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In London ist die Hölle los!
"Puh ..." Johnny Conolly atmete einmal tief durch, als der Abspann lief. Der Action-Film hatte mit einem wahren Feuerwerk von Anfang an alle seine Nerven strapaziert. Das Stakkato aus den Boxen dröhnte noch jetzt als Nachhall in seinen Ohren. Und was das Erstaunliche war: Er hatte es genossen, hatte sich ganz dem Spektakel auf der Riesenleinwand hingegeben und zumindest für hundertzwanzig Minuten die Welt um sich herum vergessen.
Na ja, nicht ganz: Seine Begleiterin Cathy hatte sich schon in der ersten spannenden Szene an ihn gekuschelt.
Plötzlich explodierten vom Eingang her weitere Geschoss-Salven. Irritiert wirbelte Johnny in seinem Sitz herum.
Entsetzte Schreie drangen aus den hinteren Reihen.
Und dann brach die Hölle erst richtig los!
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Seitenzahl: 147
Cover
Impressum
In London ist die Hölle los!
Briefe aus der Gruft
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Dennis Simcott
Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-7958-7
„Geisterjäger“, „John Sinclair“ und „Geisterjäger John Sinclair“ sind eingetragene Marken der Bastei Lübbe AG. Die dazugehörigen Logos unterliegen urheberrechtlichem Schutz. Die Figur John Sinclair ist eine Schöpfung von Jason Dark.
www.john-sinclair.de
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
In London ist die Hölle los!
von Logan Dee
»Puh …« Johnny Conolly atmete einmal tief durch, als der Abspann lief. Der Action-Film hatte mit einem wahren Feuerwerk von Anfang an alle seine Nerven strapaziert. Das Stakkato aus den Boxen dröhnte noch jetzt als Nachhall in seinen Ohren. Und was das Erstaunliche war: Er hatte es genossen, hatte sich ganz dem Spektakel auf der Riesenleinwand hingegeben und zumindest für hundertzwanzig Minuten die Welt um sich herum vergessen.
Na ja, nicht ganz: Seine Begleiterin Cathy hatte sich schon in der ersten spannenden Szene an ihn gekuschelt.
Plötzlich explodierten vom Eingang her weitere Geschoss-Salven. Irritiert wirbelte Johnny in seinem Sitz herum.
Entsetzte Schreie drangen aus den hinteren Reihen.
Und dann brach die Hölle erst richtig los!
Sie waren zu dritt. Drei Skelettmänner in langen schwarzen Trenchcoats und Schlapphüten auf dem knöchernen Schädel. Wie aus dem Nichts waren sie plötzlich in dem Kinosaal aufgetaucht. Wahrscheinlich hielten die Zuschauer in den hinteren Reihen, die die unheimliche Crew zuerst bemerkten, sie nur für einen Werbegag. Und die Maschinenpistolen in ihren Knochenhänden für Spielzeugwaffen.
Doch dann begannen die drei unheimlichen Gestalten wie auf ein unhörbares Kommando zu schießen.
Sie schossen nicht gezielt, sondern ballerten einfach wahllos in die Menge.
»Verdammt, runter!«, schrie Johnny und riss Cathy mit sich zu Boden.
Die junge Frau klammerte sich an ihn. In ihren Augen, die dicht vor seinem Gesicht schwebten, lag unverblümte Angst.
Nicht schon wieder, schien sie ihm sagen zu wollen.
»Bleib und rühr dich nicht vom Fleck!«, zischte Johnny ihr zu. Er hatte nicht vor, auch nur eine Sekunde länger auf dem Boden zu hocken und allein darauf zu hoffen, dass sie davonkamen. Dass er sich bei den ersten Schüssen geduckt hatte, war aus Instinkt erfolgt. Wie es jeder Mensch gemacht hätte, der nicht bewaffnet war und von einer Horde mit MPis bewaffneter Irrsinniger angegriffen wurde.
