Via Romea Germanica (I) - Christian Hottas - E-Book

Via Romea Germanica (I) E-Book

Christian Hottas

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Beschreibung

Die VIA ROMEA GERMANICA ist eigentlich kein originärer Pilgerweg, sondern der Rückweg des Abts Abert von Stade bei seiner Dienstreise zum Papst in Rom 1236. Natürlich bediente sich Albert bei dieser Reise der vorhandenen sogenannten Altstraßen, also der damaligen Straßen, die auch von anderen Reisenden, Händlern, Kutschen und Kurieren oder auch Truppen genutzt wurden. Dieser Weg wurde, nachdem er in Vergessenheit geraten war, ab 2007 wieder rekonstruiert und - nun mit Start in Stade - als Rom-Pilgerweg wiederbelebt. Je ein deutscher und italienischer Förderverein bietet im Web alle wichtigen Informationen zu diesem noch recht wenig bekannten Weg an. Mich reizte dieser Weg vor allem, weil er kein Jakobsweg, sondern ein Rom-Weg ist, weil es kaum Pilgerberichte über ihn gibt und mich seine erstaunlich gute Infrastruktur sehr interessierte. Gemeinsam mit meinem Hund Kito, der bei allen Pilgertagen seit Juli 2021 stets an meiner Seite war, pilgerte ich im Sommer 2023 von Stade bis Nordhausen am südlichen Harzrand. Dieses Büchlein gibt unsere Erlebnisse und Eindrücke wieder.

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INHALTSVERZEICHNIS

Vorgeschichte

Geschichtlicher Hintergrund der VIA ROMEA

Packliste

6. Mai 2023: Stade bis Harsefeld (Etappe & Tag 1)

7. Mai 2023: Harsefeld bis Zeven (Etappe & Tag 2)

10. Juni 2023: Zeven bis Gyhum (Etappe & Tag 3)

11. Juni 2023: Gyhum bis Scheeßel (Etappe & Tag 4)

12. Juni 2023: Scheeßel bis Bellen (Etappe & Tag 5)

13. Juni 2023: Bellen bis Soltau (Etappen 6 & 7, Tag 6)

17. Juni 2023: Nachtrag zum Pilgersegment 10.-13. Juni 2023

30. Juni 2023: Soltau bis Wietzendorf (Etappe 8, Tag 7)

1. Juli 2023: Wietzendorf bis Sülze (Etappen 9 & 10, Tag 8)

2. Juli 2023: Sülze bis Celle (Etappe 11, Tag 9)

3. Juli 2023: Celle bis Bröckel (Etappe 12 (1. Teil), Tag 10)

4. Juli 2023: Bröckel bis Wipshausen (Etappen 12 & 13 (1. Teil), Tag 11)

Jahresendspurt 2023 & diverse Umplanungen

4. August 2023: Wipshausen bis Braunschweig Alt-Lehndorf (Rest Etappe 13, Tag 12)

5. August 2023: Alt-Lehndorf bis Wolfenbüttel (Etappe 14, Tag 13)

6. August 2023_ Wolfenbüttel bis Hornburg (Etappe 15, Tag 14)

7. August 2023: Hornburg bis Veckenstedt (Etappen 16 & 17, Tag 15)

8. August 2023: Veckenstedt bis Wernigerode (Rest Etappe 17, Tag 16)

11. August 2023: Wernigerode bis Elbingerode (Etappe 18, Tag 17)

12. August 2023: Elbingerode bis Hasselfelde (Etappe 19, Tag 18)

13. August 2023: Hasselfelde bis Neustadt/Harz (Etappe 20, Tag 19)

14. August 2023: Neustadt/Harz bis Nordhausen (Etappe 21, Tag 20)

Rückschau auf unseren Weg 2023 von Stade nach Nordhausen

Unsere Pilgertage & Quartiere auf der VIA ROMEA 2023 von Stade nach Nordhausen (Übersicht)

Hunde-freundliche Unterkünfte auf der VIA ROMEA 2023 von Stade nach Nordhausen (Übersicht)

Vorschau auf 2024/2025

Pilgerpässe

Literatur

Über den Autor

Weitere Pilger-Erlebnisberichte

Entstehungsgeschichte dieses Buches

Die in den Tagesüberschriften und im Text erwähnten

Etappen

beziehen sich auf die Empfehlungen auf der Internetseite und in den Broschüren zur VIA ROMEA GERMANICA.

