Sommerliebe - Ben Bertram - E-Book
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Sommerliebe E-Book

Ben Bertram

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Beschreibung

Als wenn ich Raupen fressen würde! Manchmal hat mein Herrchen echt komische Ideen. Nur, weil ich keinen Hunger hatte, nicht schlafen konnte, und mir Gedanken über eine Begegnung am Strand machte, flogen noch lange keine Tiere in meinem Bauch herum. Okay, die Tiere waren angeblich Schmetterlinge. Zumindest nannte mein Herrchen sie so und amüsierte sich königlich darüber. Eigentlich war ich doch nur froh darüber, dass endlich der Sommer auf Sylt Einzug gehalten hatte. Ich wollte meine grenzenlose Neugier befriedigen und meinem Drang nach neuen Abenteuern folgen. Doch was macht Ben? Da erzählt er mir doch glatt, dass die Liebe ein Gefühl ist und man sich nicht gegen sie wehren kann. Dabei hatte ich mich lediglich am Strand mit einer kleinen Hundedame unterhalten, und mein Herrchen fragt mich, ob ich mich in sie verknallt hätte. Was für ein Quatsch. Ich doch nicht! Oder doch?! War dieser Sommer etwa für die Liebe gemacht? Für meine erste große Sommerliebe?!

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Inhaltsverzeichnis

Sommerregen

Strandpolizei

Sommerliebe

Jake, Sylter Inselhund -

Von Ben Bertram

Alle Rechte vorbehalten!

Nachdruck, Vervielfältigung und Veröffentlichung - auch auszugsweise - nur mit schriftlicher Genehmigung des Autors!

Im Buch vorkommende Personen und die Handlung dieser Geschichten sind frei erfunden und jede Ähnlichkeit mit lebenden Personen ist zufällig und nicht beabsichtigt.

Text Copyright © Ben Bertram, 2018

Impressum:

Text:

Ben Bertram

Alsterdorfer Straße 514

22337 Hamburg

E-Mail: [email protected]

Covergestaltung:

Ben Bertram

Motivbild:

© Ben Bertram

Korrektorat / Lektorat:

M. Dress

Sommerregen

Normalerweise waren wir um diese Uhrzeit schon immer längst am Strand. Ganz früh hatten wir uns die letzten Wochen immer auf den Weg dorthin gemacht, da der Westerländer Strand im Sommer für Hunde tabu war. Um 7 Uhr jedoch waren wir ganz alleine dort und konnten dementsprechend auch niemanden stören.

Wenn die ersten Urlauber kamen, waren wir längst verschwunden, und der nette Strandkorbwächter, der eigentlich ein Strandkorbvermieter war, drückte immer ein Auge zu.

Ach Manno, kann dieser beschissene Regen nicht endlich aufhören?! Heute ist schon der vierte Mistwettertag hintereinander. Missmutig lag ich in meinem Körbchen und hatte meine kleine Hundeschnauze auf der Umrandung liegen.

Mein Blick ging zum Fenster. Dorthin, wo ich den bindfadenartigen Regen durch einen kleinen Spalt beobachten konnte. Mein Herrchen hatte noch immer nicht gelernt, die Vorhänge abends richtig zu schließen, und so konnte ich häufig auch nachts, wenn ich mal nicht schlafen konnte, so schön die Sterne bewundern.

Morgens störte mich der offene Vorhang ebenfalls nicht. Wenn ich müde war, konnte ich auch bei Helligkeit schlafen. Toll fand ich, dass ich durch den Spalt immer gleich am Morgen einen Blick aus dem Fenster erhaschen konnte. Um genauer zu sein, genoss ich es, aus dem Fenster sehen zu können, ohne aufstehen zu müssen.

