Kannst du mit mir glücklich werden? - Isabell Rohde - E-Book

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Isabell Rohde

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Beschreibung

Nun gibt es eine exklusive Sonderausgabe – Fürstenkrone Classic In der völlig neuen Romanreihe "Fürstenkrone" kommt wirklich jeder auf seine Kosten, sowohl die Leserin der Adelsgeschichten als auch jene, die eigentlich die herzerwärmenden Mami-Storys bevorzugt. Romane aus dem Hochadel, die die Herzen der Leserinnen höherschlagen lassen. Wer möchte nicht wissen, welche geheimen Wünsche die Adelswelt bewegen? Die Leserschaft ist fasziniert und genießt "diese" Wirklichkeit. Marco von Lohenstein suchte gerade fieberhaft nach seinem roten Kashmir-Pullover, als unten vor dem Schloss die Tür der Limousine seines Großvaters zuschlug. Er trat ans Fens­ter, sah den Baron Rothenfeld darin fortfahren und atmete auf. Der alte Herr war heute mit dem Landrat und mit dem Dorfbürgermeister verabredet. Das dauerte immer Stunden. Erst gegen Mittag würde er zurück sein. Marco konnte seinen Pullover also in aller Ruhe weitersuchen. Etliche Kleidungsstücke aus den Schrankfächern und der Kommode landeten auf dem Teppich, aber das edle Teil aus Kashmir war nicht dabei. Wo konnte er nur sein? Marco brauchte heute seinen roten Pulli. Der passte so gut unter seine schwarze Reitjacke und hielt an diesem Apriltag, der grau und kühl jede Hoffnung auf den nahen Frühling zerstörte, mollig warm. Und wenn er die Stunden bis Mittag schon nutzen musste, um hinter dem Rücken seines Großvaters hinüber zum Herrenhaus Orthensee zu reiten, wollte er dort unbedingt einen guten Eindruck machen. Einmal musste Bianca von Orthensee doch merken, was für ein schmucker Typ und netter Kerl er war! Bianca war nicht unbedingt eine auffallende Schönheit, und mit ihrer zurückhaltenden Art konnte sie ihn manchmal direkt verwirren. Darum war es nicht mehr als Neugier, die ihn in ihre Nähe trieb. Oder dieses tägliche Einerlei auf dem Schloss seines Großvaters, das ihn dazu brachte, die Gesellschaft Gleichaltriger zu suchen und wenigstens manchmal etwas Aufregendes zu erleben. Er hörte Stimmen auf der Treppe, und gleich darauf betraten Lisa und Carla, die beiden Hauswirtschafterinnen im Schloss, sein Zimmer. Carla, die Älteste, bemerkte das wüste Durcheinander von Hosen und Pullovern auf dem Boden sofort und sah Marco vorwurfsvoll an. »Haben Sie etwa deshalb nach uns geklingelt, Marco?« Er nickte. »Der rote Kashmir-Pullover!

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Leseprobe: Ein Lord für alle Fälle

Lord Cameron liebte die frühen ruhigen Morgenstunden. Schon als Kind war er ein Frühaufsteher gewesen. Damals war er auf seinem Pony durch das Gelände geritten. Sein Großvater Shane MacGregor hatte ihn immer begleitet. Da er wieder in Irland weilte, nahm Lord Cameron diese Gewohnheit wieder auf. Er hoffte, dass in einigen Jahren sein Enkel oder seine Enkelin ihn begleiten würden. Wenn der Lord daran dachte, atmete er immer tief durch. Der Gedanke gab ihm Hoffnung und Stärke, obwohl es mit seiner Gesundheit nicht zum Besten stand. Er hatte sich dazu durchgerungen, sich einer Stammzellentherapie zu unterziehen. Seine Tochter Florence und ihr Halbbruder David hatten sich testen lassen, ob sie geeignete Spender wären. Vielleicht würde sich dabei herausstellen, dass David sein Sohn war und damit Florences Bruder. Aber die Verwandtschaftsverhältnisse waren nebensächlich. Für Cameron zählte nur, dass er eine Chance hätte, wieder gesund zu werden, und noch viele glückliche Jahre mit seiner unehelichen Tochter verbringen könnte. Seit sie bei ihm auf MacGregor Manor lebte, stellten sie jeden Tag mehr fest, wie ähnlich sie sich waren. Der frische feuchte Morgenwind wehte ihm ins Gesicht, als er den Weg am Waldrand entlangritt. Von weitem sah er einen Reiter. Er erkannte ihn sofort. Es war Quinn Walsh, sein alter Verwalter, der am Tag zuvor mit seiner Frau Kathy aus dem Ruhestand nach Culraid zurückgekommen war. Sie ritten aufeinander zu, hielten die Pferde an und stiegen ab. »Noch kühl«