VORGESCHICHTE

Die VIA ROMEA begegnete mit zuerst im Frühjahr 2020 auf einem facebook-Foto, auf dem ich ein mir bis dato unbekanntes Pilgerwegzeichen sah. Als ich dies nachrecherchierte, fand ich die VIA ROMEA. Im Oktober 2021 sahen meine Lebensgefährtin Christine, unser Hund Kito und ich diese Zeichen, diesmal „live“, als wir den Jakobsweg Via Baltica gingen, da dieser von Harsefeld bis hinter Zeven auf identischer Route verläuft. Ende Februar 2022 fand ich bei der Pilger-Messe in der Hauptkirche St. Jacobi Hamburg weitere Informationen. Im Juli 2022 pilgerten Kito und ich den gesamten Jacobusweg Lüneburger Heide und kreuzten dabei in Soltau auf die VIA ROMEA. Und im September 2022 gingen wir zu dritt die Schlussetappe der Via Jutlandica von Stade bis Harsefeld. Diese ist deckungsgleich mit der ersten Etappe der VIA ROMEA.

In Stade erstanden wir im September 2022 „sicherheitshalber“ schon einmal die Pilgerpässe der VIA ROMEA. Diese sind allerdings im Format DIN A 5 und rund 5 mm dick, also durchaus ungewohnt groß und recht schwer. Die gleich große erste Auflage dieses Pilgerpasses (mit einer schöneren Oberfläche) trug nur den Titel „VIA ROMEA“, während die zweite Auflage „VIA ROMEA GERMANICA“ heißt.

Zwischenzeitlich hatte nämlich der italienische Partnerverein darauf verwiesen, dass es in Italien jede Menge „römischer Straße“ gibt, weshalb man hier den Zusatz „deutsche römische Straße“ einfügte.

Die drei zu diesem Pilgerweg erschienenen Bücher sind zwar alle vergriffen, aber die beiden Bände von Jochen Heinke „Der mittelalterliche Pilgerweg Via Romea“ hatte ich bereits im Mai 2020 online erworben, und den Pilgerführer „Via Romea Stade – Mittenwald“ fand ich Ende Januar 2023 in einem Antiquariat.

Und am 3. Februar 2023 lernte ich schließlich bei einem Pilgertreffen des Freundeskreises der Via Romea in Stade auch Sigrid Strüber persönlich kennen, die zugleich die Wegepatin für den ersten Teil der VIA ROMEA ist. Wie ich Mitte Februar 2023 herausfand, gibt der italienische Partnerverein „Via Romea Germanica Association“ handlichere Pilgerpässe heraus. Man kann diese über [email protected] per Mail bestellen. Unsere in schöner Handschrift bereits personalisierten Pässe trafen nach rund drei Wochen per Brief ein. Als Gegenleistung überwies ich eine Spende nach Italien.

Diese Skizze zeigt den nördlichen Teil der Via Romea Germanica von Stade bis zu den Alpen – Das Buch beschreibt unseren Weg von Stade nach Nordhausen am südlichen Rand des Harzes. (Quelle: www.viaromea.de)

GESCHICHTLICHER HINTERGRUND DER VIA ROMEA

Albert von Stade, dessen Geburtsort und -jahr (möglicherweise 1187) nicht belegt sind, war ein Bremer Domherr. 1230 wurde er Prior, 1232 dann Abt des Benediktinerklosters St. Marien in Stade.

