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Seit über 40 Jahren ist Mami die erfolgreichste Mutter-Kind-Reihe auf dem deutschen Markt! Buchstäblich ein Qualitätssiegel der besonderen Art, denn diese wirklich einzigartige Romanreihe ist generell der Maßstab und einer der wichtigsten Wegbereiter für den modernen Familienroman geworden. Weit über 2.600 erschienene Mami-Romane zeugen von der Popularität dieser Reihe. "Darf ich noch eins von den braunen?" fragte Jonas, streckte dabei aber schon zögernd seine Hand in Richtung Schokoladenkeksen aus. "Die sind richtig lecker, Susi!" Wutsch! war der braune Keks schon in seinem Mund verschwunden. "Klar darfst du", erlaubte Susi im Nachhinein. "Heute ist doch dein großer Tag, mein kleiner Schlingel." Susi Lippert war die Sekretärin von Jonas' Vater, dem Werbeagenten Jürgen Salbach, und saß gewöhnlich eine Etage tiefer im Büro. Salbach, dem das ganze Haus gehörte, hatte sich nach der Trennung von seiner Frau die beiden oberen Stockwerke umgebaut. Als alleinerziehender Vater wollte er seinem Söhnchen immer ganz nah sein. Aber damit waren seine Probleme nicht gelöst, denn keine von Jonas' Kindermädchen hielt es mit dem unduldsamen und meist rücksichtslos überheblichen Vater aus. Unter den Kollegen im Büro schmunzelte man darüber, denn auch hier ließ Salbach die weiblichen Angestellten spüren, daß er im Grunde nur Verachtung für Frauen empfand. Die meisten aber blieben. In der Salbach-Agentur gab es interessante Aufgaben und einen guten Verdienst. Salbach hatte Susi, die vor einem dreiviertel Jahr als Sekretärin bei ihm begonnen hatte, mit seinen Unverschämtheiten verschont. Dafür gab es zwei Gründe. Die hübsche Susi war verheiratet und ließ sich nichts gefallen. Und seitdem sie vor einigen Monaten für ein plötzlich verschwundenes Kindermädchen eingesprungen war und sich dabei hervorragend bewährt hatte, verhielt er sich ihr gegenüber anständig. Susi liebte Kinder.
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Seitenzahl: 140
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»Darf ich noch eins von den braunen?« fragte Jonas, streckte dabei aber schon zögernd seine Hand in Richtung Schokoladenkeksen aus. »Die
sind richtig lecker, Susi!«
Wutsch! war der braune Keks schon in seinem Mund verschwunden.
»Klar darfst du«, erlaubte Susi im Nachhinein.
»Heute ist doch dein großer Tag, mein kleiner Schlingel.«
Susi Lippert war die Sekretärin von Jonas’ Vater, dem Werbeagenten Jürgen
Salbach, und saß gewöhnlich eine Etage tiefer im Büro. Salbach, dem das ganze Haus gehörte, hatte sich nach der Trennung von seiner Frau
die beiden oberen Stockwerke umgebaut. Als alleinerziehender Vater wollte er seinem Söhnchen immer ganz nah sein.
Aber damit waren seine
Probleme nicht gelöst, denn keine von Jonas‘ Kindermädchen hielt es mit dem unduldsamen und meist rücksichtslos überheblichen Vater aus.
Unter den Kollegen im Büro schmunzelte man darüber, denn auch hier ließ Salbach die weiblichen Angestellten spüren, daß er im Grunde nur
Verachtung für Frauen empfand. Die meisten aber blieben. In der Salbach-Agentur gab es interessante Aufgaben und einen guten Verdienst.
Salbach hatte Susi, die vor einem dreiviertel Jahr als Sekretärin bei ihm begonnen hatte, mit seinen Unverschämtheiten verschont. Dafür
gab es zwei Gründe. Die hübsche Susi war verheiratet und ließ sich nichts gefallen. Und seitdem sie vor einigen Monaten für ein plötzlich
verschwundenes Kindermädchen eingesprungen war und sich dabei hervorragend bewährt hatte, verhielt er sich ihr gegenüber anständig.
