May nickte.
„Ja, jetzt spüre ich sie auch endlich. Das muss mit dem Schutz zusammen hängen, den der Untote um den Friedhof der Verdammten errichtet hat. Wäre er nicht gewesen, hätte es viel dramatischere Auswirkungen hier gegeben, glaube ich. Und letztlich ist der Schutz doch noch zusammen gebrochen. Deshalb kann ich erst jetzt die Energien wahrnehmen, die dies alles bewirkt haben.“
Der Elementargeist machte auf einmal einen irgendwie blassen Eindruck. Sofern man das von einem Irrlicht behaupten konnte.
„Auch er spürt es“, berichtete May prompt. „Es setzt ihm arg zu. Diese weißmagischen Kräfte sind sein Feind.“
„Meiner nicht“, meinte ich grimmig, „und deiner auch nicht, May. Also, wenn wir jetzt nicht versuchen, Kontakt mit deiner zweiten Hälfte zu bekommen und vielleicht auch noch mit Lord Frank Burgess… Du weißt, was auf dem Spiel steht!“
Und schon vereinten sich unsere beiden Geister.
Ich musste es zulassen, sonst nichts. Die Hauptarbeit erledigte May dabei. Sie war ja eine Weiße Hexe. Ich war als Mark Tate leider kein Weißer Hexer.
Es hatte zwar Vorleben gegeben, da hatte ich magische Begabungen, aber als Mark Tate war mir das nicht vergönnt geblieben. Obwohl ich eben als Mark Tate in einer Familie aufgewachsen war mit magischer Tradition. Das erste Mal war ich sogar schon als Kleinkind in den Kampf gegen das Böse gezogen - auf dem Rücken meines Großvaters.
Aber das war eine völlig andere Geschichte und beinahe schon vergessen angesichts der Probleme in der Gegenwart…
*
Pearlhampton, USA
Ja, Peter Stenford hatte ihnen versprochen, sie zu beschützen, sobald die negativen Auswirkungen des Krieges der bösen Geister die Stadt heimsuchten und ihre Bewohner zu vernichten drohte. Vor allem sollte der Schutz Sheriff Ted Simpson und Phil Clayton gelten. Nicht zuletzt natürlich auch den mit anwesenden May Harris und Lord Frank Burgess.
Aber das war gewesen, ehe er sich plötzlich verabschiedet hatte!
Und jetzt waren sie auf sich allein gestellt, und das ausgerechnet zum erwarteten Zeitpunkt.
Aber sie hatten die wenigen Sekunden genutzt, die ihnen noch verblieben waren.
Erst hatten May Harris und der Lord ihre Geister gleich geschaltet, und dann hatten sie sich auch noch auf telepathischem Wege zusammen getan mit den Bürgern der Stadt Pearlhampton. Denn diese Bürger hatten bekanntlich eine Besonderheit: Sie waren allesamt Unsterbliche, getragen von den weißmagischen Energien der Quelle der Magie. Zwar hatte ihre Quelle enorm gelitten unter den negativen Überlagerungen, doch sie war nicht völlig versiegt, und sie brauchten sich gegenüber May und dem Lord nur endlich voll und ganz zu öffnen, ohne weitere Vorbehalte oder gar Misstrauen.
Sie taten es angesichts der grausigen Gefahr, die ihnen allen drohte. Denn die weißmagischen Restenergien allein waren nicht mehr in der Lage, sie ausreichend zu beschützen.
Sie hatten sowieso nur noch eingeschränkt funktioniert, die ganze Zeit über. Sonst wären nicht diejenigen unter ihnen, denen der Fluch des Untoten gegolten hatte, trotz der weißmagischen Unterstützung gestorben, wie an einer tödlichen und dabei auch noch unheilbaren Krankheit.
Sie hatten die ganze Zeit über tatsächlich angenommen, es müsse sich um eine Krankheit handeln, doch inzwischen wussten sie es besser.
Und ihre Vereinigung mit May und dem Lord brachte zuwege, woran sie schon gar nicht mehr hatten glauben mögen: Sie konnten sich selber schützen. Zwar nicht die Stadt, die in Sekunden dem Erdboden gleich gemacht war von jenen unvorstellbaren Kräften, die gleich eines Hurrikans über sie hinweg stürzten, doch diese Kräfte konnten sie nicht vollends auslöschen.
Es tat weh.