Albert war jedoch nicht nur im Benediktinerorden verwurzelt, sondern hatte auch enge Beziehungen zum strengeren Zisterzienserorden. So erfolgte Alberts Weihe zum Abt in Stade (statt durch den zuständigen Bremer Erzbischof Gerhard II.) durch Balduin von Alna, einen Zisterziensermönch. Auch hatte Albert (damals noch als Propst von Ramelsloh) die Gründungsurkunde des Zisterzienserklosters Lilienthal mitunterzeichnet.

Wegen der seiner Ansicht nach unzureichenden Zucht im Stader Marienkloster wollte Albert 1235 dieses Benediktinerkloster in ein Zisterzienserkloster umwandeln. Aus diesem Grund trat er nach eigenen Angaben 1236 die Reise nach Rom an, um von Papst Gregor IX. die dazu notwendige Zustimmung zu erbitten. Der Papst stimmte seinem Wunsch nach strengeren Sitten zu, jedoch legte er sich nicht auf die Umwandlung in ein Zisterzienserkloster fest. Erzbischof Gerhard II. erhielt jedoch schriftlich das Recht zu einer solchen Umwandlung. Da der Bischof jedoch nicht weiter tätig wurde, konnte Albert seine Pläne nicht durchsetzen, woraufhin er 1240 das Marienkloster verließ und in das Minoritenkloster St. Johannis in Stade (die Minoriten waren ein den Zisterziensern sehr nahestehender Orden) wechselte, in dem er später ebenfalls Abt wurde.

In seiner von 1204 bis 1256 verfassten mehrbändigen Weltchronik Annales Stadensis beschreibt Abt Albert seine Reise nach Rom in einer sehr genauen und ausführlichen Form, die wahrscheinlich als Wegweiser für damalige Wanderer gedacht war. Der Hinweg führte ihn über französische Zisterzienserklöster, insbesondere das Kloster Cîteaux, Ursprung und Zentrum dieses Ordens, nach Rom. Auf dem Rückweg nach Stade folgte er der direkten Route und machte dabei in Arezzo, Meldola, Padua, Trient, Bozen, Brixen, Sterzing, Matrei, Innsbruck, Zirl, Mittenwald, Partenkirchen, Oberammergau, Schongau, Igling, Augsburg, Donauwörth, Marktoffingen, Dinkelsbühl, Rothenburg, Aub, Ochsenfurt, Würzburg, Schweinfurt, Münnerstadt, Bad Neustadt an der Saale, Meiningen, Schmalkalden, Gotha, Bad Langensalza, Nordhausen, Hasselfelde, Wernigerode, Hornburg, Braunschweig, Rietze und Celle Station.

Dieser direkte Rückweg von Rom nach Stade verlief über sogenannte Altstraßen. Dies sind historische Straßenverbindungen, die nicht erst als Pilgerwege entstanden, sondern bereits zuvor existierten und die u.a. als Handels-, Pilger- und Heerwege genutzt wurden.

Die heutige VIA ROMEA GERMANICA entspricht der Rückweg-Route Alberts, so wie dieser sie damals selbst aufgezeichnet und veröffentlicht hat. 2007 hatten der italienische Anthropologe Giovanni Caselli und der deutsche Pfarrer i.R. Uwe Schott begonnen, Alberts Reiseweg zu erforschen. Uwe Schott identifizierte die von Albert 1237 beschriebenen 28 deutschen Etappenorte und Giovanni Caselli die italienischen Etappenorte. Am 7. März 2008 trafen sich in Ochsenfurt erstmals zwölf Vertreter der genannten deutschen Pilgerstädte. Ein zweites Treffen im etwas größeren Kreis gab es am 14. November 2008 in Bad Neustadt an der Fränkischen Saale.

Am 30. Januar 2009 fand dann in Hornburg am Harz die Gründungsversammlung des „Fördervereins Romweg – Abt Albert von Stade e.V.“ statt, zu dessen Gründungsvorsitzenden Andreas Memmert, der Bürgermeister der gastgebenden Stadt, und als Vize Uwe Schott gewählt wurden.

