Heimatkinder 37 – Heimatroman - Isabell Rohde - E-Book

Heimatkinder 37 – Heimatroman E-Book

Isabell Rohde

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Beschreibung

Die Heimatkinder verkörpern einen neuen Romantypus, der seinesgleichen sucht. Zugleich Liebesroman, Heimatroman, Familienroman – geschildert auf eine bezaubernde, herzerfrischende Weise, wie wir alle sie schon immer ersehnt haben. Auf dem Weißenberg-Hof war wieder Ruhe eingekehrt. Die Handwerker waren abgezogen, der Besuch von Tante Alexa lag einige Wochen zurück und das üppige Hochzeitsfest in der Brauerei, an dem Marie mit Stefan und den Kindern teilgenommen hatte, war auch glücklich überstanden. Marie stand am Fenster des Schlafzimmers, genoss die Ruhe im Haus, sah dabei in die letzten Sonnenstrahlen hinaus und wusste doch, dass der Frühling noch weit war. Das milde Wetter heute war trügerisch. So schnell gab der Winter nicht auf. Ihren Kindern machte das nichts aus. Sie tobten im Hof herum, als stünde bereits der Hochsommer bevor. Reserl hatte das Sprungseil um den Stamm des jungen Apfelbaums geschlungen, sodass Jossi hopsen konnte. Und weil sie ihre Mütze abgesetzt hatte, flogen ihre Haare bei jedem Sprung in die milde Luft. Um die beiden flitzte der dreijährige Dany auf dem Dreirad herum. Plötzlich hielt er an, schnappte sich die Katze Luschi und versuchte, sie auf den winzigen Sattel zu setzen. Das gefiel Luschi nicht. Mit empört ge­steiftem Schwanz flüchtete sie vor dem Übeltäter. Marie lachte auf. Auf dem Hof hörte das ja keiner. Dann sah sie zur Uhr. Sie musste sich beeilen, wenn sie rechtzeitig bei Irmi Osterloh zum Tee erscheinen wollte. Aber vorher musste sie die Festgarderoben wieder an ihren Platz hängen.

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Heimatkinder –37–

Mit dir an meiner Seite

Roman von Isabell Rohde

Auf dem Weißenberg-Hof war wieder Ruhe eingekehrt. Die Handwerker waren abgezogen, der Besuch von Tante Alexa lag einige Wochen zurück und das üppige Hochzeitsfest in der Brauerei, an dem Marie mit Stefan und den Kindern teilgenommen hatte, war auch glücklich überstanden.

Marie stand am Fenster des Schlafzimmers, genoss die Ruhe im Haus, sah dabei in die letzten Sonnenstrahlen hinaus und wusste doch, dass der Frühling noch weit war. Das milde Wetter heute war trügerisch. So schnell gab der Winter nicht auf.

Ihren Kindern machte das nichts aus. Sie tobten im Hof herum, als stünde bereits der Hochsommer bevor. Reserl hatte das Sprungseil um den Stamm des jungen Apfelbaums geschlungen, sodass Jossi hopsen konnte. Und weil sie ihre Mütze abgesetzt hatte, flogen ihre Haare bei jedem Sprung in die milde Luft. Um die beiden flitzte der dreijährige Dany auf dem Dreirad herum. Plötzlich hielt er an, schnappte sich die Katze Luschi und versuchte, sie auf den winzigen Sattel zu setzen. Das gefiel Luschi nicht. Mit empört ge­steiftem Schwanz flüchtete sie vor dem Übeltäter.

Marie lachte auf. Auf dem Hof hörte das ja keiner. Dann sah sie zur Uhr. Sie musste sich beeilen, wenn sie rechtzeitig bei Irmi Osterloh zum Tee erscheinen wollte. Aber vorher musste sie die Festgarderoben wieder an ihren Platz hängen.

Ihr Abendkleid, Stefans Smoking und die beiden Seidenkleidchen, die Reserl und Jossi auf der Hochzeit von Irmi Osterlohs Tochter Camilla getragen hatten, waren gerade von der Reinigung gebracht worden. Und tatsächlich waren alle Spuren des Hochzeitsfests entfernt worden.

Schmunzelnd strich sie über den goldgelben Rock ihrer Gala-Robe. Stefan und sie hatten getanzt wie lange nicht mehr. Dabei war ein Rotweinglas zu Bruch gegangen! Stefans Smoking hatte nur einige Spritzer abbekommen, aber ihr war ein Flecken auf der Hüfte geblieben. Der war nun weg, und sogar die Spuren von verschiedenen Cremes auf den Mädchenkleidern waren herausgegangen.