Danach, mein Körbchen zu verlassen, war mir auch jetzt nicht. Zumindest ging es fast allen meiner Körperteile so, und wenn meine Blase nicht dermaßen gedrückt hätte, wäre ich niemals auf die Idee gekommen, meinen geliebten Schlafplatz zu verlassen. Leider hielt ich es nicht länger aus, und so stand ich nun vor Bens Bett und überlegte, wie ich ihn am besten wecken konnte.

Ob ich ihm einfach sanft gegen die Hand stupse? Ach nö, wie langweilig. Über das Gesicht schlecken ist viel lustiger. Wobei … Vorsichtig in die Nase beißen, wäre auch cool. Ja, so mache ich es. Ein schelmisches Grinsen lag auf meinen Lefzen, während ich den Gedanken hatte. Langsam näherte ich mich seinem Gesicht. Sehr langsam passte noch besser, da ich mein Herrchen auf keinen Fall vor dem sanften Biss wecken wollte.

„Buh!“ Ich zuckte zusammen. Ben hatte alles mitbekommen und mich erschreckt.

„Hey, du bist gemein. Wie kannst du dein Haustier so erschrecken. Das ist nicht fair.“ Ich stand vor Bens Bett und sah ihn irritiert an. Hatte er mich gehört? Oder war er schon längst wach gewesen? Ich wusste es nicht genau, fand aber sein Verhalten absolut unangebracht, da ich ihm lediglich dabei helfen wollte, in den Tag zu starten.

„Wolltest du mir etwa in die Nase beißen? Du bist echt ein Lümmel.“ Nun lag auf seinen Lefzen das schelmische Grinsen, das eben noch mein Gesicht geziert hatte. Ich meine natürlich auf seinen Lippen.

„Ich? Quatsch! Niemals! Du kennst mich doch.“ Ich versuchte, den Augenkontakt zu vermeiden. Immerhin kannte mich mein Herrchen ganz genau und wusste daher leider immer sofort, wenn ich ihn antüddelte.

„Los, du Frechdachs, lass uns rausgehen. Du musst bestimmt schon ganz dringend.“ Ben sprang aus dem Bett, zog sich schnell was über, und schon machten wir uns auf den Weg.

Wir hatten kaum die Straße überquert und standen vor dem Eingang zum Schwimmbad, als ich mich meiner Notdurft entledigte. Während sich unter mir ein großer See bildete, wurde ich im gleichen Maß nasser. Mein Fell hätte man bereits auswringen können, und ich freute mich bereits jetzt darauf, gleich von meinem Lieblingsmenschen trockengerubbelt zu werden. Mir war klar, dass wir uns direkt auf den Rückweg machen würden. Es machte absolut keinen Sinn, bei diesem abartigen Regenguss draußen zu bleiben.

„Fertig. Wir können zurück.“ Kaum hatte ich meine Worte ausgesprochen, drehte ich mich um und lief los.

„Hey, wo willst du hin? Dort geht es zum Strand.“ Natürlich konnte ich Bens Worte hören. Ich hatte sie sogar nicht nur gehört, sondern auch verstanden. Wahrscheinlich wollte ich sie nur einfach nicht wahrhaben. Bei diesem Wetter machte es definitiv keinen Sinn, an den Strand zu gehen. Nass war ich in den letzten Tagen viel zu häufig geworden, und auch wenn wir bei solchem Wetter die riesige Sandfläche für uns alleine hatten, wollte ich lieber zurück in mein Körbchen. Dort war es trocken. Außerdem war langsam Zeit für Frühstück. Ich konnte meinen Magen deutlich hören und musste darüber lachen, dass er sich gleichzeitig zu meinen Frühstücksgedanken gemeldet hatte.

„Jake! Sag mal, du Nase, willst du mich nicht verstehen? Los jetzt, du Knirps.“ Bens Worte waren schroffer als eben, und so blieb ich vorsichtshalber stehen. Langsam drehte ich meinen Kopf und sah ihn über die Schulter hinweg an.