Sie spürten die Schmerzen, und es war gerade so, als würde es sie tatsächlich umbringen. Vielleicht sogar noch schlimmer.
Doch sie starben nicht.
Keiner von ihnen.
Und nicht deshalb blieben sie weitgehend verschont, weil sich die meisten von ihnen sowieso in bunkerähnlichen Kellern verkrochen hatten, sondern weil die weißmagischen Energien, die mit ihnen waren, dafür genügten. Sie mussten sie nur konzentriert genug beschwören, und May und der Lord zeigten ihnen, wie sie das machen mussten. Sie leiteten mit ihren jahrelangen Erfahrungen in allen weißmagischen Dingen die Bewohner von Pearlhampton geschickt an.
Gegen einen gezielten Angriff des Bösen wären sie zwar dennoch keineswegs gefeit gewesen, aber da es sich hier gewissermaßen nur um die Randerscheinungen des Krieges des Bösen handelte, den das personifizierte Böse auf Erden gegenseitig durchführte, gelang ihnen die Selbstrettung.
Aber wieso hatte ihnen Peter Stenford überhaupt Schutz versprochen - und war anschließend spurlos verschwunden, mit dem Hinweis, die weißmagischen Energien könnten ihm ansonsten schaden? Hatte er zum Zeitpunkt seines Versprechens das noch gar nicht gewusst, dass er sich eben rechtzeitig zurückziehen musste? Oder hatte er danach erst, nach diesem Versprechen, erkannt, dass seine Hilfe gar nicht nötig war?
Wahrscheinlich spielte beides eine Rolle, dachte May unwillkürlich, als der Sturm vorüber war.
Das Gebäude, in dem sie sich befunden hatten, existierte ganz einfach nicht mehr. Als habe eine Atombombe unmittelbar vor der Eingangstür ihre gesamte Vernichtungskraft wirken lassen.
Aber es gab auch nicht das, was man einen Krater nennen konnte. Die vorübergehend herrschenden Mächte hatten einfach alles hinweg gerissen, alles eben im wahrsten Sinne des Wortes dem Erdboden gleich gemacht. Halt genauso wie bei einem mächtigen Hurrikan, wie es ihn mächtiger sicherlich schon seit Jahrhunderten nicht mehr gegeben hatte.
Und sie vier standen aufrecht im weitläufigen Trümmerfeld: Sheriff Ted Simpson, sein Freund Phil Clayton, dem der Saloon gehört hatte, von dem es jetzt nichts mehr gab, Lord Frank Burgess und sie selbst, May Harris.
Sie hatte keine Ahnung, wie es ihrer zweiten Hälfte zur selben Zeit erging, in der Sphäre des Untoten. Es interessierte sie vorübergehend aber auch überhaupt nicht. Sie schaute sich einfach nur um und wunderte sich, dass sie das alles überhaupt überlebt hatte.
Nur durch den Schutz der weißmagischen Energien, um die sie sich gemeinsam mit allen anderen bemüht hatte?
Ja, genauso war es!
Und diese Energien waren nach wie vor gegenwärtig. Nicht nur das: Sie waren innerhalb der letzten Sekunden, die seit dem Hurrikan der besonderen Art vergangen waren, gewissermaßen sprunghaft gewachsen.
Schon spürte May Harris die Anwesenheit von etwas, was einerseits fremd erschien und andererseits auf seltsame Weise vertraut.
Sie wusste sofort: Das waren die Geister der Indianer, die eigentlich die Quelle der Magie beherrschten. Sie waren jetzt vom Bösen befreit, weil das Böse sich selbst aller Grundlagen entzogen hatte.
Und die Geister der Indianer wurden freudig begrüßt von den Bewohnern der Stadt.
Selbst diejenigen, die bei dem Sturm der magischen Energien verletzt worden waren, erfreuten sich inzwischen schon wieder bester Gesundheit.
„Wir müssen dafür sorgen, dass die Verunreinigungen der magischen Quelle nicht so rasch wieder erfolgen kann!“, murmelte der Lord an Mays Seite. „Am besten überhaupt niemals wieder!“
Sie nickte heftig.
„Und ob!“
Aber auch die Bewohner von Pearlhampton hatten das bereits erkannt. Sie wussten, dass nur darin eine Chance für ihrer aller Zukunft lag. Sie mussten sich mit den Geistern der Indianer gewissermaßen kurzschließen. Sie mussten gemeinsam mit denen versuchen, das erneute Erstarken der negativen Kräfte an der Quelle der Magie nachhaltig zu unterbinden. Dann würden weder die X-Agenten noch die Dämonen der Schwarzen Mafia eine neue Chance erhalten, hier zu wirken, um die Quelle noch einmal zu entweihen und zu missbrauchen.
