In der Saar schwimmen keine Krokodile - Vera Hewener - E-Book

In der Saar schwimmen keine Krokodile E-Book

Vera Hewener

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Beschreibung

Von Saarstücken, Mondfischen, Chancengleichheit, Kompromissbereitschaft und Paradiesen handelt die neue Gegenwartslyrik von Vera Hewener. Sie ist wie ein intellektueller Kompass, mit dem sie durch die aktuelle gesellschaftliche Topographie navigiert. Dies geschieht in einer originellen, teils witzigen Sprache. Mit Humor und Ironie treibt sie Absurditäten auf die Spitze, oft mit überraschendem Ausgang. Eher konkret ist die Landschafts- und Naturlyrik, mit der sie den Leser einlädt, ins Weite zu blicken oder innezuhalten, um vielseitige Einblicke in magische Landschaften zu entdecken. Sie gehört dabei zu jenen Autoren der Gegenwart, die verständlich bleiben und Lyrik auch als wohltuenden Wortklang verstehen.

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Über das Buch

Von Saarstücken, Mondfischen, Chancengleichheit, Kompromissbereitschaft und Paradiesen handelt die neue Gegenwartslyrik von Vera Hewener. Sie ist wie ein intellektueller Kompass, mit dem sie durch die aktuelle gesellschaftliche Topographie navigiert. Dies geschieht in einer originellen, teils witzigen Sprache. Mit Humor und Ironie treibt sie Absurditäten auf die Spitze, oft mit überraschendem Ausgang. Eher konkret ist die Landschafts- und Naturlyrik, mit der sie den Leser einlädt, ins Weite zu blicken oder innezuhalten, um vielseitige Einblicke in magische Landschaften zu entdecken. Sie gehört dabei zu jenen Autoren der Gegenwart, die verständlich bleiben und Lyrik auch als wohltuenden Wortklang verstehen.

Über die Autorin

Vera Hewener, *1955 in Saarwellingen, studierte Betriebswirtschaft, Sozialarbeit und Sozialpädagogik, lebt in Püttlingen, arbeitet in Saarbrücken. Für ihr literarisches Werk erhielt Vera Hewener mehrere internationale Literaturpreise und Auszeichnungen, u.a. den Superpremio Cultura Lombarda vom Centro Europeo di Cultura Rom (I) 2001, den Grand Prix Européen de Poésie vom Centre Européen pour la Promotion des Arts et des Lettres Thionville (F) 2005, zuletzt Goethepreis 2013.

Pressestimmen

„Anspruchsvoll und ungewöhnlich zugleich.“ (SZ 25./26.11.2000) In ihrer Gegenwartslyrik „hagelt es sogar so viele Wortgags, dass man gerne bei manchen verweilen möchte. Sie ist eine politische Autorin.“ (SZ, 17.11.2003)

„In Heweners Gedichten überlagern sich die Zeiten und Epochen. Die Vergangenheit ist in ihren Zeilen ebenso nah wie die Gegenwart. Die Gedichte sind im wahren Sinne des Wortes farbenfroh.“ (SZ, 29.07.2009)

„Jedes Wort schillert und ruft ein Bild hervor..... Vera Hewener baut aus dem, was sie sieht, kleine Wortkunstwerke.“ (07.11.2011)