„Mal ehrlich, Chef, müssen wir echt an den Strand? Der Regen ist so ätzend.“

„Nass sind wir sowieso schon, dann können wir jetzt auch eine größere Runde drehen. Außerdem ist der Sommerregen nicht so schlimm. Wenn es kalt ist, nervt der Regen viel mehr.“ Auch wenn mein Herrchen recht hatte, willigte ich nur widerwillig ein und trottete hinter ihm her.

„Sommerregen. Ich kann es nicht mehr hören. Seit einigen Tagen muss ich mir von dir dieses blöde Wort ständig anhören. Als ob es nicht total Wurst ist, wie man den Regen nennt. Nass wird man dabei zu jeder Jahreszeit und nass sein, ist echt mistig.“ Ich murmelte die Sätze leise vor mich hin, machte aber trotzdem einen auf braven Hund. Immerhin hatte ich keine Wahl. Ich musste gehorchen und tat es eigentlich auch gerne. Schließlich bestand das Leben aus zwei Worten. Geben und Nehmen hießen sie, und mein Herrchen gab mir sehr viel.

„Was ist los?“ Ben drehte sich um und sah mich an.

„Äh … nix ist los. Alles paletti! Ich freue mich auf den Strand.“ Natürlich wusste ich, dass mein Herrchen mir nicht glaubte, und so streckte ich meine Brust heraus, richtete mich auf und versuchte so, etwas motivierter auszusehen.

„Geht doch. Ich sag es ja immer wieder. Der Sommerregen ist nicht so schlimm.“ Ben ging weiter. Nachdem er seinen Blick nicht mehr auf mich gerichtet hatte, sackte meine Körperhaltung wieder zusammen.

Ich kann es nicht mehr hören! Dieses Wort ist jetzt schon das Unwort des Jahres für mich. Auf keinen Fall wird es mehr getoppt werden. Es nervt noch mehr als das „Wrum“ von Milo, dachte ich und amüsierte mich darüber, dass ein erwachsener Hund es nicht hinbekam, das Wort Warum richtig auszusprechen.

„Schau mal, Jake, der Strand sieht nass auch wunderschön aus. Der Sommerregen hat wirklich tolle Seiten.“ Ohne mich anzusehen, sprach mein Herrchen diese Worte. Das Erschreckende dabei war für mich allerdings, dass er sie ernst meinte.

„Sag mal, Ben, bist du bewölkt? Bekommt dir der Sommerregen etwa nicht?“ Ganz leise nuschelte ich die Sätze in meinen nicht vorhandenen Bart.

Strandpolizei

Längst war aus dem Sommerregen ein abartiger und leider auch anhaltender Sommerguss geworden. Neulich im Fernsehen hatte ich mit Ben einen Bericht gesehen, in dem solche Regenfälle vorkamen. Allerdings ging es dabei um Regenwälder und nicht um eine Insel in der Nordsee. Also, natürlich nicht einfach nur um eine Insel, sondern um die Perle der Nordsee, um die schönste Insel überhaupt, die meine Heimat war.

Kein Mensch war bei diesem Wetter unterwegs. Okay, natürlich stimmte meine Aussage nicht so wirklich, da mein Herrchen auch zu dieser Gattung gehörte. Allerdings wäre es mir lieber gewesen, wenn kein Mensch unterwegs gewesen wäre. Immerhin hätte ich dann auch nicht draußen verweilen müssen.

Das Wasser lief über mein Fell, und ich kam mir vor, als wäre ich gerade aus dem kleinen See im Südwäldchen gekommen. Ich glaube tatsächlich, dass ich noch nie so nass wie jetzt war. Zumindest nicht durchgehend, da ich mich nach einer Schwimmeinheit immer nur schütteln brauchte und anschließend das meiste Wasser direkt wieder los war.

Hier und jetzt konnte ich mich schütteln, wie ich wollte. Bereits während des Schüttelns füllte sich mein Fell erneut mit Regenwasser, und so ergab ich mich einfach meinem Schicksal.