Dies war der Augenblick, an dem May Harris den Ruf vernahm – einen Ruf, der unwillkürlich ihren Atem stocken ließ.
Gleichzeitig damit wurde auch der Lord aufmerksam.
Er bewies mehr Reaktionsvermögen, indem er sich sofort darauf konzentrierte.
Es gab keinen Zweifel: Dies war der Ruf der zweiten Hälfte von May Harris in der Sphäre des Untoten, die sich verbunden hatte mit… Mark Tate persönlich!
Derjenigen Hälfte von Mark Tate, die sich noch an früher erinnern konnte…
*
Sphäre des Untoten
Die Verbindung kam zustande. Ich hätte jubeln mögen. Diese Verbindung erschien mir so perfekt, als wäre es niemals anders gewesen.
Wir wussten alle vier – zweimal May Harris, dann Lord Frank Burgess und auch ich selber, dass dies dennoch eine nur einmalige Gelegenheit war, die nicht so rasch wieder sich bieten würde. Denn der Untote hatte den magischen Schutzschirm verloren. Sicherlich war er längst dabei, ihn wieder neu zu errichten, um den Friedhof der Verdammten abzugrenzen von der übrigen Sphäre. Und nur über diesen Friedhof gab es eine echte Verbindung zum Diesseits. Diese war lediglich dadurch blockiert worden, dass ich hier, in dieser Sphäre, präsent geworden war.
Der Schavall selbst hatte das so in die Wege geleitet. Nur aus diesem Grund hatte er mich damals gewissermaßen verdoppelt. Damit meine andere Hälfte weiterhin auf Erden tätig bleiben konnte, als Teufelsjäger auf der Seite des Guten gegen das ewig Böse.
Und er hatte auch dafür gesorgt, dass letztlich sogar May Harris, meine Lebensgefährtin verdoppelt worden war. So kam es ja, dass sich May Harris sowohl hier, bei mir, als auch gleichzeitig im Diesseits befand.
Sie bildete ein äußerst gutes Gespann, gemeinsam mit dem Lord. Das wusste ich jetzt. Als ich die Erde verlassen hatte, war diese Verbindung noch undenkbar gewesen - eigentlich. Es war die direkte Verbindung zwischen zwei äußerst begabten Weißen Magiern. May war eine echte Weiße Hexe und Frank ein echter Weißer Hexer. Und ihre perfekte magische Verbindung hatte sich jetzt um uns beide erweitert.
Es war faszinierend, dass May Harris dabei tatsächlich wie zwei Personen erschien, obwohl ihre Gedanken absolut im Gleichklang waren und mich ebenso dazu zwangen.
Ich ließ es mit mir geschehen. Es sparte enorm Zeit, um gegenseitig sich auf den neusten Stand der Dinge zu bringen.
So erfuhren wir alles, was die „irdische May“ und auch Frank in der ganzen Zeit erlebt hatten, in denen es keinen Kontakt mehr mit uns beiden gegeben hatte. Und umgekehrt wussten die beiden jetzt alles beispielsweise über das Drachenland, die Untersphäre der Dämonendrachen.
Die Macht des Elementargeistes, der auf unserer Seite kämpfte, erschrecke sie genauso wie uns. Aber so lange er eben auf unserer Seite kämpfte… Und er schien in der Tat loyal zu sein, sonst hätte er uns womöglich längst verlassen. Sie erfuhren nämlich auch von uns, dass der Elementargeist dazu durchaus in der Lage gewesen wäre.
Wir schlossen unseren Bericht, der auf Grund des direkten Gedankenaustausches nur Sekunden beansprucht hatte, mit dem Vorschlag, dass sich Frank in seinem Schloss vielleicht bemühen sollte, den Zugang zum jenseitigen Land Oran zu öffnen. Vielleicht gab es von dort aus dann eine bessere Möglichkeit, Kontakt zu uns aufzunehmen? Ohne den Umweg über den Friedhof der Verdammten, der bald wieder für uns versperrt sein würde? Irgendwie musste es uns gelingen, um so etwas wie ein Signal zu setzen, damit er die Richtung fand. Denn es war nicht so einfach, sich im Lande Oran zurecht zu finden und sogar eine ganz bestimmte Sphäre zu erreichen, denn jeder Bereich dort war ziemlich rigoros vom anderen abgetrennt.
