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London im Jahre 1888. In den Armenvierteln der großen Metropole werden Prostituierte von einem unbekannten Serienkiller heimgesucht, der sich selber als Jack the Ripper bezeichnet. Die zunehmende Grausamkeit und Brutalität der Morde erschüttert das ganze Land zufiefst. Wer ist der anonyme Killer den die Polizei nicht zu fassen vermag? Ein Kurzroman nach wahren Ereignissen.
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Seitenzahl: 86
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Gutes ohne Böses kann es geben; Böses ohne Gutes aber kann es nicht geben.
Thomas von Aquin
Die meisten und gruseligsten Verbrechen werden von psychisch gesunden Menschen begangen. Es braucht keine Krankheit, damit das Böse in die Welt kommt.
Adelheid Kästner österreichische Psychiaterin
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„Großvater!“
Elaine`s zarte, aber dennoch feste Stimme erschrak mich, als ich gerade eingenickt war. „Großvater, bitte mach die Augen auf, schau doch mal was für ein schöner Schmetterling dort auf der Blume sitzt.“
Blinzelnd öffnete ich meine Augen um sie sofort wieder zu schließen, denn die Sonne schien an diesem herrlichen Augusttag besonders grell vom wolkenlosen Himmel, so, als wollte sie mich verbrennen. Ein zweites Mal öffnete ich vorsichtig und blinzelnd die Augenlider um mich an das strahlende Sonnenlicht zu gewöhnen.
Elaine stand etwa vier Yard von meinem mit echtem schottischen Highlandleder bezogenen Schaukelstuhl entfernt vor einem großen Blumenbeet mit prächtigen Polyantha-Rosen, die in besonders üppiger und hochgewachsener Form dort standen. Es schien so, als wollten sie mit ihren dicht bewachsenen Stengeln zum Himmel greifen und die von ihnen getragenen herrlich roten Blüten als Geschenk für die Götter darbieten.
„Großvater, was ist denn nun? Kommst Du bitte, sonst fliegt dieser schöne Schmetterling noch weg.“
Ich richtete mich langsam auf und sah sofort den Schmetterling, den Elaine meinte. Das Insekt saß seitlich auf einer der mächtigen Rosenblüten und schlug sachte seine zarten Flügel gegeneinander, so, als wolle es einem vermeintlichen Betrachter seine ganze Schönheit und Zartheit zeigen.
Ich erkannte sofort was für ein Schmetterling das war.
„Dies ist ein Tagpfauenauge, Elaine, siehst Du wie braun rot er aussieht und diese bläulich schillernden Flecken auf seinen Flügeln?“
Gerade als ich dies ausgesprochen hatte flog das Tier davon als wollte es andeuten, genug von unseren Betrachtungen zu haben.
„Woher Großvater weißt Du denn was das für ein Schmetterling war?“
Elaine sah mich mit ihren großen, blauen Augen fragend an.
Ich stand langsam von meinem Stuhl auf, nahm meinen Gehstock und ging auf Elaine zu. Die Knie schmerzten höllisch und mein Rücken schien jeden Moment durchbrechen zu wollen. Elaine sah mir meine Schmerzen an und kam mir zur Hilfe in dem sie mir ihre Schulter zum Aufstützen hinhielt.
„Früher, als ich so alt war wie Du, hat mir mein Vater einmal ein altes Buch über Insekten geschenkt. Darin stand auch eine Menge über Schmetterlinge mit Bildern von ihnen und wie sie aussehen. So habe ich mich mal eine Zeitlang damit befasst!“
„Wann war früher, Großvater?“
Das Kind sah mich mit seinen hellblauen wachen Augen neugierig an. Ihr dunkles, lockiges Haar fiel bis auf ihre Schultern und für ihre zehn Jahre war sie schon recht groß.
„Nun mein Kind, dass war 1870, als ich acht Jahre alt war. Ich lebte damals noch in London, zusammen mit meinen Eltern, deinen Urgroßeltern. Leider sind beide schon tot. Du hast sie nicht mehr gekannt. Du warst noch gar nicht geboren als sie starben. Sie waren genauso liebe Eltern wie deine Mum und dein Dad es für dich sind.“
Das Kind sah mich eine Weile mit großen fragenden Augen an, kam zu mir und gab mir einen Kuss auf die Wange.
„Warst du traurig, Großvater, als deine Eltern gestorben sind?“.
