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Wie kommt es dazu, dass das kleine Dorf Altenhof in Südwestfalen in der Mundart Höëwingen genannt wird und welche Folgerungen lassen sich daraus ziehen? Der Autor, der selbst aus diesem Ort stammt, stellt eine Ermittlung an, indem er Fakten zusammenstellt und neu bewertet, Indizien sammelt und Rückschlüsse zieht, die zu dem Ergebnis führen, dass dieser Ort über eine im Mittelalter wüstgefallene Siedlung seinen Namen bekommen hat. Danach handelt es sich um eine fränkische Gründung, die in die Zeit vor 700 n.Chr. zu datieren ist. Der Name wurde über die Jahrhunderte in der Mundart tradiert, während juristische Dokumente ihm wechselnde Namen gaben. Methodisch greift er auf eine Arbeitsweise der Geschichtsforschung zurück, nach der Wissenslücken in älteren historischen Zusammenhängen durch eindeutige Zeugnisse aus späterer Zeit ausgeglichen werden, um so ein Gesamtbild zu erschließen. Er stellt die Geschichte des Ortes auch in einen größeren Zusammenhang mit den Nachbarregionen und begründet nicht zuletzt mit dem bis heute aktiven Dialekt des Wendschen Platt, einer niederdeutschen fränkischen Reliktmundart, dass die Geschichte der Siedlung bis in die Zeit der Zweiten Lautverschiebung zurückzuverfolgen ist. Im Rückgriff auf Dokumente, die erst in den 90-ger Jahren bei der Renovierung der Wendener Kirche entdeckt wurden, weist er auch auf die Bedeutung des kleinen Ortes im Mittelalter hin.
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Seitenzahl: 85
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Meinem Volksschullehrer Paul Hähner gewidmet, der mir als Schüler des dritten Jahrgangs mit dem Besuch der Ausgrabungen eines mittelalterlichen Rennfeuerofens im „Dicken Berg“ in Altenhof Augen, Herz und Verstand für die Geschichte meines Herkunftsortes geöffnet hat.
Vorwort
Höëwingen – Eine Ermittlung zur frühen Geschichte eines Dorfes Einleitung
Verfahren als Ermittlungsprozess
Fakten
Indizien
Rückschlüsse
Frühe Besiedlung des Wendener Landes
Fakten
Indizien
Rückschlüsse
Das Wendsche – ein moselfränkisches Gebiet in Westfalen
Fakten
Indizien
Rückschlüsse
Der Hoff – was aus Höëwingen wurde und was blieb
Fakten
Indizien
Rückschlüsse
Analogien
Höëwingen – eine „-ingen“ Siedlung
Fakten
Indizien
Rückschlüsse
Präzisierung des Suffix „-ingen“ - Bestandteil des Siedlungsnamens von Höëwingen
Fakten
Indizien
Rückschlüsse
Eine Präzisierung- Altenhof kein Hof, sondern…
Fakten
Indizien
Rückschlüsse
Das Wendsche Platt - Rückschlüsse auf eine frühe fränkische Besiedlung
Was nun? – Höëwingen, Hoff oder Altenhof- Versuch einer Conclusio
Höëwingen oder Höëbbingen?
Literaturverzeichnis
Autor:
Walter Wolf, Jahrgang 1951, Studium der Pädagogik, Soziologie, Psychologie und Katholischen Theologie; bis zum Ruhestand Bildungsarbeiter und Leiter von Bildungshäusern; 50 Jahre ehrenamtlich im sozialen, verbandlichen und kirchlichen Bereich, zuletzt als Geschäftsführer und Referent im Heimatverein für das Drolshagener Land.
Veröffentlichungen vor allem zu innovativen konzeptionellen Themen. Diverse Fachartikel zu regionalen, politischen und historischen Themen. Zuletzt „HeimatNeuDenken“ (BoD 2021) und „Pemberdayaan – Eine Lebensgeschichte“ (BoD 2021)
Was mag das für ein Dorf sein, das heute „Altenhof“ heißt, das im Mittelalter mal „Aldenhoff“, mal „olden Have“ und mal schlicht „Hoff“ oder „Hove“ benannt wird, das aber den Mundart Sprechenden als „Höëwingen“ geläufig ist? So geläufig, dass heute im Ort selbst der „Njuslätter“ „Höëwinger Teijdung“ auf geschichtliche oder aktuelle Ereignisse aufmerksam macht und die Einheimischen sich durchweg – sofern sie Dialekt sprechen – als „Höëwinger“ bezeichnen?
