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"Der Jakobsweg beginnt vor der eigenen Haustür." Nach diesem Motto starten Christine (Jg. 1958), Kito (Pinscher-Mix, Jg. 2019) und ich (Jg. 1956) im Herbst 2021 von unserem Zuhause in Hamburg, unweit der Via Baltica. In drei Blöcken erreichen wir im Herbst 2022 Trier. Ein Jahr später - im September/Oktober 2023 - pilgern wir von dort aus weiter durch Saargau, Lothringen, Champagne bis nach Vézelay im Burgund und erleben dabei Landschaften, die wir bislang alle noch nicht kannten. Von unseren Erlebnissen und Eindrücken auf dieser Pilgerreise mit Hund zwischen der Via Coloniensis (bis Trier) und der Via Lemovicensis (ab Vézelay) berichtet dieser zweite Band unseres großen Pilgerprojekts von Zuhause bis nach Santiago de Compostela, das wir - so Gott will - 2025 beenden wollen. Pilgern in Frankreich ist nicht nur der Sprache wegen anders als Pilgern in Deutschland. Das macht es nicht weniger reizvoll, zumal wir, wann immer wir Hilfe benötigten, auch hier immer wieder "Pilgerengel" trafen.
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Seitenzahl: 171
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Jakobswege & Wege der Jakobspilger
Einleitung, neue Konzeptideen & neue Planungen
Ausrüstung
19. September 2023: Anreise nach Trier
20. September 2023: von Trier nach Fisch
21. September 2023: von Fisch nach Perl
22. September 2023: von Perl nach Kédange-sur-Canner
23. September 2023: von Kédange-sur-Canner nach Metz
24. September 2023: Pausentag in Metz
25. September 2023: von Metz nach Vandières
26. September 2023: von Vandières nach Dieulouard
27. September 2023: von Dieulouard nach Toul
28. September 2023: von Toul nach Chalaines
29. September 2023: von Chalaines nach Gondrecourt le Chateau
30. September 2023: von Gondrecourt le Chateau nach Le Val Louzet (Saudron)
1. Oktober 2023: von Le Val Louzet (Saudron) nach Joinville
2. Oktober 2023: Pausentag in Joinville
3. Oktober 2023: von Joinville nach Ambonville
4. Oktober 2023: von Ambonville nach Colombey Le Deux Églises
5. Oktober 2023: von Colombey Le Deux Églises nach Clairvaux
6. Oktober 2023: von Clairvaux nach Essoyes
7. Oktober 2023: von Essoyes nach Les Riceys
8. Oktober 2023: von Les Riceys nach Étourvy
9. Oktober 2023: Pausentag in Étourvy
10. Oktober 2023: von Étourvy nach Tonnerre
11. Oktober 2023: von Tonnerre nach Chablis
12. Oktober 2023: von Chablis nach Auxerre
13. Oktober 2023: von Auxerre nach Accolay
14. Oktober 2023: von Accolay nach Les Hérodats
15. Oktober 2023: von Les Hérodats nach Vézelay
16./17. Oktober 2023: Heimfahrt von Vézelay nach Hamburg
Resümee
Übersicht unserer Unterkünfte
Über den Autor
Weitere Pilger-Erlebnisberichte des Autors
Entstehungsgeschichte dieses Buches
Unsere Route führt uns nicht, wie hier dargestellt, von Trier nach Le Puy und die dann anschließende Via Podiensis, sondern von Trier nach Vézelay und dann 2024 weiter über Limoges, also die Via Lemovicensis.
Die Jakobspilger in ganz Europa pilgerten im Mittelalter natürlich auf denselben Wegen, die auch von Händlern, Post- und Reisekutschen, Kurieren, Heeren und Viehherden genutzt wurden. Diese Wege orientierten sich sowohl an den geografischen Bedingungen (Gebirgspässen, Furten etc.) als auch an der vorhandenen Infrastruktur wie Klöstern und Städten. Im Gegenzug entwickelte sich mit diesen Wegen und Straßen auch die Infrastruktur an ihnen weiter.
