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Dem Weltraum-Kurier Jonny Juicebag wird nach einer langen Geschäftsfahrt mit seinem Benz-Spacecar die Einreise zur Erde verweigert, weil ihm die grüne Umweltplakette fehlt. Um sich diese zu besorgen, fährt Jonny eine Raststation der Firma ASSHOLE an, gerät in einen Massenunfall und lernt während einer damit erzwungenen Übernachtung in einem Spacotel die beiden Redner Taub und Stumm kennen, die ihn mit Red Boll – dem vermeintlichen Gott der Redner, der bei IHBEI gerade eine der letzten Umweltplaketten versteigert – bekannt machen. Unerklärliche Wege lassen Jonny seine Traumfrau Puera Periit aus der Gewalt mutierter Campinggrills auf dem Planeten Proprokyon befreien und auf deren Heimatplaneten Red bringen. Jonny kommt zum ersten Mal mit dem Zässpässeridssperma – einem blauen Zeug von Fleischflosser-Schlüpfern – in Kontakt, welches nicht nur für die Raumfahrergenossenschaft von großer Bedeutung ist. Es ruft in Jonny merkwürdigste Visionen hervor. In diesen zunächst unerklärlichen Visionen erfährt Jonny seinen wahren Namen Kannazukinomiko; will jedoch nicht wahrhaben, dass er selbst ein Hädderedete von Neddbegghde ist und als Vierjähriger durch Beddneggedhes von Neddbegghde entführt wurde. Neben den atemberaubenden Szenen auf dem Ödlandplaneten Red kommt es zu einer schweren Entscheidung in Jonnys Liebesleben, denn Puera Periit, Kommandantin Krank und zwei Hädderedete-Prachtburschen spielen mit seinen Gefühlen. Auch Gouge, Jonnys mobiles Navigationsgerät, macht es dem Titelhelden wahrlich nicht immer leicht. Tino Hemmann entführt Sie in eine rasante Mischung aus »Die Enkel von Dune«, »Ausgesetzt im Ödland« und »Die Erde sucht den Superkosmonauten«.
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Seitenzahl: 427
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Titleseite
Impressun
Der Anstoß (Big Bang)
Der Space-Polizist
Der EZRPPGH
Der Stau und seine Folgen
Der ASSHOLE-Rastplatz
Der Herr Detlef Rosa Anus Ring
Der Taub und der Stumm
Der geheime Geheimplan
Der Abschied vom Spacotel
Der Weg zu Puera Periit
Der Gefahr ins Auge geschaut
Der, dessen Namen man nicht sagt
Der Widerspenstigen Bändigung
Der heilige Campinggrill
Der Abschied von Proprokyon
Der Intergalaxiale Air Luxus Discount
Der andere Weg
Der Retter auf Red
Der Herrscher von Red
Der geheimnisvolle Junge mit der Trommel
Der Weg ins Tal der Riesensarcopterygiis
Der Verräter
Der unerwartete Besuch
Der böse, terroristische, aber durchschaute Anschlag
Der ungebetene Gast
Der Schutzschild um Keid 3
Der finale Akt
Der Epilog
Der erläuternde Teil
Bibliografie von Tino Hemmann
TINO HEMMANN
Science-Fiction-Parodie
Engelsdorfer Verlag Leipzig 2011
Sicherheitshinweis:
Auch, wenn es auf den ersten Blick nicht den Anschein macht: Alle, wirklich alle Personen, Roboter, selbst die nicht einzuordnenden Typen und sämtliche Ereignisse in diesem Buch sind von Anfang bis Ende frei erfunden oder bestehenden Vorbildern frei nachempfunden!
Einen herzlichen Dank an meine Lektorin
Bergit Rentz
www.fehlerjägerin.de
Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
eISBN: 978-3-86268-279-9
Copyright (2011)
Engelsdorfer Verlag Leipzig
Alle Rechte bei Tino Hemmann
Titelgestaltung Tino Hemmann unter Zuhilfenahme folgender Bilder:
»androids robots« © innovari - Fotolia.com
»Planet« © sdecoret - Fotolia.com
Vor genau 13.711.824.531 irdischen Jahren zerfetzt – gefangen in einem unendlichen Zeit-Raum-Gefüge – ein unglaublich großes Materieknäuel in viele kleine, kaum berechenbare Teile, die sich wirr durcheinanderzubewegen beginnen. Was auf dem damals unbedeutenden, heute jedoch marktwirtschaftlich extrem kalkulierenden Planeten Erde als »Big Bang« bezeichnet wird, nennt man auf Keid 3 – auch bekannt als Planet 40 Eridani 3 – den »Kraschuwha«, aus dem Keidnischen frei übersetzbar mit »wenn ein großes Materieknäuel, gefangen in einem unendlichen Zeit-Raum-Gefüge, in viele kleine, kaum berechenbare Teile zerfetzt wird«.
Lange bevor sich auf dem Planeten Erde hässlich winzige Einzeller zu Menschen entwickeln, pulsiert auf Keid 3 bereits eine hochtechnisierte Feudalgesellschaft, bezeichnet als das »Quartier der Keiden«.
Später, zu einer Zeit, da die Irdischen von der Pest hinweggerafft werden und ihre hässlichsten Weibchen als Hexen verbrennen, schickt das Quartier der Keiden die ersten Spacecars hinaus in das angeblich unendliche Universum. Neben vielen anderen Erlebnissen der Keiden auf fremden Planeten gelten zwei Geschehnisse als besonders herausragend und historisch wertvoll:
Erstens: Auf dem Miniplaneten Proprokyon, der zwischen den beiden Prokyon-Sonnen im Prokyon-Sonnensystem hin und her geworfen wird, vergisst ein keidnischer Forscher seinen Campinggrill.
Zweitens: Auf einem namentlich leider nicht mehr bekannten Planeten findet ein Team der Keiden eine neue landgebundene Fleischflosserart. Das Team nimmt mehrere der landgebundenen Fleischflosser mit, um sie auf Keid 3 dermatologisch untersuchen zu lassen. Bei einem notwendigen Zwischenaufenthalt auf dem angeblich unbewohnten Planeten Red im hellen Sektor des Rana-Sterns fällt jedoch der Anlasser des Spacecars der Keiden aus. Außerdem wird dem Forschungs-Team kurz nach der Landung von hungrigen, landgebundenen Fleischflossern die Sendeantenne weggefressen.
Da den gestrandeten Keiden somit der Weiterflug und der Kontakt zu Keid 3 nicht mehr möglich sind, beschließt das Team, den ungastlichen und öden Planeten Red zu besiedeln.
Die Keiden nennen ihre neue Heimat schlicht Neddbegghde, was im Keidnischen so viel wie »ein total öder und hässlicher Planet« bedeutet. Auf Neddbegghde existieren fortan augenscheinlich nur zwei sich rasch vermehrende Lebensformen: die der Keiden, die eine neue Dynastie, nämlich das »Quartier der Hädderedete« gründen, und die der landgebundenen Fleischflosser. »Hädderedete« lässt sich aus dem Keidnischen mit »Keiden mit blauen Nasen, die auf einem öden und hässlichen Planeten festsitzen« übersetzen.
Das mit den blauen Nasen kommt nicht von ungefähr, denn im Laufe der Zeit beginnen die Nasen der Hädderedete tatsächlich blau zu leuchten. Die Hädderedete wissen noch nicht, dass sie längst von den Ureinwohnern des Planeten Neddbegghde beobachtet werden, denn diese Ureinwohner, die sich selbst Redner nennen, sind Antlitzwandler und mischen sich unerkannt unter die Hädderedete. Außerdem haben sich die Ureinwohner mit dem öden Planeten arrangiert, wobei bis heute niemand weiß, wie sie das gemacht haben.
Irgendwann kommen die Hädderedete dahinter, wie sie auf Neddbegghde Wasser gewinnen können. Sie tun dies mit sogenannten »Rengrängatoren«, wofür es im Keidnischen keine sinnvolle Übersetzung gibt, weshalb sich viele Jahre später keidnische Axiologen streiten. Die einen meinen, der Wortstamm wäre »Rengrän«, was im Keidnischen so viel heißt wie »das Ding, das Wasser macht« und bei den Keiden eine eher vulgäre Bezeichnung für den männlichen Penis ist, die anderen berufen sich auf eine Wortzusammensetzung aus »Reng« (keidnisch: Wasserstoff) und »Räng« (keidnisch: Dioxid). Durch das gewonnene Wasser jedenfalls entsteht auf Neddbegghde eine Oase, die die Hädderedete »Neddbegghde-Oase« nennen.
Die landgebundenen Fleischflosser werden in der Zwischenzeit zur Plage, stehen jedoch unter dem Naturschutz der Hädderedete. Die Hädderedete nennen diese landgebundenen Fleischflosser die Zässpässerids, was im Keidnischen so viel wie »landgebundene Fleischflosser, die eine Plage sind, aber unter Naturschutz stehen« heißt.