Ich stamme selbst aus diesem Dorf, was für eine Recherche über dessen Geschichte von unschätzbarem Vorteil ist, da ich als Suchender und Forschender sowohl mit den örtlichen Gegebenheiten, den Flur- und Hausnamen sowie dem Dialekt des „Wendschen Platt“ von Kindesbeinen an vertraut bin. Damit konnte ich die oft mehr oder weniger allgemeinen Aussagen über historische oder sprachwissenschaftliche Fakten meist leicht zurückbinden an die örtliche Praxis.
Durch einen eher zufälligen persönlichen Kontakt zu Mitgliedern des Dorfverschönerungsvereins Altenhof, einem anders als viele Heimatvereine überwiegend dem mittleren Erwachsenenalter angehörigen Kreis engagierter Personen, fühlte ich mich herausgefordert, mehr über die Geschichte dieses, meines Dorfes herauszufinden. Ich wollte aber kein weiteres Buch aus bereits vorhandenen zur Geschichte von Höëwingen schreiben, sondern Unbekanntem nachspüren.
Da kam mir ein Vorhaben als Vorstandsmitglied und Referent des Heimatvereins für das Drolshagener Land zugute. Ich hatte für unser Jahresprogramm eine Wanderung zu den Wüstungen rund um Drolshagen vorbereitet und stieß dabei – man muss sagen erneut – auch auf die Grundlagenwerke zu den Wüstungen im Südsauerland, nämlich auf die Ausführungen von Günther Becker, der mir auch persönlich bekannt ist. Und in diesen Ausführungen stand auch der kleine Abschnitt über eine Wüstung, die er als „Hövingen“ bezeichnete. Dies war nun die Initialzündung, der Geschichte dieser Siedlung und meines Herkunftsortes nachzugehen.
Wie aber sollte dies vor sich gehen, da es keine weiteren Forschungsergebnisse zu Hövingen gab, keine Dokumente vorlagen oder Ausgrabungen Gewissheiten geben konnten. Ich habe daher ein Arbeitsprinzip der Geschichtsforschung angewendet, auf das Raimund Quieter aufmerksam macht, „das die Möglichkeit wahrnimmt, Wissenslücken in älteren historischen Zusammenhängen durch eindeutige Zeugnisse aus späterer Zeit auszugleichen, um so das Gesamtbild zu erschließen“1.
Ich habe daher diese Abhandlung eine Ermittlung genannt, habe die wenigen Fakten zusammengetragen, Indizien gefunden und gewertet, Rückschlüsse gezogen und Vermutungen begründet aufgestellt. Am Ende steht nun die Darstellung einer Frühgeschichte des Ortes als einer fränkischen Gründung, Teil der Westfälischen Geschichte, der trotz politischer und konfessioneller Gegensätze mit dem benachbarten Siegerland eine Fülle gemeinsamer kultureller Eigenheiten, ja sogar Sprache teilt. Das „Wendsche Platt“ wurde zu einem Schlüssel, die Herkunft der Siedlung in die Mitte des ersten Jahrtausends zu bestimmen.
Da in den Recherchen auch so viel über das „Wendsche Platt“ herauskam, habe ich entschieden, dies ausführlicher in einem ebenso kleinen Buch wie diesem herauszubringen. Beide Bücher entstanden parallel und beziehen sich aufeinander.
Nun viel Spaß beim Lesen.
Drolshagen, im Sommer 2021
Walter Wolf
1 Quieter, Raimund: Wenden in Mittelalter und Früher Neuzeit, S. 73; Weitere Angaben siehe Literaturverzeichnis
Als unsere Tochter von ihren Studienkollegen*innen in Innsbruck gefragt wurde, wie denn das Sauerland rund um ihre Heimatstadt Drolshagen aussähe, antwortet sie augenzwinkernd: „Wie das Auenland im Herr der Ringe“. Um dann schmunzelnd zu ergänzen: „Und mein Vater kommt aus einem Ort, der Höbbingen genannt wird. Aber mein Vater ist kein Hobbit“2. Auf einer Karte des Sauerlandes würde man diesen Ort nicht finden, aber fragt man jemanden, der im Wendschen groß geworden und der Mundart noch mächtig ist, bekommt man zur Antwort… Ja, was eigentlich?3
Wie kommt es dazu, dass vor allem ältere Personen aus Hünsborn, Ottfingen, Wenden oder Möllmicke und die Altenhofer selbst ihren Ort Höëwingen nennen und die Bewohner als Höëwinger bezeichnen, manchmal sogar in der typisch Wendschen Artikulation das „w“ ganz nah an ein weiches „b“ heranrücken, weshalb manche auch von Höëbbingen4 sprechen? So ist es mir gegangen, als ich als Jugendlicher mit Freunden Jugendarbeit in Hünsborn machte und von den Älteren in „Hünschbern“ liebevoll als „dä Höëbbinger Jung“ bezeichnet wurde.