Dabei bildeten die Wege der Jakobspilger – im Mittelalter wie auch in der Gegenwart – ein baumartiges Geflecht, bei dem die Pilger an kleinen Zweigen starten und sich über immer größere Äste bis zum Stamm vorkämpfen. Der Stamm dieses Pilgerbaums ist zweifellos der Camino Francés, der von Saint-Jean-Pied-de-Port über die Pyrenäen quer durch Nordspanien bis zum Ziel in Santiago de Compostela führt. Gemäß der Definition einer 1985 vom Europarat eingerichteten und bei der Regierung der autonomen Region Galicien angesiedelten Expertenkommission steht nur ihm der Name Camino de Santiago (Jakobsweg) zu. Dabei geht die Kommission davon aus, dass der Hauptzweck dieses Weges die Benutzung durch Jakobspilger war und ist.
Demgegenüber sind nach dieser Definition von 1985 alle anderen Wege in Spanien, Frankreich, Deutschland und den übrigen Ländern – seien es Zubringerwege oder Querwege – sogenannte Altstraßen, die auch, aber nicht in erster Linie, Pilgern dienten, sondern halt auch von Händlern, Kurieren, Post- und Personenkutschen etc. genutzt wurden. Sie sind daher nach Europarat-Definition keine „Jakobswege“, sondern „Wege der Jakobspilger“. Allerdings ist diese offizielle Nomenklatur ziemlich unhandlich, weswegen herkömmlicherweise zumindest alle wichtigeren Zubringerwege als Jakobswege bezeichnet werden. Das ist zwar nicht ganz korrekt, tut aber niemandem weh.
In Frankreich benutzt man eine eigene, ältere Klassifizierung, die das Centre d’ètudes compostellanes bereits in den frühen 1980er Jahren festgelegt hatte. Danach werden die vier Hauptwege, die bereits im 12. Jahrhundert im 5. Buch des Liber Sancti Jacobi erwähnt bzw. beschrieben wurden, ebenfalls als Jakobswege definiert. Diese erste Kategorie umfasst:
die
Via Turonensis
, die ursprünglich in Tours, heute schon in Paris beginnt,
die
Via Lemovicensis
, die in Vézelay ihren Ursprung hat und durch Limoges zieht,
die
Via Podiensis
, die von Le Puy en Valey aus startet und über Jahrhunderte den Beinamen „Weg der Deutschen“ hatte, weil die meisten der aus Deutschland kommenden Pilger diesen Weg nahmen, und
die
Via Tolosana
, die von Arles durch Toulouse führt.
Die erstgenannten Jakobswege treffen sich kurz vor Saint-Jean-Piedde-Port und münden gemeinsam in den Camino Francés, während die Via Tolosana die Pyrenäen weiter östlich überquert und erst in Pamplona den Camino Francés mündet.
In die zweite Kategorie, die Itinéraires, werden in Frankreich diejenigen Wege eingestuft, für die es ebenfalls historische Daten wie Pilgerberichte vorliegen, während die Cheminements die dritte Kategorie bilden.
1985 erhielt Santiago de Compostela von der UNESCO die Einstufung als Weltkulturerbe (kurz: Welterbe). 1993 wurden dann auch der Camino de Santiago (Camino Francés) und 2015 der Camino Primitivo (der älteste dieser Wege mit Beginn in Oviedo) und der Camino del Norte (an der spanischen Nordküste, der in den Camino Primitivo mündet) von der UNESCO zum Welterbe ernannt. Damit führen auch diese drei Wege die weltweit höchste Auszeichnung für ein Kulturgut.
Der Europarat indessen zeichnete zunächst 1987 den Camino Francés, später dann alle Jakobswege und Wege der Jakobspilger als europäische Kulturrouten aus und forderte die nationalen sowie die regionalen Regierungen auf, diese Wege historisch zu erforschen und wiederherzustellen.