Aber Frank und May wussten das sowieso besser als ich. Denn ich hatte die Erlebnisse im jenseitigen Land Oran nicht selber gehabt, sondern hatte dies meiner zweiten Hälfte überlassen müssen.
Es war nicht das erste Mal, dass ich das zutiefst bedauerte.
Frank hatte zum Thema Oran allerdings eine eigene Idee:
„Wir brauchen kein extra Signal, Mark, denn ich spüre die Eigenheit der Sphäre des Untoten. Und ich bin sicher, dass ich sie darüber auch im Lande Oran orten kann. Das wird nicht sehr deutlich sein, fürchte ich, aber es müsste genügen. Zwar gelingt es dem Untoten, seine Sphäre von allem anderen abzukapseln, aber nicht perfekt. Das liegt in der Natur der Dinge begründet. Ihr habt festgestellt, dass der Drachenbereich tatsächlich einmal ein fester Bestandteil von Oran war, irgendwann einmal. Selbst die Macht des Untoten genügt nicht, diese Trennung vollkommen werden zu lassen.“
„Und wenn nicht?“ meldete ich leise Zweifel an. „Wenn es doch nicht genügen sollte?“
„Es würde ansonsten nötig machen, dass ihr euch die ganze Zeit über im Drachenbereich aufhaltet. Aber ob das wirklich so günstig wäre, bezweifele ich ernsthaft.“
„Da hast du sicher Recht“, gab ich zu.
„Dann haben wir keine andere Wahl, Mark. Ich kann nichts fest versprechen, aber ich werde mich bemühen, und May wird mich dabei tatkräftig unterstützen. Allerdings werden wir zunächst noch etwas anderes zu erledigen haben – hier in Pearlhampton.“
„Ich weiß“, gab ich zurück. „Entscheidet so, wie ihr es für richtig haltet. Vielleicht gibt es ja auch noch einen anderen Weg?“
Von den beiden wussten wir jetzt auch, was meine zweite Hälfte auf Erden inzwischen so trieb. Er befand sich in New York, um gemeinsam mit Don Cooper Corinna Hacksmith zu unterstützen. Genaueres jedoch wussten auch sie nicht zu sagen. Sie hatten es ja auch erst von jenem ominösen Peter Stenford erfahren.
Ich hatte darüber nach gegrübelt, ob mir dieser Name im Zusammenhang mit einem mächtigen Dämon jemals untergekommen war. Das musste ich verneinen. Hatte ich denn noch niemals zuvor etwas mit ihm zu tun gehabt? Auch nicht in einem früheren Leben?
Fragen, die wir aufschieben mussten, denn jeden Augenblick konnte die zwar immer noch sauber funktionierende, aber nichts desto weniger nur vorübergehend mögliche telepathische Verbindung mit dem Diesseits abreißen.
Und kaum hatten wir es befürchtet, da geschah es auch schon. Von einer Sekunde zur anderen.
Wir wussten gleichzeitig, dass es dem Untoten wieder gelungen war, seinen magischen Schutzschirm zu erneuern. Jetzt schützte er wieder den Friedhof der Verdammten gegen uns - und wir hatten keinen Zugang mehr auf telepathischem Wege zur Erde und damit zu den beiden Verbündeten.
Wir erwachten wie aus einem Traum und schauten uns um.
Alles erschien so wie vordem, wie vor dem Krieg der bösen Geister. Aber das war nichts, was uns beruhigen konnte.
May und ich schauten uns gegenseitig an.
„Wie soll es bei uns weiter gehen?“, erkundigte ich mich.
Sie zuckte die Achseln.
„Sag du es mir, Mark!“ Und nach kurzem Zögern: „Die nächste Etappe könnte beispielsweise der Werwolf sein“, schlug sie vor.
Ich schürzte nachdenklich die Lippen und dachte noch einmal zurück an alles das, was wir erfahren hatten. Für den Augenblick konnte ich mich gar nicht so richtig auf den Vorschlag von May konzentrieren. Der Werwolf? Nun, er war der Einzige, der sich all die Jahre hindurch von einem Bereich zum anderen hatte frei bewegen können und daher immer wieder zum Friedhof der Verdammten gekommen war. Als würde es ihn dorthin mit magischer Gewalt ziehen.