Eine ähnliche Entwicklung führte in Italien zur Gründung der Partnervereins „Via Romea Germanica“. Beide Vereine entwickelten ein gemeinsames Logo, das der Pilgerwegmarkierung zugrunde liegt, und arbeiten eng zusammen.

Der deutsche Förderverein betreibt die Internetseite www.viaromea.de, die umfangreiche Hintergrund- und ausführliche Streckeninformationen bereithält. Dabei wird der deutsche Streckenanteil in 14 regionale Abschnitte und 54 Etappen eingeteilt. Zu jedem Abschnitt und jeder Etappe gibt es Wegbeschreibungen und Tracks und für den gesamten deutschen Streckenteil ein mehrmals jährlich aktualisiertes Verzeichnis der Pilgerunterkünfte.

An diesem Vorgaben orientieren sich auch meine Etappeneinteilungen in diesem Pilgerbüchlein.

PACKLISTE

Als Packlisten habe ich diverse Excel-Dateien im PC gespeichert, die sich je nach Tour-Dauer, Jahreszeit und Infrastruktur unterscheiden. Meine Ausrüstung auf der VIA ROMEA sieht letztlich wie folgt aus:

Transport:

•   30-l-Rucksack

Kleidung am Körper:

•   Fleecejacke

•   T-Shirt

•   lange Wanderhose

•   Wanderschuhe

•   Gürtel mit Flaschenhalter

•   Mütze / Basecap

Kleidung im Rucksack:

•   2-3 Unterhosen

•   2-3 Paar Socken

•   1-2 T-Shirts zum Wechseln

•   1 Paar leichte Hausschuhe

•   je nach Jahreszeit & Wetterprognose:

•   regenfeste Jacke

•   ggfs. dünne Regenhose

•   kurze oder lange Wanderhose

Ausrüstung:

•   Handy

•   Kamera Canon 100D mit Ersatz-Akku (kleinstes Canon-Spiegelreflexmodell)

•   Laptop (für WLAN und Tagesberichte)

•   Netzkabel & Ladegeräte für Handy, Kamera und Laptop

•   Brustbeutel (Klarsicht)

•   Folienponcho (65 g, schützt auch den Rucksack)

•  Stirnlampe (auch für nachts in der Pilgerunterkunft)

•   Kulturtasche mit Zahnbürste sowie Miniportionen Zahnpasta, Shampoo, Deo, Nagelschere, Nagelfeile

•   Melkfett

•   2 jeweils 0,75-l-Trinkflaschen mit Tee (eine am Gürtel, eine im Rucksack)

•   Verpflegung (s. u.)

Dokumente etc.:

•   Personalausweis, Bargeld, EC-Karte

•   Pilgerpässe (die deutschen im Format DIN A 5 sowie die italienischen in schlankem DIN A6)

•   Pilgerführer bzw. ausgedruckte Streckenkarten und weitere Infos (wobei die tagesaktuellen in der linken Hosenbeintasche meiner Treckinghose stets greifbar sind)

Kito:

•   Trockenfutter, Leckerlis & Sticks

•   Wasserflasche und Trinkschälchen

•   „Schietbüddel“

Verpflegung:

•   2 (im Sommer: 3) 0,75-l-Trinkflaschen mit Tee, Cola, Saft oder Wasser (eine am Gürtel, der Rest am oder im Rucksack)

•   2-4 Brötchen

•   Teewurst (hält sich ungekühlt gut)

•   Cabanossis

•   ggfs. Kartoffelpüree oder Suppe zum Aufgießen mit heißem Wasser

6. MAI 2023 STADE NACH HARSEFELD (Tag & Etappe 1)

Diese Auftakt-Etappe der VIA ROMEA sind Kito und ich bereits am 11. September 2022 mit Christine gegangen. Damals war es unsere letzte Etappe im Verbindungsstück zwischen dem Dithmarscher Jakobsweg und der Via Baltica. Wir hätten es uns damals also leicht machen und unsere in Stade neu gekauften VIA ROMEA Pilgerpässe gleich mitstempeln können. Dies widerstrebte uns jedoch. Wir wollten erst in Ruhe den einen Pilgerweg zu Ende gehen sein, bevor wir den anderen anfangen. Außerdem ist diese Etappe so hübsch, dass man sie mehr als einmal gehen kann!

