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Sommer auf Sylt … Was so viel bedeutete, dass meine Insel von Urlaubern in Beschlag genommen wurde und es nur noch wenige ungestörte Plätze gab. Auch wenn die Sylter Gemütlichkeit dadurch verlorengegangen war, verbrachte ich zusammen mit meinem Herrchen eine wundervolle Zeit auf unserem Eiland. Wir genossen das Plantschen in der Nordsee und natürlich auch gechillte Sonnenbäder am Strand. Doch leider hatte der Sommer nicht nur schöne Seiten zu bieten. Da es einfach zu viele rücksichtslose Menschen gab, verschmutzte unser schöner Strand von Tag zu Tag mehr. Als dann auch noch ein Strandmitarbeiter krankheitsbedingt ausfiel, lag es an Ben und mir, die Schönheit der Insel zu erhalten. An einem unserer Arbeitstage ereignete sich ein Unglück. Eine Möwe hatte sich in einem Netz verfangen und war in großer Gefahr. Zum Glück gab es in diesem Sommer jedoch einen Strandwächter, der alles im Blick hatte. Ich hatte diesen Job übernommen und nahm ihn natürlich sehr ernst. Ob ich die Möwe Josh retten konnte und wer mir dabei zu Hilfe kam, darf ich jetzt natürlich noch nicht verraten. Doch ihr könnt euch sicherlich denken, dass ich alles Menschenmögliche versucht habe. Oder muss es in meinem Fall alles Hundemögliche heißen?
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Inhaltsverzeichnis
~ Sommer auf Sylt ~
~ Warmer Regen ~
~ Viel Müll ~
~ Abtrocknen ~
~ In den Genen ~
~ Einkaufsstrategie ~
~ Müllsäcke & Co. ~
~ Flashmob ~
~ Milos Auftritt ~
~ Das Angebot ~
~ Komisches Verhalten ~
~ Bens Frage ~
~ Früher Morgen ~
~ Planungen ~
~ Eine Wellenlänge ~
~ Aufstehen ~
~ Los geht’s ~
~ Strandwächter ~
~ Bewegungen ~
~ Gefahr ~
~ Alarm ~
~ Feierabend ~
~ Früher Morgen ~
~ Echt jetzt?! ~
~ Geräusche ~
~ Strandleben ~
~ Gemeinsame „Schicht“ ~
~ Ist da was? ~
~ Rufe ~
~ (M)ein Fehler ~
~ Wie ein Sonar ~
~ Dumme Menschen ~
~ Unsere Welt ~
~ Joshua ~
~ Meine „Hoffnung“ ~
~ Hilfe ~
~ Erfolgreich ~
~ Noch ein Menschenauflauf ~
Strandwächter
Jake, Sylter Inselhund -
(Teil 9)
Von Ben Bertram
Alle Rechte vorbehalten!
Nachdruck, Vervielfältigung und Veröffentlichung - auch auszugsweise - nur mit schriftlicher Genehmigung des Autors!
Im Buch vorkommende Personen und die Handlung dieser Geschichten sind frei erfunden und jede Ähnlichkeit mit lebenden Personen ist zufällig und nicht beabsichtigt.
Text Copyright © Ben Bertram, 2021
Impressum:
Text:
Ben Bertram
Stellauer Straße 30 B
25563 Wrist
E-Mail: [email protected]
Covergestaltung:
Ben Bertram
Motivbild:
© Ben Bertram
Foto:
Ben Bertram
Korrektorat / Lektorat:
M. Dress
Meine Insel war bereits seit einigen Wochen voller Urlauber, die aus allen Bundesländern in Massen angereist kamen.
Für die Geschäfte war es toll. Sie verdienten Geld ohne Ende, und auch in den Restaurants und Bars waren durchgehend alle Sitzmöglichkeiten besetzt. Durch die Friedrichstraße mochte ich nicht mehr laufen, da ich Angst hatte, von den Touristen totgetrampelt zu werden. Zum Glück hatte auch mein Herrchen keinen Bock auf die Fülle, und so verzogen wir uns häufig in weniger überfüllte Ecken der Insel.
