Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Für Dr. Norden ist kein Mensch nur ein 'Fall', er sieht immer den ganzen Menschen in seinem Patienten. Er gibt nicht auf, wenn er auf schwierige Fälle stößt, bei denen kein sichtbarer Erfolg der Heilung zu erkennen ist. Immer an seiner Seite ist seine Frau Fee, selbst eine großartige Ärztin, die ihn mit feinem, häufig detektivischem Spürsinn unterstützt. Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Die Serie von Patricia Vandenberg befindet sich inzwischen in der zweiten Autoren- und auch Arztgeneration. »Schau, Mami, der Himmel sieht jetzt ganz gelb aus«, rief Danny Norden seiner Mutter zu. Ja, drohend sah der Himmel aus, und ein Sturm kam auf, der die Fenster zuschlug. Eben noch hatte brütende Hitze den Wunsch nach einem kühlen Bad in Fee Norden geweckt, denn sie hatte sich den ganzen Tag ziemlich schlapp gefühlt, was selten vorkam. »Es kommt ein Gewitter auf«, sagte sie. »Alles unter Dach.« Und da brach es schon los. Hagel prasselte vom Himmel herunter, und die Kinder duckten sich voller Angst und Entsetzen, als schon einige der faustgroßen Eisbälle durch die noch offene Terrassentür fielen. Fee und Lenni handelten schnell, aber sie konnten so rasch die Jalousien gar nicht herablassen, wie die Eisbälle an die Fenster prasselten. Die kleinen Zwillinge begannen zu schreien, Anneka begann angstvoll zu weinen, Felix war wie erstarrt, und Danny sagte: »Hoffentlich ist Papi nicht unterwegs.« Und der Hagel trommelte herab. »Das darf doch gar nicht wahr sein«, murmelte Fee. »So was habe ich noch nicht erlebt«, flüsterte Lenni. »Aber habt keine Angst, ihr seid doch nun in Sicherheit.« Hoffentlich, dachte Fee, der die Minuten zur Ewigkeit wurden, und auch in ihr bebte Angst, da sie ihren Mann unterwegs zu Hausbesuchen wusste. Endlich hörte der Hagelschlag auf, aber nur ganz vorsichtig wagte Lenni die Jalousie hochzuziehen und hinauszublicken. Und dann schluchzte sie trocken auf. Der Garten sah aus wie ein weißes Schlachtfeld, war noch bedeckt von den Eiskugeln, deren Größe man erst jetzt so richtig sah. »Das ist ein Albtraum«, flüsterte Lenni. Das ist grausame Wirklichkeit, dachte Fee. Die Natur zeigt uns
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 140
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
»Schau, Mami, der Himmel sieht jetzt ganz gelb aus«, rief Danny Norden seiner Mutter zu.
Ja, drohend sah der Himmel aus, und ein Sturm kam auf, der die Fenster zuschlug. Eben noch hatte brütende Hitze den Wunsch nach einem kühlen Bad in Fee Norden geweckt, denn sie hatte sich den ganzen Tag ziemlich schlapp gefühlt, was selten vorkam.
»Es kommt ein Gewitter auf«, sagte sie. »Alles unter Dach.«
Und da brach es schon los. Hagel prasselte vom Himmel herunter, und die Kinder duckten sich voller Angst und Entsetzen, als schon einige der faustgroßen Eisbälle durch die noch offene Terrassentür fielen. Fee und Lenni handelten schnell, aber sie konnten so rasch die Jalousien gar nicht herablassen, wie die Eisbälle an die Fenster prasselten.
Die kleinen Zwillinge begannen zu schreien, Anneka begann angstvoll zu weinen, Felix war wie erstarrt, und Danny sagte: »Hoffentlich ist Papi nicht unterwegs.«
Und der Hagel trommelte herab. »Das darf doch gar nicht wahr sein«, murmelte Fee.
»So was habe ich noch nicht erlebt«, flüsterte Lenni. »Aber habt keine Angst, ihr seid doch nun in Sicherheit.«
Hoffentlich, dachte Fee, der die Minuten zur Ewigkeit wurden, und auch in ihr bebte Angst, da sie ihren Mann unterwegs zu Hausbesuchen wusste.
Endlich hörte der Hagelschlag auf, aber nur ganz vorsichtig wagte Lenni die Jalousie hochzuziehen und hinauszublicken. Und dann schluchzte sie trocken auf.
Der Garten sah aus wie ein weißes Schlachtfeld, war noch bedeckt von den Eiskugeln, deren Größe man erst jetzt so richtig sah.
»Das ist ein Albtraum«, flüsterte Lenni.