Einige der großen Wege haben heutzutage neben ihren landessprachlichen Namen auch lateinische Namen, so die Via Baltica, der Baltischwestfälische Jakobsweg, die vom Baltikum durch Ostpreußen und Pommern, entlang der Ostseeküste über Danzig, Rostock, Lübeck, Hamburg und Bremen bis nach Osnabrück zum dort beginnenden Westfälischen bzw. Osnabrücker Jakobsweg zieht. Oder auch die Via Coloniensis, der Kölner Jakobsweg, der von Köln durch die Eifel nach Trier – und je nach Sichtweise noch weiter bis zum Drei-Ländereck Deutschland/Frankreich/Luxemburg bei Perl bzw. Schengen führt.
In Trier treffen sich vier historische Wege der Jakobspilger, nämlich die bereits erwähnte, ca. 240 km lange Via Coloniensis (von Köln kommend, die wir im Herbst 2022 gepilgert sind), der Eifel-Camino (160 km, ab Andernach), der Mosel-Camino (ebenfalls 160 km, ab Koblenz-Stolzenfels) und der Hunsrücker Jakobsweg oder Ausoniusweg (120 km, ab Bingen, benannt nach dem gallo-römischen Staatsbeamten, Prinzenerzieher und Dichter, der diese Römerstraße im Jahr 368 selbst bereiste und darüber anschließend eine Reisebeschreibung verfasste).
Den Pilgern, die wie wir von Trier weitergehen, bieten sich nach einem gemeinsamen Weg bis kurz hinter Toul zwei Hauptrouten an: die nach Le Puy und weiter über die Via Podiensis und die nach Vézelay und weiter über die Via Lemovicensis.
Beide werden als außerordentlich schöne Pilgerwege beschrieben, wobei die Route über Le Puy und die Via Podiensis frequentierter ist und dementsprechend auch eine etwas reichhaltigere Infrastruktur haben soll, aber auch mehr Höhenmeter. Da wir jedoch – zumindest vorerst noch – mit unserem Buggy pilgern und auf der Via Podiensis mehr Abschnitte beschrieben sind, die nicht fahrradtauglich (und damit auch nicht buggytauglich) sind, haben wir uns für den Weg über Vézelay und die Via Lemovicensis entschieden.
Im ersten Teil dieser Pilgerreise von Zuhause in Hamburg nach Santiago, waren meine Lebensgefährtin Christine, unser Pinscher-Mix-Rüde Kito (Jahrgang 2019) und ich im Oktober 2021 bis Wildeshausen, an einem März-Wochenende nach Vechta, dann im April/Mai 2022 von Vechta nach Herdecke/Ruhr und im Oktober 2022 von dort nach Trier gegangen. Damit hatten wir gut 1000 Kilometer in Deutschland zurückgelegt und uns der deutsch-französischen Grenze genähert.
Jetzt steht also der erste Wegabschnitt in Frankreich an, genauer: das Segment von Trier bis Vézelay und damit von der Via Coloniensis bis zur Via Lemovicensis, einem der vier großen Jakobswege Frankreichs, an.
Da unser Fahrradbuggy Croozer Kid for 1, mit dem wir bis Trier unsere Rucksäcke transportiert hatten, so ramponiert ist, dass wir ihm keine weiteren 500 Kilometer mehr zutrauen, haben wir uns bereits im November 2022 günstig sein Nachfolgemodell zugelegt, und zwar diesmal mit einem großen luftbereiften Vorderrad, das sich signifikant besser schieben lässt als das alte Modell mit nur dem kleinen, untergebauten Rad.
Trotzdem hatte uns die Frage unseres Gepäcktransports immer wieder aufs Neue beschäftigt. So war Christine u. a. auf die Idee gekommen, auf den deutlich schmaleren Hundebuggy, den wir auch haben, auszuweichen. Der bietet zwar nur Platz für einen statt für zwei Rucksäcke (plus den Hund), ist aber leichter und besser zu handhaben.
Wie eine Erprobung quer durch den Harz von Wernigerode nach Nordhausen im August 2023 zeigte, ist der Hundebuggy zwar schmaler und leichter, zugleich aber beim Schieben unruhiger bis hin zum gelegentlichen Umkippen. Im Vergleich dazu erweist sich der Croozer im Gelände doch als die bessere Option.