Unseren frühen Strandspaziergang hatten wir auf sechs Uhr vorverlegt, damit wir zumindest eine Stunde lang den Strand für uns allein hatten. Ich genoss diese Zeit total, obwohl mir das Aufstehen die ersten Tage wirklich sehr schwerfiel. Doch für diese unbeschreiblich schönen Momente gab ich gern dieses Opfer. Außerdem wusste ich natürlich, dass auch Ben lieber gemütlich einen Kaffee im Bett getrunken hätte, anstatt zu dieser unchristlichen Zeit die Wohnung zu verlassen. Er tat es für mich, damit ich etwas Verbotenes machen konnte. Ja, wir hielten uns nicht an die vorgeschriebenen Regeln und fühlten uns dabei auch nicht schlecht, obwohl wir normalerweise immer alle Regeln einhielten. Zumindest fast immer!
Doch in diesen sehr frühen Stunden war außer uns niemand am Strand, und somit konnte es auch keinen stören, dass ich ohne die nervige Leine am Strand tobte. Wenn wirklich zufällig jemand zu sehen war, warf mir Ben schnell die Leine um den Hals, und alles war gut.
Niemand meckerte, und alles war easy.
Ich gönnte Sylt natürlich die vielen Urlauber. Immerhin mussten die Ladenbesitzer und Vermieter auch Geld verdienen. Trotzdem wünschte ich mir jedes Jahr zur Hauptsaison die ruhigeren Zeiten zurück. Okay, es musste nicht November sein, wo ich an einigen Tagen nicht einen anderen Menschen außer meinem Herrchen zu Gesicht bekam. Aber mir hätte die Fülle aus April und Mai genügt, und genau deshalb freute ich mich auch heute schon auf den September. Auf die Zeit, wenn es auf der Insel langsam wieder etwas leerer wurde.
Doch das war Zukunftsmusik.
Wir lebten im Jetzt und genau dieses Jetzt sorgte dafür, dass die Insel total überfüllt war.
Leider verhielten sich einige Urlauber wie einfältige Ochsen. Sie interessierten die Regeln nicht, da sie glaubten, sich im Urlaub alles erlauben zu können. Immerhin hatten sie für ihren Urlaub bezahlt und glaubten wahrscheinlich aus diesem Grund, dass sie das Ignorieren der Vorgaben ebenfalls mitbezahlt hatten. Es fuhren Fahrräder durch die Friedrichstraße, obwohl es verboten war. Teilweise radelten sogar einige Menschen die Promenade entlang, und ich ärgerte mich darüber, dass es überhaupt zugelassen wurde, dass die Deppen ihre Drahtesel mit auf die Promenade nehmen konnten. Immerhin konnte man es nicht heimlich machen. Jeder musste an einem der Häuschen vorbei, wo die Damen und Herren saßen und die Gästekarten kontrollierten.
Radfahren war gefährlich. Zumindest dann, wenn die Menschen dichtgedrängt durch die Stadt spazierten und irgendein Affe auf dem Drahtesel zwischen ihnen hindurch fuhr. Als neulich ein Spinner tatsächlich auch noch geklingelt hatte, platzte Ben der Kragen. Mein Herrchen blieb stehen, drehte sich um und stoppte den älteren Herrn, der mit einem E-Bike durch die Friedrichstraße brauste. Zunächst sah mein Herrchen den Kerl einfach nur böse an. Als der Typ dann auch noch zu pöbeln begann, war ich mir nicht sicher, wie sich Ben verhalten würde.
Mein Herrchen sagte keinen Ton. Er schüttelte einfach seinen Kopf, ging anschließend in die Knie und drehte die Ventile auf. Ein lautes Zischen begleitete die Luft, während sie aus den Reifen wich. Dann stand Ben wieder auf, grinste den sprachlosen Deppen an und sagte:
„Einen schönen Tag noch.“
Danach gingen wir einfach weiter und amüsierten uns still. Erst als wir um die nächste Ecke gebogen waren, klatschen wir uns ab und lachten laut.
Als ich heute Morgen meine Augen öffnete und zur Balkontür blinzelte, konnte ich keinen Sonnenstrahl erkennen.
Hast du die Vorhänge etwa ausnahmsweise mal richtig zugezogen?, fragte ich in Gedanken, und mir war klar, dass ich von meinem Herrchen keine Antwort zu erwarten hatte. Wie sollte das auch gehen?! Immerhin hatte ich lediglich darüber nachgedacht, und außerdem befand sich mein Lieblingsmensch noch im Land der Träume.
