Ihr Motorrad-Drache - AJ Tipton - E-Book

Ihr Motorrad-Drache E-Book

AJ Tipton

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Beschreibung

Fünf sexy Drachenwandler-Erzählungen in einem Paket. 

Die Mitglieder des Motorradclubs Eisenklauen sind knallharte Drachenwandler, die alles für die Menschen, die sie lieben, riskieren. Seit sie aus dem Clan der Drachen verbannt wurden, sind sie auf ihre Klugheit und Stärke angewiesen, um sich den Gesetzen ihres Volkes zu widersetzen und denen, die dem menschlichen Volk lebensrettende Behandlungen vorenthalten wollen, immer einen Schritt voraus zu sein. 

Ihr Kühner Drache: Sexy Drachenwandler Dylan Masters will seine Vergangenheit hinter sich lassen. Die üppige Marie reist mit den Eisenklauen als deren menschliche Krankenschwester. Als sich die beiden begegnen, sprühen die Funken. Doch die Bedrohungen ihrer Vergangenheit holen Marie wieder ein. Wird Dylan zwischen die Fronten geraten? 

Ihr Köstlicher Drache: Ned ist ein knallharter Biker und Drachenwandler, der einen unglaublich guten Käsekuchen backen kann. Maya, eine kluge Tigerwandlerin, ist die Sicherheitschefin ihres Klans. Als die beiden sich begegnen, ist es das Rezept für die perfekte Liebe. Wird Maya stark genug sein, sich ihrem Klan zu widersetzen und bei ihrem geliebten Drachen bleiben? 

Ihr Rockstar-Drache: Der Punkrocker Caesar de la Vega ist ein Drachenwandler, der kurz vor dem großen Durchbruch steht. Nina Alvarez ist eine erfolgreiche, freiberufliche Programmiererin, die ihr freies Nomadenleben liebt. Als das ehemalige Groupie Nina, den Rockstar, den sie einst so verehrte, wiedersieht, taucht sie in seine faszinierende Welt ein. Wird seine Rockkarriere ihre wieder aufflackernde Liebe zerstören? 

Ihr Hacker-Drache: Der geniale, transsexuelle Drachenwandler Alec Harper versucht seine dunkle Vergangenheit zu bewältigen, indem er sein Leben der Heilung von kranken Menschen widmet. Vampirwissenschaftlerin Penelope O'Hara ist schon seit dreihundert Jahren von allen übersinnlichen Dingen fasziniert. Als Alec sie vor einem plötzlichen Angriff von Drachenwandlerschlägern rettet, gerät Penelope auf einmal in eine Welt voller Hacker, Killer und Verschwörungen. Ihr Verstand sagt ihr, dass es gefährlich ist, sich mit einem Mitglied der Eisenklauen einzulassen, aber ihr Herz will bei ihm bleiben. 

Ihr Alpha-Drache: Big Joe Silver, der Alphadrache der Eisenklauen, lebt mit einem Geheimnis. Emma Hernandez war früher in der Armee und ist jetzt die knallharte Strategin der Eisenklauen. Sie liebt Joe seit sie ihm zum ersten Mal begegnet ist. Als seine Vergangenheit ihn einholt, ist Joe gezwungen, sich Entscheidungen zu stellen, von denen er dachte, dass er sie bereits weit hinter sich gelassen hätte. Werden die Fehler in seiner Vergangenheit ihn von den Eisenklauen und seiner verbotenen Liebe, Emma, trennen?

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Ihr Motorrad-Drache

Die Komplette Serie

AJ Tipton

Übersetzt vonBirga Weisert

Illustrated byZamajK

Inhalt

Ihr Kühner Drache

Ihr Köstlicher Drache

Ihr Rockstardrache

Ihr Hackerdrache

Ihr Alpha-Drache

Danksagung

Über den Autor

Copyright © AJ Tipton 2015 Das Werk einschließlich aller Inhalte ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck oder Reproduktion (auch auszugsweise) in irgendeiner Form (elektronisch, gedruckt, kopiert oder anderes) sowie die Einspeicherung, Verarbeitung, Vervielfältigung und Verbreitung mit Hilfe elektronischer Systeme jeglicher Art, gesamt oder auszugsweise, ist ohne ausdrückliche, schriftliche Genehmigung des Autors untersagt. - Die Genehmigung kann bei [email protected] angefragt werden.

Dieses Buch ist nur für den Verkauf an ein erwachsenes Publikum gedacht. Es beinhaltet sexuell explizite Szenen und Bildsprache, die manchen Lesern anzüglich vorkommen könnte.

Diese Arbeit ist reine Fiktion. Alle Charaktere, Namen, Orte und Vorfälle, die in diesem Werk vorkommen, sind fiktiver Natur. Jegliche Ähnlichkeiten zu realen Personen, lebendig oder tot, Organisationen, Vorkommnissen oder Lokalitäten ist reiner Zufall.

Alle sexuell aktiven Charaktere dieses Buches sind 18 Jahre oder älter.

Ihr Kühner Drache

Dylan Masters nahm einen weiteren Schluck Bier und knallte den Krug auf die fleckige Bar. Er war kein großer Mann, aber gut gebaut, mit asiatischen Gesichtszügen und langen Rastalocken, aber es war genug Kraft hinter dem Knall, um ein Stück vom Rand des Bierkrugs absplittern zu lassen.

„Der Hohe Rat der Drachen hat mein Gesuch abgelehnt. Als ich zuhause ankam, war meine Frau bereits tot.“ Dylan kippte den Krug, um auch noch den letzten Schluck Bier zu erwischen, auch wenn es jetzt schon leicht warm und wässrig war. Er hustete und ließ den Krug zum Nachfüllen über die Theke schlittern.

Er war sich nicht sicher, wie die Barkeeperin des AUDREY‘S, Lola, ihn dazu bekommen hatte darüber zu sprechen, was seiner verstorbenen Ehefrau vor drei Jahren zugestoßen war. Er hasste es darüber zu sprechen. Sein innerer Drache hatte sich unter seiner Haut zu einem kleinen Ball zusammengerollt. Seit der schrecklichen Nacht vor vielen Jahren meldete er sich kaum noch und verhielt sich still. Dylan erinnerte sich daran, wie er das Haus betreten hatte, nachdem er die wochenlange Rückreise in Drachenform fliegend hinter sich gebracht hatte. Er hatte noch überlegt, wie er ihr erklären sollte, dass der hohe Rat seine Bitte abgelehnt hatte, als ihm plötzlich auffiel, wie still es war. Das Haus wirkte einfach zu still, um bewohnt zu sein. Er lief durch jedes Zimmer und rief dabei ihren Namen. Schließlich fand er sie in seinem Lieblingsstuhl. Sie trug sein Sweatshirt und hatte es sich mit einem Buch gemütlich gemacht. Sie war bereits seit Tagen tot.

„Hättest du das Urteil des Rats missachtet und ihr deine Drachenschuppen gegeben, um sie zu heilen?“, fragte Lola, während sie sein Bier nachfüllte und es ihm dann zuschob. Die Barkeeperin war wunderschön, aber auf eine Art, die eher beunruhigend als verlockend wirkte. Eine Fülle an kleinen Zöpfen stand von ihrem Kopf ab wie ein Meer von Schlangen, die in verschiedene Richtungen um ihr Gesicht tanzten. Ihre lilafarbenen Augen besaßen eine alterslose Weisheit, wie Dylan sie sonst nur von den uralten Klanführern der Drachen kannte. Ihr mutwilliges Lächeln passte zu der roten Rosentätowierung, die sich über ihre Brust schlängelte und in ihrem prallen Dekolleté verschwand. Dylan wurde das Gefühl nicht los, dass sie bereits wusste, was er sagen würde.

„Natürlich hätte ich sie gerettet. Sie war die Liebe meines Lebens. Die Ärzte sagten uns, dass sie noch Monate zu leben hätte. Hätte ich gewusst, wie wenig Zeit uns wirklich blieb, dann hätte ich...“ Seine Stimme zitterte, als er an diese dunklen Tage zurückdachte. Hätte er damals gewusst, was er heute wusste, dann hätte er sich nicht bemüht den Hohen Rat der Drachen um Erlaubnis anzuflehen; er hätte ein paar Schuppen abgeworfen, sie zu einem Pulver gemahlen und ihr verabreicht. Es war ein wohlbehütetes Geheimnis unter Drachenwandlern – Dylan konnte sich nicht erklären, wie Lola davon wissen konnte – dass Drachenschuppen zu einem Pulver gemahlen, welches auch Drachenstaub genannt wurde, die meisten menschlichen Krankheiten heilen konnten. Damals glaubte er noch an die Regeln des Klans, die es verbieten, Menschen Drachenstaub zu verabreichen. Er glaubte an das System. Er war damals davon überzeugt, dass der Rat ihn und seine Familie beschützen und für sie sorgen würde, denn das war ja schließlich seine Aufgabe. Jetzt aber kannte er die Wahrheit.