Obwohl es nicht erlaubt war, gingen wir die kleine Holztreppe von der Promenade hinab und stapften durch Sand. Deutlich waren unsere Spuren zu erkennen, und ich machte mir Gedanken darüber, dass die Strandpolizei uns daher ganz einfach verfolgen konnte. Es gab ausschließlich unsere Fußabdrücke am Strand.

Ob wir dann wohl in eine Zelle eingesperrt werden? Nur mit Wasser und Brot? Wobei, Wasser trinke ich ja sowieso immer und … Ja, und in der Zelle wäre es zumindest trocken. Plötzlich fand ich die Idee, von der Strandpolizei erwischt zu werden, gar nicht mehr so verkehrt.

Aber wenn wir da für einige Tage eingesperrt werden … Was dann? Es wird ja irgendwann aufhören zu regnen. Dann will ich nicht im Knast hocken und Brot essen. Das wäre schon blöd. Außerdem muss Ben ja auch arbeiten. Wenn er kein Geld verdient, können wir keine Miete bezahlen und müssen vielleicht sogar Sylt verlassen. Vehement schüttelte ich während meiner Gedanken den Kopf. Ich tat es nicht, um das Regenwasser aus meinem Fell zu bekommen, sondern wollte nicht, dass dieses schreckliche Zellen-Szenario eintraf.

Ich brauchte eine Idee. Nein, einen richtig guten Plan. Ich musste uns retten, uns vor der Strandpolizei beschützen und dafür sorgen, dass wir auf der Insel bleiben konnten.

Keine drei Minuten später wusste ich bereits ganz genau, wie ich es anzustellen hatte. Mein Vorhaben war nahezu perfekt ausgefeilt und schon begann ich damit, es in die Tat umzusetzen.

Als wir den nächsten Strandkorb erreichten, lief ich um ihn herum, machte einen großen Sprung zur Seite und ging einige Meter rückwärts. Allerdings nur so weit, bis ich erneut einen Korb erreicht hatte. Diesen umkreiste ich mehrmals und hüpfte anschließend ein paar Meter nach rechts.

„Und? Wie war ich?“ Stolz sah ich zu Ben hinüber und wartete auf seine lobenden Worte.

„Was machst du da? Bekommt dir das Wetter nicht?“ Anstatt gelobt zu werden, wurde ich fragend angesehen. Allerdings nicht lange, dann wurde ich zu allem Überfluss auch noch ausgelacht.

„Schnallst du es echt nicht?“ Ich verdrehte die Augen und ging auf mein Herrchen zu. Dann sprach ich weiter. „Wenn wir erwischt werden, kommen wir in den Knast, und wenn wir Pech haben, werden wir sogar von der Insel geworfen. Du musst mitmachen, dann können sie uns nicht verfolgen. So haben die Strandpolizisten keine Chance, unsere Spuren zu erkennen und wissen nicht, wo wir sind.“ Ich war noch immer von meinem Plan überzeugt, war allerdings entsetzt darüber, dass mein Herrchen ihn noch immer nicht kapiert hatte. Sonst war er doch auch nicht so schwer von Begriff, und auf der Leitung stand er eigentlich eher selten.

„Willst du spielen? Wie süß. Hat das Spiel auch einen Namen?“ Als sich Ben jetzt auch noch zu mir hinab beugte, platzte mir der Kragen.

„Spielen? Ich will nicht spielen. Retten will ich uns. Einer muss es ja machen.“ Gereizt stupste ich mein Herrchen in die Kniekehle und forderte ihn auf, mir zu folgen. So machte ich es sonst auch immer, und ich war mir sicher, dass es auch heute funktionierte.

„Ich weiß, dass du den Sommerregen nicht magst. Aber du kannst stupsen soviel du willst, wir gehen trotzdem noch nicht nach Hause.