Um 6:45 Uhr klingelt der Wecker. Kurz vor sieben Uhr stehe ich auf und packe die letzten, gestern Abend noch aufgelisteten Utensilien in den Rucksack. Kurz nach halb acht verlassen wir das Haus und erreichen rechtzeitig die S-Bahn-Station Poppenbüttel. Unser Zug fährt pünktlich um 7:49 Uhr los. Er ist ziemlich leer, was mich etwas irritiert, aber natürlich nicht stört. Am Hauptbahnhof Hamburg klappt das Umsteigen von der S 1 in die S 3 reibungslos, und so kommen wir pünktlich um 9:29 Uhr in Stade an. Stade ist der Endbahnhof der S 3.

Wir gehen dieselbe Route durch einen Park und dann entlang des alten Hafens bis zum Schwedenspeicher wie im September 2022 mit Christine. Das Museum Schwedenspeicher öffnet erst um 10 Uhr, so dass wir ein wenig warten müssen. Hier kaufe ich mir einen VIA ROMEA Pilgerpass aus der ersten Auflage, die einen schöneren und robusteren Einband hat, und lasse mir gleich einen Stempel in selbigen geben. Im benachbarten Stadtmarketing, das auch erst um 10 Uhr öffnet, hole ich mir den Start-Stempel in meinem neuen Pass und lasse zudem auch unsere kleineren und leichteren italienischen VIA ROMEA Pilgerpässe stempeln.

Den Weg durch die Stader Altstadt hatte ich mir zuvor auf einem Stadtplan angesehen und eingeprägt, so dass wir problemlos das Johanniskloster mit der Statue des Abtes Albert finden. Kito posiert sogar ganz geduldig neben dieser Statue.

Der Weg von diesem offiziellen Startpunkt der VIA ROMEA durch die Stadt ist hervorragend ausgeschildert. Es gibt quasi keine Chance, sich zu verlaufen. Bei einem Bäcker in der Hökerstraße kaufe ich einen Apfelkrapfen, drei Brötchen und einen Becher Kaffee. Den Krapfen und den Kaffee verzehren wir noch vor Ort an einem Tisch vor der Bäckerei.

Kito ist schnell im Pilgermodus, möchte aber offenbar lieber ohne Leine pilgern. Noch in den Parkanlagen neben der Schwinge lasse ich ihn los, und da er stets dicht bei mir bleibt und auf Rückruf auch sofort kommt, lasse ich ihn auch in den Wohngebieten, die wir durchqueren, weiter frei herumlaufen. Allerdings muss ich trotzdem immer wieder auf der Hut sein. Einmal versucht er glatt, nach dem Postzusteller und einem anderen Mann in ein Mehrfamilienhaus zu gehen.

Das Wetter ist sehr angenehm zum Pilgern. Wie bei wetter.de prognostiziert, muss es während unserer Anreise geregnet haben. Bei anfangs 10 °C, später 15 °C, tut es wirklich gut, zügig zu gehen. Andererseits kommt man auch nicht unnötig ins Schwitzen.

Hinter dem Gut Hagener Mühle mit seinem schönen Mühlenteich passieren wir erneut den großen Reitplatz, auf dem im September 2022 viele Kinder ihr Können demonstrierten. Jetzt trainieren einige Reiterinnen hier ihre Springpferde, wobei die Höhe der Hindernisse sehr moderat ist.

Je weiter aufs Land hinaus wir kommen, umso grüner wird die Natur. Immer wieder riecht es wunderbar nach frisch bestellter, feuchter Erde.