„Ja, dass war ich. Sehr traurig sogar. Es waren gute und liebe Menschen. Sie mußten viel zu früh sterben und nur weil andere schuld waren. Man hätte aufpassen müssen, diese...Straßen damals in London waren schuld. Sie waren schlecht beleuchtet und...“
Ich stockte und spürte wie Trauer mich ergriff.
„Laß uns ins Haus gehen, mein Schatz und etwas trinken. Es ist doch sehr warm jetzt hier draußen.“
Das Kind sah mich nachdenklich an, nahm meine Hand und wir gingen langsam die etwas abschüssige Gartenwiese hinauf zum Haus. Ihre kleinen zarten Hände waren ganz feucht und sie drückte meine Hand fest in ihre.
„Großvater, Ich habe dich sehr lieb. Du bist der liebste Opa der Welt. Bestimmt hat es noch keinen besseren gegeben als dich.“
„Das ist sehr nett von dir, mein Kind. Ich habe dich auch sehr lieb und Du bist für mich wie ein Goldschatz“
Die Kleine lachte und wir gingen Hand in Hand die paar Treppenstufen zur großen Terrasse des Hauses hinauf.
Hier standen ein Tisch mit mehreren Korbsesseln und ein komfortabler Lehnstuhl, der nur für mich gedacht war.
„Setz dich in deinen Stuhl, Opa, Ich hole uns Gläser und Orangensaft.“
Elaine verschwand in das große, mit vielen Fenstern versehene Haus unserer Familie.
Das zweistöckige, im typisch viktorianischen Baustil errichtete Gebäude, erschien an diesem warmen und sonnigen Augusttag vor dem Hintergrund des azurblauen Himmels noch gewaltiger und größer als es ohnehin schon war. Die weiße Farbe des Hauses reflektierte die Sonnenstrahlen um ein vielfaches und man konnte fast blind werden, so grell schien das Haus. Die geräumige überdachte Terrasse und der herrliche weitläufige Garten mit seinen Blumen, Pflanzen und Bäumen gaben dem ganzen Anwesen einen würdevollen und friedlichen Eindruck.
Das Mädchen kam zurück mit zwei Gläsern und einer Karaffe voll mit Orangensaft. Sie setzte sich auf einen Stuhl neben mich und wir tranken zunächst schweigend das Getränk.
„Großvater, wann kommt Mum heim?“
„Keine Ahnung, Kleines, aber sie wird bald kommen. In der Bibliothek war bestimmt viel zu tun heute.“
„Und wann kommt Daddy zurück?“
„In etwa einer Woche. Solange braucht er noch für seine Geschäfte in London.“
Meine Beine fingen an zu schmerzen und so legte ich sie auf einen kleinen Hocker und streckte sie aus. Es tat gut, so da zu sitzen und den Blick über die prächtigen Pflanzen und Blumen des Gartens schweifen zu lassen.
„Sag mal Opa, Du hast doch bald Geburtstag, wie alt wirst Du dann?“
Elaine sah mich neugierig an.
„ 72 Jahre, mein Kind, so ein alter Opa bin ich schon. Wenn Du einmal so alt bist wie ich wirst du wahrscheinlich auch Enkelkinder haben und dann kannst Du dich mal an mich erinnern, an deinen alten Großvater. Weißt du mein Kind, Erinnerung kann etwas sehr schönes sein, sie kann aber auch sehr schmerzlich werden und weh tun. Besonders dann wenn ein Mensch in seinem Leben nicht immer...ehrlich und aufrichtig war. Verstehst Du was ich meine?“
Das Mädchen sah mich an und nickte.
„ Ja, ich glaube ich weiß was Du meinst, Grandpa.“
Mit einer Geste deutete ich an, dass sie zu mir kommen solle.
„ Ich war nicht immer der, der ich jetzt bin, weißt du mein Kind, ich war auch mal ein kleiner Junge, ein junger Mann, ein älterer Mann und jetzt bin ich dein Großvater. Alle Menschen machen in ihrem Leben eine Entwicklung durch und...“
Ich wollte gerade weiterreden, als vom Gartentor die Stimme meiner Tochter Judith zu hören war.
„Hallo ihr beiden, Ich bin wieder da.“
Sie winkte mir und Elaine zu und kam den sanften Hügel hinauf zur Terrasse.