Marie konnte zufrieden sein. Sie brachte alles in den Schränken unter und nahm eine ihrer Winterjacken hinaus. Als sie hineinschlüpfte, verharrte sie plötzlich mitten in der Bewegung. Wie angenehm still es doch wieder war! Nur die Stimmen ihrer Kinder drangen vom Hof hoch.

Ob sie ihre schöne Tante Alexa immer noch vermissten? Das Auf und Ab von Alexas Liebesglück und ihre Gefühlskrisen hatten für viel Aufregung gesorgt. Während Marie ihre Jacke zuknöpfte, warf sie unwillkürlich einen Blick auf das Telefon neben ihrem Ehebett. Wahrscheinlich würde es bald mitten in der Nacht klingeln, und dann lag es wieder an Stefan, seine geliebte, bildhübsche aber chaotische Schwester vor einer nächsten Beziehungsdummheit zu bewahren. Aber noch hatte Alexa nichts von sich hören lassen. Ihr Liebesglück in Italien hielt wohl an.

Bevor sie das Haus verließ, schaute Marie noch in die große Küche. Wilma, die treue Seele und Herrscherin über den Weißenberg-Haushalt, saß mit einer Handarbeit am Herd. Immer, wenn sie einige Minuten Pause machte, häkelte sie außergewöhnlich zarte Spitzenbänder, die dann auf dem nächsten Gemeindebazar angeboten wurden und Geld für die Mission einbrachten. Heute blieb Marie keine Zeit, das neue Kunstwerk zu bewundern.

Wilma hob das Kinn und deutete auf den großen Tisch, wo ein Körbchen mit liebevoll angeordneten Wintersalaten vom Weißenberg-Hof stand.

»Hat Sepp ihn schon gebracht?! Das ist nett von ihm!«, freute Marie sich über das bereitgestellte Mitbringsel für Irmi Osterloh. »Wie schön er das wieder dekoriert hat! Jeder seiner Körbe ist dekorativer als der andere.« Sie beugte sich schnuppernd über Chicorré, Radicchio, Fenchel und Feldsalat und schloss genießerisch die Augen.

»Sagen Sie das nicht zu häufig, Baronin! Das steigt dem Sepp nur zu Kopfe, wenn Sie ihn loben!«

Als ältester Mitarbeiter auf dem Hof galt Sepp als Fachmann für alles Mögliche. Das gefiel Wilma nicht immer. Mit einem Lächeln in ihren olivgrünen Augen sah Marie sie an. »Ich kenne ihn seit meinem dritten Lebensjahr, Wilma. Sepp steigt so schnell nichts zu Kopf!«

»Nächstes Mal erzählen Sie mir noch, er war als Hebamme bei Ihrer Geburt dabei oder sogar Ihre Amme, Baronin! Sie nehmen ihn immer in Schutz! Dass er Sie mit dem Vornamen ansprechen darf, ist ihm schon lange zu Kopfe gestiegen!«

»Er war der einzige Knecht meiner Eltern und hat ihnen treu gedient! So wie Sie jetzt uns, Wilma!«, verteidigte Marie ihn.

Da erhob Wilma sich und legte ihre Häkelarbeit weg. »Er hat mir heute seine löchrigen Socken angebracht! Die soll ich ihm stopfen! Der alte Depp spinnt doch, Baronin!«, empörte sie sich.

»Zum Instandhalten seiner Klamotten hat er eine Nichte!«, klärte Marie die Situation schnell, denn nie hätte sie gewagt, sich mit Wilma auf einen Konflikt einzulassen. Wenn Wilma eine Laus über die Leber laufen wollte, waren Vorsicht und Einfühlungsvermögen angesagt. Darum schnappte Marie sich den Korb mit einem versöhnlichen Lächeln und eilte zu ihrem Auto hinaus.

Eine viertelstunde Fahrt über Landstraßen und die ferne Alpenkette vor Augen und sie erreichte den Hof der Brauerei Osterloh. In der Anordnung glich die Anlage des Familienunternehmens dem Weißenberg-Hof. Nur an den Gebäuden erinnerte kaum etwas an die Tradition altbayerischer Baukunst. Am Ende des Hofes hatten die Osterlohs sich vor Jahren ein repräsentatives Privatheim errichten lassen. Die Villa wies auf die gut gefüllte Kasse des Unternehmens hin und verbreitete zeitgemäßen Schick.

