Heiligabend - Ben Bertram - E-Book
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Heiligabend E-Book

Ben Bertram

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Beschreibung

Längst war aus dem kleinen Städtchen eine wundervolle Winterlandschaft geworden. Es passte perfekt, da heute ein besonderer Tag war. Der Kalender zeigte den vierundzwanzigsten Dezember, und die Vorbereitungen für den heutigen Abend liefen überall auf Hochtouren. Überall? Nein, für Hope war dieser Tag nicht außergewöhnlich. Sie stand in dem kleinen Buchladen und ging ihrer Arbeit nach. Auch daran, dass sie heute ihren achtzehnten Geburtstag feierte, verschwendete sie keinerlei Gedanken. Warum sollte ihr auch nach Feierlichkeiten zumute sein? Sie fühlte sich allein und im Stich gelassen. Dieser Tag war wie jeder andere in ihrem Leben. Immerhin wurde sie von ihrem Vater am Tag der Geburt im Stich gelassen, und auch zu ihrer Mutter hatte sie derzeit nur wenig Kontakt. Doch zum Glück gab es Eddie. Der Besitzer des Buchladens war ein großartiger, älterer Mann, und Hope war glücklich darüber, dass er sie in sein Leben gelassen hatte. Als Hope ein ihr bekanntes Buch erblickte, begann sie direkt zu lesen. Doch wie war das möglich? Las sie wirklich ihre eigene Geschichte? Inmitten der Sterne durfte sie genau an diesem Heiligabend ihr eigenes Wunder erleben …

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Inhaltsverzeichnis

Mein Name ist …

Nur vier Stunden

Inmitten der Sterne

Wenn alles schiefläuft

Duft von Tee

Worte für mich

Eddies Angebot

Ehemals eine Ruine

Dich kenne ich

Nicht alles richtig

Auch ein Christkind

Weihnachtsgefühl

Fragen & Antworten

Begegnungen

Stolz und glücklich

Dunkelheit und Vernunft

Endlich wieder Fantasie

Durch den Schnee

Ein weiteres Kapitel

SAM-X

Frische Luft

Weihnachtsläuten

Knarrende Dielen

Seine Augen

Kristallblau

Tee für mich

Rätselhafte Welt

Ein gerahmtes Bild

Augen wie DEINE!

Magische Kerzenständer

Unsere Hütte

Heiligabend

-Sam X.

und der himmlische Buchladen-

Von Ben Bertram

Alle Rechte vorbehalten!

Nachdruck, Vervielfältigung und Veröffentlichung - auch auszugsweise - nur mit schriftlicher Genehmigung des Autors!

Im Buch vorkommende Personen und die Handlung dieser Geschichten sind frei erfunden und jede Ähnlichkeit mit lebenden Personen ist zufällig und nicht beabsichtigt.

Text Copyright © Ben Bertram, 2021

Impressum:

Text:

Ben Bertram

Stellauer Straße 30 B

25563 Wrist

E-Mail: [email protected]

Covergestaltung:

Ben Bertram

Korrektorat / Lektorat:

Monika Dress-Smolik

Mein Name ist …

(Prolog)

„Hope, können Sie bitte mal kommen?“, hörte ich Herrn Giebler rufen und musste lächeln. Noch immer siezte er mich, auch wenn er zum Glück endlich dazu übergegangen war, mich mit meinem Vornamen anzusprechen.

Doch so war er nun mal, und ich spürte keinen Drang in mir, diesen liebenswerten älteren Herren zu ändern. Nein, auf keinen Fall wollte ich das, und der Grund dafür war ein sehr einfacher.

Ich selbst war der Grund.

Auch ich wollte nicht verändert werden, da ich mir meine Welt so eingerichtet hatte, wie ich am besten mit ihr zurechtkam. Mein Leben war, wenn ich es ehrlich ausdrücken soll, meistens wirklich beschissen.

Mein Vater oder sollte ich ihn lieber als meinen Erzeuger betiteln, hatte mich im Stich gelassen. Er war gegangen, bevor ich ihn kennenlernen durfte. Der Typ hatte sich verpisst und meine Mutter und mich allein gelassen.

Wir wurden einfach unserem Schicksal überlassen.

Herr Giebler, der nicht nur mein Chef, sondern auch eine Art väterlicher Freund geworden war, hatte mir in den letzten Jahren sehr geholfen. Er war es, der mir einen Arbeitsplatz angeboten hatte. Er war es, der dafür gesorgt hatte, dass ich seit einiger Zeit wieder Kontakt zu meiner Mutter hatte, und er war es auch, der immer zu mir hielt.