Fürstenkrone Classic – 16 –

Kannst du mit mir glücklich werden?

Wie Baron Marco und seine Bianca zusammenfanden

Isabell Rohde

Marco von Lohenstein suchte gerade fieberhaft nach seinem roten Kashmir-Pullover, als unten vor dem Schloss die Tür der Limousine seines Großvaters zuschlug. Er trat ans Fens­ter, sah den Baron Rothenfeld darin fortfahren und atmete auf. Der alte Herr war heute mit dem Landrat und mit dem Dorfbürgermeister verabredet. Das dauerte immer Stunden. Erst gegen Mittag würde er zurück sein.

Marco konnte seinen Pullover also in aller Ruhe weitersuchen. Etliche Kleidungsstücke aus den Schrankfächern und der Kommode landeten auf dem Teppich, aber das edle Teil aus Kashmir war nicht dabei. Wo konnte er nur sein? Marco brauchte heute seinen roten Pulli. Der passte so gut unter seine schwarze Reitjacke und hielt an diesem Apriltag, der grau und kühl jede Hoffnung auf den nahen Frühling zerstörte, mollig warm. Und wenn er die Stunden bis Mittag schon nutzen musste, um hinter dem Rücken seines Großvaters hinüber zum Herrenhaus Orthensee zu reiten, wollte er dort unbedingt einen guten Eindruck machen. Einmal musste Bianca von Orthensee doch merken, was für ein schmucker Typ und netter Kerl er war!

Bianca war nicht unbedingt eine auffallende Schönheit, und mit ihrer zurückhaltenden Art konnte sie ihn manchmal direkt verwirren. Darum war es nicht mehr als Neugier, die ihn in ihre Nähe trieb. Oder dieses tägliche Einerlei auf dem Schloss seines Großvaters, das ihn dazu brachte, die Gesellschaft Gleichaltriger zu suchen und wenigstens manchmal etwas Aufregendes zu erleben.

Er hörte Stimmen auf der Treppe, und gleich darauf betraten Lisa und Carla, die beiden Hauswirtschafterinnen im Schloss, sein Zimmer. Carla, die Älteste, bemerkte das wüste Durcheinander von Hosen und Pullovern auf dem Boden sofort und sah Marco vorwurfsvoll an. »Haben Sie etwa deshalb nach uns geklingelt, Marco?«

Er nickte. »Der rote Kashmir-Pullover! Wo habt ihr den hin?«

»Zu Frau Ollenhauer ins Dorf wie immer.«

»Wie immer …!«, seufzte Marco.

Alles auf Schloss Rothenfeld war ja wie immer! Nichts hatte sich geändert, seit er vor einem Jahr zu seinem Großvater gezogen war, um sich als zukünftiger Erbe beizeiten in die Forstwirtschaft und auf dem Schloss einzuleben. Aber bis er sein Erbe antreten und hier dann nach eigenem Geschmack schalten und walten durfte, konnte es ja noch Jahre dauern. Und bis dahin blieb auch weiterhin alles so, wie sein Großvater es wünschte.

»Gut. Dann nehm ich den Grauen!«, erklärte er ergeben und gab den Gedanken, bei Frau Ollenhauer im Dorf vorbeizureiten und den frisch gewaschenen roten Pullover bei ihr abzuholen und anzuziehen, lieber auf.