Oder ist es noch so früh, dass die Sonne noch nicht scheint?, fragte ich mich nun und schüttelte im Anschluss den Kopf. Nein, meine innere Uhr ging immer sehr genau, und so gab es tatsächlich lediglich zwei Möglichkeiten, warum uns kein Sonnenstrahl in die Wohnung schien. Es konnte nur am Vorhang oder aber am schlechten Wetter liegen.
Nachdem ich meinen Hals ausstreckte, um einen besseren Blick zur Balkontür zu haben, blieb von den zwei Möglichkeiten nur noch eine übrig. Natürlich hatte es mein Herrchen auch gestern Abend nicht geschafft, den Vorhang vernünftig zuzuziehen. Was bedeutete, dass an diesem Sommertag kein schönes Wetter sein konnte.
Dann kann ich mich auch wieder umdrehen und die Äuglein schließen, dachte ich und tat es umgehend. Schnell landete ich wieder im Land der Träume und versuchte, mit meiner kleinen Hundeschnauze leckere Knochen zu fangen, die mir im Traum vor der Nase entlang flogen.
„Yeah“, rief ich, als ich einen der Leckerbissen erwischte.
„Was ist los? Hab ich was verpasst?“, antwortete Ben schlaftrunken, und ich ärgerte mich darüber.
Ich hatte im Schlaf gesprochen und mit meinem Aufschrei mein Herrchen geweckt. Er hingegen hatte mich mit seiner Frage aus dem Traum gerissen, und nun waren wir beide wach.
Leider, da ich wusste, dass ich mich nicht erneut einkuscheln konnte. Wenn Ben wach war, hieß es auch aufstehen und raus an den Strand. Klar hatte ich Lust darauf. Aber wenn die Sonne nicht schien, hätten wir auch gern noch ein Stündchen liegenbleiben können. An solchen Tagen gingen die Urlauber nämlich noch später an den Strand, als sie es normalerweise taten.
Doch ich war selbst schuld an diesem Dilemma, und so konnte ich auch lediglich mir selbst Vorwürfe machen.
Ben warf sich einen Kapuzenpulli über, zog sich eine Jogginghose an und schlüpfte in die Flipflops. Nachdem er die Leine gegriffen hatte, öffnete er die Wohnungstür, und wir machten uns auf den Weg. Am Übergang Strandstraße gingen wir zunächst über die Promenade und dann hinunter an den Strand.
Alles war wie sonst. Also, wie die letzten Tage. Lediglich die Sonne fehlte, und wenn ich mir die dicken Wolken über der Nordsee ansah, ging ich davon aus, dass in naher Zukunft Tropfen vom Himmel fallen mussten. Doch es war warm. Schon jetzt zu dieser frühen Uhrzeit wäre ich am liebsten ins Meer gegangen. Ich liebte das Wasser. Zumindest dann, wenn keine hohen Wellen an den Strand schlugen. Da war ich ein Feigling, und ich bewunderte andere Hunde, die trotz hoher Wellen ein ausgiebiges Bad in der Nordsee nahmen. Klar konnte ich schwimmen. Immerhin war ich ein Inselhund. Doch tobendes Wasser fand ich einfach nicht einladend. Ganz im Gegensatz zum Toben im Wasser, was ich stets genoss.
Zum Glück war es heute windstill, und mein Lieblingsmeer lag ruhig am Ufer der Küste.
Ben trug seine Flipflops inzwischen in der Hand. Bereits als wir den Strand erreicht hatten, war er aus ihnen geschlüpft und hatte unseren Weg barfuß fortgesetzt.
Er liebte es genau wie ich auch, den Sylter Sand an den Füßen zu spüren. Eigentlich unterschied uns lediglich, dass ich zu jeder Jahreszeit barfuß über den Strand lief. Wobei, wenn es mit den Temperaturen zu vereinbaren war, hatte mein Herrchen auch immer nackige Füße. Zumindest am Strand.
Ich fand ja, dass er zumindest im Sommer immer ohne Schuhe hätte laufen können. Doch er wollte nicht. Was ich sogar irgendwie verstand. Immerhin waren es seine Quadratlatschen nicht gewöhnt, regelmäßig ohne Bekleidung durch die Weltgeschichte zu stampfen. Meine Pfoten hingegen hatten kein Problem damit.