Susi
liebte Kinder. Aber den kleinen Jonas, der häufig im Büro seines Vaters auftauchte, hatte sie gleich ins Herz geschlossen.
»Ich find‘ es
war überhaupt kein großer Tag«, widersprach der, stützte den linken Ellbogen auf den Tisch und streckte die rechte Hand schon wieder nach
dem nächsten Keks aus. »Die Schule ist groß und die Lehrerin bestimmt ganz streng. Die tut erst nur so nett. Papi sagt, daß tun alle Frauen
immer zuerst. Tja, und meine Mami hat kein Geschenk, nur eine Karte geschickt. Nicht mal Papi ist mitgegangen. Nur du.«
»Er hatte keine
Zeit, darum bin ich ja heute bei dir, Jonas.« Susi zog den Reißverschluß der Tasche zu. »Und wenn du Lust hast, können wir noch in den Park
und irgendwo ein Eis essen.«
Oder war Jonas der Appetit auf Süßes bereits vergangen? Seine Schultüte war schon von seinem Vater bis
obenhin mit allerlei ungesundem Schleckerzeug gefüllt worden, als habe Salbach sein ganzes schlechtes Gewissen hineingestopft.
Wie
erwartet, verzog der Sechsjährige nur das Gesicht. »Park mit Spielplatz ist in Ordnung. Aber Eis? Nee, lieber ’ne Pizza in dem Schuppen an
der Ecke. Weißt du, da warst du doch neulich mit mir. Und da war auch Marisa! Heut hab ich sie wieder gesehen.« Sein so kecker Jungenblick
verlor sich in schwärmerischer Bewunderung.
Das kannte Susi schon.
Diese Marisa war bestimmt eine neue Flamme seines Vaters. Hoffte
Jonas etwa schon wieder, die würde als neue Mami mit in die Wohnung ziehen? Natürlich wünschte er sich einen liebevollen Menschen, auf den
sein kleines Herz endlich wieder fest bauen konnte.
»Marisa?« wiederholte sie und sah Jonas sofort neugierig in die blauen Augen. »Sie
heißt Marisa, die neue Freundin von deinem Papi? Und? Ist sie nett? Benimmt er sich auch gut zu ihr? Oder macht er sie wieder bei jeder
Gelegenheit fertig wie diese… diese…«
»Gerda«, half Jonas ihr mit dem Namen aus. »Aber die war schrecklich schlimm, sagt Papi. Seine neue
ist nicht schlimm, nur faul, verwöhnt und verrückt. Sie heißt aber Isabell.«
»Ich denke Marisa?« Bei dem ständigen Wechsel in Jürgen
Salbachs Privatleben verlor sogar die aufgeweckte Susi mal den Überblick.
Jonas lachte nur, so daß sie sich mal wieder wunderte, woher
dieser kleine Knirps, dem das Schicksal und sein Vater so übel mitspielten, eigentlich den unerschöpflichen Frohsinn hernahm. Dabei liebte
Jonas seinen Papi grenzenlos, wie Kinder es eben tun, die sich nur auf einen einzigen Menschen verlassen können.
»Marisa heißt doch das
Mädchen mit den schwarzen Haaren«, belehrte er sie. »Die ist heute mit mir zur Schule gekommen. Und die war neulich auch Pizza essen, als
du mit mir da warst. Sie hat einen Papi und sogar eine Mami. Stell dir vor, alle beide. Hast du das heute in der Schule denn nicht
gesehen?«
»Nein, tut mir leid.«
Einerseits war sie erleichtert, weil sie nun wußte, was in ihm vorging, andererseits bereute sie es, bei
der Einschulung nicht aufmerksam genug gewesen zu sein. Jonas war immer so bescheiden und dankbar für jede Geste der Freundlichkeit. Wie
hätte er sich gefreut, wenn sie sich ebenso an die kleine Marisa erinnerte wie er!