Eddie hatte mir neue Wege gezeigt. Immer wieder hatte er es getan, ohne mich dabei zu bedrängen. Wahrscheinlich wusste er, dass die Wege nur dann Sinn machten, wenn ich sie auch freiwillig ging.

Es ist nicht möglich, andere Menschen zu verändern.

Eine Veränderung muss von jedem selbst kommen. Tief im Herzen muss etwas geschehen, was nicht zu erklären ist.

Ihr glaubt mir nicht? Das solltet ihr aber.

Mir selbst ist es geschehen.

Ja, in mir ist etwas passiert, woran ich niemals geglaubt hätte. Das Leben hatte mir plötzlich bewiesen, wie lebenswert es ist. Und das, obwohl ich längst nicht mehr an meine Wünsche, das Glück sowie an meine Sehnsüchte und Träume geglaubt hatte.

An Wunder sowieso nicht!

Im Laufe meines Lebens hatte ich die Hoffnung aufgegeben, und daher war ich häufig wütend auf meine Eltern, die mir diesen unpassenden Namen verpasst hatten.

Konnte es wirklich Zufall sein, dass ich mein Wunder am Heiligabend erleben durfte? Oder war es vielleicht sogar Magie, dass sich mein Leben an meinem achtzehnten Geburtstag auf den Kopf stellte?

Früher hätte ich diese Fragen mit einem überzeugten Nein beantwortet. Doch heute verhält es sich anders, und ich bin glücklich darüber.

Die Zeit für meine Geschichte ist reif.

Ich bin bereit, und wenn ihr es ebenfalls seid, werde ich nun beginnen …

Nur vier Stunden

… musste ich heute arbeiten.

Was nicht daran lag, dass ich an meinem Geburtstag einen halben Tag frei bekam. Das hätte ich auch gar nicht gewollt. Immerhin liebte ich meinen Beruf, der vielmehr eine Berufung für mich war.

Deshalb stand ich am heutigen Heiligabend auch jetzt noch auf der Leiter und sortierte eine frisch eingetroffene Ladung Bücher in die mächtige Regalwand ein.

Ich war ein Christkind. Was bedeutete, dass bei mir Heiligabend und mein Geburtstag auf ein und denselben Tag fielen.

Mein Chef stand unten vor der Leiter und reichte mir die Träume aus Buchstaben und Papier. Jedesmal, wenn er mir einen kleinen neuen Stapel hochreichte, lächelten wir uns an. Reden brauchten wir nicht, da wir uns auch ohne Worte verstanden. Ich genoss unser gemeinsames Tun, was auch daran lag, dass Eddie wirklich ein toller Mensch war. Ich schätzte ihn auf fast siebzig Jahre und ging davon aus, dass er dieses Geschäft nur deshalb noch führte, weil er Bücher über alles liebte.

Darüber gesprochen hatten wir nie.

„Liebe Hope, was meinst du, wollen wir Feierabend machen?“ Eddie sprach leise, fast sanftmütig, und seine kristallblauen Augen leuchteten mit den Kugeln unseres Weihnachtsbaumes um die Wette.

„Ich bin gleich fertig“, entgegnete ich und sortierte das Buch, welches ich in der Hand hielt, ein. Es war eine Weihnachtsliebesgeschichte, und als ich mir das Cover nochmals ansah, bevor ich es zwischen zwei andere Bücher schob, lächelte ich. Das Cover zeigte einen Vater und seine Tochter, wie sie gemeinsam mit ihrem Hund vor dem Tannenbaum saßen. Dann lief eine Träne des Glücks über meine Wange, und ich seufzte gerührt auf.

Mein Leben lang hatte ich mir einen solchen Augenblick gewünscht. Doch er war mir leider verwehrt geblieben.

Lag es daran, dass ich aufgehört hatte, daran zu glauben? Konnte man sowas nur erleben, wenn das Herz voller Hoffnung und Vertrauen war?

Selbstverständlich konnte ich mir die Antwort nicht mit Gewissheit geben. Trotzdem war ich sehr sicher, dass es sich so verhielt.