Auf der Wiese dahinter, die hochtrabend Park genannt wurde, stand schon seit Monaten ein windschnittiger Bungalow, der Camilla und ihrem frisch angetrauten Mann zum Eheheim und Familiennest werden sollte. Marie kannte die um einige Jahre jüngere Camilla seit Jahren. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass die sich in irgendeinem kuschligen Nest der Welt wohlfühlte. Aber wer weiß? Eine große Liebe konnte Wunder bewirken.

Irimi Osterloh hatte Marie schon erwartet. Sie öffnete die Tür und schlug beim Anblick des Salatkörbchens erfreut in die Hände.

»Marie, du bist ein Schatz!«, begrüßte sie sie. Irmi war eine zierliche, ältere Dame, die elegante Kleidung liebte, ihr Haar in einem Rotton gefärbt trug und sich gern mit ihren Juwelen schmückte. Sie wollte einfach nicht wie eine Frau vom Land aussehen! Dabei waren ihr Gemüt und Herz von einer liebenswerten Schlichtheit. Aufrichtig begeistert über die Salate trug sie das Körbchen in die Küche. Dort goss das Hausmädchen gerade den Tee für die beiden Damen auf.

»Bevor wir beim Tee die Fotos von Camillas Hochzeit betrachten, musst du mich aber schnell ins Büro begleiten, Marie. Dort habe ich eine Überraschung für Camilla vorbereitet. Die wird Augen machen, wenn sie von der Hochzeitsreise zurückkehrt. Das musst du dir anschauen! Ich gebe sehr viel auf dein Urteil.«

Natürlich folgte Marie ihr gern. Dabei lag der Anflug eines spöttischen Lächelns auf ihren sanften Zügen. Denn vor vielen Jahren, als sie hier als Haustochter arbeitete, hatte sich keiner für ihr Urteil interessiert. Ihr hatte auch keiner zur Seite gestanden, wenn Camilla, die damals noch zur Schule ging, ihr mit ständigen Gemeinheiten das Leben schwer machte.

Denn die Ansichten und Wünsche der Tochter Osterloh galten ihren Eltern schon immer als Gesetz. Und als sich der Osterloh-Sohn Peter entschied, statt im Brauereigeschäft lieber in einer Münchner Bank zu arbeiten, hatten sie Camilla als Juniorchefin bestimmt und sie erst recht auf einen Thron erhoben. Seitdem konnte die sich wirklich alles leisten! Ob das besser wurde, nachdem sie geheiratet hatte?

Nur wenige Schritte über den Hof und in die Büroräume, und Irmi Osterloh stellte Marie eine neue Bürokraft vor.

»Das ist Barbara Stockmaier, Camillas zukünftige Chefsekretärin.«

»Aha!«, schaffte Marie es gerade noch. Denn die junge Sekretärin war ungewöhnlich, ja, auffallend hübsch. Sie hatte große blaue Kinderaugen und ein unschuldig mädchenhaftes Gesicht mit vollen geschwungenen Lippen. Ihr leicht gewelltes Haar fiel in sanftem Honigblond bis fast auf die Schultern, sodass Marie sich an einen Engel erinnert fühlte.

Der hübsche Engel hatte sich flink erhoben und einen offenen Blick mit Marie gewechselt.

»Sind Sie von hier?«, fragte Marie ungläubig.

»Ich komme aus München.« Das klang angenehm zurückhaltend.

»Dann wünsche ich Ihnen alles Gute.« Marie lächelte zuversichtlich, obwohl ihr eine innere Stimme zuflüsterte, diese junge Frau müsse vor Camilla gewarnt werden. Nachdenklich verließ sie das Büro mit Irmi, und die nahm gleich ihren Arm.

»Na, was sagst du? Camilla wird vor Freude platzen, nicht? Sie hat nun eine eigene Sekretärin und viel mehr Zeit für ihren Helmut. Das war doch wirklich eine tolle Idee von mir!«

»Meinst du?«, entgegnete Marie unsicher.

»Natürlich! Du kennst meine Tochter doch. Sie will immer alles allein schaffen und die Übersicht behalten. So haben wir sie erzogen. Und damit hat sie auch Erfolg! Aber nun, als junge Ehefrau, soll sie kürzer treten. Liebesglück benötigt Zeit. Die wird sie mit Barbara Stockmaiers Hilfe nun genügend haben.«

Maries zweifelndes Schweigen war keine Antwort. Erst, als Irmi Osterloh sie herausfordernd ansah, sprach sie ihre Bedenken aus. »Sie ist auffallend hübsch. Eine weniger attraktive Sekretärin würde Camilla vielleicht besser gefallen«, meinte sie zögernd.