Der Depp hat es tatsächlich noch immer nicht geschnallt. Ich war froh, meinen Satz lediglich gedacht zu haben. Anschließend überlegte ich, wie ich meinem Herrchen die Dramatik der Situation am besten begreiflich machen konnte.

Immerhin war es doch ganz einfach. Je mehr Bögen, Kringel und Haken wir schlugen, je geringer war die Chance, erwischt zu werden. Wenn wir viele falsche Fährten legten, konnte uns keiner verfolgen und somit natürlich auch nicht einsperren.

Okay! Um alles zu erklären, ist die Zeit zu knapp. Ich muss mir also etwas anderes einfallen lassen, wie ich dich animieren kann. Sofort begannen meine Gehirnzellen zu arbeiten.

Keine Minute später hatte ich die Lösung.

„Dann spielen wir halt Fangen.“ Ich grinste. Allerdings nur kurz, da die Zeit gegen uns lief. Würden wir nicht endlich unsere Spuren verwischen, hatten wir ganz sicher in wenigen Augenblicken die Strandpolizei vor uns stehen und wurden in Handschellen abgeführt.

Erneut stupste ich Ben in die Kniekehle. Anschließend tat sich so, als würde ich loslaufen, verharrte allerdings nach zwei Metern. So war unser geheimes Zeichen. Immer wenn sich einer von uns so verhielt, wusste der andere, was Sache war. Dieses Ritual hatten wir sozusagen perfektioniert.

Dann ging es auch schon los.

Ich lief um den ersten Strandkorb herum und Ben jagte hinter mir her. Als ich einen Haken schlug, tat es mir mein Herrchen ebenfalls gleich und auch, als ich eine Doppelschleife um zwei Körbe rannte, wurde ich verfolgt.

„Jetzt du mich!“ Ben rief es laut über den Strand. Natürlich wusste ich sofort, was Sache war und machte mich daran, jetzt mein Herrchen zu verfolgen. Wir liefen kreuz und quer über den Strand, umrundeten Strandkörbe, sprangen über Sandburgen und hüpften sogar über zwei Buhnen.

Kaputt und glücklich kamen wir einige Minuten später an den Steinschrägen am Brandenburger Strand an. Obwohl alles nass war, ließen wir uns erschöpft auf den Strand fallen. Da wir sowieso komplett voller Sand waren, war es egal. Wir mussten verschnaufen. Ben allerdings viel mehr als ich.

„Hey, mein Räuber, wie cool war das denn! Das hat Mega-Spaß gemacht.“ Noch immer etwas aus der Puste sagte mein Herrchen diese wahren Worte.

„Ja hat es. Aber jetzt müssen wir auch los.“

„Wir müssen los? Ach so, du hast bestimmt großen Hunger.“ Ben sah mich liebevoll an. Ja, sein Blick war total liebevoll, und genau aus diesem Grund hielt ich ihm jetzt auch keinen Vortrag darüber, dass er ein Dussel war und ich uns gerettet hatte. Dass wir ohne meinen Einsatz wahrscheinlich im Knast gelandet wären und ich auch noch keinen Hunger hatte.

„Komm, kleiner Mann, oder bist du kaputt von der Spielerei?“ Mein Herrchen war aufgestanden und hatte sich auf den Weg gemacht.

„Ach, Ben, du hast es wirklich nicht gecheckt. Es war kein Spiel. Ich habe uns gerettet.“ Nach meinen leisen Worten sah ich mir nochmals unsere Spuren am Strand an. Dann nickte ich zufrieden und lief meinem Herrchen hinterher.

Es war für die Strandpolizei definitiv nicht möglich, uns zu erwischen. Ich hatte dafür gesorgt, dass uns nichts passieren konnte.

Begossen

Natürlich hätte ich auch heute Morgen durch den kleinen Spalt der Vorhänge hinaussehen können. Allerdings verzichtete ich dankend darauf, da ich das Wetter bereits mit geschlossenen Augen hören konnte. Ja, ich konnte es hören, da es noch immer Bindfäden regnete und ich daher keine Muße hatte, meine Äuglein auch nur einen kleinen Spalt zu öffnen.