Er hörte ein Poltern hinter sich. Er drehte sich instinktiv in die Richtung, aus der die Bedrohung kam, noch bevor sein Gehirn es registrieren konnte. Ein Feuerball schwelte bereits in seinem zur Hälfte gewandelten Hals, bereit ein wildes Meer von Flammen zu entfesseln, das die Bar mit größter Wahrscheinlichkeit niederbrennen würde.

Eine Elfe starrte ihn mit großen, blauen Augen an. Auf ihrem Kopf wuchsen Blumen, und hellgrüne Ranken lockten sich in ihrem blonden Haar. Ihr Kleid bestand aus übereinanderliegenden rosafarbenen und blauen Blütenblättern. Ihr zierlicher Mund war bereits zu einer Warnung geöffnet. Davor schwebte ein Schwarm Bienen, bereit sich gegen ihn zu wehren, falls er angreifen sollte.

Dylan hob entschuldigend die Hand und setzte sich wieder auf seinen Barhocker. Er fühlte sich töricht, während er sein Gesicht wieder in das eines Menschen verwandelte.

„Tut mir leid“, sagte er zu der Elfe. „Ich habe schwere Zeiten hinter mir.“

Die Fee machte ein zwitscherndes Geräusch, bestellte ihr Getränk und ging zurück an ihren Tisch. Dylans Augen weiteten sich, als er die Gefährten der Elfe sah: ein Tigerwandler in einem Ganzkörper-Lederanzug, ein drei Meter großer Troll mit so vielen Warzen, dass seine grüne Haut darunter kaum erkennbar war, und eine rothaarige Hexe, die mit Bällen aus Eis und Feuer jonglierte, und jedes Mal kicherte, wenn welche davon auf den verbrannten Boden fielen. Ein paar Vampire tranken ihre Blutcocktails in der Ecke, und zwei Kobolde knutschten heftig, während sie kichernd und stolpernd zu einer Tür mit dem Schild „Hinterzimmer“ verschwanden.

„Ist das, ähm, normal hier?“, fragte Dylan und band seine Rastalocken im Nacken zusammen.

„Das hier ist AUDREY'S, Schätzchen“, lächelte Lola und zeigte zu viele Zähne. „Wir machen nichts normal hier.“

Dylan nippte an seinem Bier und dachte nach. Die letzten paar Jahre fühlten sich an wie eine niemals endende Reihe von Bars und unbeantworteten Fragen. Nach dem Tod seiner Frau hatte er das erste Jahr damit verbracht, um sie zu trauern und versucht, trotz des riesigen Lochs, das sie in seinem Leben hinterlassen hatte, einfach weiterzumachen. Er hatte ihr gemeinsames Haus verkauft, seinen Job als Ermittler gekündigt und den Klanführern ziemlich deutlich klargemacht, wo sie sich ihre Regeln hinschieben konnten. Dann hatte er sich ein Motorrad gekauft und war einfach losgefahren. Im zweiten Jahr nach ihrem Tod hatte er zum ersten Mal die Gerüchte über die Eisenklauen gehört. Die Geschichten schienen zu gut, um wahr zu sein. Aber der Gedanke, dass die Eisenklauen wirklich existieren könnten, gab ihm neuen Mut und ließ ihn nach der schwer fassbaren Motorradbande suchen. Während er sich im AUDREY‘S umschaute, dachte Dylan, dass dies der perfekte Ort sei, um Antworten zu finden.

„Vielleicht kannst du mir helfen“, sagte er und versuchte einen gleichgültigen Gesichtsausdruck zu bewahren. „Ich habe ein Gerücht über einen Motorradklub, der sich ‚die Eisenklauen’ nennt, gehört. Anscheinend ist es eine Gruppe von verstoßenen Drachenwandlern, die Drachenstaub verteilen.“

„Das hört sich ja bewundernswert an“, sagte Lola, und die Strähnen ihres Haares wuselten aufgeregt um ihren Kopf, wie der wedelnde Schwanz einer Katze.

„Ich suche sie seit ein paar Jahren, aber sie sind mir immer eine Nasenlänge voraus. Sie sind so schnell, dass sie immer wieder bereits verschwunden sind, wenn ich gerade herausgefunden habe, wo ein Handel stattgefunden hat.“

„Was wirst du tun, wenn du sie findest?“, fragte Lola mit gleichgültiger Stimme, während sie einen hellgrün leuchtenden Cocktail für den Troll zusammenmischte.

Dylans Drache rollte und reckte sich in seinem Inneren, wachgerüttelt von dem seltenen Gefühl aufkeimender Hoffnung in seiner Brust. Könnten sie wirklich so nahe sein? Lola wusste offensichtlich etwas über die Motoradbande. Die vorsichtige Art, wie sie dort stand, wie sie den Augenkontakt zum allerersten Mal, seit er durch diese Tür gekommen war, vermied...sie wusste etwas. Und falls er mit seinem Gefühl richtiglag, überlegte sie gerade, ob sie ihm diese Information anvertrauen sollte.

Dylan konnte ihr Zögern gut verstehen. Der Hohe Rat hätte nur zu gern diesen schwer fassbaren Motoradklub ausfindig gemacht um ihn auszulöschen. Er hatte bereits in einigen Städten Hinweise auf Schlägertruppen des Rats gesehen und Gerüchte über Gewalt in Bars vernommen, die sich danach angehört hatten, als habe der Rat seine Handlanger von der Leine gelassen. Aber er musste die Eisenklauen finden.

Lola schaute ihn aufmerksam an und wartete auf seine Antwort.

„Wenn ich sie finde, werde ich mich ihnen anschließen“, sagte er und fragte sich zum ersten Mal, ob sie ihn überhaupt aufnehmen würden. Er hatte als Kämpfer und Ermittler viel zu bieten, aber würde sein ehemaliger blinder Gehorsam gegenüber der Klantradition dafür sorgen, dass sie ihm misstrauten?

Lola lächelte. „Na dann, Zuckerschnütchen, solltest du dir morgen wahrscheinlich mal den Flohmarkt beim Winter-Wondernasium anschauen. Frag nach den besonderen Brownies. Die haben es in sich.“

Dylan entdeckte die Drachenwandler fast auf Anhieb. Da er so viele Jahre als privater Ermittler gearbeitet hatte, war er darauf trainiert die kleinsten Details zu bemerken, die andere übersehen würden. Für den unbedarften Beobachter – oder die Dutzenden von Menschen, die auf dem Flohmarkt umherwanderten – sahen die Backwaren, die zwischen dem Blumenstand und dem Stand mit den hausgemachten Seifen und Körperlotionen aufgebaut waren, völlig unscheinbar aus.

Ein großer, dunkelhäutiger Mann mit einer Lederjacke reichte einer Frau mittleren Alters, die mit ihrem Sohn zusammen einkaufte, eine Schachtel vorgeschnittener Brownies. Ähnliche Geschäfte spielten sich auf dem gesamten Flohmarkt ab. Was andere nicht bemerken würden, war der erleichterte Seufzer, den die Frau ausstieß, als sie die Schachtel entgegennahm. Als sei ihr eine schwere Last von den Schultern gefallen. Oder die Art, wie die Augen des Jungen unsicher umherblickten, als würde er prüfen, ob jemand ihren Kauf beobachtete.

Andere würden an der Haltung des riesigen Mannes an dem Stand nichts Ungewöhnliches bemerken: pure Kraft strömte aus seinen enormen Muskeln, die sich unter seiner Lederjacke verbargen, doch er stand gewollt entspannt da, als ob er möglichst unscheinbar und unauffällig wirken wollte.

Mit Dylans scharfen Drachensinnen konnte er das Motorenöl an den geflickten Kleidern und der dunklen Haut des Mannes riechen. Der Geruch war so intensiv, dass er den feinen Geruch des Drachen darunter fast völlig überdeckte. Der Größe des Mannes nach zu urteilen, war er wahrscheinlich ein riesiger Drachenwandler, möglicherweise ein Alpha. Jede seiner Gesten und Bewegungen drückte Kraft und Selbstbewusstsein aus. Aber die sanfte Art, in der er mit der Frau und ihrem Sohn sprach, wies auf eine ganz andere Persönlichkeit hin als jene, die er von dominanten und wetteifernden Drachenalphas gewohnt war.

Der zweite Drachenwandler, der das Zelt betreute, verwirrte Dylan zuerst. Er hatte aufgrund der heißen Kurven, die unter der Lederjacke kaum erkennbar waren, angenommen, der zweite Verkäufer sei eine Frau. Aber nach einem zweiten Blick und durch die Art und Weise, wie der Mann stand, und die unerklärliche Energie, die von ihm ausging, war Dylan ziemlich sicher, dass die Person männlich war. Er hatte gehört, dass einer der Eisenklauen ein Transgender sei. Der Mann – und Dylan war sich recht sicher, dass das Transgender-Mitglied der Eisenklauen sich als männlich identifizierte, hatte olivfarbene Haut, ein spitzes Kinn, und anmutige Gesichtszüge, welche Dylan mit den Drachenklans des Mittleren Ostens verband. Im Gegensatz zu dem riesigen Anführer, betrachte er aufmerksam seine Umgebung und ließ seinen Blick ständig über die Menschenmenge wandern. Dylan drehte sich um und tat so, als würde er sich ein paar alte Postkarten anschauen, als ihn die Blicke des zweiten Mannes streiften.