Frau Ollenhauer war für die gebügelten Oberhemden und die exquisit gepflegten Wollsachen der beiden Herren auf dem Schloss verantwortlich, kümmerte sich aber auch um die Pflege einiger Gräber auf dem Dorffriedhof. Dort traf sie auf andere Witwen in der Umgebung, schnatterte dann wie bei einem Kaffeeklatsch, und in wenigen Tagen wussten alle, dass der junge Baron Marco von Lohenstein, der zukünftige Herr auf Schloss Rothenfeld, hinter seinem roten Kashmir-Pullover herritt. Die einfachen Leute in der Umgebung würden sich ins Fäustchen lachen. Nein, das kam nicht infrage. Ein Nachkomme des Barons Rothenfeld durfte sich nicht lächerlich machen.

»Und die Unordnung?«, fragte die junge Lisa.

»Die überlass ich euch!« Er zog den grauen Pulli über sein Hemd, grinste, zupfte den Kragen zurecht und verschwand.

Marco war eine blendende Erscheinung mit seinen siebenundzwanzig Jahren. Groß und schlank gewachsen, aber mit breiten Schultern sah er wie der geborene Edelmann aus. Nur das fast kinnlange blonde Haar, das sein markantes Gesicht weich umwehte, erinnerte noch an den Studenten, der Jahre voller Sorglosigkeit verbracht und jetzt noch keine große Lust verspürte, Verantwortung und Pflichten zu übernehmen.

Zehn Minuten später schwang er sich vor dem Stall auf den für ihn gesattelten Rappen. Zunächst ließ er sich Zeit. Er nahm den Weg über die Landstraße und an dem Rothenfeldschen Waldbesitz vorbei, ritt einen Bogen zu einem Hügel und blickte von dort aus in die Landschaft.

Bis zum Dorf konnte er von hier aus sehen. Es kuschelte sich in diese weite Landschaft mit den wenigen leichten Erhebungen wie in ein zartgrünes Bett, vom Kirchturm überragt und bewacht. Aber am Rand des kleinen Ortes stach ein nagelneuer Bungalow mit seinen hellblau gestrichenen Wänden wie ein Fremdkörper hervor. Den Bungalow hatte sich Jan Wagner, der Fischzüchter, dahin gebaut. Rundherum glitzerte das Wasser mehrerer Becken, die zu seiner Fischzucht gehörten. Die meisten Alteingesessenen rümpften die Nase darüber. Und Marcos Großvater schimpfte sogar wie ein Rohrspatz über den doch tüchtigen Wagner. So einer, meinte er, gehöre hier nicht hin.

Marco grinste. Er konnte Jan Wagner gut leiden. Weiter hinten, von leichtem Dunst umgeben, machte sich Schloss Rothenfeld mit seinen dicken felsgrauen Mauern, den Erkern und dem Turm natürlich viel besser in dieser Umgebung als der blaue Bungalow. Er tätschelte nachdenklich den Hals seines Rappen Brutus, und der schnaufte zufrieden.

Wie oft in solchen Momenten überkam Marco das Gefühl der Einsamkeit.

Und dann fragte er sich wieder, ob er seinen Entschluss, das Erbe seiner Mutter Karoline anzutreten und zu seinem verwitweten Großvater zu ziehen, um hier den Rest seines Lebens als Schlossherr zu verbringen, nicht doch bereuen sollte. Friedlich und wunderschön war es hier, aber leider auch stinklangweilig.

»Los, Brutus!« Er riss die Zügel herum, wechselte vom Schritt in Trab und dann in den Galopp. Seine Haare wehten im Wind, und das Stampfen der Hufe glich sich dem Rhythmus seines Herzschlags an. Was soll’s?, dachte er. Das Leben hält jetzt keine Überraschungen mehr für mich bereit. Meine Mutter Karoline ist dem Ruf ihres Herzens gefolgt und hat meinem Vater und meinem Großvater damit einen bitteren Schmerz zugefügt. Das muss ich jetzt ausbaden. Also, was bleibt mir schon, außer, das Beste daraus zu machen.