Da ich zum Glück noch keinen Drang verspürte, mein Geschäft zu verrichten, steckte ich meine kleine Hundenase zwischen meine Beine und schlief nochmals ein.

„Hey, du Schlafmütze, pennst du etwa noch?“ Ben saß auf der Bettkante und sprach zu mir.

Jetzt nicht mehr. Missmutig untermalte ich meine Gedanken mit einem Brummen und kuschelte mich noch weiter zusammen.

„Los jetzt. Wir müssen aufstehen. Ich schau mal nach, ob es noch immer regnet.“ Schon während mein Herrchen sprach, hatte er sich auf den Weg zum Fenster gemacht.

„Das Nachsehen kannst du dir sparen. Es schüttet wie aus Kübeln. Sag mal, kannst du das echt nicht hören?“ Erstaunt sah ich meinem Lieblingsmenschen hinterher.

„Es gießt ja wie aus Kübeln.“ Enttäuscht drehte sich Ben zu mir und sah mich an. Da ich inzwischen auch meine Augen geöffnet hatte, trafen sich unsere Blicke.

„Sag ich ja.“ Obwohl ich keine große Lust auf eine nasse Regeneinheit hatte, stand ich auf und streckte mich ausgiebig. Am liebsten wäre ich in meinem Körbchen geblieben, konnte es aber aus zweierlei Gründen nicht. Erstens war mein Herrchen aufgestanden und in den Tag gestartet. Was bedeutete, dass es mit der Ruhe in unseren vier Wänden vorbei war. Doch auch sonst hätte ich meinen kleinen Knackarsch jetzt bewegen müssen. Mein Körper forderte es sozusagen, und so mussten wir uns auf den Weg nach draußen machen.

Dorthin, wo mein Lieblingsbaum auf mich wartete.

Unten angekommen, blieben wir einen Moment lang unter dem Vordach unseres Hauseingangs stehen. Auch wenn ich inzwischen ziemlich nötig musste, ging es nicht anders. Von der rechten Seite waren einige Autos im Anmarsch, und da es wenig Sinn hatte, bei diesem Regenwetter am Bordstein zu warten, blieben wir einfach im Trockenen.

Endlich kamen keine Autos mehr, und wir machten die ersten Schritte an die Straße heran. Der Regen prasselte auf unsere Körper, und als ich mein Herrchen ansah, erkannte ich seinen genervten Gesichtsausdruck ganz deutlich.

„Was ist los, Ben, magst du den Sommerregen heute etwa nicht?“ Ich amüsierte mich köstlich, da ich bereits seit einigen Tagen genervt war. Also, nicht nur genervt von dem ätzenden Wetter, sondern auch von diesem dämlichen Ausdruck. Mehrmals täglich durfte ich ihn mir anhören und wünschte mir dabei, dass meine Ohren nicht so gut funktionierten. Leider taten sie es, und ich wunderte mich darüber, dass ich dieses dusselige Wort jetzt selbst benutzte.

„Sag mal, Jake, ist der Sommerregen heute kälter? Es kommt mir irgendwie so vor.“ Während Ben sprach, blieb er stehen. Leider musste ich es ebenfalls machen, da ich mich an der Leine befand.

„Kälter? Wat weiß den ich? Das ist mir auch echt schnurzpiepegal. Er ist auf jeden Fall ebenso nass wie gestern.“ Ich schüttelte mich und sah anschließend entschuldigend zu Ben. Durch meine Schüttelaktion war er jetzt nicht nur auf dem Kopf, sondern auch bis zu den Knien nass.