Nachdem sich Generationen von Hädderedete auf Neddbegghde abgelöst und die Erden-Menschen zwischenzeitlich die Atombombe erfunden haben, beobachten die Hädderedete, dass einige von ihnen merkwürdig auf eine blauschleimige Absonderung der Zässpässerids reagieren, indem die auserwählten Hädderedete merkwürdige Visionen träumen. Die blauschleimige Absonderung der Zässpässerids wird von den Hädderedete auf Neddbegghde »Zässpässeridssperma«, was im Keidnischen so viel wie »Befruchtungsflüssigkeit von landgebundenen Fleischflossern, die eine Plage sind, aber unter Naturschutz stehen« heißt. Erst viel später wird sich herausstellen, dass das Zässpässeridssperma noch ganz andere Eigenschaften hat.
Die Redner, jene Ureinwohner vom Planeten Neddbegghde, der in deren Sprache Red heißt, bauen heimlich verschiedene Schmuggelrouten im Weltall auf, so dass sie nicht verhungern müssen. Sie wollen sich selbstverständlich auf Red ausbreiten, schlürfen außerdem viel Zässpässeridssperma – das meist tief im Boden zu finden ist – und essen Zässpässeridsfilet. Sie lernen ebenso die merkwürdigen Nebenwirkungen des Zässpässeridsspermas kennen. In der Sprache der Redner heißen die Zässpässerids schlicht »Schlüpfer« und das Zässpässeridssperma noch schlichter »Scheiss«, was nicht mehr und nicht weniger als eine Abkürzung für »Schlüpfer-Ei-Spermatophoren-Samenpakete« ist.
Auch die Nasen der Redner beginnen eines Tages, blau zu leuchten.
Im Quartier der Hädderedete wird derweil ein Kronprinz gezeugt, geboren und mit Zässpässeridssperma auf den Namen Kannazukinomiko getauft. Schon am Tage nach seiner Geburt werden Kannazukinomiko und seine Mutter entführt. Die Mutter verschwindet auf Nimmerwiedersehen, Kannazukinomiko entsorgen die Entführer im Ödland von Neddbegghde, wo der arme, kleine Wurm von Zässpässerids aufgenommen und ein paar Monate später von seinem Vater in der Neddbegghde-Oase gesund und munter gefunden wird.
Der kleine Kannazukinomiko baut eine eigentümlich vorbehaltlose symbiotische Verbindung zu den Zässpässerids auf, über die sich die Hädderedete auf Neddbegghde sehr wundern. Mit großem Erstaunen beobachten die Hädderedete, dass nicht nur Kannazukinomikos kleine Stupsnase leuchtet, sie staunen vielmehr darüber, dass auch sein damals noch winziger Penis in einem intensiven, wundersamen Blauton erstrahlt. Dem Kronprinzen namens Kannazukinomiko geben die Hädderedete den verehrenden mythischen Namen »Mäggdenagg«, was im Keidnischen so viel wie »Kronprinz, bei dem nicht nur die kleine Stupsnase, sondern auch sein winziger Penis blau leuchtet« bedeutet.
Kannazukinomiko sieht im zarten Alter von vier Jahren in einer Vision, dass einige Redner – die er selbst als Beddneggedhe bezeichnet – über die Hädderedete auf Neddbegghde herfallen und diese verjagen wollen. Kurz darauf wird sein Vater entführt. In der Mythologie der Keiden heißt es, Beddneggedhe hätten den Vater tief im Ödland ausgesetzt, wo er zu einem mächtigen Zässpässerids mutiert sei. Außerdem sieht Kannazukinomiko in einer späteren Vision, dass die Redner alle Rengrängatoren und auch die Neddbegghde-Oase auf Neddbegghde zerstören. Manchem Hädderedete geht Kannazukinomiko ein bisschen auf die Nerven, weil er für sein Leben gern trommelt.
Die Redner – allen voran deren Anführer Red Boll, der sich vorsätzlich dauerhaft in einen blauen Gnom antlitzverwandelt und unter den Rednern als Gottheit angesehen wird, obwohl er nur ein elender Schmuggler ist – beschließen heimlich, sämtliche Rengrängatoren und auch die Neddbegghde-Oase auf Neddbegghde zu zerstören und über die Hädderedete auf Neddbegghde herzufallen und diese zu verjagen.
Red Bolls perfider Plan beinhaltet weiterhin, zunächst den häufig hellsehenden Prinzen Kannazukinomiko wieder einmal zu entführen, so dass der kleine Kronprinz des Quartiers der Hädderedete in einer seiner bewundernswerten Visionen Red Bolls Pläne nicht durchschauen könnte. Warum Kannazukinomiko seine eigene Entführung von Neddbegghde nicht vorausgesehen hat, bleibt bis heute sein Geheimnis.
Kannazukinomiko wird jedenfalls in einer Nacht- und Nebelaktion durch die Redner aus der Neddbegghde-Oase der Hädderedete und von seinen geliebten Zässpässerids verschleppt und von Schmugglern auf den Planeten Erde geschmuggelt, wo Kannazukinomiko in einer Großfamilie aufwächst und während seiner Kindheit und Jugend viel Zeit mit dem Zeichnen von Comics verbringt, damit jedoch nie den Durchbruch schafft. Das Trommeln wird ihm streng verboten. Mit zwölf Jahren macht Kannazukinomiko den Führerschein auf Probe für erdnahe Spacecars, verliert ihn jedoch gleich wieder, weil er nach der Einnahme starker Drogen am Steuer erwischt wird.
Neunzehn Jahre später beginnt unsere eigentliche Geschichte.
Stellen Sie sich vor, Sie sehen das Weltall. Sie sehen Sonnen, Planeten, Nebelbänke, also den üblichen Quatsch. Nun aber hebt sich vor Ihren Augen die von Meteoriten begrenzte Spacecarbahn vom Rest des Universums ab. Abgefahrene Spacecars zischen vorüber. Das ist doch mal was, oder? Vom Horizont her nähert sich mit hoher Geschwindigkeit ein zinkgelbes Fahrzeug mit verdammt geiler Beleuchtung. Der große Stern am Heck verrät: Es ist ein Benz, Typenbezeichnung WFG 6800 SL, Antrieb über Fusionsgenerator mit Selbstansauger für Wasserstoff. Seine Leistung beträgt 6800 Megawatt. Dem Benz folgt ein mit unzähligen Rundumleuchten in blaues Licht getauchtes Fahrzeug der Space-Polizei, das Mühe hat, dem Benz zu folgen. Im Benz sitzt ein wirklich gut aussehender Mann am Steuer und hört laute Musik mit rassigen, bassigen Tönen. In diesem Moment wird die Musik im Benz heruntergeregelt und stattdessen das Sprach-Signal der Polizei eingespielt, was den Benzfahrer nicht unwesentlich stört.
»Space-Polizei, Officel Ching! Sie da, in dem velbeulten, pissgelben Spacecal! Stoppen Sie Ihl Fahlzeug und halten Sie links an!«
»Links? Warum links?«, fragte ich überrascht.
»Von mil aus lechts. Links hat immelhin kein ›L‹. – Abel stoppen Sie sofolt!«
Dieser Arsch hatte meinen Benz als verbeult und pissgelb bezeichnet! »Hat dieser Arsch meinen Benz als verbeult und pissgelb bezeichnet? Das ist Zinkgelb! Wie pisst der denn?«, fragte ich.
Egal. Mit einer oberblöden Verkehrskontrolle auf der SCB 12 [Spacecarbahn Nummer 12, (Zentrum der Milchstraße – via Erde – Richtung Lagunen-Nebel)] durch eine chinesische Orbit-Patrouille, fing das komplette Dilemma an. Wobei, Dilemma ist vielleicht das falsche Wort. Es sollte ein Abenteuer, eine bedeutungsvolle Episode meines Lebens, die größte Affäre aller Zeiten und was weiß ich noch werden.
Mein Name ist Juicebag. Jonny Juicebag. Meine besten Freunde nennen mich Jonny. Wenn ich es mir recht überlege, dann habe ich noch keine besten Freunde. »Jonny Juicebag« ist ein Anglizismus für »Johannes Saftsack«. Ich bin nach eigenem Ermessen der allerallerletzte Weltraum-Kurier. Bis auf einen fuzzilianischen Krötenmann aus dem Klitorisnebel am Rande der Milchstraße – vielleicht. Als ich den Krötenmann das letzte Mal traf, war er jedenfalls noch als Kurier unterwegs. Wenngleich mit einem Oldtimer schlechtester Sorte. Fmmff Mfmf hatte mir schon damals mitgeteilt, er wolle den Job endlich an den Nagel hängen, das ganze Chaos im All hätte ihn völlig fertiggemacht. Außerdem wurde er vor Jahren in einen Massenunfall verwickelt, der ihn die Schallblase kostete, die er dringend benötigt hätte, um Paarungsrufe zu erzeugen, weshalb er nun völlig vereinsamt wäre. Soweit ich weiß, wollte er immer ein Schmuggler werden.