2Der Ort in Tolkiens Original heißt Hobbinton und wurde passend mit Hobbingen übersetzt. Passend insofern, als die Endung –ingen eine gemeingermanische Bezeichnung für „ein Ort wo…“ bedeutet, also der Ort, wo die Hobbits wohnen.
3 „Dat weische nit? Dat is de Ahlenhoff.“ (Wendsch Platt)
4 Das Wendsche Platt kennt viele Mittellaute wie z.B. w-b, j-ch. Siehe dazu auch Wolf, W. „Das Wendsche Platt – Eine Ermittlungsreise zu den Quellen“ BoD 2021
Machen wir uns auf eine Reise, dieses offensichtliche Geheimnis ein wenig zu lüften. Ich lade ein, dies in der Form einer „Ermittlung“ zu tun, wie man sie aus Kriminalromanen kennt. Beginnen wir mit den vorhandenen Fakten, berücksichtigen wir vorhandene Indizien, ziehen wir Rückschlüsse, gebrauchen wir Analogien und analysieren die Kontexte für die Siedlung und den Siedlungsnamen „Höëwingen“. Und am Ende soll ein Urteil stehen. Und ich bitte den Leser, das „Einspruch, Euer Ehren!“ bis zum Schluss zurückzuhalten. Also, beginnen wir. „Wimme ëis aanfangen,“ würde der Höëwinger sagen.
Welche Fakten liegen vor, auch wenn sie noch keinen inneren Zusammenhang haben und wie bewerten wir diese? Da ist zunächst die Eigentümlichkeit im Wendschen Platt, dass Altenhof als Höëwingen bezeichnet wird und dies neben der Bezeichnung „Ahlenhoff“ oder noch einfacher „vam Hoaff“ gebraucht wird. Wir werden sehen, dass diese Bezeichnungen jeweils mit einer bestimmten Zeit und Personenkreisen zu tun haben. Selbst der „Aborigines“ von Altenhof bezeichnet sich als Höëwinger, nicht zuletzt gibt der engagierte „Verein zur Förderung von Dorfgemeinschaftsaufgaben in Altenhof e.V.“ eine „Njuslätter“ heraus, die „Höëwinger Tëijdung - koëschtet nix“.
Offensichtlich ist im Gedächtnis der Wendschen Mundart Höëwingen noch existent und wird eindeutig mit dem heutigen Ort Altenhof in Verbindung gebracht. Ob es nur ein anderer Name für den Ort ist, werden wir noch erörtern. Zur Methode greife ich auf die 1920 erschiene Analyse „Die Siedlungen des Kreises Siegen“5 des Siegener Mundartforscher Jakob Heinzerling zurück, der selbst der Siegerländer Mundart mächtig war. Er stellt klar, dass sich über den Rückgriff auf die mundartliche Form eines Ortsnamens der ursprüngliche Lautbestand und die diesem entsprechende hochdeutsche Form am besten herstellen lässt6. Dies werde ich nun auch.
Möglicherweise ist dies auch ein erster Hinweis auf den fränkischen Ursprung des Wendener Dialekts, das über diesen auch aus dem Vulgär-Lateinischen übernommene Lehnwörter besitzt, wie u.a. der Pütz14, wie der noch in den 50ger Jahren für die Wasserversorgung Altenhofs notwendige Dorfbrunnen genannt wurde. Hier liegt lateinisch „puteus“ zugrunde. Ein weiterer Hinweis ist die ältere Bezeichnung für das hochdeutsche „Metzger“, der im Wendschen Platt „Mätzeler“ genannt wurde. Dazu im „Atlas Deutsche Sprache“: „Metzler ist auf lat. macellarius ›Fleischhändler‹ (zu macellum ›Fleischmarkt‹) zurückzuführen. Das Wort ist heute nur noch in wenigen Inseln vorhanden; sein Zentrum dürfte im Rhein-fränk. gelegen haben, von wo aus es sich auf Kosten des älteren Fleischhauer ausdehnte“15.
Auch Hausnamen werden über Jahrhunderte tradiert, wie eine Familie „Peick“ in Hünsborn bereits im Mittelalter erwähnt wird, obwohl sie längst andere Namen trägt oder der „Hausname“ meiner Oma, die eine geborene Alfes war, „Pampuses“ lautete, wie der erste, aus rheinischem Adel stammende Richter in Wenden Josef Heinrich Pampus16. Der Dialekt hat also ein langes, meist auch präzises Gedächtnis.