Mehrfach hatte er versucht, gegen mich anzugehen, bis er hatte einsehen müssen, keinerlei Chance zu haben. Seitdem hatte er Distanz gehalten. Wenn ich beispielsweise vorn, am Eingangstor zum Friedhof, auf ihn gelauert hatte, war er schon gar nicht aufgetaucht. Er hatte auch niemals Schwierigkeiten mit dem Dämonenwald gehabt.
Immer wieder hatte ich mich ernsthaft gefragt, ob ich schon einmal mit diesem Werwolf zu tun gehabt hatte. In einem meiner früheren Leben oder vielleicht auch erst in meinem jetzigen Leben als Mark Tate?
Ich hatte immer wieder eine Konfrontation mit Werwölfen erlebt, sicherlich, aber ich war mir einfach nicht sicher, ob einer von ihnen vielleicht dieser hier gewesen war. Weil keiner der Werwölfe, mit denen ich etwas zu tun gehabt hatte, diese Begegnung letztlich überlebt hatte. Meines Wissens nach waren alle vernichtet worden.
Oder irrte ich mich darin?
Hatte vielleicht doch einer von ihnen die Konfrontation mit mir überstanden, ohne dass mir das bewusst geworden war? Weil vielleicht der Untote rechtzeitig dazwischen gefunkt hatte, um den Werwolf hierher zu entführen, weil er nur in seiner Sphäre jeden Dämon für seine eigenen Zwecke ausnutzen konnte?
Ich schaute unwillkürlich nach dem Elementargeist. Der erschien so wie zumeist – als tanzendes Irrlicht nämlich in Brusthöhe.
„Er weiß mehr über den Werwolf“, begann May vorsichtig. „Daher mein Vorschlag. In der Tat wird dir die Geschichte nicht unbekannt vorkommen. Du musst allerdings zulassen, dass er die entsprechenden Erinnerungen auf dich überträgt. Der Elementargeist hat alles direkt von dem Werwolf selber erfahren. Natürlich nicht freiwillig: Der Werwolf konnte nichts dagegen unternehmen, dass der Elementargeist seine Erinnerungen angezapft hat. Oft genug Gelegenheit hatte er ja hierzu. Zwar hatte der Elementargeist nicht gegen einen der anderen Dämonen angehen können, so lange er selber der Gefangene des Untoten gewesen war, doch die Übernahme von Erinnerungen war ihm vom Untoten nicht ausdrücklich untersagt worden. Und jetzt könnten wir davon profitieren. Du musst es nur wollen.“
Ich schaute den Elementargeist misstrauisch an. Ihm sollte ich mich geistig öffnen? Alles sträubte sich in mir dagegen, obwohl sich der Elementargeist inzwischen hinlänglich als loyal erwiesen hatte. Aber er war und blieb trotzdem ein Dämon, und ich war darauf getrimmt, einem solchen niemals zu trauen.
Denn war ich nicht der Mann, den man zurecht den Teufelsjäger nannte?
Meine Gedanken glitten ab von diesem Thema, weil ich mich einfach nicht entscheiden mochte. Ich dachte deshalb lieber wieder an meine zweite Hälfte, an den Mark Tate im Diesseits.
In New York befand er sich? Gemeinsam mit Freund Don Cooper? Um dort jene Corinna Hacksmith zu unterstützen, der er im Grunde genommen seinen totalen Gedächtnisverlust verdankte?
Sie hatte alles getan, um es wieder gut zu machen, wie mir May versichert hatte. Sie waren so etwas wie Freunde geworden darüber. Aber sein Gedächtnis hatte er trotzdem nicht zurück erlangt.
Und ich fragte mich, was wohl geschehen würde, wenn die Angelegenheit „Sphäre des Untoten“ endlich einmal erledigt sein würde und ich meinem eigenen Ich gegenüber treten konnte, zurückgekehrt in das Diesseits…
Ob es dabei so etwa wie eine Wiedervereinigung geben würde?
Denn ich konnte mir irgendwie überhaupt nicht vorstellen, dass diese Trennung in zwei gleiche Hälften eine Dauereinrichtung bleiben durfte…
*
New York, USA
Luc Wyler kam keuchend herein.
„Das Weib war ja regelrecht des Teufels!“, murmelte er, noch kreidebleich im Gesicht.