»Aber, Marie! Was denkst du denn?! Es ist nicht so leicht, eine gute Arbeitskraft hier in unsere ländliche Einsamkeit zu locken. Die jungen Dinger von heute wollen doch am liebsten zwischen Boutiquen und Discos wohnen. Dagegen ist die kleine Stockmaier ein Glücksfall. Das Großstadtleben stand ihr bis zum Hals. Sie hat es mir persönlich gesagt! Außerdem hat sie gute Zeugnisse und tritt sehr zurückhaltend auf.«

»Dann wird es schon gut gehen«, sagte Marie.

Dass Irmi ihrer so tüchtigen Tochter eine Freude machen wollte, verstand sie nur zu gut. Nur eilte Camilla wirklich ein miserabler Ruf voraus! Sie war erfolgreich, das Geschäft lief unter ihrer Führung hervorragend, aber mit ihrer hochnäsigen Machtgier stieß sie auch viele Menschen vor den Kopf. Dass das Osterloher Bier im ganzen süddeutschen Bereich trotzdem immer beliebter wurde, lag an seinem exzellenten Geschmack und bestimmt nicht an der jungen Chefin.

»Du siehst, Marie, für Camillas glückliche Zukunft haben mein Mann und ich die besten Voraussetzungen geschaffen. Das mussten wir auch. Sie hat doch immer nur geschuftet und noch nicht viel vom Leben gehabt. Und die Burschen aus der Umgebung, die sich um sie bemühten, waren doch nichts für unser liebes Kind!«

»Helmut Behrens ist also der Richtige?!«, entschlüpfte es Marie, und damit wiederholte sie, womit Stefan ihr seit Monaten mit seiner Ahnung in den Ohren lag. Der traute diesem Typen nicht!

»Natürlich! Er ist erfahren und so tüchtig. Er wird sich im Unternehmen einbringen, Marie. So wie er sich richtig eingearbeitet hat, wird er Werbung für unser Unternehmen machen und bezieht auch ein Gehalt dafür. Denn Camilla kennt sich mit Menschen aus. Sie hat ihm schon Vollmachten über einige Konten erteilt.«

»Aber außer geschäftlichem Vertrauen muss doch auch Liebe eine Rolle spielen!«, warnte Marie, stutzte dann aber und sah Irmi erschrocken an. Hoffentlich hörte sie aus ihren Worten keine Kritik heraus! Aber so war es nicht. Irmi legte den Arm um ihre Taille, lachte und zog sie mit sich ins Haus.

»Das tut sie. Du wirst Camilla nicht wiedererkennen, Marie!« Und so betraten sie den Salon, wo der Teetisch gedeckt war.

Marie kannte hier jede Ecke. Heute schaute sie sich um, als habe sie den Raum noch nie betreten. Das gerade Erlebte hatte ihre Sinne geschärft. Sie sah die vielen Nippes, Tierchen, Blümchen und Püppchen aus Porzellan oder anderen kostbaren Materialien, die Irmi seit Jahrzehnten sammelte, nicht mehr so ehrfürchtig wie früher an. Lebte Irmi Osterloh nicht in einer Traumwelt? Woher nahm sie sonst die Gewissheit, dass aus der herrschsüchtigen Camilla in so kurzer Zeit eine glücklich Liebende wurde?

»Es ist immer eine so große Freude für mich, Marie«, beteuerte Irmi, als sie ihr Tee einschenkte, »wenn du bei uns bist. Ohne Camilla im Haus wird es hier so ruhig sein. Darum habe ich Frau Stockmaier ja auch ein Zimmer bei uns zur Verfügung gestellt. So kann sie in Minuten drüben im Büro erscheinen, wenn Camilla sie braucht. Ja, die Überraschung wird mir gelingen!«, wiederholte sie voller Überzeugung.

»Das hoffe ich von Herzen«, erwiderte Marie. Aber so richtig überzeugend klang es nicht.