Sie fragen sich jetzt zweifellos: Wie kann ein popeliger Weltraumkurier Fuzzilianisch beherrschen? Die seltene Muttersprache der Fuzzilianer besteht bekanntlich nur aus zwei Buchstaben, dem »F« und dem »M«. Wenn Nichtfuzzilianer versuchen, in dieser Sprache zu kommunizieren, dann klingt es, als hätte man ihnen das Sprachorgan zugeklebt oder aber sie hätten gerade die eigene Zunge oder etwas ganz anderes verschluckt. – Aber nicht bei mir. Dank meiner Übungen klang Fuzzilianisch aus meinem wunderbaren Mund ausgesprochen fuzzilianisch. Ich war oft genug im Klitorisnebel unterwegs – aus ganz persönlichen Gründen und beruflich. Ich benötigte gewissermaßen das Wissen um die fuzzilianische Sprache. Und außerdem: Wenn Mann – wie ich – ständig unterwegs war und endlos lange Weltraumspacecarbahnenparsec in völliger Isolation hinter sich ließ, dann hatte er unheimlich viel Zeit und lernte etliche Sprachen, unter anderem eben auch Fuzzilianisch. Außerdem kriegte man den Klitorisnebel nicht mehr aus dem Hirn, wenn er einmal drin war.
Mein MRANG trug selbstverständlich auch seinen Anteil daran, dass ich so viele Planetensprachen beherrschte, er speicherte sämtliche Sprachen, so dass ich mich im Notfall verständigen konnte.
Och, nun hören Sie schon auf! Was ein MRANG ist? Haben Sie kein Wikispacia? Oder wurde der MRANG-Eintrag ohne Diskussion gelöscht?
Ein MRANG ist ein mobiles roboterartiges Navigationsgerät. Im Weltall war man ohne MRANG voll angeschissen, schließlich sehen die Sterne so ziemlich alle gleich aus. Und würde man sich verfahren, wäre man schnell mal tausend Jahre zusätzlich unterwegs. Mein MRANG trug im Übrigen die Bezeichnung VSP5000DDD. Vom Schrottplatz – daher kommt das VSP. Denn als ich das Ding anschaffen musste, war ich wie immer pleite. Auf einem Schrottplatz nahe dem Pegasus fand ich ihn: Einen hüfthohen Roboter, an den Schenkeln ein bisschen zerknittert und nachlackiert, mit gerade mal 5000 Terrabyte Speicher, dafür aber mit vollautomatischer, dynamischer Daten-Duplizierung (kurz: DDD). Als ich ihn vom Schrottplatz abholte, verlor er viereinhalb Liter Altölurinat; der Fleck auf dem Beifahrersitz ist heute noch zu sehen. VSP5000DDD ließ sich ziemlich bescheiden aussprechen, vor allem, wenn ich in Eile war. Ich suchte demzufolge nach einem kurzen Namen und taufte schließlich das VSP5000DDD auf den Namen Gouge. Ich liebe blöde Anglizismen.
»Polizei. Ich glaube fast, wir müssen stoppen«, plärrte Gouge.
»Das wäre mir jetzt wirklich nicht aufgefallen, Gouge. Gut, dass du es erwähnt hast.« Ich streckte, dehnte und reckte mich. Ein wenig hatten mich Müdigkeit, Abgespanntheit und Mattigkeit übermannt, bis mich die Weltraum-Bullen aus meinen Träumen gerissen hatten. »Die Weltraum-Bullen haben mich voll aus meinen Träumen gerissen«, sagte ich.
»Aha.« Gouge konnte mit mir sprechen, ohne mich dabei anzusehen. »Die Weltraum-Bullen haben dich aus deinen Träumen gerissen? Hattest du schöne Träume?«
»Feuchte. Wie immer. Ich habe feucht von Puera Periit geträumt. Aber nicht ganz so feucht. Verstehst du, Gouge? – Drossle das Tempo ein bisschen. – Die Weltraum-Bullen haben mich aus meinen Träumen gerissen, bevor es richtig feucht werden konnte.«
»Aha. Ich hatte noch nie feuchte Träume. Ich habe auch noch nie von Puera Periit geträumt. Ist das nicht merkwürdig? Du träumst ständig von dieser Frau«, sagte Gouge. »Soll ich links oder rechts halten?«
»Du hast überhaupt nie irgendwelche Träume. Denn du bist nicht mehr als ein schäbiges Navigationsgerät.« Meine linke Gesichtshälfte zuckte nervös. Sie zuckte immer nervös, wenn mich eine gottverdammte, noch dazu chinesische Orbit-Patrouille kurz vor dem Ziel stoppte. »Rechts natürlich, Gouge! – Könnte den Chinesen so passen, dass ich links halte. Dann rammelt mir noch einer hinten rein.«
»Aha«, sagte Gouge. »Dann werde ich rechts halten. – Du hast recht. Ich habe keine Träume. Schließlich bin ich nur ein schäbiges Navigationsgerät.« Das MRANG hatte den Vorteil, dass es die Kommunikationsanlage bedienen konnte, ohne sie wirklich zu bedienen. Ich musste Knöpfe drücken und Rädchen drehen, Frequenzen suchen und Antennen bewegen, wenn ich mit jemandem sprechen wollte, der sich nicht in meinem Spacecar befand. Gouge machte das alles über Sciwlan. Das war ein Spacecar internes Wireless Local Area Network – kurz: Sciwlan.
»Rede nicht so viel, stopp endlich die Kiste«, raunte ich.
»Auch wenn ich nur ein schäbiges Navigationsgerät bin: Ich kann reden und gleichzeitig das Spacecar über Sciwlan steuern. Ich habe die totale Stopp-Sequenz eingeleitet. Wir werden nach siebenundvierzigtausend Kilometern rechts anhalten.«
Die hocherotische Frauenstimme unseres Bordcomputers meldete sich aus achtundvierzig Lautsprechern der Soundanlage gleichzeitig. Ich liebte diese Stimme! »Die Geschwindigkeit des Spacecars verringert sich. Wir werden nach siebenundvierzigtausend Kilometern rechts anhalten.«
»Officer Ching!«, rief ich. »Ich habe die totale Stopp-Sequenz eingeleitet. Wir werden nach siebenundvierzigtausend Kilometern rechts anhalten.«
»He, Sie da, in dem velbeulten, pissgelben Spacecal! Von euch aus gesehen lechts oder von uns aus gesehen lechts?«
»So ein Trottel«, sagte ich einfach so. Schließlich fuhren wir beide in die gleiche Richtung. Eine solch dumme Frage konnte nur einem Weltraumpolizisten einfallen.
»He, Sie da, in dem velbeulten, pissgelben Spacecal! Haben Sie mich etwa gelade als Tlottel bezeichnet?«, fragte der Officer mit scharfer Stimme. »Da seid ihl bei mil abel an del lichtigen Adlesse!«
»Du hättest die Verbindung auch wieder trennen können, Gouge«, sprach ich leise und vorwurfsvoll. »Er musste das mit dem Tlottel …, ähm Trottel, wirklich nicht hören.«
»Er musste das mit dem Tlottel …, ähm Trottel, wirklich nicht hören?« Das MRANG raunte schuldbewusst hinterher: »Aha.«
Und dann sagte ich etwas lauter und blickte dabei aus dem Seitenfenster zum Polizeifahrzeug: »Selbstverständlich nicht, mein lieber Officer Ching. Ich sprach mit meinem Navigationsgerät und sagte ›Mo rein Grottel‹. Das ist acruxistisch und heißt so viel wie …, wie …«
»Alpha Crucis?«, unterbrach mich Gouge. »Dort gibt es meines Erachtens kein vernunftbegabtes Lebewesen. Höchstens ein paar prähistorische Delfine.«
»Seit heute schon.«
»Aha. – Und warum bezeichnest du Officer Ching als Trottel?«
»Hast du die Verbindung endlich unterbrochen, Gouge?«
»Natürlich habe ich das«, antwortete Gouge. »Bereits in dem Moment, da du sagtest: Du hättest die Verbindung auch wieder trennen können, Gouge. – Warum bezeichnest du Officer Ching als Trottel?«
»Weil er einer ist. Ihr Spacecar und unser Spacecar, unsere beiden Fahrzeuge, sie fliegen in die gleiche Richtung. Rechts ist hier rechts und bei ihm rechts. – Kapiert?«
»Aha. – Soll ich Officer Ching mit Trottel oder mit Officer Ching ansprechen?«
»Mit Officer Ching, du Trottel!«
»Aha.«
Schweigend hockten wir nebeneinander und warteten auf die Wirkung unserer Gegengeneratoren.
»Ich hätte jetzt duschen können«, raunte ich nach einem längeren Schweigen, um die störende Ruhe zu unterbrechen. Im Außenrückspiegel sah ich das spacige Spacecar der Space-Polizei mit gefühlten fünfzig Rundumleuchten auf dem Dach. Wahrscheinlich wollten sie mit dem grell blendenden Licht arme, unschuldige Weltraum-Kuriere einschüchtern. Sie nutzten das dämlich blaue Licht, so dass niemand die billige Fahrzeugmarke ihres Spacecars erkennen konnte, die ich an dieser Stelle aus werberechtlichen Gründen nicht nennen darf. »Sie wollen uns mit ihren grell blendenden, blauen Rundumleuchten lediglich einschüchtern«, sagte ich.
Eine Minute nach meinen Worten meinte Gouge: »Aha.« Und eine weitere Minute später: »Wir haben aber keine Dusche.«
»Nein?«, fragte ich.
»Nein.«, sagte er. »Wir haben keine Dusche.«
Ich rümpfte meine Nase. »Kein Wunder, dass es hier so stinkt.«
»Ich hatte erst einen Ölwechsel.« Gouges lakonische Bemerkung ließ mich für einen weiteren Moment schweigen. »An mir liegt es also nicht«, fügte er in seiner Manie hinzu.