Das ist grausame Wirklichkeit, dachte Fee. Die Natur zeigt uns ihre Macht.
»Unser wunderschöner Garten«, schluchzten die Kinder.
»Und was ist mit den armen Vögelchen«, jammerte Anneka.
»Wenn bloß Papi nichts passiert ist«, sagte Danny wieder, und das war freilich ein beängstigender Gedanke, auch für Fee. Aber sie hätte jetzt gar nicht gewusst, wo er zu erreichen gewesen wäre.
Da läutete das Telefon. Ja, es läutete tatsächlich, und das war nach diesem Inferno wie eine Erlösung.
Es war Dr. Daniel Norden. »Wie sieht es bei euch aus?«, fragte er hastig.
»Wir sind heil, der Garten ist hin«, erwiderte Fee. »Aber wie geht es dir? Das ist wichtiger.«
»Ich bin gerade bei den Rohdens. Hier sieht es ganz schlimm aus. Und mein Wagen ist hin, Fee. Jedenfalls die Heckscheibe total und sonst, na, das ist auch zu richten. Aber ich muss noch Besuche machen.«
»Ich bringe dir meinen Wagen«, sagte Fee sofort.
»Augenblick, Fee, Herr Rohden sagt nämlich gerade, dass ich seinen Wagen nehmen kann. Der stand in der Garage und ist nicht beschädigt. Dafür aber das Haus. Die Atelierfenster sind kaputt, das Wasser läuft herunter.«
»Ich rufe Seppi an, der wohnt nicht weit entfernt. Vielleicht kann er helfen.«
»Wenn bei ihm nicht auch solcher Schaden ist. Ich muss noch zu Littkes und Schumachers. Hoffentlich kommt nichts nach.«
Der erste Schock war überstanden. Sie gehörten nicht zu denen, die endlos jammerten. Sie lebten, und alles, was wiederherzustellen war, konnte sie nicht so schrecken. Bei Seppi Wagner hatte es keinen großen Schaden gegeben. Er war ein Allroundhandwerker, derzeit arbeitslos, aber damit sollte es nun vorbei sein. Er war sofort bereit, bei den Rohdens zu helfen, als Fee anrief.
»So grauslich, wie es auch ist, ich kann endlich wieder schaffen, Frau Doktor. Empfehlen Sie mich bitt schön weiter«, sagte er.
Was des einen Leid, kann des anderen Hilfe sein, dachte Fee, denn freuen konnte der gute Seppi Wagner sich über das Elend anderer gewiss nicht. Er war vom Schicksal selbst genug gebeutelt worden. Er hatte es nicht begreifen wollen, dass die Firma, bei der er so lange beschäftigt gewesen war, die Pforten hatte schließen müssen, aber er war ja nicht der Einzige, der nun arbeitslos geworden war. Ihm ging es jedoch gegen seinen Stolz, Arbeitslosenunterstützung anzunehmen. Und er musste sich das Gezeter seiner Frau anhören, dass er sich längst hätte selbstständig machen können.
Da waren auch noch drei Kinder, die noch in der Schule waren, und Seppi Wagner machte sich auch Gedanken um deren Zukunft.
Als das Unwetter losging, hatte er wieder das Gezeter seiner Frau ertragen müssen, aber bei ihnen hatte es nur ein paar Dachziegel zerschlagen. Da hatten die alten Bäume viel abgehalten, und die hatten dabei sogar bewiesen, wie gesund sie doch noch waren.
Er machte sich auf den Weg zu den Rohdens in die Parkstraße. Dort sah er Dr. Nordens Auto stehen.
»Jesses, das ist doch der Wagen von Dr. Norden«, sagte er etwas bestürzt. »Den hat es aber erwischt. Den Doktor doch wohl hoffentlich nicht auch?«
»Er war gerade bei uns«, erwiderte Jürgen Rohden. »Meine Tochter hatte zu viel Sonne bekommen.«
»Und nun das«, meinte Seppi. »Mal schauen, was wir gleich richten können.«
Not macht erfinderisch, hieß es, und Seppi Wagner gehörte zu jenen praktischen Menschen, die sehr erfinderisch waren, wenn auch improvisiert werden musste. Und an einem solchen Tag musste man da schon improvisieren können.
Dr. Ing. Jürgen Rohden, seines Zeichens Chefingenieur in der Computerbranche, griff selbst mit zu. Er war allerdings gehandicapt, weil er sich an den Scherben schon geschnitten hatte. Da hatte Dr. Norden zwar noch Erste Hilfe leisten können, aber es schmerzte ihn jetzt doch.