„Danke dafür.“ Die Ironie in seinen Worten war nicht zu überhören. Dann sah er mich an und sprach weiter. „Oben nass und unten jetzt auch. Zum Glück ist zumindest mein Mittelteil noch einigermaßen trocken.“ Da mein Herrchen lachte, war ich beruhigt und wollte mich auf den Weg über die Straße machen. Immerhin wartete auf der anderen Seite mein absoluter Lieblingsbaum, und ich konnte es kaum erwarten, ihn endlich zu erreichen.

„Stopp! Sitz!“ Zwei laute Worte drangen in meine braunen Schlappohren. Was war denn los? In einem solchen Ton sprach mein Herrchen sonst nie mit mir.

„Was ist denn? Die Autos sind doch alle weg.“ Irritiert sah ich meinen Menschen an und wartete sitzend auf seine Erklärung.

„Da kommt ein Auto.“ Ben deutete nach links, und schon konnte ich einen Wagen heranrauschen sehen. Abgesehen davon, dass die Karre viel zu schnell unterwegs war, hatte ich vergessen, mich vernünftig zu vergewissern, ob sich ein Auto auf der Straße befand. Zum Glück hatte mein Herrchen auf mich aufgepasst, und so standen wir jetzt nebeneinander am Bordstein und warteten darauf, dass der Wagen an uns vorbeirauschte.

„Jake, du musst im Straßenverkehr besser aufpassen. Es kann so viel passieren und …“

Ausnahmsweise war es nicht ich, der Ben unterbrach. Es war das viel zu schnelle Auto, das direkt am Bordstein an uns vorbeiraste und zu allem Überfluss auch keinen Bogen um die riesige Pfütze machte.

Nachdem ich mit einer Vorderpfote über mein Gesicht gewischt hatte, konnte ich wieder vernünftig gucken. Ich sah an mir herab und erkannte den Dreck, der sich als Gemisch mit dem Pfützenwasser über mein Fell verteilt hatte.

Zu schimpfen machte definitiv keinen Sinn. Zumindest nicht, wenn man dem Fahrer die Meinung geigen wollte. Bei der Geschwindigkeit, die er drauf hatte, war er bestimmt schon fast in Wenningstedt.

Allerdings war es echt eine Sauerei von dem Kerl, und auch wenn er die Schimpftriade nicht mitbekam, hätte sie mir gutgetan. Sie wäre befreiend gewesen, und die passenden Worte befanden sich ebenfalls längst in meinem Kopf.

„Du idiotisch veranlagter Vollhonk …“ Weiter kam ich nicht, da ich in diesem Moment meinen Kopf drehte und zu Ben sah. Einen kurzen Augenblick lang hielt ich inne. Dann konnte ich nicht anders und lachte los. Nein, ich lachte nicht nur einfach, ich gluckste dabei und hatte einige Male das Gefühl, gleich ersticken zu müssen. Wann ich zuletzt einen solchen Lachflash hatte, wusste ich nicht. Allerdings hatte ich mein Herrchen auch noch nie so gesehen.

Zugegeben, er hatte sich mir bereits in vielen peinlichen Outfits präsentiert. Allerdings waren sie alle nichts gegen diesen Moment. Sie waren harmlos gegen das Bild, wie Ben in diesem Augenblick neben mir stand. Sein T-Shirt und die helle Jeans waren von Matschflecken übersät. Aus seinen Chucks schien Wasser zu laufen, und in seinem Gesicht klebte ein Blatt. Wahrscheinlich sogar eines meines Lieblingsbaumes. Grashalme befanden sich an seinen nackten Armen, und sein Blick hatte alle verschiedenen Gemütszustände vereint. Ich konnte nicht erkennen, ob ihm nach motzen, schlagen, flüchten, verfolgen, oder vielleicht sogar nach lachen zumute war. Stocksteif stand er da. So regungslos hatte ich mein Herrchen ebenfalls noch nie irgendwo gesehen.

Erst nach einigen Minuten schaffte ich es, mein Lachen zu unterbrechen. Ob es auch mit Reden funktionierte, wusste ich allerdings nicht genau. Es bestand durchaus die Möglichkeit, dass ich sofort wieder losprusten würde.