Corinna sah auf. Sie war nicht gefesselt - nicht mehr, seit sie den Boss heiß auf sich gemacht hatte. Fast hatte sie ihn soweit, dass er ihr aus der Hand fraß. Aber sie durfte nicht übertreiben. Noch war ihr Fluchtweg nicht vorgezeichnet. Corinna würde kein unnötiges Risiko eingehen. Sie wusste haargenau, worauf es ankam, und war nicht umsonst die Topagentin schlechthin bei der Geheimorganisation Bertil-Fox-Stiftung, die sich auf die Fahne geschrieben hatte, aus dem Unsichtbaren heraus das personifizierte Böse in aller Welt zu bekämpfen, namentlich die sogenannte X-Organisation.
Mark Tate und Don Cooper waren in diesem Spiel zwar ihre wichtigsten Verbündeten, doch beide ahnten gar nicht, für wen sie wirklich arbeiteten – und sie hatte leider keine Möglichkeit gesehen, vor ihrer Gefangennahme durch die im Dienst der X-Organisation stehenden Gangster rechtzeitig Alarm zu schlagen oder gar Hilfe anzufordern. Deshalb musste sie allein sehen, wie sie klar kam – leider…
Sie konzentrierte sich auf das, was sie gehört hatte, und schoss sogleich die Frage ab:
„Was ist denn passiert?“ Kurz dachte sie selber nach. Dann fügte sie hinzu: „Von wem ist die Rede? Von Diana Bouhl?“
Wyler nickte zu ihrem Erschrecken: Also doch!
„Irgendwie ist es ihr gelungen, sich zu befreien“, maulte er. „Diese Narren haben sie erheblich unterschätzt.“
„Und dann?“
Er winkte nur ab. Das war Antwort genug.
Nein, dachte Corinna entsetzt, das hat die Kleine nun doch nicht verdient. Sie war einfach nur dumm gewesen und auf den Falschen herein gefallen…
„Wo ist es passiert?“
Er schüttelte den Kopf, wie um einen Alpdruck los zu werden.
Corinna selber hatte von den Vorgängen hier drinnen nichts mitbekommen. Die Wände und die Tür waren schallisoliert.
Luc Wyler öffnete die Tür, die er nach dem Hereinkommen nur angelehnt hatte.
Corinna trat alarmiert näher.
Wyler ließ sie an sich vorbei schauen.
Auf dem Gang lag die Leiche von Diana Bouhl.
Corinna hatte sie nie persönlich zu Gesicht bekommen, aber die Beschreibung passte haargenau.
Wäre sie nur nicht so dumm gewesen und wäre sie nicht vor Mark Tate und Don Cooper abgehauen. Sie hatten sie doch nur beschützen wollen. Aber nein, sie hatte ihrem Liebhaber mehr geglaubt, und jetzt… war sie tot.
Corinna Hacksmith, die ansonsten smarte Agentin, die so schnell nichts erschüttern konnte, schob sich an Wyler vorbei, der nichts dagegen einzuwenden hatte, und schaute den Gang entlang.
Die Mordschützen näherten sich, noch die Waffen in den Fäusten.
Eine verdammt gute Isolierung, die selbst das Krachen von Schüssen nicht hindurch lassen, konstatierte Corinna im Stillen zerknirscht und zog sich wieder in ihre Zelle zurück.
Sie hatte sich sehr gut im Griff, und das war auch besser so. Am liebsten hätte sie die Mörder für den Mord an der Kleinen auf der Stelle mit dem Tode bestraft, aber das würde alle ihre Pläne zunichte machen, und sie hätte dabei unnötig ihr eigenes Leben aufs Spiel gesetzt - und das Gelingen ihrer Mission. Denn sie war zwar dummerweise in Gefangenschaft geraten, aber es war ihre besondere Kunst, aus jeder Niederlage am Ende doch noch einen Sieg werden zu lassen. Wie auch immer…
„Boss, alles klar?“, rief einer der Gangster.
Wyler zeigte ein verzerrtes Grinsen.
„Du siehst, was passiert, wenn man versucht, mich hereinzulegen!“, sagte er zu Corinna.
Corinna zog sich mit unbewegtem Gesichtsausdruck weiter in die Zelle zurück. Wyler durfte unter keinen Umständen auch nur ahnen, was in Wirklichkeit in ihr vor ging.
Wyler rief nach draußen: „Ich habe hier alles im Griff!“
„Gut, Boss!“, sagte der Gangster erleichtert. „Wir haben sie Gott sei Dank rechtzeitig noch erwischt.“
„Von dem Schaden einmal ganz abgesehen, den dieser eklatante Fehler verursacht hat…“, murmelte Wyler mehr zu sich selbst als zu seinen Leuten.