Dylan biss sich auf das Innere seiner Wange, um die Aufregung in seinem Gesicht zu verbergen. Er hatte sie gefunden! Nachdem er so lange nach den Eisenklauen gesucht hatte, konnte er seine Freude kaum im Zaum halten. Er sah einige weitere Mitglieder des Klubs über den gut besuchten Flohmarkt schlendern. Sie hatten verschiedene Wege gefunden, um ihren Drachengeruch zu überdecken. Entweder durch Parfüm oder Motorenöl, wie ihr Anführer. Aber die Art und Weise, wie sie sich bewegten, kennzeichnete sie als Teil derselben Gruppe. Jeder hatte zu jeder Zeit mindestens ein Mitglied des Klubs in seiner Sichtweite. Egal in welche Richtung sie sich über den Markt bewegten, sie schienen sich niemals ganz den Rücken zuzukehren.

Dylan fühlte eine Sehnsucht in sich aufsteigen, die er nach so vielen Jahren ohne Klan fast vergessen hatte. Drachen waren nicht für das Alleinsein bestimmt. Sie waren Klangeschöpfe. Er wusste nicht sehr viel über den Klub, außer, dass die Eisenklauen aus Drachenwandlern bestanden, die ihre Familienklans verlassen hatten oder ins Exil geschickt worden waren. Während Drachenklans in der Regel einfarbig waren, da die Mitglieder aus derselben Gegend und von denselben Familien abstammten, war diese Gruppe angenehm bunt gemischt, mit Außenseitern aus der ganzen Welt. Und doch waren die verstoßenen Außenseiter dieses geheimen Klubs besser aufeinander abgestimmt als jeder Klan, den Dylan je gesehen hatte. Sie bewegten sich koordiniert und folgten unausgesprochenen Befehlen, als seien sie eine Einheit. Es war eine Verbundenheit zwischen ihnen, die Dylan seit vielen Jahren schon nicht mehr gespürt hatte.

Wie spreche ich diese Typen an? Dylan überlegte sich eine Reihe von Szenarien und entschied sich schließlich, einfach direkt zu sein. Er machte sich auf den Weg zum Stand und war nah genug, um den Geruch der zermahlenen Drachenschuppen, des Drachenstaubs, in den Brownies riechen zu können, als eine Hand auf seine Brust schlug.

„Na, Kumpel“, sagte eine Stimme zu Dylan. „Was macht ein Drachenwandler wie du an einem Ort wie diesem?“ Die Hand gehörte einem drahtigen Mann mit dunklen, harten Zügen, gestyltem, welligem Haar und Gitarrenschwielen an den Fingerspitzen. Tätowierungen bedeckten seine Handrücken und verschwanden unter seiner Lederjacke. Ein größeres Motiv lugte unter seinem T-Shirt hervor und wand sich seinen Nacken empor. Hinter ihm standen zwei weitere Drachenwandler: eine Frau in einem engen Trägerhemd mit der Aufschrift „Schneller als der Blitzer“, das ihren beeindruckenden Bizeps zur Schau stellte, und ein kleinerer, asiatischer Junge, der aussah, als sei er höchstens Anfang Zwanzig. Die Frau sah aus, als wäre sie bereit sofort Dylans Schädel einzuschlagen, wenn es sein musste, während der Junge versuchte einen ernsten Gesichtsausdruck zu bewahren, aber gleichzeitig in seinen, mit Metallnieten besetzten, Stiefeln zitterte.

„Ja, was machen Sie hier überhaupt?“, fragte der junge Kerl etwas übereifrig. Der Drache mit den Musikerhänden stieß ein genervtes Seufzen aus, ließ aber Dylan nicht aus den Augen. Die Frau lächelte nur.

„Mein Name ist Dylan Masters. Ich habe keinen Klan. Ich suche euch schon seit zwei Jahren.“

„Und wieso?“, fragte der junge Bursche. „Suchen Sie Ärger?“ Er spannte die Muskeln an und schlug mit seiner Faust in die Handfläche. Dylan war sich ziemlich sicher, er habe harte Jungs sowas in Filmen machen sehen, aber noch nie im echten Leben. Der Bursche war witzig.

Der große Wandler am Browniestand hatte sich nicht bewegt, aber Dylan konnte erkennen, dass er die Aufmerksamkeit des großen Mannes auf sich gelenkt hatte. Dylan war versucht, sich seinen Weg durch das Willkommens-Komitee zu prügeln und direkt mit dem Anführer zu sprechen, aber es war wahrscheinlich schlauer, sich nicht gleich von Anfang an Feinde zu machen. So, wie sie dastand, war sich Dylan auch nicht sicher, ob er überhaupt an der Frau vorbeikäme, die ihm da den Weg versperrte.

„Ich will keinen Ärger machen. Allerdings würde ich euch gern helfen. Ich habe in der Vergangenheit große Probleme mit dem Rat gehabt, weil ich Drachenstaub an Menschen geben wollte, die ihn brauchten“, sagte Dylan. „Dann habe ich die Gerüchte über euch und das was ihr tut gehört. Ich wollte fragen, ob ihr nicht noch ein Paar Augen und Fäuste gebrauchen könnt.“

„Und was glaubst du, tun wir?“, fragte die Frau, die nun zum ersten Mal sprach. Ihre Stimme hatte einen angenehmen, beschwingten Klang und die Spur eines leichten Akzents, den Dylan nicht ganz zuordnen konnte. Die Schönheit ihrer Stimme verlieh ihrem Gesicht etwas Weiches, das sich jedoch nicht in ihrer Haltung oder Gestik wiederspiegelte. Er wollte sich lieber nicht mit ihr anlegen.

„Ich glaube, ihr mischt Drachenstaub unter die besonderen Brownies dort, um kranken Menschen zu helfen wieder gesund zu werden.“

„Wir mischen nichts unter!“, platzte der junge Kerl heraus, und er wurde sofort rot, als ihm klar wurde, was er gerade zugegeben hatte.

„Ned, geh und hilf Alec am Stand, bevor du dich verplapperst“, sagte die Frau und seufzte leicht. Ned ließ die Schultern hängen und ging zu den anderen Klubmitgliedern.

„Er ist jung“, kommentierte Dylan.

„Er ist alt genug, um es besser zu wissen“, entgegnete die Frau. „Ich bin Emma.“

Der mit Tätowierungen bedeckte Musiker trat einen Schritt vor und reichte Dylan die Hand. „Ich bin Caesar. Unser Anführer da drüben ist Big Joe und neben ihm ist Alec, unser Technikgenie.“ Caesar deutete mit dem Kopf zum Stand hin. „Ned hatte Recht. Wir mischen niemanden etwas unter. Unsere Kunden finden uns durch Empfehlungen und sie wissen, wonach sie fragen.“

Dylans Stimme klang so skeptisch, wie er sich fühlte. „Also wissen sie, dass sie gemahlene Drachenschuppen essen?“

Caesar lachte. „Um Himmels Willen, nein, so dumm sind wir nicht. Sie glauben, sie nehmen ein experimentelles Medikament, das noch nicht zugelassen wurde. Wir verkaufen es billig und sie können sich nicht über die Ergebnisse beschweren.“

„Das ist...“, fing Dylan an, hielt dann aber inne, als er aus dem Augenwinkel eine zielgerichtete Bewegung wahrnahm. Der Geruch von Drachenwandlern kam jetzt aus einer neuen Richtung. Es waren seltsame Männer mit verdächtigen Wölbungen unter der Kleidung, die auf versteckte Waffen schließen ließen. Dylan bemerkte auffällige Berührungen, wie das Anfassen eines Ohres, als ob sie versteckte Kopfhörer überprüften. „Die Rote Garde...Die Schergen des Rates. Sie sind hier.“

„Was? Wo?“ Caesar und Emma bewegten sich bereits in Richtung Stand zurück. Big Joe, Alex und Ned zogen einen kleinen Metallbehälter unter dem Tisch hervor und fingen an, die mit Drachenstaub versetzten Brownies schnell dort hineinzuwerfen. Dylan drehte sich weg, als der Geruch von Chemikalien in seine Nase stieg.

Schlau, dachte er. Wenn sie die Beweise vernichteten, konnten die Schergen ihren Bossen nichts vorlegen. Drachenstaub war nicht schwer herzustellen. Das Schwerste würde sein, neue Brownies zu backen.