»Und du meinst, die kleine Marisa ißt heute wieder
Pizza?«
Er nickte eifrig. »Klar. Die hat doch richtige Eltern, die machen so was mit ihr. Wenn wir sie da treffen, geh ich zu ihr.
Bestimmt wird sie dann meine Freundin in der Schule.«
Susi sah zur Uhr. Es war kurz nach fünf. Unten, im Vorzimmer der Werbeagentur, ging
ihr Arbeitstag dem Ende zu. Jonas’ Vater konnte wirklich nicht von ihr erwarten, daß sie sich jetzt noch an den Schreibtisch setzte.
»Ich
werd’ deinen Papi anrufen und fragen, ob er einverstanden ist.« Sie nahm das Telefon auf und tippte die Nummer ihres Chefs ein, um sich
dann gleich mit »Lippert« zu melden und ihren Vorschlag mitzuteilen.
Was sie von Jürgen Salbach zu hören bekam, ließ ihr Gesicht
versteinern. Es hagelte Vorwürfe, weil er gerade in einer Sitzung saß. Die ganze Tirade schloß mit dem Befehl, sofort hinunter ins Büro zu
kommen. Jonas, dem ihr Gesichtsausdruck schon die Freude am Parkspaziergang und der Pizza verdorben hatte, wandte sich mit einem Seufzer ab
und packte seine riesige Schultüte und schüttelte den gesamten Inhalt neben dem Keksteller aus.
»Spiel ich eben allein Kaufladen und
sortier die süßen Sachen«, ergab er sich seufzend in sein Los. »Aber wenn Papi heute abend mit Isabell ausgeht, kommst du doch wieder zu
mir hoch und paßt auf, daß ich richtig schlaf’?«
»Weiß ich noch nicht«, wich sie aus.
Susi Lippert war keine Schönheit im klassischen
Sinn. Aber von ihrem weichen Gesicht mit den grünen Augen ging etwas sehr Sanftes und Mütterliches aus. Wenn sie lachte und sich dabei
durch ihr kurzes hellbraunes Haar fuhr, blitzten diese Augen vor Lebensfreude.
»Ich denk, dein Mann ist noch in Augsburg, dann braucht er
dich heute doch nicht zu Hause. Du hast gesagt, du bist jetzt oft allein.«
»Ja, und das wird auch noch eine Zeit so bleiben.«
Kurz nach
ihrer Heirat vor zwei Jahren hatte Peter Lippert mit seiner kleinen Firma Schiffbruch erlitten und sich mit einem Berg von Schulden
zurechtfinden müssen. Da er sich entschieden hatte, eine neue Berufsbahn einzuschlagen, war Susi schnell bereit gewesen, wieder eine
Stellung anzunehmen. Nun, da Peter sich mühsam auf einen neuen Berufszweig vorbereitete, lagen noch zwei Monate häufiger Trennungen vor
ihnen.
»Und warum geht es denn nicht? War Papi gemein zu dir?«
Für Jonas war es normal, wenn sein Vater sich mit Frauen anlegte. Seitdem
seine Mami vor einiger Zeit einfach nach London gezogen war und dort in einer Bank arbeitete, hörte er sowieso nur Abfälliges über Frauen.
Die waren entweder faul oder machtgierig, eingebildet oder verlogen. Nach einigen Verabredungen mit einer neuen Flamme, nannte sein Papi
die entweder dumme Gans, verrücktes Weib oder unzuverlässige Schlampe. Und wenn Jonas nicht sechs, sondern sechzehn gewesen wäre, hätte er
sich gefragt, war-
um der Papi sich überhaupt noch
um weibliche Gesellschaft bemüh-
te.
»Nein, ich bin ja seine Sekretärin«, erwiderte Susi
müde, aber nicht ohne Stolz. »Bei mir nimmt er sich zusammen.« Wenn sie an das gerade beendete Gespräch dachte, log sie natürlich. Aber
warum sollte sie dem kleinen einsamen Jungen eingestehen, daß sein Vater überall als unbelehrbarer Despot und Frauenhasser galt?