Aber Johnny war kein normaler Mensch.
Nicht mehr.
Klar, er hatte keine Superkräfte und war auch in keinen Zaubertrank gefallen. Etwas viel Entscheidenderes hatte sein Leben geprägt. Die Zeit, die er unfreiwillig in der Anderswelt verbracht hatte, die hatte ihn gestählt.
In gewisser Weise auch vor Augen geführt, dass Menschen nicht machtlos waren, wenn Dämonen ihnen ans Leder wollten. Das hatte er zwar schon immer gewusst. Immerhin hieß sein Patenonkel John Sinclair, und sein Vater hatte ebenfalls etliche Dämonen zur Strecke gebracht.
Doch Johnny hatte immer in ihrem Schatten gestanden. Er hatte sich mehr oder weniger hinter diesen beiden starken Männern geduckt.
Damit war es schon länger vorbei. Er gehörte jetzt selbst dazu. Gewährte anderen, wie Cathy, Schutz.
Er musste etwas tun!
»Nicht!« Cathy umklammerte jetzt fester seinen Arm. »Bleib hier! Die Kerle bringen dich um!«
»Oder all die anderen armen Menschen!«, entgegnete er und schüttelte ihren Arm ab.
Dann tauchte er im Schutz der Stühle Richtung Gang, krabbelte über schreiende Menschen hinweg, während die Kugelgarben nun auch die vorderen Reihen eindeckten.
Dann hatte er den Mittelgang erreicht und rannte im Zickzacklauf Richtung Bühne. Links davon befand sich eine Tür, über der ein Notausausgangsschild leuchtete.
Die Kugeln strichen nur Zentimeter über ihn hinweg. So knapp, dass er glaubte, sogar die Hitze zu spüren.
Sie haben mich entdeckt! Die Erkenntnis kam so plötzlich und gleichzeitig mit einer Präzision, die ihn früher erschreckt hätte. Sie hatten es allein auf ihn abgesehen! Warum auch immer …
Seinetwegen mussten all die Unschuldigen sterben.
Er biss die Zähne zusammen und sprang weiter. Die Kugeln fegten nur so um ihn herum. Es war eher ein Wunder, dass sie ihn nicht trafen.
Aber Johnny glaubte an Wunder. Er hatte genug Wunder erfahren …
Er hatte die Tür zum Notausgang erreicht und versuchte, sie nach außen aufzudrücken.
Für ein paar Momente hatte er den Eindruck, dass sie klemmte. Oder sich jemand von der anderen Seite dagegenstemmte … Rechts und links perforierten die Kugeln die Tür.
Mit aller Wucht warf er sich dagegen. Diesmal schwang sie auf, und er hechtete nach vorn, in Sicherheit. Auf dem Boden rollte er sich geschickt ab, robbte sofort weiter, denn nach wie vor ballerten die Skelettmänner wie verrückt, als reichte die Munition in ihren MPis unendlich. Vielleicht tat sie das ja auch …
Es waren ja auch keine Menschen. Diese Kreaturen kamen direkt aus der Hölle.
Und genau dahin würde er sie wieder zurückschicken, schwor sich Johnny. Aber für alle Zeiten!
Er drückte sich in eine Nische und wartete dort die weiteren Salven ab.
Aber es kamen keine.
War den Knochenmännern etwa doch die Munition ausgegangen?
Aus dem Kinosaal drangen nur noch die Schreie der verletzten und in Panik geratenen Zuschauer zu ihm.
Hoffentlich kommt niemand auf die dumme Idee, mir zu folgen und ebenfalls den Notausgang anzusteuern, betete er in Gedanken. Er ging davon aus, dass sie dann sofort wieder schießen würden.
Und er selbst hatte nicht mehr viel Zeit. Er war sich sicher, dass die Mörder auf dem Weg zu ihm waren. Von Anfang an hatten sie geplant, ihn zu killen.