Als ich einen kurzen Moment später die Leiter hinabging, spürte ich leichtes Zittern in meinen Beinen. Mein Herz klopfte wie verrückt, und meine Gedanken waren in die Vergangenheit abgetaucht. In eine Vergangenheit, die leider ohne meinen Vater stattgefunden hatte. Aber auch in eine Zeit, in der ich leider auf einige Weihnachtsfeste mit meiner Mutter verzichtet hatte.

Inzwischen war es zum Glück wieder anders.

Dank Eddie hatte ich den Mut gefunden, wieder Kontakt zu meiner Mama aufzunehmen. Zu der Frau, die immer für mich dagewesen war. Die immer stark war und von der ich mich doch abgewandt hatte.

Doch auch das gehörte inzwischen der Vergangenheit an. Heute Abend war ich bei ihr, und ich freute mich darauf, einen schönen Heiligabend mit ihr zu feiern. Ich wollte bei ihr übernachten, über die Weihnachtsfeiertage bei ihr bleiben und wenn alles gut lief, sogar bis ins neue Jahr Zeit mit ihr verbringen. Wir hatten viel nachzuholen, und ich freute mich darauf.

Ein Lächeln lag auf meinen Lippen, als ich daran dachte, dass meine Mutter mein Lieblingsessen für mich zubereiten wollte. Ich freute mich auf den Duft von Rotkohl, Klößen und der im Ofen zubereiteten Gans.

Ja, ich hatte den Duft vom letzten Jahr in der Nase. Von dem Tag, an dem wir uns endlich wiederhatten.

Ich freue mich auf dich, dachte ich und wusste genau, dass sich meine Mama ebenfalls sehr freute.

Gerade als ich erneut in die Gedankenwelt eintauchen wollte, kam Eddie auf mich zu.

„Ach, Hope, machen Sie Feierabend. Es ist doch Heiligabend, und Geburtstag haben Sie außerdem auch noch“, sagte mein Chef und zog sich dabei den dicken Wintermantel an, der schon bessere Zeiten erlebt hatte.

„Gleich. Ich möchte nur noch diesen Karton ausräumen. Sie wissen doch, dass ich es schrecklich finde, wenn Bücher in Kartons verstaut sind. Das Papier will atmen, und die Buchrücken wollen sich präsentieren.“ Ich meinte es ernst. Lediglich eine Sache hatte mich mein Leben lang begleitet. Es gab in der Zeit, an die ich mich erinnern konnte, nur eine Konstante in meinem Leben.

Die Bücher!

„Aber nach dem Karton ist Schluss für heute. Versprechen Sie mir das, liebe Hope? Denken Sie auch an ihre Frau Mutter, die wartet bestimmt schon auf Sie.“ Eddies Worte hörten sich wie Ratschläge an, doch so waren sie nicht gemeint. Sie waren vielmehr eine Aufforderung. Was ich natürlich wusste.

„Ich verspreche es. Aber bis ich bei Mama aufschlagen soll, ist noch Zeit. Ich muss vorher noch zu mir und die gepackte Tasche holen“, antwortete ich und hob die Finger zum Schwur in die Luft.

„Dann bin ich beruhigt. Bitte schließen Sie nachher die Tür ab. Ich bin jetzt weg.“ Eddie lächelte mich an, und ich lächelte zurück.

„Frohe Weihnachten, Herr Giebler. Haben Sie eine Zeit voller erfüllter Wünsche.“

„Ich werde mich bemühen. Sie müssen an diesem besonderen Tag aber auch an Wunder glauben. Haben Sie ein glückliches Weihnachtsfest und natürlich einen tollen Geburtstag.“ Sekunden später vernahm ich die Türglocke und beobachtete, wie die Tür anschließend zurück ins Schloss fiel. Ich war allein, und es fühlte sich gut an.

Ich mochte die Einsamkeit.

Schon immer war ich gern für mich allein, auch wenn sich dieses „schon immer“ natürlich für ein Mädchen in meinem Alter recht merkwürdig anhörte.

Mein Blick wanderte durch den Raum und wurde dabei von meinem Lächeln begleitet.

„Ich darf hier sein. Hier in der alten Ruine“, sagte ich und schüttelte verständnislos den Kopf. Tatsächlich hatte mein Chef in Windeseile aus einem alten verkommenen Haus diese Wohlfühloase gezaubert. Ich konnte mich noch gut daran erinnern, dass ich dieses Gebäude von klein auf nur als abgewracktes Haus kannte. Es stand, solange ich zurückdenken konnte, immer leer, und selbst meine Mutter, die alte Gemäuer liebte, hatte immer gesagt, dass man diesen Schuppen nur noch abreißen konnte.