Inhalt

Wasserspiele

Kleines Saarstück

Wasserbruch

Stadt der Brücken

Wasserspiele

Schwimmversuch

Die Klage des Wassers

Babylon

Mondfisch

Libera me

In Paradisum deducant te angeli

Eine Sehnsucht nach Heil

Eine Sehnsucht nach Heil

Zwischenrufe

Messgang

Eigentumsverhältnisse

Bittgesuch

Dogmatisch

Selbstverherrlichung

Frau Christin

Die Unvollendeten

Karwoche

Der Ruf

Todesstunde

Gesegnete Mahlzeit

Lichtfest

Glaubensfrage

Kompromissbereitschaft

Chancengleichheit

Kompromissbereitschaft

Netzfabrik

Ausgleich

Inschriften

Übereinstimmende Predigt

Wetterwechsel

Ausgeglüht

Fundsache

Verlinkt

Vernetzt oder die Lust zur privaten Existenz

Fingerhüte

Stahlstadt

Relativitätstheorie

Von einem der auszog, den Druck zu verlernen

Liebesdeklination

Liebeskunst

Liebesdeklination

Mutterrechte II

Schwarzer Sonntag

Evas Paradies

Freudentanz

Schattenspiel

Drei Glocken im Turm

Stolperfalle

Hanauer Mittagsmärchen

Saarbrücker Schlossgedichte

Schlossgarten

Orangerie

Schlossbrunnen

Schlossgeschichten

Saarbrücker Schloss

Unsichtbares Mahnmal

Nanteser Platz

Berliner Spaziergang, August 2015

Prenzlauer Berg

Karl-Liebknecht-Straße

Berlin Alexanderplatz

Berlin Lustgarten

Von Lorraine nach Aquitaine

Unterwegs auf der Rue D 984

Vormittag in der Champagne-Ardenne

Maitag am Lac du Der

Frühlingsfest

Brienne-le-Chateau

Karfreitag in der Champagne-Ardenne

Die hängenden Holunderbüsche des Périgord

April in der Brenne

Champagne Berrichonne

Land der tausend Teiche

Poitou-Charente

Auf dem Weg nach Cognac

Sturmgesänge am Atlantik

Donnerwetter

Ebbe

Nordische Impressionen

Im Norden

Sonnenuntergang am Meer

Am Stavanger Dom

Im Hordaland

Im Selbjörnsfjord

Bootsfahrt

Spaziergang auf Bömlo

Winter im Stavanger Hafen

Weihnachtszeit in Stavanger

Durch Jahr und Tag

Monatslosungen

Auf der Gartenbank hinter dem Haus

März

Katzenjammer

Frühlingssturm

Wenn die Krähe ächzt hör ich

Frühlingsaufbruch

April

Roter Morgen

Monduntergang

Mittagsbad

Abendschlummer

Gewitter des Sommers

Sterbender Sommer

Sommerauswärts

Blitzbesuch

Augusthimmel

Dämmerung

Im Garten

Zwischenzeiten

Wendekreis des Herbstes

Regenfrucht

Beerengesang

Mundpropaganda

Verdunklung

Farbwechsel

Die Stunde des Siegers

Winterherde

Kalter Krieg

Überwinterung

Winterfischen

Polarlicht

Hier ist heut Nacht ein Kind geboren

Oh heilige Nacht

In den Höhen Engel singen

Du lieber Weihnachtsmann

O kleines Städtchen Bethlehem

Ein Stern leuchtet in Dunkelheit

Gott schenkt euch Freude allezeit

Bajuschki Baju

Ein Tannenbäumchen wuchs im Wald

Schlafe mein Jesulein

Anmerkungen

Bücher von Vera Hewener

Wasserspiele

„Keine Wahrheit ist also gewisser, von allen andern unabhängiger und eines Beweises weniger bedürftig, als diese, dass alles, was für die Erkenntnis da ist, also diese ganze Welt, nur Objekt in Beziehung auf das Subjekt ist, Anschauung des Anschauenden, mit einem Wort, Vorstellung.“ Arthur Schopenhauer in „Die Welt als Vorstellung“, 1. Band.

Kleines Saarstück

1

Aus der Traufe der Steinwände

entspringen in den Vogesen

zwei Flüsse rot und weiß,

rinnen durch Wälder und Wiesen.

Oh kleine Gewässer,

Schlachten liegen in der Luft.

Einsamer Lauf zwischen Grenzen,

treffen sich Teile eines Ganzen:

ein Fluss, eine Richtung, ein Land.

Oh Saravus, Sarre, Saar,

Wasser kennt keine Grenzen.

Oh Strom, Grenzüberwinder,

grundständiger Tiefer,

auf dem Weg in die Weite.

2

Durch die Stadt der vielen Brücken

fließt das Wasser der Saar,

unter dem Gewölbe des Himmels,

Blaustich für Blaustich.

Ein Fürstengeschlecht hängt in der Luft,

das ging und nicht wiederkam.

Die Saar hat viele Schleppen

von der Farbe der Platanen.

Doch braun ist das Bett,

die Kunst ein Theater.

Oh braunes Blut,

das in den Schleppen verging!

3

Ein Fluss der Spektakel,

zerflossene Geschichte,

dein Streben teilt die Stadt.

Ein Zug durchdringt die Luft,

gezwitschert von Vogel zu Vogel.

Von Brücke zu Brücke

ein anderes Grün,

die gelben Margeriten,

die roten Tamarisken,

braun ist der Grund, schwarzes Land.

Eine Liebe hängt in der Luft

wie die Farbenlehre der Jahre.

4

Durch die Stadt der vielen Brücken

strömt die Wasserader Saar.

Sie fällt von Staustufe zu Staustufe.

Oh blaues Blut

läuft aus deinem Rachen.

Ein Strom für Drachenboote,

ein Ufer weißer Tische,

Glockentürme über dir.

Ein Regenbogen hängt in der Luft,

Farbenspiele des Himmels

Die Haine der Eichen,

die Stämme aus Bast,

die an Grenzen nicht enden.

Oh Liebe, die du warst,

kamst und nicht gingst.

Wer kann dich mir nehmen,

wer deine blutigen Blätter reinigen?

Oh blaues Blut,

das im Lauf des Wassers verschwimmt.

Wasserbruch

Manchmal beklage ich das Wasser,

das, ohne zu fragen, die Richtung wechselt

und nicht nach den Fischen fragt.

Welches Meeresgetier irrt nicht,

wenn die Strömung unüberwindliche Soge

erfindet, Strudel, die uns in die Tiefe reißen.

Im Untergegangenen forschen viele

nach den Ursachen der Unwetter.

Schatzsucher wertvoller Gründe

wirbeln Staub auf.

Wer kann schwimmen, wenn selbst

die Abgründe nicht zu erkennen sind,

wenn im tiefen Ozean Vulkane brodeln.