Aber wer weiß, vielleicht hatten sie vorher ja auch noch etwas anderes mit ihm vor …
Von dem Gang, in dem er sich befand, führte eine breite Treppe hinab. Sie waren mit beleuchteten Kantenprofilen versehen.
Wahrscheinlich führte die Treppe nach draußen. In Sicherheit.
Aber es gab zwei Gründe, warum er sie nicht benutze. Erstens wusste er nicht, ob ihn draußen nicht weitere der Kreaturen erwarteten.
Und zweitens konnte er die Menschen hier nicht im Stich lassen. Die Dämonen waren unberechenbar. Gut möglich, dass sie ihren Frust, wenn sie ihn nicht erwischten, weiter an den unschuldigen Zuschauern ausließen.
Unschuldig bin ich auch, fuhr es ihm durch den Kopf. Jedenfalls fiel ihm kein Grund ein, warum die Knochenmänner es gerade auf ihn abgesehen hatten.
Ja, er war unschuldig, das stimmte. Aber nicht ungefährlich. Und das sollten diese Kreaturen zu spüren bekommen!
Vor der Treppe machte der Gang einen Knick. Instinktiv folgte er ihm. Nach ein paar Metern umfing ihn Dunkelheit. Er zückte sein Handy und schaltete kurz die Taschenlampenfunktion ein, um sich zu orientieren. Rechts von ihm befand sich eine Tür. Auch sie war nicht verschlossen …
Er riss sie auf und stellte fest, dass es sich um eine Besenkammer handelte. Rasch schlüpfte er hinein und schloss die Tür hinter sich wieder. Aber nur so weit, dass er durch einen Spalt hinaussehen konnte.
Es war keinen Augenblick zu früh gewesen!
Die Tür zum Notausgang wurde aufgestoßen. Die drei Knochenmänner stürzten herein.
Sie sind unglaublich schnell, erkannte Johnny in seinem Versteck. Und sie kommunizierten miteinander, ohne zu sprechen. Sie verstanden sich blind. Sie stoppten nur kurz und witterten wie Spürhunde. Dann rannten zwei von ihnen die Stufen hinab, während der dritte Knochenmann in seine Richtung kam. Er bewegte sich nun langsamer vorwärts, schnüffelte nach rechts und nach links.
Und plötzlich wurde sein Totenschädelgrinsen noch breiter.
Er hat mich gewittert!
Johnny fasste blind nach hinten. Alles, was er zu greifen bekam, war der lange Stiel einer Schaufel.
Besser als nichts!
Der Untote war nur noch zwei Schritte von dem Türspalt entfernt. Unwillkürlich schob sich Johnny noch tiefer in den Schatten der Kammer zurück. Er spürte sein Herz klopfen. Aber seine Hände zitterten nicht. Und auch sein Verstand arbeitete glasklar. Wie ein Uhrwerk, für das die nächsten Sekunden bereits auf dem Zifferblatt vorgezeichnet waren.
Der Knochenmann riss die Tür auf. Ein triumphierendes Fauchen entrang sich seiner Kehle, in der allenfalls noch Fragmente verrotteter Stimmbänder drin sein konnten.
Aber genauso hätte diese Kreatur gar nicht erst existieren dürfen. Allein schwarze Magie hielt die Knochen zusammen und ermöglichte es, dass das Monster überhaupt existierte.
Johnny sah, wie das Höllenfeuer in den leeren Augenhöhlen rot aufglühte.
Die Kreatur hatte ihn erspäht. Sie riss die MPi hoch, um zu feuern.
Doch Johnny war einen winzigen Augenblick schneller.
Mit voller Wucht stieß er dem Angreifer den Stiel der Schaufel in die Rippen. Sein Gegner gab nicht einen Laut von sich, als er von der Wucht des Hiebs nach hinten taumelte.
Johnny setzte sofort nach. Sein linkes Bein zuckte nach oben, und er trat dem Knochenmann die MPi aus den Händen.