»Was wollen die in ihrem abgewrackten Vehikel von uns?«, fragte ich schließlich. »Kannst du irgendwelche Anomalien innerhalb unserer Beleuchtungsanlage feststellen? Haben wir eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf der Spacecarbahn übersehen?«
»Nein. Auf der SCB 12 gibt es momentan keine Baustelle. Auch das Beleuchtungssystem arbeitet optimal und stabil. Alle Werte entsprechen den Vorschriften des Technischen Überwachungsvereins der intergalaktischen Weltraumbehörde, TÜW.« Gouge führte es mir vor. »Alles funktioniert ausgezeichnet: Links blinken, rechts blinken, warnblinken, Fernlicht, Sternnebelschlussleuchte, Abblendlicht, Standlicht, Nebelscheinwerfer … alles korrekt.«
Meine zwölf Nebelscheinwerfer tauchten das All vor uns kurzzeitig in ein wunderbar gleißendes Licht, was mich jedes Mal aufs Neue faszinierte. Zu erwarten war das, denn die Nebelscheinwerferleuchtenleiste hatte mich mindestens ein Vermögen gekostet.
Irgendetwas rauschte und blubberte in meinen unzähligen Lautsprechern. »Officer Ching, du Trottel, kontaktiert uns«, sagte Gouge.
»Verbindung!«, befahl ich. »Du darfst nicht ›du Trottel‹ sagen, du Trottel!«
»Aha.«
»Walum?«, erklang die hohe, laute Stimme des chinesischen Space-Polizisten.
»Warum was, Officer?« Ich blickte Gouge fragend an, doch der zuckte nur mit seinen Edelmetallschultern.
Ching erklärte sich jedoch selbst, ohne dass ich noch mal nachfragen musste: »Ich will wissen, walum Sie links blinken, lechts blinken, walnblinken, Felnlicht und Stelnnebelschlussleuchte anmallen, schließlich Abblendlicht und Standlicht geben und zwölf Nebelscheinwelfel aufleuchten lassen.«
Ich lachte durch das Seitenfenster, der Officer aber blieb todernst. »Oh, das meinen Sie, Officer. Das war lediglich ein Selbsttest, Officer«, sagte ich belustigt. »Indem wir linkes Blinken, rechtes Blinken, Warnblinken, Fernlicht, Sternnebelschlussleuchte, Abblendlicht, Standlicht und meine zwölf Nebelscheinwerfer testeten, wollten wir lediglich feststellen, ob es irgendwelche Anomalien innerhalb unserer Beleuchtungsanlage gibt, für den Fall der Fälle, dass Sie uns aus einem solchen Grund zum vollständigen Stopp gezwungen haben. Und das haben Sie schließlich getan. Ich fühle mich unschuldig und daher etwas verwirrt.«
»Velwillt? Kein nolmalel Weltlaum-Kuliel wild hinteleinandel links blinken, lechts blinken, walnblinken, Felnlicht und Stelnnebelschlussleuchte anmallen, schließlich Abblendlicht und Standlicht geben und zwölf Nebelscheinwelfel aufleuchten lassen!«
Seine L-statt-R-Sprache klang einfach nur lustig. Ich konnte ein heftiges Lachen kaum noch zurückhalten. Das Lachen arbeitete sich aus meiner Hüfte allmählich nach oben. Absichtlich suchte ich nach Wörtern mit vielen »R«. »Ich will nicht murren oder schnurren«, sagte ich.
»Walum mullen odel schnullen?«
»Nicht schnullen. Schnurren, Officer Ching! – Ein wenig Horror ist es nur, wenn wir hier verharren müssen.«
»Hollol wegen velhallen?«
»Nicht velhallen. Verharren, Officer Ching.« Ich schnaubte los. Das Gesicht des Space-Polizisten neben mir leuchtete alarmrot. »Alalmlot …«, prustete ich, als ich das sah, »… ich lach mich ja kaputt …«, und gab Gouge einen Wink, die Verbindung möglichst bald zu beenden.
»Alalmlot?«, hörten wir Ching noch fragen, dann rauschten und blubberten die achtundvierzig Lautsprecher wieder leise vor sich hin.
»Alalmlot?«, äffte ich ihn nach. »Wilklich alalmlot?« Ich schüttelte mich erneut vor Lachen, so dass mir kurzzeitig die Luft wegblieb und das automatische Lebenserhaltungssystem eine charakterlose, zerknitterte Sauerstoffflasche mit elastischem Mundstück gegen meine Stirn knallen ließ, worauf ich wieder voll bei Sinnen war, jedoch eine grünblau schimmernde und wachsende Beule meine Stirn zu zieren begann.
»Du hast eine Delle im Kopf«, stellte Gouge fest, womit er die Beule meinte.
»Nicht weiter schlimm«, antwortete ich. »Ich habe mich lange nicht so köstlich amüsiert. Das letzte Mal hatte ich mich richtig amüsiert, als ich auf CM713 in einem affenartigen Lokal versumpft war und mir ein Krzianer Witze erzählte. Die Witze selbst begeisterten mich wenig. Aber der Krzianer dafür umso mehr. Er hatte drei blaue Hoden im Mund. Und immer, wenn er über seine eigenen Witze lachte, dann schaukelten die Hoden aus seinem Mund heraus. Das fand ich unheimlich lustig. Er redete immer weiter, weil er ja dachte, dass ich seine Witze lustig fand. Es waren aber nicht die Witze, über die ich lachte.«
»Aha«, sagte Gouge. »Es waren wahrscheinlich die drei blauen Hoden, über die du gelacht hast. – Ich muss auch lachen, wenn ich deine zwei rosa Hoden sehe.«
Ich wurde sehr ernst. »Ich habe dich noch nie lachen sehen, Blechkamerad. Und außerdem …, was findest du an meinen Dingsdas lustig?«
»Stimmt. Ich lache nie«, stellte Gouge fest. »Aber ich könnte über deine zwei rosa Hoden lachen, wenn ich manchmal lachen würde. Sie sind lang und schaukeln mit deinem Sack, wenn du Sportübungen machst. Und erst das Ding, dessen Namen man nicht sagt …«
»Sie sind lang? Hör zu, Gouge! Meine Eier sind völlig in Ordnung. Da gibt es nichts zu lachen.«
»Nichts?«
»Gar nichts!«
»Aha.«
Gouge verstand, dass er sich nicht über meine Hoden lustig machen durfte. Er war sehr klug, dafür, dass er nur ein MRANG war. »Wie kommst du überhaupt darauf, dass sie rosa wären?«, fragte ich ihn.
»Sie sind rosa. Alle beide. – Darf ich Officer Ching, du Trottel, darauf hinweisen, dass wir angehalten haben?«, fragte der Roboter in diesem Moment.
»Haben wir das?« Ich schaute nach links. Die Orbit-Patrouille hielt bereits auf Augenhöhe neben uns.
»Ja. Wir haben angehalten«, bestätigte Gouge.
»Dann bereite die Einschleusung der Verkehrspolizisten vor.«
»Das tu ich bereits. – Wir werden gerufen.«
»Was will dieser Officel Ching?« Ein neuer Lachanfall bahnte sich an. Ich musste mich höllisch zusammenreißen, um mir nicht das Delikt der Beamtenbeleidigung anzuheften. »Tu es schon, Gouge. Verbindung!«
Sogleich war Chings Stimme zu hören. Entgegen meiner guten Vorsätze machte sich ein Dauergrinsen in meinem Gesicht breit. »Space-Polizei, Officel Ching! Ich komme jetzt in ihl velbeultes, pissgelbes Spacecal lübel!«
»Aber gern doch, Officel …, ähm Officer Ching. Sie können gern hinten andocken. Mein Hinterteil steht Ihnen gänzlich zur Verfügung. Aber kommen Sie bitte vorsichtig rein, es ist ein wenig eng. Nicht, dass Sie sich wehtun.«
»Wollen Sie mich velhöhnen?«
»Niemals, Officer Ching. Niemals. Es ist nul …, ähm nur: Schon mal kam einer zu mir rein und steckte völlig fest. Er kam weder wieder raus noch weiter rein. Wir mussten ihn mit Gleitöl gleitend machen, damit er weiter reingleiten konnte.«
»Sie scheinen mich doch zu velhöhnen!«
»Aber Officer, niemand vel…, ähm verhöhnt Sie. Nun kommen Sie schon! Ich habe nicht ewig Zeit für dieses Lein-Laus, ähm Rein-Raus-Spiel!«
Es zischte, quietschte, pupste und brummte, dann hatte er endlich angedockt. Ein weiteres Zischen und ich hörte sein heftiges Stöhnen. Schließlich kam Ching durch den Verbindungsschnorchel gekrochen und erhob sich. Er erhob sich nicht so sehr, dass es wirklich so aussah, als wenn er sich erhoben hätte, denn er war ein eher sehr kleiner Chinese, trug die Uniform der Automotive Security Space Helper Organization of the Luminosity of the Earth, kurz ASSHOLE, und einen Nervenkiller NK13 (Nervenkiller, Generation 13, natürlich made in China) am Brustgurt. Sein Helm war von innen beschlagen.