Mir aber bleibt die Schuppenhaut,

um die Reibung auszuhalten,

mich durchzuschlängeln

in die oberen Schichten der Klärung,

bis das Wasser wieder klar und ruhig fließt

und die Haut sich erneuern kann.

Stadt der Brücken

Die vielen Brücken, die alte Tage verbinden

und eine Straße der Zuflucht übermauern,

darunter der Fluss ohne Wiederkehr strömt,

ohne Rücksicht auf Zurückgelassenes,

legen mir die Morgendämmerung in die Hand,

meine und deine, dass wir den Aufgang der Sonne

wie Kinder bestaunen, den milde gewordenen Wind

allen Anfangs spüren,

dass all die vergangenen Tage nur der Weg

in neue Tage war, dass wir all die alten Tage

Hand in Hand durchliefen und wir trotz

der Sternenverlassenheit immer Licht sahen,

lässt uns die Stadt der verlassenen Häuser

noch grauer erscheinen und unser Haus

als ein kleines unter all den Palästen

der Tränen und Trauer,

das wir von Brücke zu Brücke

immer wieder neu errichteten

mit neuen Zimmern

und Fenstern mit Aussicht

Wasserspiele

Das Wasser, das in seiner Erscheinung

durchsichtiges Medium der Materie ist,

sickert in unseren Körpern wie ein Fluss

durch die Zeit, die bestimmt oder unbestimmt,

die Gegenwart begrenzt.

Lange bevor wir austrocknen

verlässt es uns als Schweiß,

Perlen der Anstrengung, ungeliebte Dinge

sorgfältig durch den Tag zu leiten,

als sei es das einzige Glück des Lebens,

den Anforderungen unserer Existenz

nachzukommen.

Wir fließen mit ihrem Fluss, ununterbrochen,

die Fließfähigkeit unserer Gedanken prüfend,

wissend, dass niemandes Ausscheren

das Versickern aufhält,

wie sehr unser Spiegelbild

im Glanz eines Lichts auch scheint.

Im Schlaf finden wir zurück zu Träumen,

die, einer frischen Quelle entsprungen,

uns von Grund auf das Schwimmen lehrten.

Wir rudern alle mit Segeln,

die das Windspiel des Meeres

aufbläht und wieder verfallen lässt,

wie unendlich tief,

unendlich weit,

unendlich blau,

es uns auch immer umspült.

Schwimmversuch

Endlose Weite, Weite ohne Ziel, die sich

ins nicht mehr Erkennbare durchschlägt

und sich auflöst, ohne zurück zu schauen.

Ziellose Tage, die nichts hinterließen,

als eine Treppe ohne Stufen, die uneinnehmbar

den Blick nach oben zwang,

ahnen, dass eine unnütze Wand

keinem Sturm standhalten wird,

darauf warten, dass die Wolkenansammlung

dunkel genug scheint, um den Dorn ins Sturmauge

zu stoßen, damit der Wasserfall

die Treppe zum Einstürzen bringt,

dass uns die Flut nach oben spült

ins ewige Blau des Himmelreichs.

So lernten wir schwimmen, dem Fluss zu folgen,

der uns mitreißt mit seiner ewigen Strömung

in die Weite des Horizonts.

Die Klage des Wassers

Haltet das Wasser

tragt es nicht fort

in der Quelle des Flussbetts

ruht mein Herz wie von allein

verlassen klingt die weiße Farbe

ohne mehrstimmigen Gesang

vom Schloss sickert das Aroma

der Orangerie mit neuen Würzen

Ihr aber, die ihr Haus und Hof

schon versteigert

werdet zu den letzten eurer Art

die fernen Hände

schöpften das Wasser schon aus

es ist leerer geworden

aber es ist immer noch voller Freude

Babylon

Die Keuschheit der Fermate

heuchelt den Stillstand

der Flussstadt

die Wassermusik der Brunnen

das allerälteste Lied

hat dir Hörner wachsen lassen

ein Paradies eigener Gesetze

die Spieluhr ist neu aufgezogen

der Glockenturm des Rathauses ruft

nach neuen Gebeten

die Sprachverwirrung ist groß

Mondfisch

1

In der Saar

schwimmen keine Krokodile

sie sind vor langer Zeit

an Land gegangen

schau auf den Kriechfuß

den schleppenden Schritt

die verblassten Augen den erstarrten Mund

in der Saar

schwimmen keine Krokodile

feines Leder trägt man wieder

niemand mit prächtigen Schuppen will

sich mit anderen ruppen

2

Die Glücksmomente der Wassertiere

liegen bei den Fischen:

kein Landgang

glitschiger Mond

fischt im Sternenmeer

strandet seine Springflut vor meinen Füßen

Neumond für Neumond

Fischhaut trägt die Meerjungfrau

hin und wieder

steigt sie aus Saares Fluten

am Biss der Krokodile wird sie verbluten

Libera me

Zittern und Bittern herrscht in der Stadt am Fluss

durch die Häuser zischt die Sintflut