Eine weitere Diskussion betraf unser Etappenkonzept. Bislang waren wir – was sich auch bewährt hatte – im Tagesdurchschnitt rund 25 Kilometer gegangen und hatten dabei auch zugesehen, keine überlangen Tagesetappen mit deutlich mehr als 30 Kilometer zu haben. Und wegen Kito hatten wir bislang auch stets eine detaillierte Planung erstellt und alle unsere Pilgerquartiere vorreserviert.
Dieses Konzept bringt zwar die maximale Sicherheit, abends stets ein geeignetes Dach über dem Kopf zu haben, ist zugleich aber sehr starr und fixiert und bietet keinen Raum für spontane Änderungen. An guten Tagen mehr und an schlechten weniger Kilometer zu gehen, ist dabei nicht möglich.
Im roten Pilgerführer von 2015 aus dem Rother-Verlag wird dagegen von der Autorin ausdrücklich empfohlen, nicht vorab zu reservieren, sondern seine Tagesetappen je nach Tagesform, Wetter etc. zu gestalten. Allerdings ist diese Autorin nur alleine und nicht mit Hund unterwegs gewesen. Mit Hund – so unsere Erfahrungen der letzten gut zwei Jahre – ist die Quartiersuche jedoch erheblich schwieriger und die Auswahl deutlich geringer.
So schwankt unsere Diskussion zwischen der bisherigen kompletten Planung und Reservierung und der vollständigen Spontanität ganz ohne oder nur mit kurzfristigen Reservierungen.
Da unser Schulfranzösisch in den letzten 50 Jahren zudem sehr „eingerostet“ ist, stellt sich die Frage, wer von uns bei den Gastgebern, die nur eine Telefonnummer haben, denn anruft und wie wir damit zurechtkommen.
Diese Themen – Etappenplanung & Tagesdistanzen sowie Reservierungen – sind auch zwei Wochen vor unserem Aufbruch nach Trier immer noch nicht abschließend geklärt.
Immerhin habe ich inzwischen am 5.9. unsere ersten beiden Übernachtungen auf dem Jakobsweg – nämlich die in Fisch (kurz hinter Mannebach) und in Perl – telefonisch gebucht und per Mail wechselseitig bestätigt. Ob wir von Perl nach Metz indessen in drei Tagen oder in zwei Tagen plus einem Ruhetag in Metz gehen wollen, ist noch offen. Christine will am 8.9. – über booking.com und mit kurzfristiger, kostenloser Storno-Option – die beiden potentiellen Übernachtungen in Metz einzeln buchen und ebenso auch die daran anschließende in Vandières.
Am Samstag, dem 9.9., sind nun auch die Übernachtungen in Metz, in Vandières, in Toul und in Joinville gebucht.
Grundausstattung
Fahrradbuggy Croozer Kid for 1 mit großem Vorderrad
Leichtgewichtszelt für 2 Personen
dünne selbstaufblasbare Isomatte (ich) bzw. Luftmatratze (Christine) warmer Mumienschlafsack
dünner rechteckig geschnittener Indoor-Schlafsack
Luftpumpe für die Reifen des Buggys
Diese Grundausstattung sowie unsere Getränke und Lebensmittel (einschließlich Kitos Trockenfutter) transportierten wir im Bodenbereich sowie hinten im Buggy.
Rucksack Salomon Minim 30 (28 Liter, 70x30x26 cm, Eigengewicht 675 Gramm), darin:
Regenjacke & Regenhose
leichte, winddichte Jacke
2 Folienponchos (jeweils 60 Gramm)
1 lange Treckinghose
3 Unterhosen
3 Paar Socken
2 T-Shirts, kurzärmlig
1 Thermo-Funktionsshirt, langärmlig
1 Fleecejacke, mitteldick
Kulturtasche mit Zahnbürste, Zahnpasta, Shampoo, Deo (jeweils kleine
Reisepackungen), Nagelknipser, Nagelfeile, Medikamenten
Melkfett
Süßigkeiten
Ladegerät fürs Handy
Ladegerät für Kamera-Akkus, 3 Reserve-Akkus
Laptop, Ladegerät und PC-Maus
Am Körper:
Schirmmütze
T-Shirt, kurzärmlig,
Fleecejacke, dick
Treckinghose, lang
Gürtel mit Trinkflaschenhalterung, dazu jeweils 0,75 oder 1 Liter PET-
Flasche aus dem Supermarkt
Socken
Wanderschuhe
Spiegelreflexkamera Canon 100D (leichtestes digitales Spiegelreflex-Modell von Canon), dazu Reise-Zoom 18-105 mm
in den Hosenbeintaschen:
Handy
Bargeld
Mäppchen mit EC-Karte, Personalausweis u.a. Karten
Outdoor-Pilgerführer aus dem Conrad-Stein-Verlag
Kirche und Abtei St. Matthias in Trier, unser diesjähriger Startpunkt
Am Montag, dem 18.9., dem Vortag unserer Anreise, wollte ich meine Ausrüstung komplett parat und gepackt haben. Stattdessen bin ich fast den ganzen Tag noch in der Praxis im Einsatz.