Nach zwanzig Minuten erreichte er die Ahornallee, hinter der sich der Blick aufs Herrenhaus Orthensee öffnete, und seine Gesichtszüge spannten sich an, wie schon einmal vor Wochen, als er auch aufs Geratewohl darauf zuritt.

Vor Jahrhunderten, so erzählte man es sich hier, hatte das Herrenhaus einem Fürsten als wildromantisches Jagdhaus gedient. Marco wusste inzwischen auch, dass die Freiherrn von Orthensee es eines schönen Tages völlig heruntergewirtschaftet übernommen hatten. Im Laufe der Zeit war es ihnen dann gelungen, den ursprünglichen, reichlich kitschigen Glanz des hochherrschaftlichen Besitzes wieder herzustellen. Das lange Gebäude glich nun wieder einem schmucken, riesigen Bauernhaus, wie man sie eher in Alpenländern findet, passte aber immer noch nicht so recht in die hiesige, ebene Landschaft mit den vielen Seen und dem üppigen Waldbestand.

An der Südseite zogen sich Balkons mit geschnitzten Geländern entlang, und die grünen Fensterläden sorgten für fröhliche Farbtupfer auf den hellen Mauern. Die wiederum wurden von wildem Wein überwuchert, dessen Laub im Laufe des Jahres von duftigem Grün bis zum dunklen Rot im Herbst wechselte. Das herbstliche Rot hatte Marco noch nicht bewundern können, obwohl er doch schon ein Jahr hier lebte. Denn sein Großvater hielt recht wenig von der freiherrlichen Familien Orthensee und hatte ihn immer vom Umgang mit ihnen abgeraten. Den jungen Herrn auf Or­thensee, Hannes, hielt er für einen untüchtigen Landwirt und dessen jüngere Schwester nannte er das scheue Reh von Orthensee oder sogar frech eine ›Trauerweide‹. Und umgekehrt schien den beiden ebenso wenig am Umgang mit dem alten knorrigen Baron gelegen.

Vor dem Herrenhaus parkten einige Autos mit den Kennzeichen umliegender Städte. Was wollten die Leute hier? Oder war es wirklich so, dass sich einige Städter für die keramischen Kunstwerke aus Biancas Werkstatt interessierten? Marco sprang vom Pferd und schlang die Zügel um einen Pfosten an der Westseite. Auf der anderen Seite eines schmalen Gangs befand sich die alte Remise, wo früher die Kutschen untergebracht waren. Und diese Remise nutzte Bianca von Orthensee nun als Keramikwerkstatt.

Marco ging zögernd darauf zu. Ob er Bianca einfach fragen sollte, ob sie ihn heute Abend auf das Rockkonzert in Bauer Höllerleins Scheune begleitete? Wahrscheinlich lehnte sie es ab. Sie war wirklich ein schrecklich kompliziertes Mädchen! Aber außer ihr gab es kaum junge Frauen in der Gegend. Und sollte er nur immer mit dem Fischzüchter Jan Wagner bei allen Veranstaltungen aufkreuzen? Als Kumpel war Jan nicht übel. Aber er war ein Mann, und Marco ging nun mal lieber mit Frauen aus.

Die schwere Tür der Werkstatt wurde von innen aufgestoßen. Ein Pärchen mittleren Alters und ein weißhaariger Herr trugen in breiten Papiertaschen die gerade gekauften Gefäße von dannen. Marco sah ihnen nach, bis sie in die Autos stiegen, dann stieß er die Tür weiter auf und schaute in die Werkstatt.

»Tür zu! Es zieht!«, bat Bianca mit sanfter Stimme. Sie stand an ihrer Kasse und schloss gerade die Geldlade. Hier, umgeben von Regalen voller Töpfe, Schalen und Kannen wirkte sie wie eine Gestalt aus einer längst versunkenen Zeit. Und das machte wohl ihren Reiz aus.