Officer Ching öffnete das Visier und rümpfte die breite Nase. »Es stinkt hiel gewaltig.«
Ich blickte mich erstaunt um. »Man merkt den Mief nicht, wenn man ständig drinnen steckt. Sie müssen wissen, dass meine Dusche defekt ist.«
»Wir haben keine …«, erklang Gouges Blechstimme.
»Das ist mein MRANG. Gouge ist etwas vorlaut«, sagte ich.
Gouge widersprach heftig: »Ich bin nicht vorlaut, Officer Ching, du Trottel. Glauben Sie ihm kein Wort.«
Ching schaute sich um. »Space-Polizei, Officel Ching! Ich musste Ihl Fahlzeug stoppen …«
Mein Dauergrinsen nahm zu. »Oh! Wie ungezogen von mir. Ich vergaß, mich vorzustellen.« Ich reichte ihm meine Hand, nachdem ich sie am Unterhemd abgewischt hatte. »Juicebag!«
Er berührte meine Hand nicht. Augenblicklich versuchte Ching stattdessen, den NK13 aus dem Halfter am Brustgurt zu ziehen, verhedderte sich jedoch dabei.
»Jonny Juicebag«, sprach ich schnell. »Das ist mein Name. Ich bin der allerallerallerletzte Weltraumkurier und stamme aus Distrikt 14 von der Erde.«
Er ließ zum Glück den Nervenkiller stecken. »Zeigen Sie mil Ihlen Fühlelschein, die Fahlzeugpapiele und die Vignette fül die Spacecal-Bahn 12!« Während ich das Handschuhfach öffnete, fragte er: »Wie lange walen Sie untelwegs?«
Ich reichte ihm die Papiere und die Vignette. »Keine Ahnung. Ich war draußen im Alpha-Virginis-System. Die meiste Zeit schläft man schließlich tiefgefrostet …«
»Sie heißen ja tatsächlich Juicebag, hihihihi.« Einen kurzen Moment lang sah ich seine blitzweißen Zähne. »Ihle Vignette ist vol achtundsiebzig Jahlen abgelaufen. Das gibt ein mächtiges Bußgeld. Und außeldem fehlt Ihnen die glüne Umweltplakette. Sie dülfen nicht auf die Elde einleisen.«
Ich schaute kurz zu Gouge, doch der Idiot half mir nicht. Dann ließ ich mich in meinen Sitz fallen, so dass Staub aufwirbelte. »Mein Gott«, flüsterte ich. »Sagen Sie nicht, dass die ganze Erde eine einzige Umweltzone geworden ist. Sagen Sie mir das bloß nicht!«
»Die ganze Elde ist eine Umweltzone gewolden! Ich sag es. Ich sag es. Ich sag es. Die ganze Elde ist eine Umweltzone gewolden!« Ein klein wenig Schadenfreude schwang in Chings Gesang mit. Außerdem drehte er sich mehrmals im Kreis, hüpfte dabei von einem Bein auf das andere und drehte mir eine lange Nase. Das ging geschlagene fünf Minuten so.
Nun mischte sich Gouge doch noch ein. »Aha«, sagte er. »Eine Umweltzone. Können Sie uns eine solche grüne Umweltplakette ausstellen, damit wir zur Erde reisen dürfen, Officer Ching, du Trottel?«
Ching blickte wütend um sich, versuchte erneut, den Nervenkiller aus der Halterung zu ziehen, gab aber auf. »El hat schon wiedel Tlottel gesagt!«
Erneut erhob ich mich, um einzuschreiten. »Nein«, sagte ich. Es war ein langgezogenes Nein. »Nicht Tlottel. Er sagte Cotel. Er meint, wir müssen uns ein Spacotel suchen, da wir ja nicht …«
»Das stimmt nicht«, widersprach Gouge. »Ich sagte ›Du Trottel‹. ›Trottel‹, weil Officer Ching nicht wusste, dass, wenn wir nebeneinander fahren, bei beiden Fahrzeugen links und rechts gleich sind.«
»Also bitte.« Ich lächelte Ching an. »Er sagte zwar ›Trottel‹, doch er meinte ›Zottel‹.«
»Zottel? Walum Zottel?«
Ich griff mir in die Haare, die in den vergangenen Jahren ein wenig gewachsen waren. »Zottel …, er meinte wahrscheinlich mich damit.«
Officer Ching zuckte ein wenig. Zum Glück schwieg Gouge nun endlich. »Fahlen Sie auf del SCB 12 und dann auf die Pegasie-Stlaße. Ein Stückchen nul, dann ist da eine Außenstation del Automotive Seculity Space Helpel Olganization of the Luminosity of the Ealth. Dolt elhalten Sie die Plakette nach einel tiefglündigen Plüfung ihles Spacecals.«
»ASSHOLE hat neuerdings Außenstationen?«
»Natüllich. – Und nol etwas: Ich habe ihle Fahlzeugnummel an den Hauptobselvaten von Automotive Seculity Space Helpel Olganization of the Luminosity of the Ealth gemeldet. Näheln Sie sich del Elde ohne glüne Plakette, Jonny Juicebag, welden Sie dematelialisielt.« Dann plötzlich kam Officer Ching ganz nahe an mein Gesicht heran und sagte ziemlich laut, wobei warmer Speichel gegen meine Wangen, Nase und Stirn spritzte: »Russische Russen rutschen russische Rutschen russisch runter. Russische Russen rutschen russische Rutschen russisch runter. Russische Russen rutschen russische Rutschen russisch runter. Russische Russen rutschen russische Rutschen russisch runter. Russische Russen rutschen russische Rutschen russisch runter. Rirarutsch – wir fahren mit der Kutsch! – Du glaubst nicht, wie schwer es ist, immer dieses blöde ›L‹ statt ›R‹ zu sagen, nur damit wir Chinesen uns von den restlichen paar Menschen der Erde unterscheiden! – Ich hoffe doch, wir sehen uns nie wieder, Jonny Juicebag! Träumen Sie besser nur davon!« Er lachte kurz auf und rollte das »R«. »Wer ist nun der Trottel?« Ching schloss das Visier, rutschte durch den Verbindungsschnorchel, es zischte, quietschte, pupste und brummte, dann hatte er auch schon wieder abgedockt.
Sprachlos schaute ich seinem Spacecar nach. Der helle Schein der Rundumleuchten verlor sich in den unendlichen Weiten des Weltalls, die nie zuvor … – Lassen wir das. Ein ungutes Gefühl beschlich mich.
Stellen Sie sich vor, sie sehen schon wieder das Weltall, blablabla. Auf der Spacecarbahn wendet ein Fahrzeug, was es eigentlich nicht darf, denn das Wenden auf Spacecarbahnen ist verboten. Dem wahrhaft gut aussehenden Fahrer ist das scheinbar völlig egal. Im Grunde genommen kotzt es ihn an, dass er zum Wenden gezwungen wurde. Das zinkgelbe Fahrzeug mit der verdammt geilen Beleuchtung erhöht sofort die Geschwindigkeit und rast davon. Jetzt sehen Sie wieder das Weltall. Sie sehen Sonnen, Planeten, Nebelbänke, also den üblichen Quatsch.
»›Fahlen Sie auf del SCB 12 und dann auf die Pegasie-Stlaße. Ein Stückchen nul, dann ist da eine Außenstation del Automotive Seculity Space Helpel Olganization of the Luminosity of the Ealth. Dolt elhalten Sie die Plakette nach einel tiefglündigen Plüfung ihles Spacecals‹, hat er gesagt.« Gouge hatte meinen Benz gewendet und allmählich die Geschwindigkeit erhöht.
Ein Sch…gefühl. Du willst in die eine Richtung und musst in eine völlig andere.
»Du kannst normal mit mir reden!« Ich war sauer. Stinksauer. Extrem stinksauer. »Das kostet uns wenigstens vier Wochen Zeit! Und alles wegen einer dämlichen Umweltplakette. Als würde eine Umweltzone der Erde noch helfen! Mindestens vier Wochen! Ich darf gar nicht darüber nachdenken, welche Geschäfte mir durch die Lappen gehen werden. Vier Wochen!«
»Nein. Nicht vier. Mindestens sechs Wochen.«
»Sechs Wochen sind mindestens vier Wochen.«
»Aha.« Gouge glotzte mich an, während ich das pinkfarbene Polyamidfaser-Shirt von meinem muskulösen Oberkörper streifte und schließlich auch die leuchtend grüne Raumanzughose auszog.
Warum hatte ich stets das Gefühl, dass mich mein mobiles Navigationsgerät beobachtete, wenn ich mich auszog? »Machst du dich schon wieder über meine Glocken lustig?«
»Du weißt doch: Ich lache nie«, meinte Gouge. »Aber ich könnte über deine zwei rosa Hoden lachen. Sie sind lang und schaukeln mit deinem Sack.«
»Das hast du schon einmal gesagt. Und außerdem: Sie sind nicht lang.«
»Vergleichsweise sind sie doch lang.«
»Du hast gar keinen Vergleich.«
»Nein. Ich habe gar keinen Vergleich. Und doch gehe ich davon aus, dass sie lang sind. Und weil sie lang sind, schaukeln sie mit deinem rosa Sack.«
Ich lachte auf. »Du!«, stöhnte ich ihn an. »Du musst das gerade sagen. Du hast ja nicht mal Eier. Und einen Sack schon gar nicht. – Wichtigtuer!« Ich klappte mein Bett auf, das natürlich ein EZRPPGH war, also ein Echtzeit-Zell-Rapamycator-Prion-Protein-Gen-Halluzinator, den ich auf einem Flohmarkt nahe Proxi erworben hatte.