Die fünf Ratshandlanger gaben den Versuch unauffällig zu erscheinen auf und setzten sich entschlossen in Bewegung. Die Menschen auf dem Flohmarkt schienen bemerkt zu haben, dass etwas vor sich ging, denn sie begannen in alle Richtungen davonzueilen und vor dem Bäckereistand Platz zu machen.

Dylan hoffte, sie würden sich nicht in Drachen verwandeln müssen – Unfälle waren fast immer unvermeidbar, wenn Drachenflammen im Spiel waren – aber falls doch, so beruhigte es ihn zumindest, dass die meisten Menschen sie nicht in ihrer wahren Form sehen würden. Nur wenige Menschen hatten die Gabe, die übernatürlichen Wesen, mit denen sie Seite an Seite lebten, sehen zu können. Doch selbst die Menschen ohne diese Gabe spürten die Anspannung und Gefahr, die sich auf dem Markt zusammenbrauten und liefen darum eilig davon.

Dolche blitzten aus den Jackenärmeln der Schergen hervor, als sie sich näherten. Die langen Klingen schimmerten etwas zu hell im Licht und – falls Dylan sich das nicht nur einbildete – summten leicht bedrohlich.

„Das sieht schlecht aus“, murmelte Dylan.

„Mein Freund, du solltest lieber die Fliege machen, bevor du da in etwas hineingerätst“, sagte Big Joe, seine tiefe Stimme dröhnend und kommandierend. Dylan war nicht gerade klein geraten, aber dennoch reichte sein Kopf kaum bis an Big Joes Schulter. Dylan roch Schwefel und sah, wie Big Joes Hals sich mit harten, grünen Schuppen überzog als er sich in seine Drachenform verwandelte. Er verfügte über ein beeindruckendes Maß an Kontrolle. Wenn er nur seinen Hals und wahrscheinlich auch das Innere seiner Brust verwandelte, würde Big Joe in der Lage sein, seine Feuerstöße zu kontrollieren.

„Ich gehe nirgendwo hin“, sagte Dylan.

Big Joe nickte. „Wenn wir das hier überleben, reden wir.“ Dylan sah, wie Emma und Alec hinter ihm als zweite Verteidigungslinie in Position gingen.

„Jawohl“, sagte Dylan.

Ihm blieb keine Zeit, mehr zu sagen. Die Schläger kamen alle gleichzeitig auf sie zu und stachen mit ihren Klingen nach Dylan, Big Joe, Alec und Emma, während sie versuchten an Caesar und Ned heranzukommen, die fast damit fertig waren sämtliche Brownies zu vernichten.

Drei Schläger kamen gleichzeitig auf Dylan zu. Einer ihrer Schläge traf ihn an der Schulter, während er einem weiteren Schlag, der auf sein Gesicht gerichtet war, auswich. Er schlug einen der drei Handlanger mit einem einzigen Schlag ins Gesicht bewusstlos, während die anderen beiden ihn erneut angriffen.

Dylan gab sich seiner Wut hin: Schläge, Tritte und das Sausen eines Messers, das so nahe an seinem Gesicht vorbeifuhr, dass er den Luftzug spüren konnte. Ein Messer erwischte ihn in der Seite, aber er spürte es kaum, während das Adrenalin durch seine Adern pumpte.

Er konnte die Schreie der noch anwesenden Menschen hören. Aus Richtung des Blumenstands vernahm er das Klirren und Scheppern von zerbrechendem Porzellan und hörte einen markerschütternden Schrei. Doch er hatte nicht die Zeit nachzusehen, wer geschrien hatte. Der letzte Schläger, der noch auf den Beinen war, war größer als die anderen. Er hatte zwei Klingen in den Händen und den gelassenen Gesichtsausdruck eines erfahrenen Auftragsmörders.

Dylan balancierte auf seinen Fußballen, seine Augen auf die Brust des Mannes gerichtet. Er wartete auf die Bewegung der Muskeln seines Gegners, die ihm verraten würde, wohin die Klinge sich als nächstes bewegen würde. Die Wunde an Dylans Seite brauchte länger als er erwartet hatte, um zu heilen, was ihn maßgeblich verlangsamte. Der Mann täuschte links an, aber Dylan hatte diese Täuschung erwartet. Er ließ sich fallen, um dem Schlag der Klinge von rechts auszuweichen und rollte unter dem Arm des Angreifers hindurch. Er konnte spüren, wie die Wunde dabei weiter aufriss, ignorierte aber den Schmerz. Dylan konterte mit einem Tritt in den Rücken seines Gegners, der den Schläger zu Boden gehen ließ, wobei ihm eines seiner Messer aus der Hand glitt. Dylan schnappte sich das Messer des Schlägers, als dieser wieder auf die Füße kam. Dylan wehrte einen Messerhieb, der auf seinen Hals gerichtet gewesen war, ab und schlug zurück.

„Dylan! Duck dich!“

Dylan zögerte keine Sekunde Big Joes Anweisung zu folgen. Er ließ sich auf den Boden fallen, als ein mächtiger Flammenstoß über ihn hinwegschoss und den Handlanger mit voller Wucht traf. Der Handlanger war ebenfalls ein Drachenwandler. Das Feuer würde ihm also nichts anhaben können. Seine Kleidung fing jedoch sofort Feuer, so dass der Mann in Flammen stand. Er war davon so abgelenkt, dass er nicht bemerkte, wie Alec herbeieilte und ihn mit einem gekonnten Tritt an den Kopf außer Gefecht setzte. Dylan beobachtete, wie Big Joe sich wieder in seine menschliche Gestalt zurückverwandelte und sein Hals und seine Brust nun wieder zu Haut wurden.

Dylan erhob sich und begutachtete das Ausmaß des Schadens. Seine Wunde tat immer noch teuflisch weh. Fast so sehr, dass er gekrümmt auf dem Boden liegen bleiben wollte, doch das Einzige, was er brauchte, um diese Wunden zu heilen, war Zeit. Er rappelte sich auf, drückte mit der Hand auf seine Wunde und wartete, dass seine Drachenheilung endlich einsetzte.

Der Blumenstand war umgeworfen worden. Überall lagen zertrampelte Pflanzen und kaputte Blumentöpfe. Ein bewusstloser Schläger lag mit dem Gesicht in einer lila Distel, was recht unbequem aussah. Der Seifenstand sah relativ unbeschädigt aus, auch wenn es so aussah, als ob – und er vermutete Ned dahinter – jemand die Waren als Wurfgeschosse verwendet hatte, denn kleine, bunte Seifen waren überall auf dem ganzen Platz verteilt. Er blickte weiter umher, bis er einen kleinen, gebrochenen Leib neben dem Bäckereistand liegen sah.

Ned.

Caesar und Emma hatten sich über ihn gebeugt und versuchten ihn bei Bewusstsein zu halten, während sie seine Wunden an den Armen und an seiner Seite verbanden.

Dylan rannte zu ihnen, nicht sicher, wie er helfen konnte. „Ich kenne mich mit Erster Hilfe nicht aus“, sagte er. Der Junge sah wirklich schlimm aus. „Er ist ein Wandler. Warum heilt er nicht schneller?“

„Diese Bastarde haben verzauberte Klingen benutzt“, fluchte Caesar.

Verzauberte Klingen? Dylan presste die Hand auf die Wunde an seiner Seite. Sie heilte nicht so schnell wie sonst. War das Messer, das ihn erwischt hatte, auch verhext gewesen?

„Ich hätte im Hotelgeschäft bleiben sollen“, stöhnte Ned leise. Big Joe legte seine Hand auf Neds Schulter und drückte sie leicht.

„Du warst sehr tapfer, Junge. Du hast dich gut geschlagen. Jetzt müssen wir dich nur wieder zusammenflicken“, sagte er. Big Joe drehte sich zu Alec. „Ruf Marie an. Sie soll so schnell sie kann zum Klubhaus kommen.“

„Ich habe sie bereits angerufen“, sagte Emma. „Sie ist auf dem Weg.“

Big Joe nickte und wandte sich Dylan zu. „Du warst wirklich gut vorhin. Wir können dich vielleicht doch gebrauchen. Solange du kein Problem damit hast von unseren ehemaligen Anführern gejagt zu werden, nur, weil wir den Menschen helfen wollen.“

„Ich denke, damit komme ich klar“, lächelte Dylan.

„Schwing dich auf dein Motorrad und folge uns. Wir müssen Ned zu Marie bringen.“

„Wer ist Marie?“, fragte Dylan.