Obgleich wir am Dienstag, dem 19.9., sehr früh aufstehen, ist unser Tages-/Restprogramm immer noch so umfangreich, dass wir erst um 13:35 Uhr vom „Hof“ rollen. Der Vorteil einer Anreise per Auto ist, dass man – wie spät auch immer man dran ist – trotzdem flexibel bleibt und die Anreise nicht an verpassten Zügen oder Flügen scheitert.
Das Navi prognostiziert unsere Ankunft im Hotel in Trier für 20:02 Uhr. Tatsächlich kommen wir dann kurz vor 21:30 Uhr an. Gründe für die Verspätung sind ein kurzer Stopp bei Globetrotter in Barmbek (es fehlt noch ein Ausrüstungsteil, das nicht auffindbar war), zwei kurze Pullerpausen für Kito, von denen die eine gleichzeitig auch Tankpause ist, und die übliche Mischung an Baustellen und Staus.
Der Check-In an der Außenwand des Hotels ist automatisiert und sehr umständlich, klappt dann aber doch noch. Unser Zimmer 2 ist hübsch, aber etwas spartanisch. Für 81 € hätte ich gerne Ablagemöglichkeiten für unsere Rucksäcke und einen richtigen Schreibtisch gehabt. Waschbecken und Dusche sind direkt ins Zimmer integriert. Nur das WC ist tatsächlich noch in einem separaten kleinen Nebenraum.
Wir packen nur schnell unsere Sachen ins Zimmer und gehen dann mit Kito eine Abendrunde. Der Kleine braucht dringend Bewegung und hat zudem ein größeres Bedürfnis. Zum Glück ist die Basilika „fast um die Ecke“ und damit auch der dazu gehörige Park.
Anschließend bummeln wir noch ein wenig durch die Straßen in Triers Zentrum und finden mit „Lu zwölf“ um kurz vor zehn tatsächlich noch ein nettes Lokal, in dem auch Kito sehr willkommen ist. Christine gönnt sich einen Wein aus der Region. Ich nehme einen Federweißen.
Danach geht es wieder zurück ins Hotel, und um Mitternacht ist Zapfenstreich.
Heute klingeln die Wecker bereits um sechs Uhr. Während Christine und Kito bereits zu Kitos Frührunde unterwegs sind, darf ich noch bis sieben Uhr im Bett bleiben. Danach heißt es: Aufstehen, Duschen (heute Abend gibt es keine Dusche!), Anziehen, Kaffee-Trinken, Packen und los…
Um 8:05 Uhr sind wir am Auto. Wir fahren zum P+R Platz Messepark in den Moselauen und stellen das Auto dort ab. Über die Konrad-Adenauer-Brücke gehen wir hinüber zur Kirche St. Matthias, wo sich das einzige Apostelgrab nördlich der Alpen befindet. Ich gehe zum Beginn unseres neuen Pilgerabschnitts kurz in die Kirche und zum Apostelgrab.
Danach verproviantieren wir uns in der Nähe bei einem Supermarkt, pumpen den Reifendruck des Buggys noch bei einer Tankstelle nach und sind nach vier Kilometern gegen 10:20 Uhr wieder bei St. Matthias. Ab diesem Ort, den wir bereits vor elf Monaten auf unserer letzten Etappe erreicht hatten, gehen wir heute weiter.