Ich weiß noch, als Ben im letzten Sommer ohne Latschen über den hölzernen Teil der Promenade gelaufen war und sich prompt einen fetten Splitter eingefangen hatte. Da war das Gejaule groß, und das Entfernen des Teils in unserer Wohnung erinnerte mich an eine größere Operation. Es sah aus wie im Fernsehen. Der Unterschied bestand lediglich darin, dass dort Ärzte in weißen Kitteln operierten und mein Herrchen sich selbst mit einer Pinzette im Fuß herumpulte. Geschafft hatte er es trotzdem, und ich weiß noch genau, wie stolz er mir den Splitter gezeigt hatte. Das Ding war winzig, und ich war verwundert darüber, da ich nach dem ganzen Prozedere und Bens schmerzverzerrten Winseln mit einem ungefähr zehn Zentimeter langen Teil gerechnet hatte.
„Jake, träumst du?“, hörte ich mein Herrchen rufen. Er hatte mich tatsächlich erwischt. Schnell schob ich die Gedanken an seinen letztjährigen Splitter beiseite und lief hinunter zur Wasserkante, wo Ben mit offenen Armen auf mich wartete.
Ich sprang ihn an, schleckte über seine Lippen, und schon begannen wir, im flachen Wasser zu toben. Zuerst war es Ben, der weglief und natürlich keine Chance hatte. Ruckzuck war ich neben ihm und sah ihn an.
„Ich fang dich“, rief mein Herrchen, und prompt machte ich mich aus dem Staub. Das Nordseewasser spritzte auf, und Bens Jogginghose war schnell platschnass. Doch das war egal. Nasse Hosen trocknen auch wieder. So war Bens Leitsatz, wenn es darum ging, ausgiebig im flachen Nordseewasser zu toben.
Irgendwann waren wir beide komplett durchnässt.
„Es regnet ja ganz ordentlich. Hast du das mitbekommen?“, fragte Ben, und ich schüttelte energisch mit dem Kopf. Ich tat es aus zweierlei Gründen, da ich seine Frage auf diese Art mit einem Nein beantworten konnte und mir dabei gleichzeitig das Wasser aus dem Fell schüttelte.
„Hey, seit wann bekomme ich keine Antworten mehr von dir? Oder hast du Wasser im Ohr?“ Ben schien mein Kopfschütteln nicht mitbekommen zu haben. Zumindest war ihm nicht aufgefallen, dass es eine Antwort sein sollte. Wahrscheinlich hatte er gedacht, dass ich mich nur vom Wasser befreien wollte.
„Nein, ich habe den Regen auch nicht mitbekommen. Welch geiles Zeichen für uns. So wissen wir, dass uns das Spielen Freude gemacht hat“, entgegnete ich nun. Auf mein Kopfschütteln wollte ich nicht weiter eingehen.
„Wollen wir zurück?“, fragte mein Herrchen nun.
„Ja, auf in die Wohnung“, antwortete ich und flitzte los. Mein Magen hatte die Entscheidung getroffen. Ich hatte Hunger und wusste außerdem auch, dass sich mein Herrchen auf den ersten Kaffee des Tages freute.
Der Rückweg führte uns am Restaurant Sunset Beach vorbei. Als wir dort den Strand verließen, blieb mein Herrchen stehen und streckte die Handinnenflächen aus.
„Irre, wie warm der Regen ist“, rief er und drehte sich dabei im Kreis.
Irre, wieviel Dreck hier heute liegt, dachte ich und drehte mich ebenfalls um die eigene Achse. Versteht mich nicht falsch. Ich befand mich an keinem dreckigen Strand. Meine Gedanken konnte man auch als Jammern auf hohem Niveau bezeichnen. Trotzdem lag heute mehr Müll als sonst am Strand. So kannte ich das nicht. Zumindest nicht am Morgen. Abends hingegen, wenn die Menschen den Strand verließen, hatte ich schon häufig darüber nachgedacht, was die Zweibeiner eigentlich für Vollpfosten waren. Überall gab es Mülleimer, und trotzdem waren viele zu faul, ihren Dreck dort zu entsorgen. Schlimm fand ich diese Gleichgültigkeit, und das Desinteresse vieler Menschen nervte mich extrem.
„Hast du mir schon wieder nicht zugehört?“, fragte mein Herrchen und sah mich an.