Big Joe und Emma tauschten einen schnellen Blick aus. „Das wirst du schon sehen. Ich denke, du wirst sie mögen.“

Marie schaute auf die kleinen Blutpfützen, die zum Klubhaus führten, und seufzte. Was haben die Jungs jetzt schon wieder angestellt? Sie schnappte sich ihre Arzttasche und lief schnell zum Klubhaus. Das Gebäude wirkte am helllichten Tag recht unscheinbar – das Klubhaus sah aus wie eine Mischung aus Bar und Scheune – und war außen bedeckt mit Brandflecken sowie Blut, Kotze und anderen widerlichen Körperflüssigkeiten, die man außerhalb einer Biker-Bar erwarten würde. Es erfüllte kaum die hygienischen Ansprüche, die sie beim Nähen von Wunden eigentlich hatte, aber die Eisenklauen versuchten nun mal Krankenhäuser zu meiden, wann immer es ging.

„Doktor!“ Big Joes Stimme hallte durch die leere Bar, als Marie über die Schwelle trat. „Hier drüben!“

Natürlich ist es Ned. Marie musste sich immer gegen den Drang wehren, den schmächtigen jungen Mann unnötig bemuttern zu wollen. Big Joe und Emma hatten Ned auf einen der Billardtische bei der Bar gelegt. Er blutete aus mehreren tiefen Schnittwunden, stöhnte und wand sich und verteilte damit Blut auf der samtigen grünen Oberfläche des Tisches. Armer, kleiner Kerl.

Marie machte sich gleich ans Werk: Sie schnitt Ned die verbliebenen Kleider vom Leib und desinfizierte jede einzelne Wunde, bevor sie sie nähte. Sieht schon wieder nach einem Angriff mit verzauberten Klingen aus. Sie seufzte. Es schien so, als seien in letzter Zeit mehr und mehr von diesen verfluchten Dingern im Umlauf.

Alec, Big Joe und Emma standen um sie herum während sie arbeitete. Die niedrig hängende Leuchtstoffröhre knisterte über Marie, während sie Ned zusammenflickte. Es störte sie nicht; sie war daran gewöhnt, ihre Freunde unter Bedingungen, die alles andere als ideal waren, medizinisch zu versorgen. Ein Billardtisch war weit besser als das eine Mal, als sie Emma mitten in der Wüste verarzten musste, während der umherfliegende Sand in ihre Wunden wehte.

„Ich weiß ja nicht, Doktor. Er sieht nicht so gut aus.“ Big Joe verdeckte das Licht, als er sich über ihre Schulter beugte.

„Wir sollten ihn wahrscheinlich einschläfern“, scherzte Emma und schob Big Joe aus dem Weg, damit Marie wieder sehen konnte. „Sie sagen, es sei so, als würde man einschlafen.“

„Er ist zäh. Er wird uns wahrscheinlich alle überleben.“ Ein blutbefleckter, asiatisch aussehender Mann mit langen Rastazöpfen, den sie nicht kannte, kam mit einem breiten Grinsen im Gesicht auf sie zu. Sie hatte keine Ahnung, was er hier tat oder wie er in diesen Kampf verwickelt worden war, aber sie hoffte, die Klauen würden ihn, zumindest für eine Weile, behalten. Er war wunderschön. Die Art und Weise, wie er sie ansah. Von ihren runden Kurven, über die Flecken auf ihrem Krankenhauskittel, bis hin zu ihrem leicht verschmierten Augen-Make-up. Sie bekam Lust, sich an seinem Körper zu reiben.

Ned stieß vor Schmerz einen kurzen Schrei aus.

Marie konnte fühlen, wie ihre Wangen rot anliefen, als sie merkte, dass sie beim letzten Stich versehentlich an der Naht gezogen hatte, während sie den Neuankömmling betrachtet hatte. Verdammt nochmal. Sie hätte nie gedacht, dass Lust-auf-den-ersten-Blick so überwältigend sein konnte. Er stand leicht zur Seite gelehnt, als ob ihm seine Seite wehtat. Aber das meiste Blut an ihm schien nicht sein eigenes zu sein. Sogar blutverschmiert und möglicherweise verletzt, ließen sein offensichtliches Selbstbewusstsein und sein Lächeln sie dahinschmelzen. Die Muskeln, die sie durch die Risse in seiner Kleidung sehen konnte, wiesen auf einen nahezu perfekten, männlichen Körper hin.

„Doktor, das hier ist Dylan Masters. Dylan, das hier ist die Frau Doktor. Pass bloß auf, manchmal stickt sie uns ihre Initialen ein“, lachte Alec.

„Eigentlich heiße ich Marie.“ Sie lächelte und zog einen Latexhandschuh aus, um seine Hand zu schütteln. Es war als durchführe sie ein kleiner Stromschlag, als sie seine Haut berührte. „Und ich mache das nur, wenn Alec mich wütend macht.“ Seine Hände waren, verglichen mit ihren, riesig, und sie konnte raue Schwielen an seiner Handinnenfläche spüren. Ein harter Arbeiter. Gut zu wissen.

Sie versuchte einen neutralen Gesichtsausdruck zu wahren, als sie sich vorstellte, wie er wohl diese Schwielen bekommen hatte: Dylan als Cowboy, wie er mit nacktem Oberkörper auf einem Pferd saß, und mit dem Lasso Kälber einfing; Dylan als Bauer, wie er unter der heißen Sonne schwitzend das Land bestellte und Leben aus der Erde wachsen ließ; Dylan als Feuerwehrmann, sein Hemd zu Fetzen verbrannt, wie er ein Kätzchen aus einem Feuerinferno rettete.

„Doktor? Er wird die Hand wahrscheinlich noch brauchen“, flüsterte Emma mit einem wissenden Lächeln.

„Was? Ach so.“ Marie ließ die Hand los und kehrte widerwillig in die Realität zurück.

„Also, ich habe mich nicht beschwert.“ Dylan ging zur Bar. Sein Blick schien merkwürdig hungrig, als er sie ansah. Sie fühlte, wie eine angenehme Wärme durch ihren ganzen Körper strömte. Doch sie zog sich einen neuen Handschuh an und widmete Ned erneut ihre ganze Aufmerksamkeit.

„Was genau ist denn da draußen eigentlich passiert?“ Marie zog misstrauisch eine Augenbraue hoch und blickte Big Joe an, während sie die Reste von Fäden und Mullbinden vom Tisch räumte.

„Na, du kennst doch Ned.“ Big Joe lehnte sich lässig gegen eine Säule.

„Er ist so ein Tollpatsch.“ Emma nahm einen Schluck von ihrem dampfenden Kaffee.

„Riesentollpatsch“, grinste Big Joe. „Er ist gestolpert und hingefallen.“

„Aha.“ Marie zog ihre Handschuhe aus und warf sie in den Mülleimer. „Da ist er aber ziemlich unglücklich gefallen. Wie wahrscheinlich ist es wohl, dass Ned sich am ganzen Körper so schneidet, dass es fast so aussieht, als sei er in eine Messerstecherei verwickelt gewesen?“

„Ziemlich unwahrscheinlich“, wand Emma ein. “Wir sollten ihn dazu bringen, heute ein Lotterielos zu kaufen.“

Marie räusperte sich und wartete, während sie ihr bestes verärgertes Schuldirektorinnen-Gesicht aufgesetzt hatte. Es wurde still im Raum.

„Es war meine Schuld.“ Dylan brach das Schweigen. „Ein paar riesige Schläger des Rats lauerten uns auf und...“

„Und wir haben dementsprechend reagiert.“ Emma streckte sich grinsend. „Diese verdammten Idioten waren allerdings mit verzauberten Klingen ausgestattet.“ Sie half Ned vom Billardtisch hinunter. „Das versaut einem den ganzen Spaß.“

„Aber dafür verbringen wir jetzt Zeit zusammen.“ Marie holte einen glänzenden, grünen Apfellutscher hervor und gab ihn Ned. Er steckte ihn sich sofort in den Mund. „Das wird schon wieder, mein Junge.“ Sie sammelte den restlichen Mullverband und das Klebeband zusammen und drehte sich zu Alec um. „Wir müssen noch etwas Geschäftliches besprechen.“

Geschäftlich, wie Marie es immer nannte, war der Teil ihrer Arbeit, den sie am meisten liebte. Als staatlich geprüfte Krankenschwester verbrachte sie ihre Zeit damit, Menschen mit den modernsten Technologien und zugelassenen Medikamenten zu heilen. Aber manchmal war das nicht genug.

„Selbst mit dem heutigen Zwischenfall waren wir in der Lage, fünfzig Patienten mit Drachenstaub zu versorgen“, sagte Alec, während er seinen Laptop öffnete.

Marie zuckte die Achseln. „Es ist ein Anfang.“ Sie erinnerte sich daran, als sie selbst vor fünf Jahren an Krebs erkrankt war. Er hatte sich schneller ausgebreitet, als die Ärzte ihn entfernen konnten. Sie konnte sich kaum bewegen, war nicht in der Lage zu essen und verbrachte ihre Zeit damit, an die Decke ihres Zimmers zu starren. Sie war gelähmt vom Schmerz und fragte sich, wann der Tod wohl endlich käme.