Das kurze, leicht gekrauste und dunkelbraune Haar lag eng um ihren schmalen, edel geformten Kopf. Um die Schultern hatte sie ein dickes unkleidsames Tuch geschlungen, und nur ihr zaghaftes Lächeln verriet, dass er nicht ganz unwillkommen war.

»Du, Marco? Schon wieder?«, fragte sie dann zu seinem Ärger.

»Ich dachte, es regnet ja nicht. Ein Ausritt …«

»Du hast wohl nichts zu tun?«

»Doch. Natürlich. Nur nicht so viel. Ich arbeite mich ja erst ein.«

»Immer noch? Und der alte Baron hat Geduld mit dir?«

Sie sah ihn kurz an, wandte sich ab in den hinteren Teil des Raums, wo die Keramiköfen und die Drehscheibe standen, und schob zwei kleine Säcke zu einem Bottich. »Und? Gehst du noch immer täglich zum Grab deiner Großmutter?« Marco stutzte. Machte sie sich etwa über ihn lustig? Da fragte sie schon: »Du hast sie wohl sehr geliebt?«

»Ich denke schon«, entgegnete er. »Ich hab sie nur zwei Mal gesehen. Da war ich noch ziemlich klein.« Er stieß den Atem schnell aus, als habe er sich sehr angestrengt, und fügte hinzu: »Soll ich dir helfen? Diese Säcke …«

»… sind nicht schwerer als sonst.« Sie beachtete ihn nicht weiter, und Marco sah sich um und überlegte, ob es nicht besser sei, unverrichteter Dinge zurückzureiten. Mit einer so übelgelaunten Person aufs Rockkonzert zu gehen, war bestimmt kein Vergnügen. Da war Jan Wagner als Begleiter wahrscheinlich angenehmer. Aber so schnell aufgeben wollte er auch nicht. Das passte nicht zu einem zukünftigen Schlossherrn. Also trug er seinen Vorschlag vor.

Bianca hörte ihm zu. In ihren Mundwinkeln setzte sich ein kleines Lächeln fest, aber dann lehnte sie mit Bedauern ab.

»Wir haben heute Abend einen Gast, Marco. Hannes und ich baten ihn zu einem feierlichen Essen. Und …« Sie deutete auf ihr Haar. »Ich muss mich noch etwas zurechtmachen. Und mich ums Essen kümmern.«

»Habt ihr denn keine Köchin?«

Ihr Kinn reckte sich stolz hervor. »Natürlich. Aber Hannes meint, ich solle unserer Irma zur Hand gehen. Ich muss es ja mal lernen.«

»Klar. Ich verstehe. Na, gut, dann ein anderes Mal.«

»Ich weiß nicht. Jetzt im Frühjahr kommen viele Kunden.«

»Aber wir sehen uns mal wieder auf dem Friedhof, nicht wahr?«

»Ich weiß nicht.«

»Hm.« Wie oft wollte sie ihm noch mit diesem ›Ich weiß nicht‹ kommen? »Der Tod deiner Eltern liegt schon länger zurück, nicht wahr?«, erkundigte er sich, um das Gespräch noch nicht abreißen zu lassen.

»Zehn Jahre, zwei Monate und elf Tage«, kam es wie aus der Pistole geschossen zurück. »Deine Großmutter verstarb erst vor zwei Jahren. Ich erinnere mich gut daran.«

Sie lächelte flüchtig, aber ihr Blick blieb seltsam ernst, als sie ihn kurz aber forschend anblickte und ihm die Tür aufstieß, damit sie gemeinsam die Werkstatt verließen. Draußen bemerkte sie seinen Rappen Brutus.

»Ihr habt immer noch Reitpferde? Gut, dass du sie bewegst, Marco. Dann kommst du nicht auf dumme Gedanken.«

Das war eine Frechheit. Aber er nahm sie hin. »Und du? Reitest du nicht?«

»Als Kind ritt ich gern. Aber jetzt fehlt uns das Geld für Reitpferde. Hannes stellt den Betrieb doch um.« Und dann hob sie die Hand, winkte ihm kurz zu und verschwand in der Seitentür des Herrenhauses.