„Ben, ist alles gut?“ Es hatte funktioniert, und ich war ziemlich stolz darauf, meine Worte unfallfrei und vor allem, ohne zu lachen, herausbekommen zu haben.

„Was für ein …“ Mein Herrchen verzichtete auf das letzte Wort, schüttelte dafür mit seinem Kopf. Durch die Bewegung seines Hauptes löste sich das Blatt und fiel langsam zu Boden. Wir beide sahen dabei zu und erst, als das Blatt auf dem Boden angekommen war, trafen sich unsere Blicke. Nur kurz blieben wir ernst, dann lachten wir gemeinsam los. Sich zu ärgern, hätte auch keinen Sinn gemacht. Immerhin wären wir sowieso vom Regen durchnässt worden. Okay, wir waren jetzt auch noch dreckig. Aber das konnten wir schließlich schnell wieder ändern. Ich natürlich einfacher als mein Herrchen, und genau aus diesem Grund schüttelte ich mich jetzt auch.

„Hey, du Witzvogel, du hast mich nass und schmutzig gemacht.“ Bens Blick war ernst.

„Entschuldige.“ Bedröppelt sah ich mein Herrchen an. Dann wurde sein Blick weicher, und ich erkannte, dass er mich gerade verarscht hatte. Tatsächlich war ich darauf reingefallen.

Du siehst aus wie ein begossener Pudel. Natürlich wollte ich mit meinen Gedanken niemanden diskriminieren. Trotzdem passte dieser Vergleich perfekt.

„So müssen sich wohl begossene Pudel fühlen.“ Ich sah mein Herrchen erstaunt an. Wie schon so häufig, hatte er das ausgesprochen, was ich eben gedacht hatte.

Joggen

Seit unserer Morgenrunde hatte ich mich nicht mehr bewegt. Zumindest nicht so richtig, da ich natürlich manchmal meine Liegeposition auf dem Sofa verändert hatte. Aber solche Bewegungen zählen natürlich nicht wirklich.

Bens Bewegungsdrang war auch eher mäßig. Nur manchmal hatte er seine Sitzposition verlassen und war in die offene Küche gegangen. Meistens kam er mit einem Kaffeebecher in der Hand zurück und nahm wieder seinen angestammten Platz ein. Im Gegensatz zu mir war er allerdings kreativ. Falsch, er war sogar fleißig, da er an seinem Schreibtisch saß und Unmengen von Buchstaben im Laptop verewigte. Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, lief seine Schreiberei heute ganz gut. Zumindest hatte es bisher weder Fluchattacken noch genervtes Stöhnen gegeben.

„Na, Ben, keine Lust mehr? Chill doch einfach deine Baseline und mach ‘nen Cool-Down.“ Mit lang ausgestreckten Armen und Beinen saß mein Herrchen auf seinem Stuhl, und ich erkannte deutlich, dass sein gesamter Körper verspannt war. Immer wenn er zu lange am Schreibtisch saß, verkrampften seine Muskeln und er legte mit diesen merkwürdigen Streckübungen los.

„Dann Attacke.“ Bereits während dem Wort Attacke sprang Ben auf und ging zum Kleiderschrank.

Und jetzt? Hat dich ein Motivationsschub erwischt? Ich lächelte, blieb allerdings regungslos auf dem Sofa liegen.

„Wo ist die Jacke nur?“ Auch wenn Bens Oberkörper im Schrank verschwunden war und er mir lediglich seinen Hintern präsentierte, konnte ich seine Worte gut verstehen.

„Wenn du die komische gelbe Laufjacke meinst, die hängt noch im Bad. Allerdings müsste sie längst trocken sein. Immerhin hast du die Heizung ja volle Pulle aufgedreht.“

„Im Bad. Klar, ich hatte sie ins Bad gehängt.

---ENDE DER LESEPROBE---