Nach gut neun Kilometern (ab dem Johanniskloster Stade bzw. 11,7 km ab Bahnhof Stade) erreichen wir nahe des Orts Hagen den Picknickplatz, an dem wir bereits im September gerastet hatten. Kito freut sich sehr, als er ihn findet. Wir verweilen etwa 20 Minuten hier, trinken etwas und essen eines der drei Brötchen, die ich in Stade gekauft hatte.

Wenig später durchqueren der Pilgerweg und wir die Anlage des Golfclubs Deinster Mühle. Aber Golfer und Pilger stören sich nicht gegenseitig. Am Clubhaus des Golfclubs stoppen wir kurz, und während Kito brav neben meinem Rucksack sitzt und ihn bewacht, lasse ich unsere großen Pilgerpässe stempeln.

Direkt nach der gut frequentierten Autostraße bei Deinster, die wir bald darauf überqueren, bekommen wir Zulauf: Ein anscheinend herrenloser Dackelrüde gesellt sich zu Kito. Die beiden Rüden spielen ein wenig miteinander, wobei Kito dem kurzbeinigen Kollegen schnell klarmacht, wer hier der Chef ist, nämlich er, Kito. Der Dackel folgt uns durch eine Siedlung Deinsters, über einen unbeschrankten Bahnübergang (bei dem wir einen Schienenbus abwarten und durchlassen müssen) und immer weiter hinaus aufs freie Feld. Er macht keinerlei Anstalten, umzukehren und nach Hause zu laufen. Hat er hier kein Zuhause? Wurde er ausgesetzt? Oder hat er einen so weiten Aktionsradius? Immer wieder galoppiert er Kito mit kurzen, stampfenden Schritten hinterher. Inzwischen ist er sicher bereits 2,5 bis 3 Kilometer mitgelaufen.

Was soll ich mit ihm anfangen? Ihn mitnehmen? Was würde Christine sagen, wenn ich mit zwei Hunden heimkäme?

Als uns ein junges Paar mit einem Husky-Rüden entgegenkommt, spreche ich die beiden an, ob sie den Dackel kennen. Nein, leider nicht. Aber da sie hier aus der Gegend kommen, nehmen sie sich seiner an. Sie leinen ihn mit der Schleppleine ihres Huskies an, was der Dackel sich problemlos gefallen lässt, fotografieren ihn für irgendwelche Online-Gruppen und nehmen ihn wieder in die Richtung mit, aus der er mit uns gekommen ist. Damit ist er sehr einverstanden und trabt zufrieden neben dem Husky und dessen Menschen her.

Die Landschaft ist schön flach und angenehm zu pilgern. Das neue, frische Grün um uns herum ist eine echte Wohltat. Und die maximal 15 °C nachmittags sowie rund 2-3 Stunden Frühlingssonne sind sehr pilgerfreundlich und angenehm.

Unser Pilgerweg streift den Rand des Frankenmoors, eines renaturierten Hochmoors, wo wir – bzw. Kito als der dafür zuständige Spezialist – unseren zweiten Rastplatz dieser Etappe vom September 2022 finden.

Diese zweite Rast war aber auch wirklich nötig und mehr als willkommen: Kito hatte reichlich Durst und ebensolchen Hunger. Er beanspruchte einen guten Anteil unseres Teewurstbrötchens sowie einiges von seinem Premium-Trockenfutter, das ich ihm aber eh über den gesamten Tag anstelle von Leckerlies gebe.

Nachdem wir einige Spargelfelder passiert haben, erreichen wir Ohrensen. Während die Karte im Outdoor-Pilgerführer zur Via Jutlandica eindeutig beschreibt, dass hier die Via Romea nicht wie die Via Jutlandica nach halbrechts abbiegt, sondern geradeaus weitergeht, weisen uns die VIA ROMEA Wegweiser ganz eindeutig gemeinsam mit der Jutlandica nach halbrechts in Richtung Aueniederung. Damit bin ich sehr einverstanden, weil ich diesen Abschnitt noch in höchst angenehmer, positiver Erinnerung vom September habe. Kito hat eh keinerlei Einwände. Für ihn ist es nur wichtig, dass er dabei sein darf und möglichst viel Bewegungsfreiheit im Grünen hat.