Diesmal entfuhr dem Skelett doch ein Laut. Das wütende Knurren, das an einen tollwütigen Hund erinnerte, signalisierte Johnny, dass sein Gegner nach wie vor brandgefährlich war. Das zeigte ihm auch ein Blick in dessen Augenhöhlen, in denen das Höllenfeuer hasserfüllt gloste.
Johnny hielt noch immer den Stiel umfasst. Er wirbelte ihn herum, sodass die Schaufel nun vorne lag.
Der Skelettmann stürzte sich auf ihn. Johnny reagierte reflexartig. Er holte mit der Schaufel aus und ließ sie auf das Genick des Angreifers niederkrachen.
Die Wirkung war enorm. Der Kopf löste sich wie Pappmaschee vom Rumpf und fiel zu Boden. Der Skelettmann ging ebenfalls in die Knie, so als hätte man unsichtbare Strippen gekappt, an denen er hing.
Johnny atmete einmal tief durch. Konnte er dem Frieden trauen? Er trat mit dem Fuß gegen die Brust des reglos am Boden Knienden. Es war, als stieß er gegen eine leere Hülle. Der Knochenmann sackte nach hinten. Der Trenchcoat fiel in sich zusammen. Als sich Johnny bückte und ihn aufriss, war darunter nur noch Staub.
Er wandte sich nach dem Schädel um. Auch der fiel zusehends zusammen. Das Höllenfeuer darin war erloschen.
Schreie waren zu hören. Die ersten Zuschauer drängten sich nun ebenfalls in den Notausgang.
Augenblicklich handelte Johnny. Er durfte die Leute nicht in ihr Verderben laufen lassen! Womöglich lauerten die beiden verbliebenen Knochenmänner noch irgendwo dort unten.
Er bückte sich und schnappte sich die MPi, die er seinem Gegner aus den Händen getreten hatte. Sie war sicherlich nicht mit Silberkugeln geladen, aber immer noch besser, als den beiden anderen unbewaffnet gegenüberzustehen.
Damit rannte er in Richtung Tür.
Die ersten Zuschauer sahen ihn und stoppten mitten im Lauf. Offensichtlich verkannten sie die Situation und gerieten noch mehr in Panik, als sie ihn mit der Waffe sahen.
»Zurück!«, schrie Johnny. »Gehen Sie wieder zurück in den Saal! Dort passiert Ihnen nichts!«
Er wusste nicht, ob sie überhaupt begriffen, was er ihnen entgegenschrie. Aber zumindest liefen sie auch nicht weiter, weil die Waffe sie abschreckte. Johnny konnte nur hoffen, dass sie vernünftig blieben und ihm nicht folgten.
Er drehte sich um und lief die Treppe hinab, die MPi schussbereit im Anschlag.
Am Fuß der Treppe wies ein Leuchtschild Richtung Ausgang. Er folgte der Beschriftung, lief durch einen Gang und stieß endlich die Tür nach draußen auf.
Geblendet schloss er die Augen. Es war noch hell draußen. Die heiße Sommerluft hatte sich auch gegen Abend nur wenig abgekühlt.
Die Seitenstraße war kaum befahren. Nur wenige Passanten waren unterwegs. Eine junge Frau schrie entsetzt auf, als sie ihn mit der MPi in der Hand erblickte. Ihr Begleiter drückte sie schützend an sich.
Johnny beachtete die beiden nicht. Wie ein Spürhund hielt er Ausschau nach den beiden Knochenmännern. Nicht auszudenken, wenn sie das Blutbad hier draußen fortsetzten.
Hinter einem parkenden Wagen glaubte er, einen schwarzen Schlapphut auszumachen. Allerdings war er zu weit weg, um mit Gewissheit sagen zu können, ob es sich um einen der Knochenmänner handelte.
In dem Moment drehte sich der Mann um – und Johnny erkannte, dass sich unter dem Schlapphut ein Totenschädel befand. Selbst aus der Entfernung konnte er das Glühen in den Augenhöhlen sehen.