„Doch habe ich. Natürlich, ich höre dir immer zu. Wie kommst du darauf?“ Ich schüttelte verständnislos den Kopf.
„Und?“
„Und was?“, fragte ich nach.
„Was sagst du dazu?“, fragte mein Herrchen. Ben wartete schließlich noch immer auf meine Antwort zum Thema warmer Regen.
„Ich empfinde es eine absolute Sauerei“, rief ich laut und wütend. Natürlich war ich nicht auf den Regen eingegangen. Meine Gedanken kreisten um den Dreck am Strand.
„Hä?“, rief Ben irritiert, und seine Gesichtszüge entglitten ihm dabei.
„Findest du das etwa nicht?“ fragte ich ebenso irritiert. Eigentlich nervte es mein Herrchen total, wenn Menschen zu faul waren, ihren Müll mitzunehmen.
„Sorry, Jake, aber irgendwie kapier ich das grad nicht.“ Nach seinem Satz zuckte Ben mit den Schultern und sah mich an, als hätte ich etwas vollkommen Blödes von mir gegeben.
„Was gibt es da nicht zu kapieren? Mal ehrlich, stört es dich gar nicht?“
„Eigentlich nicht. Ich mag es sogar. Schlimm?“ Bens Blick ging in Verwunderung über.
„Du magst das? Verarsch dich selbst.“ Klar waren meine Worte nicht nett. Aber ich empfand sie als verständlich. Zumindest nach Bens Aussage. Oder hatte er nur einen Spaß gemacht? Würde er gleich zu lachen beginnen und mich dann damit aufziehen, dass ich auf seinen Witz hereingefallen war?
Da ich die Antwort nicht kannte, sah ich ihn erwartungsvoll an.
Leider begann mein Herrchen nicht zu lachen.
Wann war es zu seinem Sinneswandel gekommen? Wie konnte ein Mensch, der sich noch gestern darüber aufgeregt hatte, dass jemand seine Zigarettenkippe einfach auf den Boden geschnippt hatte, heute so desinteressiert sein?
Ich hatte meine positive Einstellung zur Umwelt von Ben übernommen. Versteht mich nicht falsch, mir war die Welt keinesfalls egal, bevor ich bei meinem Herrchen gelandet war. Doch ich war auf Zyperns Straßen groß geworden, und ihr müsst mir glauben, dass es dort nicht wirklich viel Interesse an sauberen Wegen gab. Mülltrennung und Sinn für die Umwelt hatte ich erst hier auf Sylt gelernt. Schnell hatte ich verstanden, dass wir nur einen einzigen Erdball besaßen und geliefert wären, wenn wir nicht besser auf unsere Mutter Erde aufpassten.
Noch immer sah ich entsetzt zu Ben.
Mein Herrchen stand mit ausgebreiteten Armen vor mir und sah zum Himmel. Der Regen war inzwischen so stark, dass das Wasser in Bächen die Schräge vorm Sunset hinunterlief. Ben sah aus, als wäre er direkt aus der Nordsee gekommen, und mein Fell wog garantiert fünf Kilo mehr.
Es goss wie aus Kübeln, und trotzdem wurde mir nicht ein bisschen kalt. Dieser Sommerregen war einfach schön und tat irgendwie sogar gut.
Vielleicht spült er sogar Bens Kopf wieder klar, dachte ich und grinste kurz. Doch ich wurde schnell wieder ernst, da sich noch immer dieser offene Punkt zwischen mir und ihm befand.
„Warum magst du das plötzlich?“, fragte ich neugierig und vollkommen verunsichert.
„Plötzlich? Ich fand es noch nie schlimm.“ Hatte ich richtig zugehört? Stand wirklich der Mensch vor mir, zu dem ich immer aufgeschaut hatte? Irritiert schüttelte ich den Kopf. Dann überlegte ich mir die richtigen Worte. Hätte ich direkt losgesabbelt, wären es sehr unhöfliche Sätze geworden.
„Ben, was soll das? Darüber macht man keine Witze. Dafür ist das Thema einfach zu brisant. Bitte erkläre mir, wie dein plötzlicher Sinneswandel entstanden ist.“ Ich brauchte Antworten. Gute Antworten und zwar sofort und jetzt.