*

»Bin ich zu spät?«, fragte Barbara Stockmaier, als sie zwei Wochen später morgens in die Küche der Osterlohs trat. Ihr Frühstücksgedeck stand schon auf dem Tisch, und das Hausmädchen wies lächelnd zur Uhr über der Tür. Es war erst acht Uhr zwanzig! Erleichtert setzte Barbara sich und schenkte sich Kaffee ein. Wenigstens zitterte ihre Hand heute nicht mehr so wie in den letzten Tagen. »Ist die Chefin schon hier gewesen?«, fragte sie flüsternd.

»Nein! Die Eltern Osterloh schlafen doch noch. Aber ihren Bungalow hat Frau Osterloh-Behrens schon verlassen. Sie ist wieder joggen!«, vertraute die ihr genauso flüsternd an.

»Respekt! Respekt! Bei dem Wetter!« Barbara trank einen Schluck. »Erst Flitterwochen in der Südsee, und kaum zurück im deutschen Winter gleich mit großer Kraft voraus! Also, wenn ich Camilla wäre – ich würde noch schön bei meinem Mann im Bett bleiben!« Fast hätte sie gelacht, weil das Hausmädchen sie so ungläubig anstarrte.

»Sie trauen sich aber was, Barbara!«

»Kommt nicht wieder vor!«, versprach die, griff nach einem frischen Brötchen und begann, es aufzuschneiden. Jetzt würde ihr das Frühstück schmecken. Solange die Chefin joggte, tauchte sie ja nicht auf.

Noch war Barbara fest davon überzeugt, es in ihrem neuen Job sehr gut getroffen zu haben. Die Eltern Osterloh waren ausgesprochen nett. Sie hatten ihr oben in der Villa ein behagliches Zimmer mit Duschecke, Kochnische, Fernseher und eigenem Telefon zur Verfügung gestellt. Wenn sie Lust hatte, durfte sie sogar hier unten in der Küche frühstücken. Und das Gehalt stimmte auch. Schon Ende des Monats konnte sie sich endlich wieder eine neue, schicke Armbanduhr kaufen.

Und wenn der Winter sich verzog und die Sonne länger schien, freute sie sich auf die Erkundung der Umgebung. Das nächstgelegene Städtchen hieß Altendorf, und sie war gespannt, was es dort zu entdecken gab. Auch wenn sie dort wohl Kinos, Discos oder schicke Restaurants vergeblich suchen würde.

Das konnte sie verschmerzen. Die erste Begegnung mit ihrer Chefin hatte sie ja auch gut überstanden. Natürlich wehte seit deren Rückkehr von den Flitterwochen ein kälterer Wind durchs Büro der Brauerei. Aber noch hatte Barbara nicht frösteln müssen. Nicht mal, als Camilla ihr kurz und bündig erklärte, sie sehe in ihr eine überflüssige Arbeitskraft und dulde sie nur ihrer Mutter zuliebe. Aber wenn ihr ein einziger Fehler unterliefe, sei die Probezeit vorbei und sie könne ihre Sachen packen.

Aber warum sollte ihr ein Fehler unterlaufen? Sie widmete sich ihren Aufgaben so sorgsam wie immer. Und dass sie neuerdings schon zehn Minuten vor Beginn der Arbeitszeit zur Besprechung mit der Chefin erscheinen musste, ließ sich auch ertragen. Camilla Osterloh-Behrens, wie sie jetzt hieß, war eben ein echtes Arbeitspferd, das sich und ihren Mitarbeitern das Äußerste abverlangte. Nur könnte sie ab und an ein menschliches Wort von sich geben oder mal lächeln!

»Ja, so ist es!«, sprach Barbara sich gut zu, um sich dann zu erheben und rüber ins Büro zu eilen.

Heute war sie überpünktlich. Die Bürouhr zeigte zwölf vor neun, und außer ihr war noch keiner da. Sie nahm die Gießkanne, um die Grünpflanzen mit Wasser zu versorgen. Dabei fiel ihr Blick aus dem Fenster. Ach, du Schreck! Die Chefin näherte sich bereits.

»Fff!«, machte Barbara und flitzte zu ihrem Schreibtisch, um nicht beim Blumengießen erwischt zu werden.

Sekunden später flog die Tür auf. Camillas schlanke Figur war noch in Jogging-Klamotten gehüllt. Ihre sehr langen Beine steckten in eng anliegenden Hosen. Das sah toll aus. Ihr schmales, herbes Gesicht mit der etwas zu langen Nase und dem spitzen Kinn war vom Laufen gut durchgeblutet und wirkte sogar anziehend! Nur fehlte ihm eine winzige Kleinigkeit – der Schimmer von Freundlichkeit in den Augen.