Der Pilgerweg führt anfangs noch durch verkehrsberuhigte Wohnbereiche, wobei die Wegmarkierungen hier dünn sind. Wir gelangen schnell zum Moselradweg, dem wir bis zur Saarmündung in Konz folgen. Ab hier sind die Markierungen sehr gut. Übergangslos geht der Moselradweg dann an der Saar entlang weiter, bis wir diese auf der dritten Brücke überqueren. Es folgt ein kurzes Stück Landstraße (Obermoselstraße) mit Geh-/Radweg auf der linken Seite, dann ein Industriegebiet und – endlich (!) – eine Pause.
Bei Pausen wie dieser ersten hier am Moselradweg ist Kito immer sehr aufmerksam.
„Der kleine Imbiss“ ist genau das, was wir brauchen, - denken wir zumindest. Leider hat aber direkt vor uns eine Gruppe mit sechs Personen ihre Bestellungen aufgegeben, so dass die Chefin erst einmal keine neuen Bestellungen annehmen und bearbeiten mag. So reduzieren wir die unsrige auf zwei Becher Kaffee, die auch gehörig lange bis zur Auslieferung brauchen, und ziehen nach 40 Minuten Rast weiter.
Wir kehren zum Kreisverkehr zurück, von dem wir zuvor zum Imbiss abgebogen waren, unterqueren die B 51 und biegen kurz darauf in den sehr ruhigen, schön asphaltierten Fahrradweg entlang des Fuchsgrabens ein, der uns nach Tawern bringt.
Obgleich wir unseren neuen Buggy – Croozer Kid for 1 (Baujahr ab 2018), Nachfolger unseres bisherigen typengleichen (Baujahr vor 2018) – zuvor getestet hatten, hadern wir beide – Christine noch mehr als ich – damit, dass er mit dem starren großen, luftbereiften Vorderrad anstelle des kleinen untergebauten schwerer zu lenken ist, vor allem jedoch, dass er eindeutig nach links zieht. Erst nachdem wir die Beladung mit unseren Rucksäcken verändert haben, ist es besser.
So tragen wir vom Imbiss an zunächst beide unsere Rucksäcke wieder auf dem Rücken, und Christine schiebt den nur noch (mit Zelt, Schlafsäcken und Lebensmitteln) leicht beladenen Buggy. Dann packt sie ihren Rucksack hinein. Als wir hinter Tawern wechseln, schiebe ich den Buggy mit meinem Rucksack, und sie trägt nun ihren. Das scheint vorerst unsere neue Strategie zu werden.
Wegabschnitt vor Tawern
In Tawern schauen wir uns am Ortsrand die Margarethenkapelle mit ihrer ungewöhnlichen Sandsteinkanzel an der Außenwand der Kirche an. Über die Kapellenstraße gelangen wir zur Römerstraße, die uns zum Dorfbrunnen führt. In der Dorfbäckerei kaufe ich zwei Eis und bekomme auch noch unsere ersten Pilgerstempel des Tages bzw. sogar dieses Reisesegments.
Wir folgen der am Brunnen links abbiegenden Römerstraße, gehen geradeaus in die Bachstraße und erreichen den Anstieg hinaus zur römischen Tempelanlage auf dem Metzenberg. Dieser Anstieg ist auf Asphalt zunächst noch moderat, im abschließenden Fußweg jedoch steil und extrem schweißtreibend – trotz Schatten im Wald und bei 23 °C.
Margarethenkapelle am Ortsrand Tawerns, man beachte die außen angebrachte Kanzel.
Tawern (mit der Betonung des Ortsnamens auf der zweiten Silbe) wurde vor rund 2000 Jahren etwa zeitgleich mit Trier gegründet. Der Name leitet sich vom lateinischen Wort „taberna“ ab, das für Geschäft, Laden, Gaststätte steht. Tawern war damals also eine Zwischen- bzw. Raststation auf der alten Römerstraße von bzw. nach Trier.