„Hey, kleiner Mann, was ist denn los?“, fragte Ben erstaunt. Dann kniete er sich vor mich und nahm meinen Kopf zwischen seine Hände. Unsere Blicke trafen sich, und mein Herrchen sprach weiter:
„Hast du vielleicht irgendetwas falsch verstanden? Was ist schlimm daran, den warmen Regen zu mögen. Ich finde Sommerregen einfach megacool. An solchen Tagen stört es mich noch viel weniger als sonst, klatschnass durch die Gegend zu rennen. Was die anderen denken, ist mir dann sowas von egal. Aber sag mal, mein Lieblingshund, was ist los mit dir? Gibt es ein Problem?“ Ben sah mich an, und sein liebevoller Blick traf mich mitten ins Herz.
Manchmal war ich echt ein kleiner Dummkopf. Wie konnte ich nur geglaubt haben, dass meinem Herrchen der Müll plötzlich egal war? So war Ben nicht, und ich hätte wissen müssen, dass er auch niemals so sein würde.
„Weißt du, Ben, ich hatte tatsächlich was falsch interpretiert“, flüsterte ich und gab meinem Herrchen anschließend ein Hundeküsschen. Danach klärte ich das Missverständnis auf, und wir lachten endlich wieder zusammen.
Als sich mein Herrchen auf den nassen Boden setzte, tat ich es ihm gleich. Unsere Blicke wanderten zunächst über den Strand. Als wir diesen abgescannt hatten, wechselten wir die Blickrichtung und sahen zur Promenade hinüber.
„Es stimmt, heute fliegt hier mehr Dreck als sonst herum“, meinte Ben irgendwann.
„Warum ist das so?“, fragte ich und ahnte bereits, dass ich keine Antwort darauf bekommen würde. Woher auch sollte mein Mensch die Lösung kennen?
„Keine Ahnung“, seufzte Ben. Dann stand er auf und sah sich nochmals um.
„Schau mal, Jake, die Säcke in den Mülleimern sind auch nicht ausgetauscht.“ Ich sah in die Richtung, wohin auch Bens Zeigefinger deutete. Normalerweise waren die vollen Säcke um diese Zeit bereits gegen leere Müllsäcke ausgetauscht.
„Da hat wohl jemand verschlafen“, meinte ich und war der Meinung, dass sowas durchaus mal passieren konnte.
„Sieht so aus“, antwortete Ben. Dann standen wir auf und begannen damit, den gröbsten Müll einzusammeln. Schnell hatten wir eine große Menge zusammen und verstauten sie fröhlich lachend im Mülleimer.
„Würde das jeder Strandspaziergänger machen, wäre die Insel nahezu ohne Müll“, rief ich, und Ben stimmte mir nickend zu.
Dann machten wir uns auf den Heimweg. Mein Magen knurrte, und mein gemütliches Körbchen wartete auf mich.
Als mein Herrchen die Haustür öffnete, sprintete ich die Treppen hinauf und wartete auf der Fußmatte hockend auf mein Herrchen. Joes Schnurren konnte ich durch die Haustür hindurch vernehmen. Unser schwarzer Kater erwartete uns. Wahrscheinlich fühlte er sich allein und war neidisch darauf, nicht mit am Strand gewesen zu sein.
Wenn du mich siehst, wird dein Neid um einiges kleiner sein, dachte ich und grinste. Unser Kater mochte kein Wasser. Und Regenwetter daher schon mal gar nicht.
„Ben, wo bleibst du?“, rief ich anschließend durch das Treppenhaus. Mein Magen knurrte, und meine Vorfreude auf das Körbchen wuchs stetig an.
„Gleich. Nur noch eine Treppe“, kam zur Antwort, und ich fragte mich in Gedanken, warum mein Herrchen eine solche Trödelbacke war.
„Trödelt der Chef mal wieder?“, hörte ich Joe durch die verschlossene Tür fragen.
„Ja. So wie immer“, antwortete ich, und wir lachten gemeinsam.
„Dann drück mal die Daumen, dass er nicht noch jemanden im Treppenhaus trifft“, meinte Joe nun, und ich begann direkt, meine Pfoten zu drücken. Auf einen längeren Smalltalk meines Herrchens hatte ich in diesem Moment echt keine Lust. Ich wollte in die Wohnung. Wollte was futtern und danach ausgiebig mein Leben chillen.