Sie hatte sich geirrt, da sie ihre Rechnung ohne Eddie gemacht hatte.

Tausende von Büchern standen um mich herum in den Regalen, und es kam mir vor, als würden sie mich anlächeln. Vielleicht taten sie es sogar. Immerhin wussten sie, dass ich jedes von ihnen liebte und auf sie aufpasste.

Anstatt mich um den Karton zu kümmern, kuschelte ich mich gemütlich in den Sessel hinein. Als ich meinen Thermobecher auf dem kleinen Beistelltisch erblickte, griff ich zu und freute mich darüber, dass der Inhalt noch fast heiß war. Dann trank ich einen Schluck Tee, stellte den Becher anschließend auf meinen Schoß und schloss die Augen.

Es war ruhig im Laden.

Falsch, es herrschte andächtige Stille. Vor meinen geschlossenen Augen formte sich ein Bild. Nein, kein richtiges Bild, sondern vielmehr ein Buchcover, dass mich auf meinem Weg zum Jetzt begleitet hatte. Dieses Buch befand sich häufig in meiner Nähe und doch hatte ich es nie gelesen.

Ein Sternenhimmel bestimmte das Cover, und das Buch trug den Namen „Inmitten der Sterne“.

Auch jetzt erkannte ich es deutlich.

Doch erst heute bemerkte ich den kleinen Untertitel. „Wenn alles schiefläuft, schau einfach hoch!“ So waren die Worte, die mir bisher immer verwehrt geblieben waren.

„Ich möchte dich jetzt lesen“, sagte ich im Flüsterton und stand auf.

Inmitten der Sterne

Wie lange ich bereits die Regale nach dem Buch abgesucht hatte, wusste ich nicht. Dafür wusste ich leider, dass ich es noch immer nicht gefunden hatte.

Selbst in Regalen mit anderen Genres hatte ich inzwischen nachgesehen und war nicht fündig geworden. Eine leichte Verzweiflung war längst in mir aufgestiegen, und so stand ich nun inmitten des Geschäfts, stemmte meine Hände in die Hüften und scannte mit meinem Blick abermals die Regale ab.

Doch meine Suche blieb weiterhin erfolglos.

„Es gibt keinen ordentlicheren Buchladen als Eddies“, sagte ich zu mir und wunderte mich darüber, dass das Buch nicht zu finden war. Leider hatte ich nie darauf geachtet, wer der Schriftsteller war. Nein, ich kannte den Verfasser des Werkes nicht und musste die Suche daher leider einstellen.

Traurig ging ich hinüber zu meinem Lieblingsplatz. Zu gern hätte ich heute das nachgeholt, was ich bisher versäumt hatte. Ich wollte erfahren, was inmitten der Sterne passierte.

Als ich erkannte, dass Eddie den Laptop noch nicht heruntergefahren hatte, kam mir eine Idee. Schnell gab ich meine Anmeldedaten ein und begann mit einer anderen Art der Suche.

„So werde ich dich finden“, rief ich euphorisch und freute mich darüber, diesen grandiosen Einfall zu haben. Im Internet auf den dafür vorgesehenen Seiten würde sich das Buch nicht weiter vor mir verstecken können. Nachdem ich den Titel eingegeben hatte, drückte ich die Enter-Taste und freute mich auf das Ergebnis der Suche. Mit etwas Glück würde ich nun erfahren, wo ich in unseren Regalen noch suchen konnte. Immerhin hatten wir einige der älteren Bücher nach den Namen der Schriftsteller sortiert. Wenn ich also den Verfasser kannte, war es mir mit ein wenig Glück doch noch möglich zu erfahren, was inmitten der Sterne geschah.

Falls Eddie das Buch nicht in unseren Regalen stehen hatte, konnte ich es mir direkt liefern lassen. Dann würde ich zwar erst in ein paar Tagen zum Lesen kommen, aber ich hätte mir mit der Bestellung zumindest selbst ein Weihnachtsgeschenk gemacht.

Oder wäre es ein Geburtstagsgeschenk?, fragte ich mich in Gedanken und amüsierte mich darüber.

Leider hielt mein Amüsieren nicht lange an. Auch mein Lächeln war schnell versiegt, was beides dem Ergebnis meiner Internetsuche geschuldet war.