„Fünfzig Leute?“, fragte Dylan, während er Alec über die Schulter schaute. „Wie habt ihr es geschafft, so lange unerkannt zu bleiben?“ Marie war sich nicht sicher, ob es am Licht lag, aber Dylan sah nun blasser aus als vorher.

„Wir waren sehr vorsichtig“, sagte Alec, während sich seine zarten Lippen zu einem Lächeln kräuselten.

Damals, als sie die Eisenklauen kennengelernt hatte, war der Klub nicht so vorsichtig gewesen. Sie hatten keine Kontakte im Krankenhaus, die ihnen Tipps geben konnten. Darum musste Big Joe durch die Onkologische Station wandern, um Leute zu finden, die vom Drachenstaub profitieren würden. Eines Morgens war er in ihr Zimmer geschlichen und hatte sie überzeugt, eine neue Behandlungsmethode mit einem ‚speziellen’ neuen Medikament, wie er es nannte, auszuprobieren. Da sie nichts zu verlieren hatte, stimmte Marie zu und trank das mit Drachenstaub versetzte Glas Wasser, das er ihr reichte. Sie sagte sich immer, wenn er ihr damals erzählt hätte, dass es geriebene Drachenschuppen waren, die sie da trank, dann hätte sie das Glas gegen die Wand gefeuert. Doch tatsächlich hätte sie, wenn ihr jemand versprochen hätte, dass es ihre Schmerzen lindern würde, in ihrer Situation sogar Eidechsenaugen gegessen,

„Es ist die Sache wert. Denk an all die Menschen, die von Drachenstaub profitieren könnten. Der Rat wird den Menschen niemals helfen, da er zu viel Angst davor hat, dass die Menschen die Drachen jagen könnten, sollte unser Geheimnis jemals ans Licht kommen. Sie helfen Menschen nicht, sondern lassen stattdessen unschuldige Menschen sterben – aus Angst. Wir sind besser als das.“ Big Joe wandte sich zu Alec. „Wie viele Leute standen noch auf der Liste, die heute keine Gelegenheit hatten ihre Ware abzuholen, weil die Schläger aufgetaucht sind?“

Alec zuckte nur mit den Achseln. Seine starke Brust lugte aus der Jacke hervor.

Marie schaute in die düsteren Gesichter um sie herum. Sogar Emma, die selten Gefühle außer Wut zeigte, sah traurig aus.

„Wir verteilen bei der nächsten Ausgabe einfach mehr, ja?“, fragte Ned, dessen Stimme jetzt besonders jung und unschuldig klang.

Big Joe lachte schallend und zerzauste Neds Haar. „Ja, Junge. Das werden wir. Wir dürfen keine Angst davor haben, allen zu helfen.“ Marie sah zu Dylan hinüber und schaute weg, als sie das Staunen in seinem Gesicht sah. Sie hatten mit den Eisenklauen schon so viel Zeit verbracht, dass sie manchmal vergaß, wie ungewöhnlich sie doch waren.

„Ned, geh und mache Inventur“, sagte Alec. Marie wollte zuerst protestieren, doch Ned strahlte vor Stolz, dass ihm eine Aufgabe anvertraut worden war, und eilte davon. Das liebe ich so an diesen Leuten: ihren grenzenlosen Optimismus, lächelte Marie.

Ihr Optimismus hatte sie gerettet. Alle Krankenhausangestellten hatten sie bereits abgeschrieben gehabt. Sie widmeten ihre Aufmerksamkeit und Ressourcen anderen Patienten und warteten nur darauf, dass sie starb. Sie versuchten es ihr „so bequem wie möglich zu machen“. Aber Woche für Woche kam Big Joe vorbei und wartete geduldig, bis sie den letzten Tropfen ihrer neuen „Medizin“ ausgetrunken hatte. Alle hatten sie aufgegeben, nur nicht Big Joe und seine Familie verstoßener Drachenwandler.

Nach der ersten Woche kehrte Maries Appetit zurück und sie futterte sich mit Begeisterung durch das unspektakuläre Krankenhaus-Menü. Nach der zweiten Woche waren die Ärzte über ihre schnelle Genesung sprachlos und stritten wie Schulkinder darüber, wer sie denn nun geheilt hätte. Sie schaute sich um und blickte in die nun wieder lächelnden Gesichter der Eisenklauen. Sie würde diese Schuld niemals begleichen können. Kaum dass sie wieder laufen konnte, folgte sie Big Joe vom Krankenhaus aus und entdeckte so den Klub, mit all seinen tätowierten und vernarbten Mitgliedern. Marie schwor ihnen sofort die Treue. Sie konnte sich noch gut an ihre verdutzten Gesichter erinnern. Alle rieten ihr, dass sie gehen und ihr Leben genießen sollte, das sie ja schließloch beinahe verloren hätte. Es war schließlich Emma, die erkannte, was Marie zum Klub beisteuern konnte: Sie hatte das medizinische Wissen, um Patienten zu identifizieren, bot ihnen die Möglichkeit in die nur schwer zugängliche Welt der Medizin einzudringen und konnte ihnen auf Abruf als Sanitäter zur Seite stehen, wenn sie wieder mal ein paar Kratzer abbekamen.

„Bist du sicher, dass das in Ordnung ist, Marie?“, fragte Caesar, der Ned nachsah. Marie lächelte. Emma und Big Joe machten vielleicht Witze über Neds Verletzungen, doch Caesar war immer der Einfühlsame im Klub gewesen. Er war auch immer derjenige, der sie manchmal bei ihrem richtigen Namen nannte, statt des Ehrentitels „Doktor“ zu benutzen, wie der Rest der Bande.

„Es sieht so aus, als ob der kleine Ned trotz alledem am kommenden Samstag beim Konzert tanzen wird“, sagte Emma und stieß dabei Big Joe mit dem Ellbogen in die Seite.

„Ja, klar, mit seinen beiden linken Füßen“, sagte Big Joe, während er ihren gemeinsamen Gedanken mit einem Lächeln aussprach, was der Rest der Gruppe einfach ignorierte.

Marie kicherte und unterdrückte den Drang, die beiden damit aufzuziehen, wie süß sie doch waren. „Stellt bitte sicher, dass er sich heute Nacht für ein paar Stunden in seine Drachenform verwandelt. Das sollte die Heilung beschleunigen“, sagte sie. „Und reduziert diese Messerstechereien; die sind schlecht für eure Gesundheit.“

Sie zeigte mit erhobenem Zeigefinger auf jeden einzelnen von ihnen. Big Joe und Emma sahen leicht genervt aus, während Alec amüsiert schien, und Caesar unverschämt grinste. Sie schaute sich nach Dylan um und fühlte Panik in sich aufsteigen, als sie ihn sah. Dylan war auf dem schmutzigen Zementboden hinter der Gruppe zusammengebrochen. Sein Gesicht war aschfahl, seine Hände waren mit Blut bedeckt und sein Hemd war rot verfärbt. Maries Herz schlug ihr bis zum Hals, als sie zu ihm eilte.

Dylan wachte langsam auf. Er hörte ein regelmäßiges, lautes Piepen, spürte einen stechenden Schmerz in seinem Arm und der strenge Geruch von Desinfektionsmitteln und Latex stieg ihm in die Nase. Er wollte nach seinem Arm greifen, um zu versuchen den Schmerz zu lindern, aber eine kleine Hand stoppte ihn.

„Warte, Dylan. Du brauchst das.“

Endlich fokussierten seine Augen sich auf das schönste Gesicht, das er je gesehen hatte. Marie. Sie hatte sich über ihn gebeugt. Hinter ihr schien das fluoreszierende Licht und ließ es so aussehen, als ob ein Heiligenschein sie umgab. Sein innerer Drache wand sich und warf sich umher. Zum ersten Mal seit einer Ewigkeit fühlte er sich wirklich wach und lebendig. Sein innerer Drache konzentrierte sich auf Marie, die umwerfende lateinamerikanische Krankenschwester, die er im Klubhaus kennengelernt hatte. Seit er sie zum ersten Mal gesehen hatte, wollte er seinen Blick nicht mehr von ihr lassen. Sein inneres Tier verlangte danach, sie zu berühren.

Dylan sah sich um. Er war an ein Krankenhausbett geschnallt, ihm war ein Zugang gelegt worden und eine Maschine piepste im Rhythmus seines Herzens.

„Was ist passiert?“, fragte er und merkte dabei, dass sich sein Hals rau und trocken anfühlte.

„Du hast ziemlich stark geblutet und dich entschieden, diese Tatsache für dich zu behalten. Das war nicht sonderlich schlau“, sagte Marie und lief dabei durch das Zimmer, um sich sein Krankenblatt anzusehen und ein paar Knöpfe auf dem EKG-Gerät zu drücken.