»Verschwinden Sie hier! Schnell!«, rief Johnny dem Pärchen zu, während er sich gleichzeitig duckte und die Deckung der parkenden Autos benutzte, um näher an seinen Gegner heranzukommen.
Der schien es nicht nötig zu haben, seinerseits in Deckung zu gehen. Kaum hatte er Johnny entdeckt, schritt er auf die Straße und kam ihm entgegen. Dabei ballerte er pausenlos aus seiner MPi.
Johnny blieb stehen. Noch enger drückte er sich an einen der parkenden Wagen. Es handelte sich um einen Mitsubishi Pickup. Das Blech schien dick genug, um die Kugeln aufzuhalten. Aber wie lange noch? Dass sich der Knochenmann derart ungeschützt herauswagte, verriet Johnny, dass er mit seiner Vermutung richtiglag: Normale Kugeln musste sein Gegner nicht fürchten.
Okay, aber ganz so immun würde er dagegen auch nicht sein.
Hoffte er zumindest.
Er schätzte im Geiste ab, wann er sich aus der Deckung trauen konnte. Er musste bis zum letzten Moment die Nerven behalten. Nur dann hatte er eine Chance.
Wenn überhaupt …
Aus der Ferne näherte sich das Sirenengeheul eines Krankenwagens. Wahrscheinlich würde es auch nicht mehr lange dauern, bis die ersten Polizisten eintrafen.
Nur würde ihm das auch nicht helfen.
Die Salven aus der MPi schlugen jetzt direkt vor ihm auf dem Bürgersteig ein.
Er fluchte, und das vor allem über sich selbst. Nicht zum ersten Mal, seit die Knochenmänner erschienen waren, hätte er sich dafür ohrfeigen können, die Beretta mit den Silberkugeln nicht dabei zu haben. Vor allem die Ereignisse in Italien, als er den Feuerfluch der Gaukler zerstört hatte, hatten ihm gezeigt, dass es unklug war, zu glauben, er könnte so weiterleben wie vor seiner Zeit in Twilight City.
Er war längst ein anderer Mensch geworden. Ob die Dämonen ihn anzogen und er einfach ein feineres Gespür für sie bekommen hatte, oder ob es umgekehrt war, und sie ihn als potentielles Opfer auserkoren, er hatte keine Ahnung.
Fakt war, dass er sich mit einer mit geweihten Silberkugeln geladenen Beretta in der Hand den Dämonen weniger ausgeliefert fühlte.
Und dennoch hatte er sie meistens nicht dabei. Und wer rechnete schon bei einem harmlosen Kinobesuch damit, dass plötzlich die Hölle ausbrach?
Auf einmal tauchte über ihm ein Schatten auf. Verdammt, hatte sich einer der Gegner herangepirscht und war unvermittelt in den Pick-up gesprungen?
Nein, das war eher unwahrscheinlich. Und erst auf den zweiten Blick erkannte er, wer da plötzlich hinter der Fensterscheibe des Wagens aufgetaucht war.
Das Mädchen war fünfzehn oder sechzehn und hatte lange rote Haare und ein hübsches Gesicht. In einigen Jahren würden sich Heerscharen von Männern in dieses Gesicht verlieben. Jetzt jedoch war es eine vor Angst verzerrte Fratze.
Das Mädchen starrte auf ihn herab, als wäre er ein Monster. Immerhin hielt er noch die MPi in der Hand, die er dem erledigten Knochenmann abgenommen hatte.
Ich muss sie da rausholen!
Zu dem ersten Knochenmann hatte sich ein weiterer gesellt. Wenn die Skelette den Wagen erreicht hatten, war auch das Mädchen in Gefahr. Noch waren sie zwanzig Meter entfernt. Ein paar Sekunden blieben Johnny, um …
Er sprang, verließ für ein, zwei Sekunden die sichere Deckung, während er die Wagentür aufriss.