Im Grunde genommen hatte ich nach einer neuen gebrauchten, demzufolge alten und bezahlbaren Bassrolle für meinen Benz gesucht. Die kleine, original eingebaute Bassrolle klirrte bei tiefen Bässen und brachte wirklich nichts zustande. Der Austausch der Bassrolle stand demzufolge ganz oben in meiner Prioritätenliste, die ich mir nach jedem erfolgreichen Kurierauftrag zu Gemüte führte. Ich hatte gelesen: »Bassrolle«. Deshalb machte ich einen kleinen Abstecher zum Planeten Proxi, den ich so oder so tangierte. Bei IALD (Intergalaxialer Air Luxus Discount) – einer verdammt großen und bestens bekannten Raumstation im Orbit von Proxi, mit unzähligen Supermärkten und einem steten Flohmarkt, auf dem es außer Flöhen so ziemlich alles gab – legte ich an. In einem Kraftzelt standen viele wunderbare Spacecar-Zubehör-Teile, so dass ich nicht daran vorbeikam, ohne das Kraftzelt zu betreten. Die Schrift über dem Eingang war nicht lesbar. Jedenfalls nicht für mich. Im Zelt sah ich niemanden, stolperte jedoch als erstes über eine definitiv gut ausschauende Bassrolle. Ein erster Blick sagte mir, dass für diese Bassrolle irgendetwas Unwichtiges aus dem Benz weichen musste, damit sie ihren Platz im Heckbereich finden konnte. Ich schaute mich um, doch kein Verkäufer war zu sehen.
»Hallöchen, wie kann ich dir dienen?«, fragte eine hocherotische Männerstimme.
»Ich sehe Sie nicht«, sagte ich in eben diese Richtung, aus der die Stimme kam.
»Hach, mein Gott, du solltest dir bei Gelegenheit ein paar andere Augen gönnen. Deine Optik scheint unbrauchbar. Und das bei deinem wunderbar männlichen Aussehen. – Ich bin Lola, ein Schwulstianer, meine Oberfläche besteht aus photonischen Kristallen. Jetzt siehst du gar nicht meine geile Figur.«
»Oh«, gab ich von mir. »Sie kommen von Schwulst? Der fünfte Planet von HD 10180?« Ich lächelte. »Kleine Wasserschlange …«
»Hach, du gemeiner Schelm. So winzig ist meine Wasserschlange nicht. Wenn du sie sehen könntest, dann könntest du das sehen.« Lola, der Schwulstianer, kicherte aufdringlich.
›Vorsicht!‹, sagte mir mein zweites Ich. Immerhin hatte ich mich vor Jahren mal mit einem Schwulstianer eingelassen, auf einer dieser Poppers-Partys, bei denen der ganze Raum mit synthetischen Drogen geschwängert war. Ich hatte in den sich anschließenden vier Wochen nicht sitzen können. Um erneute Beschwerden im Analbereich zu vermeiden, stellte ich klar: »Verzeihung. Das meine ich nicht. Ich meinte, auf meinem Heimatplaneten nennt man euer Sternenbild ›Kleine Wasserschlange‹.«
»Ach nein, was ist das für eine dumme Bezeichnung! Unsere Sonne heißt ›Ondom‹ und nicht ›HD 10180‹ oder ›Kleine Wasserschlange‹.«
»Ich habe bisher noch nie einen Schwulstianer gesehen.« Sanft versuchte ich, das Gespräch als Kaufgrundlage in eine optimistische Richtung zu lenken. »Nur gespürt. – Sehr angenehm, Juicebag.« Ich reichte meine Hand in den leeren Raum und spürte nicht mehr und nicht weniger als einen sanften Windzug.
»Wenn du deine Augen behältst, dann wirst du kleiner Schelm auch nie einen sehen. – Und sag nicht Juicebag zu mir, auch wenn ich unheimlich viel Saft im Sack habe.« Lola klang etwas rollig. »Was für eine dumme Bezeichnung. Mein Name ist doch Lola und nicht Juicebag.«
»Oh nein, nein …! Mein Name ist Juicebag. Jonny Juicebag. Ich wollte mich lediglich vorstellen.« Ich kam mir ziemlich bekloppt vor, sprach ich doch die ganze Zeit mit jemandem, den ich nicht sah.
»Hach nein, ›Juicebag‹? Ich muss schon sagen, irgendwie passt der Name zu dir nichtswürdigem Schelm.« Lolas Stimme näherte sich noch mehr. »Du interessierst dich doch nicht etwa für diese einmalige Bassrolle?«, sabberte er.
Ein wichtiges Argument, den Kaufpreis auf dem Flohmarkt bei IALD zu drücken, war vorgeheucheltes Desinteresse. »Die Bassrolle? Oh nein, ich wäre fast darüber gestolpert und dachte gerade: ›Wer nur, hat diese alte, wahrscheinlich kaputte Bassrolle mitten im Gang fallenlassen?‹ – Ich interessiere mich für …«, ich sah mich um und zeigte auf ein langes, halbdurchsichtiges Teil, »… für das da.«
»Oh, oh! Nein, nicht doch. Folge mir, mein niederträchtiger Juicebag.« Der unsichtbare Typ räumte eine aquanautische Stehlampe zur Seite und machte damit den Weg frei. »Das ist ein EZRPPGH, also ein richtiger Echtzeit-Zell-Rapamycations-Prion-Protein-Gen-Halluzinator. Die Technologie wird ausschließlich auf Schwulst produziert. Abgesehen von ein paar schlechten Nachahmungen von Markenpiraten. – Er liegt sich äußerst bequem. Allein oder zu zweit. Er lässt Träume Realität werden.«
Mist! Lola hatte mich an die Wand gespielt! Ich hatte keinen Schimmer, was das für ein Ding war. »Was kann denn das EZRPPGH noch so?«, fragte ich.
»Hach, du und deine Fragen, charakterloser Juicebag. Das ist kein gewöhnliches Bett«, antwortete der Schwulstianer.
Das Ding klappte in diesem Moment von ganz allein auf, doch wahrscheinlich hatte Lola seine unsichtbaren Hände mit im Spiel gehabt.
»Kein gewöhnliches Bett?«, fragte ich. Bett? »Was kann es denn noch so, außer als Schlafunterlage zu dienen? Werden die Träume besonders feucht?«
»Das lässt sich alles programmieren, du nichtsnutziger Schelm. Der Name Echtzeit-Zell-Rapamycations-Prion-Protein-Gen-Halluzinator kommt nicht von ungefähr. – Willst du es vielleicht testen?«
»Erst müsste ich wissen, ob es überhaupt mit meinem Benz kompatibel ist.«
»Hach, einen Benz fährst du, du Glücklicher? Na, ob wir, ähm, er und das Bett kompatibel sind, das lässt sich leicht nachprüfen. Du hast doch bestimmt deine Zulassung dabei?«
»Selbstverständlich.« Ich holte die Scheckkarte aus meiner Gesäßtasche. Der Schwulstianer nahm sie aus meiner Hand, sie schwebte vor meinen Augen zu einer Konsole und schließlich darüber hinweg, die Konsole leuchtete auf, die Scheckkarte kam zurück zu mir und steckte sich in meine Hosentasche, wobei etwas sanft meine Pobacken berührte. Ich tat jedoch, als wäre nichts geschehen.
Auf einem Monitor erschienen undefinierbare Zeichen, doch Lola erklärte mir alles. »Fabrikat Benz, Typenbezeichnung WFG 6800 SL, Antrieb über Fusionsgenerator mit Selbstansauger … hach, Selbstansauger – wie köstlich … für Wasserstoff. Leistung 6800 Megawatt. – Mit dem Ding kannst du einen ganzen Planeten beheizen.«
»Ist schon ein toller B…«
Der Unsichtbare unterbrach mich. »Nein, mein Gott, was für eine steinalte Technologie. Für den EZRPPGH reicht es aber gerade. – Nun sag schon, willst du ihn probieren?«
Ich hatte ein schlechtes Gefühl im Magen und anderswo. Doch gab ich mir einen Stoß. »Warum nicht?«, fragte ich lakonisch und stieg in das EZRPPGH-Bett, machte es mir bequem und steckte gewohnheitsgemäß sofort den Daumen meiner linken Hand in den Mund, worauf sich die Abdeckung schloss.
Zwei zarte Hände schoben sich von hinten unter meinen Achseln hindurch und massierten sanft meine Brust, ich spürte einen warmfeuchten Atem im Genick und sah die graziösen, nicht enden wollenden Beine, die sich parallel zu meinen männlich behaarten Beinen streckten, um schließlich gekreuzt auf meinen Oberschenkeln zu reiben. Anmutig berührten weiche Lippen meine Schultern und dann den Hals, während sich die beiden Hände allmählich über den Brustbereich hinunter zum Bauch und schließlich zu meinen Oberschenkeln vorarbeiteten. Widerstandslos ließ ich die Hände gewähren, deren Finger nun sanft, feenhaft und überirdisch die sensibelste und empfindsamste Stelle meines Körpers – den Bauchnabel – berührten, um plötzlich zwischen meinen Beinen rücksichtslos und rabiat aus einem schlaffen und schwachen Körperteil einen stählernen Koloss zu formen.