„Wie lange bin ich schon hier?“

„Du warst die letzten Stunden bewusstlos, als ich dich genäht habe. Es wird schon wieder, aber du musst dich noch etwas länger ausruhen und den Tropf in deinem Arm behalten.“ Sie justierte den fast leeren Kochsalzbeutel an der Stange. „Warum hast du niemandem gesagt, dass du verletzt bist? Hätte ich dich schneller versorgt, ginge es dir jetzt besser.“

Er zuckte die Achseln, doch die Bewegung spannte an seinen Nähten. „Ich wollte keine große Sache daraus machen. Ich bin ein Wandler. Das sollte eigentlich schneller heilen.“

Sie lachte. „Keine große Sache daraus machen? Du wurdest mit einer verzauberten Klinge verletzt. Du weißt, dass eine verzauberte Klinge dich genauso verwundet wie ein normales Messer einen Menschen?“

Dylan lächelte fast vor Erleichterung. Ach, eine verzauberte Klinge! Ich bin also kein totales Weichei. „Was zum Teufel machen diese Typen mit verzauberten Klingen?“

„Emma hat mir erzählt, diese Klingen seien alle registriert und würden streng kontrolliert, aber es scheint so, als ob der Rat kein Problem damit hat, sie an seine Schläger zu verteilen, um uns damit anzugreifen. Du hättest es besser wissen sollen, als zu versuchen so eine Verletzung für dich zu behalten. Selbst ein so großer und starker Kerl wie du.“ Sie fuhr mit ihrer Hand auf eine Art und Weise über seinen Arm, die sich alles andere als professionell anfühlte. Dylan war begeistert.

„Was ist mit dir, Marie?“ Es fühlte sich gut an, ihren Namen auszusprechen. Sie war wunderschön. Seit er sie im Klubhaus das erste Mal gesehen hatte, fühlte er sich zu ihr hingezogen. Die Art und Weise, wie sie sich um Ned gekümmert hatte, zeugte von Sanftmut, Können und einer Güte, die ihm während seiner Zeit auf Reisen nicht begegnet war. Sie besaß eine Güte, die man in ihren Augen sehen konnte und die sich in ihren Mundwinkeln zeigte, wenn sie lächelte. Deswegen wollte er ihr nah sein. Außerdem war sie unglaublich schön: braune Augen, die wie Edelsteine funkelten, üppige schwarze Locken, durch die er seine Hände gleiten lassen wollte, eine rundliche Figur mit üppigen Kurven, die er mit seinen Händen erkunden wollte. Sein innerer Drache wollte sie unbedingt besitzen. Er hatte ein so intensives Verlangen nach einer Frau nicht mehr gespürt, seit seine Frau gestorben war, und es überraschte ihn, mit welcher Macht dieses Verlangen ihn überkommen hatte.

„Was soll denn mit mir sein?“, fragte sie. Ihre Stimme stockte etwas, als sie zu ihm hinabblickte. Er bemerkte, wie ihre Hände auf seinen Schultern verweilten. Ihre Berührung brannte durch den dünnen Patientenkittel auf seiner Haut.

„Sollte eine Frau, die so qualifiziert und schön ist wie du, sich nicht von Kriminellen fernhalten? Und erst Recht von kriminellen Wandlern? Warum hilfst du mir?“

Sie biss sich auf die eine Seite ihrer Lippe und er musste seine ganze Selbstbeherrschung aufbringen, um nicht sofort einen Ständer zu bekommen.

„Ich habe mich den Eisenklauen angeschlossen, nachdem sie mich mit Drachenstaub geheilt hatten. Aber ich war bereits auf der Flucht. Und das ist eine lange Geschichte, und keine, über die ich hier reden sollte“, sagte sie und blickte zur Zimmertür hinüber.

„Dann sollten wir vielleicht irgendwo hingehen, wo du mir davon erzählen kannst“, sagte er. Seine freie Hand, die nicht am Tropf hing, griff nach ihrer Hand. Sie errötete und lächelte. Ihr Gesichtsausdruck war so reizvoll, dass es ihm nicht länger gelang, zu verbergen, wie sehr er sie wollte. Unter seinem Patientenkittel zeichnete sich bereits deutlich eine Beule ab.

„Oh!“, hauchte sie. Einen Moment lang sah es so aus, als würde sie seinen Schaft reiben wollen. Sein intensives Verlangen, ihre Haut auf seiner zu spüren, ließ seinen ganzen Schwanz zucken. Er stellte sich vor, wie er seinen Kittel auszog und ihr die Kleider vom Leib riss und sie dann auf sich zog, damit sie ihn ritt. Er konnte sich nur zu genau vorstellen, wie sich ihre Wangen röteten, während sie sich auf ihm bewegte. Ihre vollen Brüste würden auf und ab hüpfen, bis er einen ihrer Nippel zwischen die Zähne bekam. Sie würde sich auf die Lippen beißen, während er von unten in sie stieß. Dann würde er sie über das Bett beugen und sie ficken, bis sie seinen Namen schrie.

„Dylan?“ Ihre Stimme klang besorgt. Er erwachte aus seiner Träumerei. „Ist alles in Ordnung? Hast du Schmerzen?“

Sein innerer Drache brüllte vor Verlangen nach ihr. Er wollte sie. Er wollte sie in seinem Bett. Er wollte, dass ihr Lächeln und ihre Sanftheit seine Tage erhellten. Sein ganzer Körper sehnte sich nach ihr.

„Mir geht es gut.“ Es musste ihm gut gehen. Er musste sie davon überzeugen, dass er sie glücklich machen konnte, dass er ihr Herz schneller schlagen lassen konnte.

Sie schaute ihn an und biss sich wieder auf die Lippe, so dass er sich sofort vorstellte diese Lippen auf seinem ganzen Körper zu spüren. „Falls du dich gut genug fühlst, sollten wir dich aufs Dach bringen, wo du dich verwandeln kannst. Dein Tropf ist leer und“, sie blickte auf das EKG-Gerät, „du bist jetzt stabil. Auch wenn die Wunde von einer verzauberten Klinge verursacht wurde, wirst du in Drachenform schneller heilen.“

Dylan wusste, dass sie Recht hatte. Schon allein bei dem Gedanken sich verwandeln zu können, fühlte er sich besser. Sie half ihm, zum Dach zu gehen und vergewisserte sich, dass keine anderen Krankenschwestern und Pflegekräfte sie sahen. Dylan fühlte sich etwas schwach, ließ es sich aber nicht nehmen, absichtlich zu stolpern, damit sie zu ihm eilte und er sich auf sie stützen konnte.

„Danke für deine Hilfe“, sagte Dylan, der sich heruntergebeugt hatte, um ihr ins Ohr zu flüstern. Sein Atem strich sanft über ihre Nackenhaare. Sie bekam davon eine leichte Gänsehaut und lächelte.

„Kein Problem. Es tut mir so leid, dass du solche Schwierigkeiten hast zu laufen. Bist du sicher, dass du stark genug bist, um dich zu verwandeln?“ Ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, wusste sie genau, dass er problemlos dazu in der Lage gewesen wäre allein die Treppe hinaufzugehen, wenn er es gewollt hätte. Dylan erwiderte ihr Lächeln und spürte eine Leichtigkeit in seiner Brust, die er schon seit langem nicht mehr empfunden hatte. War es Vergnügen, was er fühlte?

Ihre Hände strichen seine Seite entlang, als sie ihn stützte, während seine Hände über ihre Schultern und dann ihren Rücken entlangwanderten. Nur ihr scherzhaft strenger Blick hielt ihn davon ab, seine Hände weiter nach unten, bis zu ihrem Hintern, gleiten zu lassen. Ihr Po in der blauen Krankenschwestertracht war wirklich ein reizvoller Anblick, aber er behielt seine Hände bei sich. Wenn er sein Verlangen jetzt unter Kontrolle hielt, würde es nur noch aufregender sein, wenn er ihre Kurven endlich spüren durfte.

Der Wind pfiff in heftigen Böen über das Dach. Marie schaute zuerst nach, ob die Luft rein war; das Letzte, was sie jetzt gebrauchen konnten, war eine Krankenschwester, die aufs Dach schlich, um schnell eine Zigarette zu rauchen und Marie dabei erwischte, wie sie einen Patienten her geschmuggelt hatte, der sich gerade in einen Drachen verwandelte.

Als sie sicher war, dass niemand kam, blickte Dylan tief in seinem Inneren auf seinen Drachen und erlaubte dem Biest seinen Geist auszufüllen. Der Drache drückte die menschliche Hülle weg und breitete sich aus. Er fühlte, wie seine Muskeln sich dehnten und verschoben, seine Knochen brachen und sich neu verbanden. Als er noch jung war, hatte er die Verwandlung als unangenehm empfunden, aber jetzt war sie ein Teil von ihm. Er fühlte sich erleichtert, wenn sein Körper die menschliche Haut abstreifte und sein wahres Wesen, das normalerweise in seinem Inneren verborgen war, nun seinem Äußeren entsprach.