»Hauptsache, wir kommen gut miteinander aus, Jonas.« Sie stand auf und hauchte ihm einen Kuß aufs Haar. »Und eins versprech ich dir: Dein
großer Tag wird nicht vergessen. Wir feiern ihn noch bei Eis und Pizza und was dir noch so einfällt!«
»Die Wasserrutsche im Zoo!« fiel ihm
sofort ein, bevor er sich ans Sortieren seiner Süßigkeiten machte. Sie wollte gerade die Wohnungstür hinter sich zuziehen, da rief er ihr
etwas nach.
»Und ein Foto von meiner Mami!«
»Was?« fragte sie, weil sie ihn nicht verstanden hatte.
»Ein Foto von meiner Mami will ich!«
wiederholte er. »Oder du sollst immer bei mir sein.«
»Das geht doch nicht, Jonas. Ich hab’ einen Mann. Und ich seh Peter schon selten
genug.«
Aber sie nahm sich vor, Salbach schon bald und einfühlsam nach einem Foto seiner geschiedenen Frau Inga zu fragen. Was auch
geschehen war, solange Salbach keine liebenswerte Nachfolgerin für sie fand, konnte er dem Kind die Erinnerung an die leibliche Mutter doch
nicht verwehren!
So schnell kam sie nicht da-
zu. Denn kaum hatte sie das Büro
im Parterre betreten und war ins Chefzimmer geeilt, fuhr
Jürgen sie an.
»Ich höre wohl nicht recht!« meckerte er. »Eben ruf ich bei der Werkstatt Hamann an und erfahre, Sie haben einen
Inspektionstermin für meinen Wagen in der nächsten Woche festgemacht! Erst nächste Woche! Sind Sie eigentlich von allen guten Geistern
verlassen, Susi?«
Jürgen Salbach nannte alle seine Mitarbeiterinnen beim Vornamen. Das gehörte, wie er betonte, zu seinem Führungsstil.
»In der Werkstatt Hamann war kein früherer Termin frei, Herr Salbach.«
Er war ein hochgewachsener, gutaussehender Vierziger. Wenn er
sich in einen seiner Kaschmiranzüge hüllte, ein modisches Hemd mit Krawatte trug und gut ausgeschlafen war, konnte sein Äußeres
Frauenherzen höher schlagen lassen. Nur, wer ihn so gut kannte wie Susi, wußte, daß diese Äußerlichkeiten nicht über das tiefe Schwarz
seines Charakters hinwegtäuschen konnten.
»Ich kann’s nur wiederholen, Susi, noch nie hat eine so dämliche Sekretärinfür mich gearbeitet
wie Sie.«
»Sie können sich jederzeit eine andere suchen«, erwiderte sie schnippisch, blieb aber wie angewachsen vor seinem Schreibtisch
stehen. »Hatten Sie denn gestern nicht selbst Zeit, sich mit der Werkstatt Hamann in Verbindung zu setzen? Ich mußte mit Jonas in der Stadt
sein, um seine erste Schulausrüstung zu beschaffen.«
»Ihre naseweisen Bemerkungen können Sie sich sparen«, ärgerte er sich.
Aber was
sollte er machen? Er brauchte Susi. An einen Rausschmiß war nicht zu denken, denn als Kindermädchen für Jonas funktionierte sie
vorbildlich. Er hatte ihr schon mal angeboten, sich ganz auf diese Aufgabe zu konzentrieren. Aber das hatte Susi mit dem Hinweis auf ihren
Mann abgelehnt.
»Würd’ ich gern, wenn Sie mich nicht dazu herausfordern.«
Auch Susi wußte, sie war augenblicklich das einzige weibliche
Wesen, dem Jürgen Salbach sein Kind anvertraute. Und wenn sie dieser Aufgabe so gern nachkam, dann geschah das keinesfalls aus lauter
Sympathie zu ihrem Chef, sondern aus Zuneigung zum kleinen Jonas.