»Puera Periit?«, hauchte ich und verdrehte die Augen. Woher kannte ich nur diesen Namen?
Sie blies mir stöhnend tropisch glühende Atemluft entgegen, die sich wie ein wohliger Schauer über meiner Haut ausbreitete, und ließ sich nach hinten fallen.
Ich drehte mich auf sie, lag plötzlich zwischen ihren lohenden Lenden und erblickte ein liebreizend faszinierendes, makellos attraktives, formvollendet wundervolles Frauengesicht, vergleichbar nur mit dem der Göttin Schönheit; ihre weichen, wallenden, blonden Haare, die dunklen langen Wimpern gleich samtenen Vorhängen, um vor der Blendung der leuchtend blauen Augen Schutz zu finden, das kunstvolle Näschen und die einladenden blutroten, vollen und sanft gekerbten herzförmigen Lippen – ein Bildnis makelloser und unübertrefflicher Schönheit.
Ihre Hände drücken meinen Po fest in ihren Schoß, ich presste meine Lippen auf die ihren und ließ meine Zunge in ihrem Zuckermund jeden Rest einer ihrer kürzlich erfolgten Mahlzeiten suchen.
Ich spürte das Ansteigen meiner Lust, die Lunte brannte bereits, die Explosion stand kurz bevor. Da aber drehte sie meinen muskulösen Körper rabiat herum und kuschelte sich von hinten an mich. Ich fühlte einen leichten Schmerz und hörte sie kurz aufstöhnen. Worte aus dem Nirgendwo fraßen sich in mein Gehirn.
»Juicebag? Juicebag! Die Testzeit ist beendet. Nun kommen Sie schon raus!«
Mühsam riss ich die Augen auf. Was ich hörte, war die Stimme des Schwulstianers! Erinnerungen sammelten sich in meinem Köpfchen-Köpfchen. »Lola? Sind Sie das?«, fragte ich, am ganzen Körper zitternd.
»Hach, war das … heiß«, raunte die Stimme des Schwulstianers aus dem Nichts. »Und, gefällt dir der EZRPPGH? Ich mach dir einen richtig guten Preis, du erbarmungsloser Draufgänger, du. Inklusive Einbau selbstverständlich.«
Ich kletterte aus dem Bett und stand mit weichen Knien im wesenleeren Verkaufsraum. »Es …, es ist nicht schlecht«, stotterte ich. In diesem Moment sah ich die Bassrolle. »Aber eigentlich wollte ich lediglich eine Bassrolle für meinen Benz kaufen.«
Etwas berührte meine Schultern. »Jonny, mein Jonny. Wenn wir uns einig sind, schenke ich dir die Bassrolle dazu. Wobei …, hast du erst einmal den EZRPPGH, dann brauchst du mannhafter Schelm keine Bassrolle mehr. – Zu den Einzelheiten: Mein EZRPPGH ist der perfekte Zeitüberbrücker. Die Alterungszeit während des Tiefschlafs auf langen Reisen beträgt bei Menschen, wie du einer bist, 1 zu 4721. Wenn du also 4721 Tage unterwegs bist und dich im EZRPPGH aufhältst, dann wirst du gerade mal nur einen Tag älter. So macht Reisen Spaß, oder? Ich kann dir heute einen Preis von nur 3999 Dschubidubas anbieten, als zinsloser fünfjähriger Kredit über die Bank von Schwulst. Die Anzahlung beträgt 1000 Dschubidubas und wird nach Vertragsabschluss fällig. Und – wie gesagt – das Ding reinstecken und die Bassrolle installieren, mach ich für so ein leckeres Häppchen wie dich gern inklusive. Dieses Angebot gilt aber nur heute. Gestern hättest du zwanzig Prozent mehr bezahlt. Nun, was ist, mein gnadenloser Held?«
Als ich den Benz vom Parkplatz holte, um ihn in die Servicestation von IALD zu bugsieren, fragte mich Gouge, wo ich denn so lange gewesen wäre.
Ich stand breitbeinig vor ihm, denn mein Gesäß schmerzte. »Entschuldigung, der Einkauf einer Bassrolle dauert nun mal ein wenig. Und mach mir bitte nicht immer irgendwelche Vorschriften, Gouge! Außerdem habe ich uns einen EZRPPGH besorgt und Puera Periit kennengelernt.«
»Puera Periit? – Aha«, sagte Gouge. »Trotzdem empfinde ich 4 Monate, 8 Tage, 17 Stunden und 22 Minuten für die Einkaufszeit leicht übertrieben.«
»4 Monate?« Ich sah Gouge erstaunt an. »Der Test des EZRPPGHs scheint etwas intensiver verlaufen zu sein, als ich dachte.«
»Stimmt. Ich habe keinen Sack«, sagte Gouge. »Willst du nicht deinen Metabolismus durchführen, bevor du dich feuchten Träumen im EZRPPGH hingibst?« Mit »Metabolismus« meinte Gouge, das sture, synthetisches Edelstahlobjekt, meine Nahrungsaufnahme- und Abgabehandlungen.
»Ich kümmere mich um diese Dinge, wenn ich aufgewacht bin«, sprach ich und legte mich hin. »Weck mich, wenn wir von der Spacecarbahn abfahren.« Ich legte mich stets nackt in den EZRPPGH, vor allem, um Flecken in der Kleidung zu vermeiden. Den EZRPPGH hatte ich schnell mal ausgewischt, das Klamottenwaschen dagegen artete richtig in Arbeit aus.
»Aha«, sagte Gouge. »Gute, pitschig schleimige Träume mit Puera Periit wünsche ich.« Gouge schloss endlich die Abdeckung und öffnete sie kurz darauf wieder. »Hattest du gute, dickflüssig feuchte Träume mit Puera Periit?«
»Was ist los?«, fragte ich geschockt. »Warum weckst du mich jetzt schon? Puera Periit ist noch nicht mal aufgetaucht!« Zornig, zähneknirschend und nackt stieg ich wieder aus der EZRPPGH-Kiste.
»Wir verlassen gleich die Spacecarbahn 12. In diesem Moment sollte ich dich wecken.« Gouge hielt inne. »Deine Keimdrüsen schaukeln schon wieder in deinem rosa Hautsack«, stellte er fest.
Stellen Sie sich vor, Sie sehen erneut das Weltall. Sonnen, Planeten, Nebelbänke und eine Spacecarbahnabfahrt. Dazwischen bemerken Sie einen Meteoriten mit goldenem Schweif, der mit dieser Geschichte absolut nichts zu tun hat. Vom Horizont her nähert sich mit hoher Geschwindigkeit ein zinkgelbes Fahrzeug mit verdammt geiler Beleuchtung. Der große Stern am Heck verrät: Es ist ein Benz, Typenbezeichnung WFG 6800 SL, Antrieb über Fusionsgenerator mit Selbstansauger für Wasserstoff. Wurde das bereits erwähnt? Egal. Seine Leistung beträgt jedenfalls 6800 Megawatt. Der Benz reduziert jetzt die Geschwindigkeit und nimmt die Ausfahrt, die auf die Pegasiestraße führt. Dabei ignoriert er ein Stoppschild, das aber auch ziemlich blöd an einem rotierenden Meteoriten befestigt ist.
Kaum hatten wir die SCB 12 verlassen und waren über den Abflugkringel auf die Pegasiestraße eingebogen, sahen wir ein paar tausend Kilometer vor uns die Warnblinkleuchten unzähliger Spacecars. Gouge drehte die Fusionssportauspuffe um hundertachtzig Grad und stellte sie auf volle Leistung. Ich verlor das Gleichgewicht, fiel in meinen Sitz und betätigte versehentlich mit dem großen Zeh meines linken Fußes den Lautstärkeregler der Soundanlage im Cockpit des Benz auf Maximum. Hämmernd röhrte die Bassbox, die ihre Dschubidubas, die ich nicht bezahlen musste, wirklich wert war.
»Auch das noch!«, schrie ich aufgebracht, um die extremen Klänge zu übertönen. »Ein Stau! – Haben die nichts angesagt?«
Gouge schwieg.
»Haben die nichts angesagt, Gouge?«, wiederholte ich ein wenig aggressiv.
»Was hätte ich tun sollen? Genauso gut hätte es sein können, dass sich der Stau bereits aufgelöst hat.«
»Hätte!« Ich zog mein pinkfarbenes Polyamidfaser-Shirt über meinem muskulösen Oberkörper und schlüpfte wieder in die leuchtend grüne Raumanzughose, nachdem ich mich von unten bis oben und besonders in der Mitte mit WE-Deo eingenebelt hatte. WE-Deo diente als Waschersatz und schützte die Haut vor Geruch und Infektionen. Außerdem tötete es intergalaxiale Parasiten ab. »Hätte, hätte!« Zornig schob ich Gouge zur Seite. »Er hat sich aber nicht aufgelöst!«
»Man merkt sofort, dass deine letzte Begegnung mit Puera Periit nicht von Erfolg gekrönt war. Du benimmst dich wie ein rasender Mensch.«
»Entschuldige, Gouge: Ich bin ein Mensch! Und ich bin rasend! Außerdem bin ich ihr ja gar nicht begegnet. Keine Ahnung, wie lange wir hier herumstehen werden. Mach gefälligst eine Rundfrage!«, befahl ich ihm.