Ab Ortseingang Harsefelds wird dann die Wegfindung schwieriger. Das liegt weniger an fehlenden Markierungen, sondern mehr an zugewachsenen oder von parkenden Autos zugestellten. Im Bereich der Klosterteiche und des Klosterparks verlieren wir die Wegführung zweimal kurz, finden sie jedoch rasch wieder.

Diesen Abschnitt kennen wir noch gar nicht! Im September 2022 waren wir hier bereits vom Jakobsweg in Richtung Bahnhof abgebogen, wo wir unseren Zug heimwärts passgenau noch erwischten.

Ab den Ruinen des ehemaligen Klosters und ab der evangelischen Kirche bin ich dann wieder im Bilde. Wir passieren das Eiscafé Dante, in dem wir 2021 zu dritt zu Abend aßen. Von hier sind es nur ein paar Meter bis zur katholischen Kirche St. Michael und zu unserer Pilgerunterkunft.

Wir legen jedoch noch einen kleinen Schwenk ein und gehen – auf der Suche nach einem Supermarkt – in Richtung Ortszentrum und Kreisverkehr. Rasch entdecke ich einen PENNY-Markt. Während Kito wieder mustergültig brav wartet, kaufe ich rasch Teewurst, Käse, Hunde-Sticks, Schokolade und Kaubonbons. Als ich meine Einkäufe gerade im Rucksack verstaue (es ist 18:05 Uhr), ruft Maria Schimmöller, unsere Pilgerbetreuerin, an. Ich verspreche, in zehn Minuten dort zu sein, was wir sogar knapp unterbieten. Sie ist wenige Minuten später dort.

Da eine Pilgerin – Anne aus Sachsen – das Pilgerzimmer bekommen hat, werden Kito und ich im Gemeindesaal einquartiert. Auch hier haben wir eine Küche und Sanitärräume, aber keine Dusche und kein WLAN. Das lässt sich verschmerzen.

Ich versorge zunächst meinen kleinen Mitpilger. Kito ist durstig und hungrig. Er verschlingt gut zwei Drittel der 300-Gramm-Packung Nassfutter, die ich soeben für ihn gekauft habe. Ansonsten macht er es sich auf seiner Schmusedecke gemütlich, die ich aufs Fußende unserer Matratze gelegt habe.

Kath. Kirche St. Michael Harsefeld

Kurz nach 19 Uhr brechen wir beiden jedoch noch einmal auf. Ich habe nämlich leider nur 50-Euro-Scheine und keine kleinen Scheine, die ich als Spende in der Spendendose zurücklassen kann. Wir gehen kurz zu Dante, aber dort ist es brechend voll. Die Alternative ist ein Döner-Laden, in dem ich uns eine Döner-Box kaufe und so zu ausreichend kleinen Scheinen komme. Kitos erste Priorität ist eindeutig das Dönerfleisch. Seine Pommes lässt er so lange liegen, bis er sieht, dass kein Fleisch mehr da ist und er somit auch keines mehr bekommen kann. Na gut, dann isst er halt auch die Pommes.

Später schauen wir kurz bei Anne herein, um uns das Gästebuch zu holen. Ich unterhalte mich sehr nett mit ihr, während Kito auf meinem Arm kuschelt. Anne ist von Swinemünde bis nach Bremen unterwegs, geht also den gesamten deutschen Teil der Via Baltica. Insgesamt hat sie dafür vier Wochen eingeplant. Morgen will sie aber nicht bis Zeven, sondern hat in Heeslingen, einem Ort vor Zeven, eine private Pilgerunterkunft gefunden.

Sie berichtet, dass viele der im 2022er Outdoor-Pilgerführer gelisteten Pilgergastgeber keine Pilger mehr aufnehmen und dass es immer wieder sehr schwer ist, Pilgerquartiere zu finden.