Jürgen Salbach sah sie genauer an. Wenn sie etwas eleganter wäre und
häufiger zum Friseur ginge, konnte sie ihm sogar als Frau gefallen. Ja, etwas schicker gekleidet und mit einem auffallenden Make-up würde
sie sogar als seine Begleiterin in der Öffentlichkeit glänzen. Nur leider widersprach sie ja immer und war zudem noch mit diesem
ausgemachten Trottel Peter Lippert verheiratet.
»Also gut, Susi. Das mit der Werkstatt will ich vergessen. Dann kommt mein Wagen eben
nächste Woche zur Inspektion. Sie können jetzt für zwei Stunden Feierabend machen.«
»Zwei Stunden? Wieso nur zwei Stunden?«
»Weil ich Sie
ab acht Uhr wieder brauche. Jonas freut sich, wenn Sie bei ihm bleiben, während ich zu einer Verabredung muß.«
»Heute? Nein, das geht
nicht.« Bestimmt plante er ein Rendezvous mit dieser Isabell oder wie immer seine neue Flamme hieß. Vielleicht war die doch nicht so faul
und dumm, wie er vor Jonas behauptet hatte, und er machte ihr heute einen Antrag. Dann würde diese Isabell irgendwann als Jonas’ neue
Mutter in die Wohnung über dem Büro ziehen. Wünschte sich der Kleine das nicht?
»Also gut, aber nur unter einer Bedingung.«
»Das kenn’
ich schon!« spottete Salbach. »Sie müssen Ihren Mann erst fragen.«
»Mein Mann ist auf einem Lehrgang in Augsburg.«
»Ach, schon wieder?
Oder immer noch? Das ist ja ’ne schöne Ehe, die Sie führen. Und warum stellen Sie dann noch eine Bedingung?«
»Jonas wünscht sich ein Foto
seiner Mutter, Herr Salbach. Solange Sie keine neue Ehe eingehen, spricht doch nichts dagegen, wenn die Erinnerung an sie wachgehalten
wird.«
»Unsinn! Die ist für Jonas und mich gestorben.«
»Aber sie lebt noch. Sie schickte ihm eine Karte. Wird sie nicht, was immer
geschieht, seine Mutter bleiben?«
»Mischen Sie sich nicht in Dinge ein, von denen Sie nichts verstehen, Susi. Wenn die Zeit kommt, sorge
ich schon für eine Veränderung in meinem Privatleben. Dann weint Jonas bestimmt nicht mehr seiner Mutter nach.«
Susi verstand. Aber wird
sich, fragte sie sich, jemals eine Frau finden, die mit dem Scheusal Salbach fertig wird und seinem Sohn gleichzeitig die ferne Mutter
ersetzen kann? Was für ein Wunderwesen mußte das sein? Sie sah ihn kalt an.
»Wenn Sie Jonas ein Foto seiner Mutter zugestehen, dann ja,
Herr Salbach. Dann werde ich heute abend bei ihm bleiben.«
Er knirschte mit den Zähnen. »Gut, über dieses Foto sprechen wir um
Mitternacht, wenn ich zurück bin.«
Susi wußte genau, wie unberechenbar er war. Wann hielt er sich schon mal an seine Versprechen? »Gut.
Aber nur noch dies eine Mal, Herr Salbach. Und nur Jonas zuliebe. Mein Mann…«
»Ihr Mann ist Ihr Problem, Susi.«
Sie war entlassen, ging
in ihr Zimmer, rief Peter in Augsburg an und sagte ihm, wo sie den Abend verbringen würde. Peter nahm das hin, wie immer, wenn er
angespannt war. Und das war er seit zwei Jahren.
Nachdem Susi auf ihrem Schreibtisch für Ordnung gesorgt und einige Telefongespräche
erledigt hatte, ging sie in den großen Konferenzraum, um dort nach alten Illustrierten zu suchen. Sie schichtete sie zu einem Stapel und
brachte sie schon eine Stunde später zu Jonas rauf.
Gemeinsam schnitten sie Autos und Figuren aus und klebten sie auf Karton, bis ein
lustiges Bild entstand. Von dem Foto seiner Mutter sagte sie keinen Ton. Um acht spielten sie noch eine Partie ›Mensch-ärgere-dich-nicht‹.