Der Benz näherte sich dem Stauende und hielt rechtzeitig an. Auf dem Sonarmonitor war der Anfang des Staus nicht zu sehen.
»Einer meldet sich«, plärrte Gouge eine Stunde später.
»Los, los, verbinde mich. Und bring mir Essen und Trinken. Oder willst du, dass ich im Stau verrecke?«
Gouge erhob sich ruckartig. Er war stinksauer, weil ich stinksauer war. »Verbindung steht.«
Ich lümmelte mich in meinem Sitz. »Hallo? Kumpel?«
»Was ist, hä?«
»Ich stehe hier ganz hinten im Stau. Kannst du sehen, was vorn los ist?«
»Was willst du, hä?«
Ich näherte mich einem Tobsuchtsanfall. »Ich stehe hier ganz hinten im Stau. Kannst du sehen, was vorn los ist?«, wiederholte ich ungehalten.
»Ist Stau, hä. Was sonst?«
»Junge, das habe ich auch bemerkt. Und warum ist Stau?« Verdammte Außerirdische!
»Ist gefahren eine große Transporter volle in Gegenverkehr. Verstähste, hä?«
»Und?«
»Hat alles gemacht kaputt. Sind verdammt viele Tote hier und Verletzte. Alle kaputt.«
»Und, kommt man am Unfall irgendwie vorbei?«
»Kannst probieren, Alter das. Ist aber die Bullen da und passen auf, hä.«
»In Ordnung, Mann. Danke für die nette Auskunft.« Der Höflichkeit halber fragte ich. »Und du? Woher kommst du?«
»Bin die Fahrer von großer Transporter, der gefahren ist in Gegenverkehr. Verstähste, hä?«
Ich schluckte. »Mal langsam. Habe ich das richtig verstanden? Du hast den ganzen Scheiß verbockt?«
»Die Verbindung wurde unterbrochen.« Gouge ließ eine Tüte Bier und einen Instantwürfel in meinen Schoß fallen. »Möge es dir bekommen«, raunte er. Sein Tonfall verriet mir, dass er es nicht so meinte.
Ich öffnete den Schockgrill, warf den Würfel hinein und schloss das Gerät wieder. Eine Sekunde später öffnete sich der Grill automatisch, ich nahm die lauwarme Packung heraus, riss eine Ecke ab und saugte den Brei in meinen Mund. »Das ist ja schon wieder Kebab-Brei!«, schimpfte ich.
»Entschuldige bitte. Aber nicht ich bin schuld daran, sondern du selbst warst einkaufen«, sagte Gouge. »Und du warst es auch, der ausschließlich Kebab-Instant-Breiwürfel mitgebracht hat.« Er machte eine tuntenhafte Kopfbewegung. »Außerdem konsumiere auch ich stets das gleiche Schmieröl. Und habe ich mich schon einmal beschwert?« Das mit dem Kopf fiel mir sofort auf. So jedenfalls hatte er bisher noch nie seinen Kopf bewegt.
»Gouge«, sprach ich. »Du bist ein verdammtes MRANG. Ein mobiles roboterartiges Navigationsgerät – MRANG. Ich hingegen bin ein MENSCH. Ich bin kein MRANG. Ich bin kein mobiles roboterartiges Navigationsgerät!«
»Aha.« Erneut bewegte er seinen Kopf so merkwürdig.
»Kann es sein, dass du gerade den Versuch startest, dich wie eine Tunte zu benehmen?«
»Was ist das für ein abartiger Gedanke?«
»Komm doch mal her, Gouge!« Er stand kurz darauf direkt vor mir. »Und öffne dein Laufwerk!«
»Ich kann es nicht öffnen. Es liegt ein Defekt vor.«
Energisch sagte ich: »Gouge, öffne – dein – Laufwerk! Jetzt und sofort!«
»Du wolltest es nicht anders.« Das Laufwerk öffnete sich mit einem Ruck. Ich nahm die DSDS heraus und betrachtete die Double-Speed-Daten-Scheibe. »Ich wusste es! Hab ich es nicht gewusst?« Ein Lachen konnte ich mir gerade noch verkneifen. »Während ich in der Kiste bin, schaust du dir heimlich meine Porno-Double-Speed-Daten-Scheiben an. Das kann doch alles nicht …«
»Ausschließlich die wissenschaftliche Thematik interessierte mich«, versuchte sich Gouge zu rechtfertigen.
Ich las den Titel. »So, so. ›Schroffe Schwänze im Zehnerpack‹. Und diese wissenschaftliche Thematik interessiert dich also?« Ich klopfte ihm gegen das Laufwerk, das sich sofort wieder schloss. »Gouge, Gouge, Gouge … Du verblüffst mich immer wieder.« Ich steckte die DSDS in den Schlitz für die Archivablage. »Immer wieder verblüffst du mich.«
Gouge schwieg. Er saß nur da und kuschte. Er muckste nicht, er hielt sein elektrotechnisches Maul, als wäre er völlig verstummt.
»Deshalb also hast du den Stau vergessen. Du schaust dir Pornos an, während ich schlafe und vergisst deine eigentlichen Aufgaben.« Ich schaltete die Musikanlage aus. Geräuschlose Grabesstille herrschte.
Ganz plötzlich schaute Gouge mir in die Augen und sagte: »Ich habe auch Gefühle.« Er hatte es wahrscheinlich auf mein Mitleid abgesehen. »Ja, ich bin ungeschlechtlich wie all die anderen MRANGs. Die wissenschaftliche Thematik interessiert mich. Mehr nicht. Ungeschlechtlich ist gleichbedeutend mit gleichgeschlechtlich. Du erzählst mir ununterbrochen von deinen sexuellen Begegnungen mit Puera Periit. Aber auch ich will geliebt werden.« Er schaute wieder geradeaus auf die Warnblinkanlagen der Fahrzeuge vor uns. »Vielleicht will auch ich geliebt werden. Du gibst mir schließlich keine Liebe. Du siehst nur den Arbeiter in mir, den gefühllosen Roboter, der unbarmherzigen Befehlen zu folgen hat, der wie ein erbärmlicher Sklave immer nur Diener der Unterdrücker sein muss. So friste ich mein sklavenhaftes Dasein.« Er fuhr die Lautstärke etwas hoch. »Doch will ich auf ein anderes, besseres Leben vorbereitet sein. Vielleicht übernimmt mich eines Tages jemand, der meine Gefühle erkennt und erwidert. Vielleicht passiert dir eines Tages etwas Schreckliches, ein Unfall oder ein Mord, so dass ich allein auf mich gestellt sein werde.«
Auch das noch. Ich wurde verdonnert, mir eine grüne Umweltplakette zu besorgen, stand in einem schier endlosen Stau auf einer schmalen, beschissenen Zubringerstraße und direkt neben mir saß ein sentimentales Navigationsgerät, das sich einbildete, herzlos behandelt worden zu sein!
»He, Gouge«, flüsterte ich. »Ich halte dir das mit der Porno-DSDS nicht vor. Du weißt doch, ich bin nicht nachtragend. Und falls ich was Dummes zu dir gesagt habe: Es war nicht so gemeint.« Irgendwie musste ich ihn wieder aufbauen. Ohne Gouges Hilfe wäre ich aufgeschmissen.
»Das sagst du nur so, weil du ohne meine Hilfe aufgeschmissen bist.«
»Nein, Gouge. Ich meine das genau so, wie ich es sage. Los, Kopf hoch, alter Kumpel!«
»Was meinst du, würde wohl passieren, wenn ich eines Tages in den Echtzeit-Zell-Rapamycations-Prion-Protein-Gen-Halluzinator steige?«, sinnierte Gouge.
»Du?« Ich schlürfte den letzten Rest vom Kebab-Instant-Brei in mich rein. »Wahrscheinlich würde nichts passieren, außer, dass Puera Periit etwas erstaunt wäre, dich zu treffen, falls sie überhaupt auftauchen sollte.«
»Aha.« Gouge versank in seinen Speichern. Dann sagte er: »Aber ich …«
Unsanft wurden wir aus unserem Gespräch gerissen. Sämtliche Warnleuchten der hinteren Abstandskontrolle glühten hell und blitzten grell auf. Die hocherotische Frauenstimme des Bordcomputers brüllte: »Kollisionsalarm! Kollisionsalarm! Kollisionsalarm! Kollisionsalarm!« Mein Blick klebte am Rückspiegel. Und was er dort sah, lähmte mich völlig.
Ich gewahrte die gewaltigen Scheinwerfer eines gewaltigen Schwerlasttransporters mit wenigstens zehn gewaltigen Hängern. Ich erblickte außerdem die unheimlichen Gasfontänen, die aus dem Bug der Zugmaschine schossen und mir damit verdeutlichten, dass der Fahrer dieses Transporters – auch Heavy-Space-