Elaine lief ihr freudestrahlend entgegen und begrüßte ihre Mutter überschwenglich.
„ Na endlich, Mum, ich habe schon die ganze Zeit auf Dich gewartet das du nach Hause kommst. Hattest Du wieder soviel Arbeit in deinem Buchgeschäft? “
Judith nahm die Kleine auf den Arm, gab ihr liebevoll einen Kuß auf die Stirn.
„Elaine, Liebes. Dort wo ich arbeite, dass ist kein Buchladen, sondern eine Bibliothek, dass ist etwas anderes. Hier werden die meisten Bücher ausgeliehen zum Lesen und nach einigen Wochen wieder zurückgebracht, damit sie von anderen gelesen werden können. In dieser Bibliothek befindet sich das ganze Wissen unserer Zeit in Buchform, damit die Studenten die an der Universität lernen immer auf dem neuesten Stand sind. In einem Buchladen hingegen werden Bücher nur verkauft.“
„ Ich weiß doch Mum, Du hast mir das doch schon so oft erklärt.“
Das Mädchen sah ihre Mutter mit einem kindlichen und doch neckischen Ausdruck im Gesicht an.
„Hallo Dad, wie geht es Dir? Wie war dein Tag?“
Als Judith auf mich zukam mußte ich wie immer an ihre Mutter denken. Sie sah ihr wie aus dem Gesicht geschnitten aus. Ihre langen dunklen Haare, große grüne Augen und ihre schmale Figur erinnerten mich sehr an Emma.
Emma... Sie war nun schon zwanzig Jahre tot und doch kam es mir so manches Mal vor, als wenn es gestern gewesen wäre..
„ Alles ist gut, mein Kind.“
Ich gab Judith einen Kuß auf die Wange.
„Elaine und ich haben uns während deiner Abwesenheit ganz gut beschäftigt. Sie hat etwas über Schmetterlinge gelernt und ich mußte wie immer feststellen, dass ich deine kleine Tochter über alles lieb habe, so wie ich Dich auch lieb habe.“
Wir sahen uns an und Judith wußte das ich wieder traurig war. Sie nahm meine Hand in die ihre, hielt sie fest umschlossen und drückte sie behutsam.
„Sie fehlt dir Dad, nicht wahr?“
Ich sah in ihre lieben und offenen Augen und nickte nur.
„Kein Tag vergeh,t an dem ich nicht an sie denken muß. Wir waren nur zwölf Jahre verheiratet und dennoch waren das die schönsten Jahre meines Lebens. Als Du dann geboren wurdest war ich der glücklichste Mann auf dieser Welt. Aber das weißt du ja.“
Judith nickte nur stumm.
Es war nun an der Zeit das etwas getan werden sollte. So konnte es nicht weiter gehen. Dieser ganze Dreck und Unrat in dieser verfluchten Stadt; Herrgott nochmal irgendwer mußte doch etwas unternehmen.
„Sir, ist Ihnen nicht wohl“?
Misses Roberts Stimme holte mich aus meinen finsteren Gedanken zurück in die triste Gegenwart. „Doch doch, alles okay. Ich war nur in Gedanken. Die Papiere sind unterschrieben und Sie können sie dann fertig machen und zur Post bringen. Danke, Helen.“
„Wird sofort erledigt, Sir, kann ich sonst noch etwas für Sie tun“?
„Nein, danach können Sie Feierabend machen. Sie haben es sich verdient. War kein leichter Tag heute. Die Konferenz am Morgen und anschließend noch die Gesellschafterbesprechung: Machen Sie dann für heute Schluß. Sie haben gute Arbeit geleistet und sind eine hervorragende Sekretärin. Ich danke Ihnen Helen. Einen schönen Abend noch..
Sie lächelte verschämt und eine leichte Röte legte sich auf ihr junges Gesicht.
„ Danke vielmals, Sir. Auch Ihnen noch einen schönen Abend. Bis morgen, Sir.“
Ich stand von meinem Schreibtisch auf, ging zum Fenster und sah durch die dichten Gardinen hinunter auf die Straße. Es war reges Treiben zu beobachten und eine Pferdedroschke nach der anderen fuhr über die holprige Pflastersteinstraße vor dem Firmengebäude.
Arbeiter der Firma waren zu sehen wie sie einige Materialien von einem Fuhrwerk in das Gebäude trugen.