Dann brachte sie ihren kleinen Schützling zu Bett und hörte gerührt, daß es doch noch ein wunderschöner Tag geworden war und wie er sich
schon darauf freute, morgen um zehn Uhr früh in der Schule die schwarzhaarige niedliche Marisa wiederzusehen.
Um fünf vor Mitternacht
kehrte Jürgen Salbach in seine Wohnung zurück. Sie hörte den Schlüssel in der Tür und erhob sich sofort. Sie schlug das Buch zu, in dem sie
gelesen hatte und schob es in ihre Handtasche, dann langte sie nach ihrer Jacke. Zur gleichen Zeit trat er ins Wohnzimmer.
Er sah verdammt
gut aus, ihr Chef, mußte Susi sich mal wieder eingestehen. Aber keine Macht der Welt hätte in ihr ein Gefühl der Sympathie für diesen Mann
erwecken können.
»Sie werden noch ein Glas mit mir trinken, Susi!« bestimmte er.
Weil sie sich an sein Versprechen erinnerte und hoffte,
nun würde es um ein Foto von Inga Salbach gehen, war sie einverstanden.
»Sie haben sich Jonas’ Wunsch nach dem Foto also zu Herzen
genommen, Herr Salbach?«
Er nickte schlechtgelaunt, holte ein Schlüsselbund hervor und machte sich tatsächlich an der Lade eines
Schubelements im Wandregel zu schaffen.
Kurz darauf hielt Susi ein Foto von Jonas’ Mutter in der Hand. Sie war überrascht und sogar
gerührt, denn sie blickte in ein zartes, helles Gesicht mit großen, sensiblen Augen und einer niedlichen Stupsnase. Das Lächeln war
hinreißend, aber auch scheu. Es kam ihr so vor, als verberge sich dahinter die Tapferkeit einer vom Glück vergessenen Frau. Oder bildete
sie sich das ein, weil sie Jürgen zur Genüge kannte und sein Verhalten Frauen gegenüber lange genug mitbekommen hatte?
»Inga Salbach ist
eine Frau, die ihre Gefühle nicht beherrschen kann. Meine Liebe genügte ihr nicht. Sie stellte maßlose Ansprüche an mich, die kein Mann
erfüllen kann. Ich bin kein Typ, der immer Händchen hält und romantisches Zeug faselt. Darum ging sie. Jonas kann froh sein, daß sie ihn
nicht erzieht. Sie hätte ihn nur verdorben.«
»Kein Mensch kann Jonas verderben!« sagte Susi.
»So? Sie haben doch keine Kinder! Davon
verstehen Sie nichts. Wenn eine Frau wie Inga ihren kleinen Sohn allein zurückläßt, nur, weil sie angeblich die Gefühlskälte ihres Mannes
nicht mehr erträgt, ist sie als Mutter ungeeignet. Zum Wohl ihrer Kinder müssen Mütter eben Opfer bringen.«
Sie hat ihn nicht mehr
ertragen, dachte Susi. Und es fiel ihr sehr leicht, Verständnis für Jonas‘ Mutter zu empfinden.
»Inga verließ sich auf die Hoffnung, als
alleinerziehender Vater würde ich wenigstens unserem Kind Liebe entgegenbringen. Dabei hat Jonas jetzt alles, was er braucht. Und der
Anblick seiner ständig schluchzenden Mutter bleibt ihm auch erspart. Daran werden Sie ja wohl nicht zweifeln.«
Susi sah ihn verdutzt an.
Sie wunderte sich über das nette Lächeln, das er ihr schenkte, als er weitersprach.
»Wenn Jonas sich dann und wann an seine Mutter
erinnert, dann doch nur, weil Sie nicht immer Zeit für ihn haben. Das werden wir in Zukunft ändern.«
Susi setzte sich, obwohl es sie doch
mit aller Macht heimzog. Wie benommen beobachtete sie, wie er an der Bar Whisky in zwei Gläser goß, und damit zu ihr trat. Dann nahm er ihr