„Das kann nicht sein“, rief ich enttäuscht. Die Suche nach dem Titel hatte null Treffer ergeben. Deutlich konnte ich es auf dem Bildschirm lesen. Nachdem ich den von mir eingegebenen Buchtitel überprüft hatte, war mir klar, dass ich keine Schreibfehler gemacht hatte.

„Warum finde ich dich nicht? Ist das die Strafe dafür, dass ich dich mein Leben lang ignoriert habe?“, fragte ich und sah irritiert auf den Bildschirm.

„Okay, so schnell gebe ich nicht auf. Dann halt so.“ Ich gab jetzt den Untertitel in die Suchmaske ein.

Wenn alles schiefläuft, schau einfach hoch. Ich wiederholte den Text in Gedanken und prüfte dabei, ob ich alles korrekt eingegeben hatte.

„Alles richtig!“, sprach ich und betätigte ein weiteres Mal die Enter-Taste. Als mir das Ergebnis präsentiert wurde, bildeten sich Falten auf meiner Stirn. Mit leicht zugekniffenen Augen sah ich auf den Bildschirm und konnte es nicht fassen. Auch diese Suche wurde mit keinem Treffer abgeschlossen.

Mein Blick ging durch Eddies Buchladen und blieb nirgends hängen. Wie auch? Ich suchte in diesem Moment ja auch nichts. Der Blick war meiner Verzweiflung gewidmet. Okay, vielleicht war das Wort Verzweiflung etwas zu groß für das, was eben geschehen war. Ich war in meinem Leben häufig sehr verzweifelt gewesen, und dieses nichtgefundene Buch war ein Schiss dagegen. Trotzdem trug ich ein unbehagliches Gefühl in mir.

Ich entdeckte ein Spinnengewebe in der Ecke und musste lächeln. Früher wäre ich direkt losgelaufen und hätte es weggemacht. Heute hingegen bewunderte ich die Kunst der Spinne. Ein solches Netzt zu spinnen, war mit Genialität verbunden. Die Natur schaffte Dinge, an die wir Menschen niemals heranreichen würden.

Kleine von uns Menschen als minderbemittelte Lebewesen verurteilte Kreaturen waren in der Lage, Weltrekorde und Superleistungen zu vollbringen. So wie Ameisen, die ein Vielfaches ihres Körpergewichts tragen konnten. Oder ein Floh, der bei einer Körpergröße im Millimeterbereich in der Lage war, bis zu einem Meter weit zu springen.

Doch viele Menschen verachteten nicht nur diese Art von Lebewesen. Sie hatten ebenfalls kein Interesse an Menschen, die mit ihren Problemen nicht klarkamen und dadurch ein Leben fernab von der normalen Gesellschaft führten. Sie waren Außenseiter, wurden belächelt und leider nicht ernst genommen.

Es waren Menschen, wie auch ich einer war.

Noch vor zwei Jahren war mir nicht bewusst, was in mir steckte.

Ich lebte zurückgezogen, und ich fühlte mich am wohlsten, wenn ich nicht beachtet wurde. Es kam mir vor, als wäre ich überflüssig und zu nichts zu gebrauchen. Mein Leben bestand aus Selbstmitleid, Einsamkeit und Büchern.

Tatsächlich wurde ich zu einem anderen Menschen, wenn ich ein Buch in der Hand hielt. Wenn ich in die Welt des Lesens abtauchte und die großartigen Geschichten genoss, die die Protagonisten erleben durften.

Doch wenn ich ein Buch ausgelesen hatte, war ich sofort wieder die hoffnungslose Hope. Das Mädchen, das nichts auf die Reihe bekam und zu nichts zu gebrauchen war.

Als sich eine ziemlich große Spinne aus dem Netz abseilte, zuckte ich zusammen. Ja, ich schätze die Kunst der Spinnen, die Tiere selbst hingegen fand ich eher semischön anzusehen.

Dann sah ich mich nochmals um und hoffte darauf, einen guten Einfall zu bekommen, wie ich das Buch doch noch finden konnte.

Ich war inzwischen einige Schritte gegangen und befand mich mitten im Laden. Umringt von tausenden von Büchern, schloss ich die Augen, und tatsächlich hatte ich einen Einfall.

Wenn alles schiefläuft

Ich lächelte mit geschlossenen Augen.

Schuld daran war eine Idee, die mir eben gekommen war. Klar fand ich meinen Einfall selbst etwas albern.

---ENDE DER LESEPROBE---