»Wirf dich hin!«, schrie er dem Mädchen zu.
Das regierte augenblicklich. Es rollte sich vom Beifahrersitz auf den Boden ab und war dort erst einmal in Sicherheit vor den Kugeln, die nach wie vor pausenlos aus den MPis der beiden Knochenmänner ratterten.
»Gut so!«, rief Johnny dem Mädchen zu und versuchte, ein halbwegs freundliches Lächeln zustande zu bringen. »Ich bringe uns in Sicherheit, okay?«
Das Mädchen nickte verstört. Ob es ihn wirklich für einen von den Guten hielt? Er war sich nicht sicher …
Aber er hatte auch keine Zeit, sich darüber große Gedanken zu machen. Sein Blick huschte zum Zündschloss, während er geduckt in den Wagen kletterte. Der Schlüssel steckte!
Im selben Moment zerfaserte die Frontscheibe in tausende winziger Puzzlestücke. Das Sicherheitsglas hielt stand – zumindest an den Stellen, an denen die Geschosse nicht hindurchpfiffen und über Johnny hinweg auch die Rückscheibe durchschlugen.
Das Mädchen kreischte vor Angst.
Johnny schob den Schlüssel tiefer in die Halterung, damit er einrastete. Dann betätigte er die Startautomatik. Die Armaturen leuchteten auf. Johnny trat die Kupplung bis zum Anschlag durch, während er ein zweites Mal die Startautomatik drückte.
Der Motor sprang an!
Das alles hatte viel zu lange gedauert. Die Sekunden hatten sich wie Minuten angefühlt. Sein Zeitgefühl sagte ihm, dass seine Gegner nur noch wenige Meter entfernt waren. Sehen konnte er nichts, weil er mittlerweile noch tiefer in den Sitz gerutscht war, um dem pausenlosen Beschuss zu entgehen.
Augen zu und durch!
Er gab Vollgas!
Obwohl er nichts sah, bemühte er sich, den Wagen in der Spur zu halten.
Und er betete, dass niemand sonst sich ihm in den Weg stellte.
Nicht auszudenken, wenn ein Unschuldiger …
Der SUV kollidierte mit einem Hindernis. Etwas flog gegen die Windschutzscheibe und blieb darin stecken. Ein Totenschädel! Höhnisch grinste er Johnny an. Das Höllenfeuer in den Augenhöhlen brannte trotz des Aufpralls unerbittlich.
Gleichzeitig hüpfte der schwere Wagen zweimal auf und ab. Zuerst die Vorderräder, dann die Hinterräder, bis das Hindernis schließlich überrollt war.
Johnny hoffte, dass er wenigstens einen der Knochenmänner erwischt hatte. Zumindest die MPi-Salven waren verstummt.
Der in der Scheibe steckende Totenschädel starrte ihn noch immer hasserfüllt an.
Gut, dass das Mädchen das nicht mit ansehen muss!
Ein Blick zu der Kleinen verriet ihm, dass sie sich unter dem Sitz zusammengekauert hatte und das Gesicht in die verschränkten Arme gepresst hielt.
Johnny grinste zurück, hob die MPi, die er zwischenzeitlich auf den Beifahrersitz gelegt hatte, und drückte ab.
Seine Vermutung bestätigte sich: Die Knöchernen mochten gegen normale Kugeln weitgehend immun sein, gegen die Wucht der Geschosse waren sie allerdings genauso machtlos wie jeder normale Mensch.
Der Schädel zerbarst in einem Hagel von Knochensplittern, die Johnny um die Ohren flogen. Er wusste nicht, ob an dem Kopf noch der Rest des Skeletts gehangen hatte, aber durch das kopfgroße Loch, das nun in der Scheibe entstanden war, konnte er keinen Angreifer mehr sehen.
Dafür aber einen Notarztwagen, der genau in seine Richtung gerast kam.
»Festhalten!«, schrie er.