Marco knirschte mit den Zähnen. »Zicke!«, stieß er leise hervor, band Brutus los und schwang sich in den Sattel. Weiter vorn bog eine schwere Maschine aus der Ahorn-Allee aufs Herrenhaus zu. Das war Hannes von Orthensee, der für seine Vorliebe für teure Motorräder in der ganzen Gegend bekannt war. Er winkte Marco knapp zu wie einem nicht gerade willkommenen Nachbarn, dem man jedoch Respekt bezeugen muss.

»Blödmann!«, knirschte Marco und ritt in hohem Tempo davon. Weil es zu seinen täglichen Pflichten gehörte, schaute er noch bei den Waldarbeitern vorbei und kam gerade rechtzeitig zum Mittagessen an den Tisch im kleinen Saal.

Sein Großvater, ein kerngesunder Achtziger mit einem schmalen faltigen Gesicht und einer imposant hervorstechenden Nase, erwartete ihn schon.

»Ich habe gute und schlechte Nachrichten, Marco. Welche willst du zuerst hören?«

Carla schöpfte den beiden Spinatsuppe mit Grießklößchen ein. Sie duftete herrlich, Marco lächelte ihr zu. »Die schlechten, Großvater. Das passt schon. Es ist doch meine Lieblingssuppe.«

Baron Rothenfeld wartete, bis Carla den Saal verlassen hatte.

»Du hast zwei Strafzettel. Wegen falschen Parkens am Friedhof. Der Bürgermeister hat sie mir gleich mitgegeben. Und? Was hält dich so lange auf dem Friedhof?«

»Großmutters Grab«, kam die Antwort, auch, wenn sie erschwindelt war. Denn jedes Mal, wenn Marco dort den kleinen roten Wagen von Bianca bemerkte, stieg er aus, um ihr zu begegnen und einige Worte mit ihr zu wechseln. Und damit sie seine Absicht nicht erahnte, blieb er immer noch, wenn sie gegangen war. Und welcher Dorfpolizist dachte an so was, wenn ein Wagen länger als eine halbe Stunde vor dem Friefhof parkte? Marco hatte die Strafzettel einfach weggeworfen.

»Ich werde natürlich sofort bezahlen!«, versprach er sofort.

»Hm!«, machte der Alte. »Und nun die gute Nachricht. Ich war beim Landrat. Die Genehmigung für den zweiten Forstweg liegt vor. Wir können noch dieses Jahr mit den Bauarbeiten beginnen.«

»Gut. Sehr gut.«

Der Baron schlürfte sein Süppchen mit großem Genuss. »Den Forstweg können wir bis zu unserem See verlängern.«

»Bis zum Rothsee hinter dem Birkenwäldchen?«

»Wo denn sonst? Wir haben nur diesen See, Marco.«

»Gut, sehr gut, noch besser«, versicherte Marco sofort.

»So ist es.« Baron Rothenfeld legte den Löffel zur Seite. »Es gibt übrigens noch eine Neuigkeit. Ingrid Berleberg ist zurück.«

Den Namen hatte Marco noch nie gehört. »Ist sie hübsch?«, fragte er keck.

»Hässlich war sie nie. Nur schamlos. Früher arbeitete sie für den Bürgermeister, jetzt für den Landrat.«

»Und? Was ist daran so neu?«

»Neu ist, dass sie sich überhaupt wieder herwagt.« Der Baron sah ihn über den Tisch hinweg an, dachte nach und meinte dann schroff: »Und wenn schon. Eine alte Geschichte ist das. Ja, eine verteufelte Geschichte. Sei froh, dass du sie nicht kennst.« Dann aß er weiter, besann sich nach einer Weile und begann wieder. »Und noch eine Nachricht! Nicht schlecht, nicht gut, nur skandalös …«