Er winkte Corinna zu.
„Komm mit!“, befahl er knapp und ging voraus.
Corinna folgte zögernd.
Wyler schob sich an der Leiche vorbei und steuerte auf eine andere Tür zu. Er hantierte daran herum und öffnete schließlich.
„Die räumen jetzt erst einmal auf. Ich will dir inzwischen das Labor zeigen. Es ist Spencers Labor. Du weißt, dass wir ihn entführt haben?“
Diese Frage war rein rhetorischer Natur und bedurfte keiner Antwort. Das zeigte das Grinsen in seinem Gesicht überdeutlich.
An den Tod von Diana, den er ganz allein verschuldete, wenn auch indirekt, verschwendete er offensichtlich keinen Gedanken mehr.
Corinna hasste ihn nicht nur deswegen. Sie hasste ihn, weil er dem personifizierten Bösen auf Erden ihrer Meinung nach wesentlich näher war als er wahrscheinlich selber von sich angenommen hätte. Dabei ahnte er noch nicht einmal, bei welchen Auftraggebern er wirklich im Sold stand. Er hatte keine Ahnung, dass es der X-Organisation um nichts anderes ging, als um die Vernichtung der menschlichen Kultur und die Unterdrückung aller Menschen, um sie zu willfährigen Sklaven des Bösen zu machen.
Noch war er selber Täter, aber wehe, seine Auftraggeber gelangten an ihr Ziel. Es war kaum anzunehmen, dass ihre menschlichen Helfershelfer ein besseres Schicksal erleiden würden als alle anderen Menschen. Denn das personifizierte Böse kannte keine Loyalität oder gar Dankbarkeit oder Mitleid.
Du wirst das selber sowieso nicht mehr erleben, versprach Corinna sich im Stillen…
*
Corinna runzelte die hübsche Stirn. Ihre Gedanken kehrten wieder zum Wesentlichen zurück – und das fand in der Gegenwart statt, wo sie besonders aufmerksam sein musste, damit ihr auch ja nichts entging.
Das Vorgehen des Gangsterbosses zeigte ihr deutlich, dass sie sein vollstes Vertrauen gewonnen hatte. Umso besser. Es fragte sich nur, ob es genug war, daraus auch den rihtigen Vorteil zu ziehen.
Sie riskierte einen Blick hinein in den aufgesperrten Raum.
Weder Spencer noch Bennister waren zu sehen. Aber sie waren da. Corinna spürte es regelrecht. Sie befanden sich nur im toten Blickwinkel, wie es schien.
Sie trat ein und schaute sich neugierig um.
Wyler folgte ihr grinsend. Er achtete nur auf sie - und das war sein Fehler.
Bennister stand hinter der Tür, in Deckung. Er packte den Gangsterboss blitzschnell und griff unter dessen Jackett.
Die Waffe wechselte den Besitzer, ehe Luc Wyler reagieren konnte.
Er schaute in die Mündung seiner eigenen Pistole.
Bennister stieß die Tür ins Schloss.
„Zurück!“, befahl er barsch.
Noch einer, der über sich selbst hinaus wächst, dachte Corinna ehrlich überrascht. Aber: Und dies hier ist ein genauso unnötiges Opfer wie das Opfer von Diana Bouhl. Was will Bennister denn damit erreichen? Glaubt er denn wirklich, er könnte so ohne Weiteres von hier verschwinden?
„Du wirst leichtsinnig, Luc“, sagte Bennister, „und du machst Fehler.“
Corinna verzog das Gesicht. Schließlich war sie an dem Fehlverhalten des Gangsterbosses nicht ganz unschuldig. Sie hatte ihm mit ihren Reizen gewaltig die Hölle heiß gemacht. Der Boss konnte wohl kaum noch klar denken. Genau dies war ja die Absicht gewesen.
Nur war Bennister im Moment dabei, alles zu vermasseln. In bester Absicht zwar, aber vermasseln war es trotzdem.
Sie sah Bennister an, dass er fieberhaft überlegte.
Dann machte er seinen nächsten Fehler.
Corinna sah Spencer. Der Professor verhielt sich abwartend.
Machte Bennister dies alles nur, um den Wissenschaftler und ehemaligen Chef von ihm auf seine Seite zu bringen?