In weniger als einer Minute war die Verwandlung abgeschlossen. Dylans Drachenform nahm nun fast das gesamte Dach ein. Er war nicht so gewaltig, wie die Drachen des Rats oder ein wahrer Alphadrache, aber trotzdem riesig. Sein Leib war mit goldenen und dunkelblauen Schuppen bedeckt und mit seiner Flügelspannweite von 15 Metern war er größer als ein Bus.

„Wie gefalle ich dir?“, fragte Dylan. Seine Stimme klang in seiner Drachenform rau und tief.

„Du bist...anders“, sagte Marie.

Dylan ärgerte sich und eine winzige Rauchwolke kam aus seinem Mund. „Mehr nicht? Ich bin ein majestätisches, furchteinflößendes Ungetüm und du findest mich nur ‚anders‘?“

Marie prustete los und hielt sich dabei den Bauch. Er klang wunderschön und Dylan nahm sich vor, sie so oft wie möglich zum Lachen zu bringen.

„Ich wollte nicht dein Drachenwesen in Frage stellen“, kicherte sie. „Ich habe alle Klubmitglieder in Drachenform gesehen. Ihr seid alle beeindruckende Kreaturen.“

„Und was soll dann ‚anders‘ bedeuten?“, fragte er.

„Würdest du dich besser fühlen, wenn ich dir sage, dass ich dich als Mann bevorzuge, anstatt als Riesenechse?” Ihre Wangen liefen rot an.

„Aha? Du magst mich also?“, entgegnete er. Das Lächeln auf seinem Drachengesicht fühlte sich ungewohnt an.

„Bitte hör auf, mich so anzuschauen. Ich weiß, dass du lächelst, aber es sieht wirklich so aus, als würdest du mich verschlingen wollen.“

Schon allein die letzten Minuten in Drachenform ließen seine Wunde bereits viel besser heilen. Der Schmerz war verschwunden, und er konnte fühlen, wie seine Muskeln und seine Haut, dank der verstärkten Heilungskraft seines Drachenwesens, wieder zusammenwuchsen.

„Vielleicht möchte ich dich ja vernaschen“, sagte er, während sein Körper sich zurück in den eines Mannes verwandelte. Sein Patientenkittel war bei seiner Verwandlung in einen Drachen in Fetzen gerissen worden, so dass er nun im Adamskostüm auf dem Dach stand und die leichte Brise am ganzen Körper spürte. Maries Augen wanderten seinen Körper entlang nach unten. Sie lief rot an und schaute schnell wieder nach oben. Ihr Blick verharrte nun auf seinem Gesicht. Er ging auf sie zu und nahm ihr Gesicht in seine Hände.

„Vielleicht möchte ich dich mit Haut und Haaren vernaschen“, flüsterte er und kam ihr ganz nah, um den betörenden Moschusgeruch einzuatmen, den sie verströmte. Sie roch köstlich. Er wollte sein Gesicht tief zwischen ihren Beinen vergraben und sie besinnungslos lecken.

„Vernaschen...“, stammelte sie. „Wir kennen uns doch kaum“, sagte sie.

„Dann lass uns was trinken gehen. Lerne mich kennen.“

„Ich weiß nicht“, sagte sie. „Wenn du Mitglieds des Klubs wirst, sollte ich das wahrscheinlich nicht tun. Ich arbeite mit ihnen. Ich lebe praktisch mit ihnen. Falls wir hier etwas anfangen und es nichts wird, dann könnte das.…“

Er unterbrach sie, indem er sich zu ihr hinabbeugte und sie auf den Mund küsste. Sie zögerte einen kurzen Moment, doch dann schlang sie ihre Arme um seinen Nacken und zog ihn näher zu sich. Ihr Duft umgab und erfüllte ihn. Er fühlte sich so stark und zufrieden wie schon seit Jahren nicht mehr. Seine Hände streichelten ihren Hinterkopf, als sie sich näher zu ihm neigte. Sie überraschte ihn, als sie ihre Hände auf seinen Hintern rutschten ließ und ihn kniff. Fest.

„Marie“, sagte er und zog sein Gesicht nur so weit zurück, dass er seine Wange an ihre legen konnte. „Ich würde dich nur zu gern sofort auf diesem Dach nehmen, aber du hast etwas von ‚besser kennenlernen’ gesagt. Das sollten wir wahrscheinlich tun.“

„Spielverderber“, hauchte Marie leise, aber nicht leise genug, um seinem übernatürlichen Hörvermögen zu entgehen. Und ihrem Grinsen nach, wusste sie das auch.

Diese Frau ist fantastisch.

„Also morgen...Cocktails und Abendessen, um sich besser kennen zu lernen?“, fragte er schnell, bevor er es sich anders überlegen konnte und ihr doch sofort die Kleider vom Leib riss.

Sie kniff ihm so fest in den Hintern, dass er zuckte.

„Einverstanden.“

Wenn ich hier nicht sofort wegkomme, dann nehme ich sie hier und jetzt auf diesem Dach.

„Bis morgen dann“, sagte Dylan und sprang vom Rand des Gebäudes. Er verwandelte sich im Fall. Seine Drachengestalt löste seine schwache, menschliche Gestalt ab, und er flog hoch durch die Wolken. Die Sehenswürdigkeiten und Gerüche der Stadt unter ihm wurden in seiner Drachengestalt erst richtig lebendig, aber das einzige Geräusch, das ihn kümmerte, kam vom Dach: Maries frustriertes, leises Seufzen, als sie seinen Namen sagte.

Marie unterdrückte ein Niesen, als die Bläschen, die in ihrem Cocktail perlten, in ihrer Nase kribbelten. Sie war schon so oft bei AUDREY’S gewesen, aber sie hatte sich dort noch nie so zuhause und so wohlgefühlt wie heute. Es musste wohl an ihrer Begleitung liegen.

Dylan hatte sich schick gemacht. Er sah in seiner engen Jeans, dem enganliegenden T-Shirt und der Lederjacke attraktiv und trotzdem lässig aus. Er benahm sich wie der perfekte Gentleman und hielt genug Abstand, während er ein angeregtes Gespräch in Gang hielt. Doch der Blick in seinen Augen verriet, wie sehr er sie wollte.

Marie war sich nicht sicher, wie lange sie seine guten Manieren noch ertragen konnte. Sie unterdrückte ein Seufzen, als sie sich daran erinnerte, wie sich unter Dylans Patientenkittel eine Beule geformt hatte, weil allein ihre Anwesenheit ihn so erregt hatte. Ihr Puls schlug schneller, als sie ihre kleine, hellbraune Hand über den zerkratzten hölzernen Tisch schob und in seine legte. Sie staunte, wie perfekt sie dort hineinpasste. Seine Finger umschlossen ihre Hand fast instinktiv, während er weitersprach.

„Du reist also mit den Eisenklauen durch das ganze Land? Das muss doch nerven, dauernd unterwegs zu sein.”

Marie nahm einen großen Schluck von ihrem Cocktail – etwas Sprudelndes, Blaues, das Lola gemixt hatte – und zwang sich zu lächeln. Ich hasse es, diese Geschichte zu erzählen.

„Der Klub muss immer in Bewegung bleiben, um dem Rat einen Schritt voraus zu sein.“ Sie versuchte ihre Hand wegzuziehen, aber Dylan hielt sie fest umschlossen. Fast so, als habe er Angst, sie würde weglaufen. „Du hast achtzehn Stiche, die bezeugen, wie wichtig es ist der Roten Garde immer eine Nasenlänge voraus zu sein. Doch für mich war es perfekt, denn ich war bereits...“, sie hielt inne und suchte nach dem richtigen Wort, „eine Nomadin.“

„Dich kann man nicht binden, hm?“ Dylan sah sie verschmitzt an. Er stellte sich sicherlich gerade das sorgenfreie Leben eines Vagabunden vor, voller Unbeständigkeit und freier Liebe.

„Sowas in der Art.“ Es war überhaupt nicht so gewesen. Sie hatte ein Leben, ein Zuhause gehabt, doch dann war ihr alles genommen worden.

„Ich war damals Krankenschwester in einem riesigen Krankenhaus in meiner Heimatstadt.“ Sie erinnerte sich noch gut daran, wie glücklich sie gewesen war, als sie endlich den Job bekam, auf den sie jahrelang hingearbeitet hatte. Sie hatte jede Menge Freunde; sie ging zu Karaoke-Abenden; sie war normal. Aber dann änderte sich alles. Zu Beginn einer Nachtschicht machte sie ihre Runde früher als sonst und schaute etwas eher nach den Patienten, nur damit sie die letzte Folge irgendeiner dämlichen Serie im Schwesternzimmer anschauen konnte. Es war das Rascheln von Decken, das sie dazu bewegt hatte, das Zimmer zu betreten um nach dem Rechten zu sehen.

„Jemand wurde ermordet und ich habe es gesehen.“ Sie hatte gedacht, jemand wälze sich im Schlaf wild im Bett herum. Ihre starken, mütterlichen Instinkte drängten sie, die unruhige Seele zu besän [...]