Das erklärt auch die Entstehung der römischen Tempelanlage auf den Metzenberg bei Tawern. Wikipedia beschreibt diese Anlage wie folgt:
Das von einer unregelmäßigen viereckigen Bezirksmauer (46 × 36 m) umgebene Heiligtum umfasste ursprünglich vermutlich fünf Tempel, deren Fronten auf einer Fluchtlinie zum Tal zeigten. Im Laufe der Zeit wurden vier Nebengebäude und zwei Toranlagen errichtet. Einer der Tempel wurde durch einen direkt dahinter hangaufwärts errichteten Tempel ersetzt, während drei weitere Tempel einem größeren Tempel mit dreiseitigem Umgang weichen mussten.
In diesem größeren Tempel stand eine überlebensgroße Plastik des Gottes Mercurius. Reisende auf der bedeutenden Römerstraße „Via Agrippa“ von Metz nach Trier sollen im Tempelbezirk dem Gott des Handels, des Gewerbes und des Verkehrs, geopfert haben.
Vermutlich zerstörten Christen spätestens zur Zeit des Verbots der Ausübung heidnischer Kulte im Jahre 392 die Tempelanlage.
Auf dem Gelände befand sich ein über 15 Meter tiefer Brunnen. Als die Anlage 1986/87 unter Leitung des Rheinischen Landesmuseums Trier ausgegraben und teilweise rekonstruiert wurde, fand man im Brunnenschacht architektonische Elemente, Münzen, Krüge und plastische Darstellungen, die anhand der Schichtung im Brunnen eine hervorragende Rekonstruktion der Geschichte des Tempelbezirks ermöglichten. So wurde mit Hilfe einer Münze festgestellt, dass der Brunnen noch Ende des vierten Jahrhunderts bestand.
Wir stellen den Buggy ab und erkunden zu dritt die eindrucksvolle Anlage mit dem wiedererrichteten Merkurtempel und einigen anderen Gebäuden und vor allem der tollen Aussicht ins Moseltal bis nach Trier.
Der nun folgende Wegabschnitt auf guten Wald- und Wirtschaftswegen ist außerordentlich abwechslungsreich und sehr schön.
Merkurtempel auf dem Metzenberg oberhalb Tawerns
Auch Kito genießt ihn sehr und tobt fleißig herum. Er fand den ersten Tagesabschnitt bis Tawern unhübsch. Dort durfte er erst ab dem Radweg am Fuchsgraben vor Tawern „offline“ pilgern, wobei er innerhalb Tawerns ja auch wieder angeleint war. Aber er liebt seine Freiheit und fordert sie auch gerne immer wieder ein.
Wir hetzen uns nicht besonders und legen auch immer wieder einmal eine kurze Rast ein. Gegen 17:30 Uhr sehen wir dann von einem der zahlreichen tollen Aussichtspunkte unser Tagesziel Fisch vor uns liegen.
Die Straße Am Brunnen ist eine Baustelle, aber das hält uns nicht ab, hier einzubiegen. Das Haus Nr. 14 ist das letzte in der Straße. Der Viezhof Lutz hat dort u. a. auch eine sogenannte Viezstuff (Viezstube), in der er an jedem zweiten Freitag gastronomische Events für bis zu 30 Personen veranstaltet. Sie wird seit Frühjahr 2023 auch als Pilgerunterkunft angeboten und genutzt.
Hier gibt es zwei Klappbetten mit Matratzen und Bettwäsche, ferner Handtüchern, Wasserkocher, Sanitärbereich, WLAN etc.; lediglich eine Dusche fehlt zum perfekten Quartier.
Herr Lutz ist ein wenig überrascht, als wir eintreffen, baut aber schnell alles auf. Er bietet uns zwei Gläser frisch gepressten Apfelmost an. Als wir ihn nach Viez, Cidre und den Unterschieden und Charakteristika ausfragen, zaubert er eine noch knapp halbvolle Flasche Viez zum Verkosten herbei.
Viez ist das saarländische bzw. moselfränkische Wort für Apfelwein, der aus einer Mischung diverser regionaler Apfelsorten gezogen wird. Vom hessischen Äbbelwoi unterscheidet er sich durchaus im Geschmack. Cidre indessen ist mit Kohlensäure angereicherter Apfelwein und entspricht also eher dem Viezsekt