»Lassen Sie nur, Herr Chef«, sagte Seppi. »Ich komme schon zurecht. Kümmern Sie sich nur um das kranke Töchterl.«
Bei ihm nahm man das nicht als plumpe Vertraulichkeit. Bei Seppi war alles natürlich und kam aus dem Herzen, und deswegen erfreute er sich auch allseits größter Beliebtheit. Er bekam auch Material von den Lieferanten, Fensterscheiben und Material, was immer er auch brauchte. Er spürte, dass man ihn mochte, und dass man ihm jetzt auch weiterhelfen wollte und konnte. Für ihn konnte die Nacht überhaupt nicht zu lang werden.
*
Für Dr. Norden wurde sie lang. Herr Littke und Frau Schumacher waren ohnehin schon schwierige und schwerleidende Patienten gewesen, aber durch dieses fürchterliche Unwetter hatten sie besonders gelitten.
Herr Littke, der zu seinem Herzleiden auch noch schwer kriegsbeschädigt war, hatte immer gejammert, dass sie nun doch aus dem Weltall kommen würden, und Frau Schumacher weinte um ihre Beerenernte und die Äpfel. Ihr Mann war da allerdings anderer Meinung.
»Abgerackert hat sie sich doch nur immer für die Kinder und Enkel«, sagte er. »Einkochen musste sie bis zum Umfallen. Was brauchen wir zwei Alten denn schon noch. Und was tun die Jungen für mein Malchen? Nichts. Sie fahren in der Weltgeschichte umeinand, während sie schafft und schafft. Der Herrgott musst es richten, damit sie mal nicht dafür sorgen muss, dass nichts aus dem Garten verkommt. Helfen tut ihr doch keiner, aber ich werde mit ihr wegfahren und mal ein paar Wochen Urlaub machen. Mal sehen, wer sich von der Familie findet, der hier Ordnung schafft. Jetzt soll sie sich bloß nicht mehr so aufregen. Ich hab’ es immer gesagt, Herr Doktor: Der Herrgott sorgt dafür, dass die Bäume nicht in den Himmel wachsen und die Menschen auch mal wieder die Macht der Natur zu spüren bekommen. An die Technik haben sie sich schon viel zu sehr gewöhnt.«
Aber leider bekommen es meist die Falschen zu spüren, dachte Dr. Daniel Norden, als er nach zwei weiteren Krankenbesuchen endlich heimfahren konnte. Da wartete heißer Tee und ein kräftiger Imbiss. Und natürlich warteten Fee und Lenni.
»Wie schaut es aus?«, fragte er, seine Frau in den Armen haltend.
»Wie es bei Tageslicht aussehen wird, weiß ich noch nicht. Jedenfalls kein Glasbruch und kein Wasserschaden. Für den Garten zahlt die Versicherung sowieso nichts. Die Hauptsache ist doch, dass wir alle gesund sind. Andere Stadtteile hat es noch viel schlimmer erwischt. Mir ist es schleierhaft, wie das kommen konnte. So etwas war doch noch nie da.«
»Die drückende Hitze, es waren über dreißig Grad, und in der Atmosphäre die Minustemperaturen, die auch bis dreißig Grad gegangen sein sollen. So habe ich es im Radio gehört. Meinen Wagen haben wir übrigens in Rohdens Garage geschoben, ich muss mich morgen früh gleich darum kümmern, dass ich die Scheiben bekomme.«
»Das macht Seppi auch«, sagte Fee. »Ich habe schon mit ihm gesprochen. Ihm hat das Unwetter Glück gebracht. Herr Rohden besorgt ihm eine Stellung.«
»Er hätte sich wirklich selbstständig machen sollen«, sagte Daniel. »Er kann doch alles.«
»Fast alles«, sagte Fee. »Nur geschäftstüchtig ist er nicht, und das weiß er ganz genau. Es ist gut, wenn ein Mensch seine Grenzen kennt.«
»Und er wird ja wohl auch froh sein, wenn er tagsüber von seiner ewig meckernden Frau nicht gestört wird. Die ist wirklich eine Nervensäge, Fee. Da muss man schon eine unendliche Geduld haben, um das so viele Jahre zu ertragen.«
Nun grollte wieder der Donner. Blitze zuckten vom Himmel, tauchten die Landschaft in gleißendes, gefährliches Licht, und darauf folgte wieder ein Wolkenbruch. Diesmal ohne Hagel, aber die Wassermassen prasselten auch nur so herab.
Doch die Kinder schliefen, und zu Fees Erleichterung wurde Daniel ausnahmsweise mal nicht wieder zum Noteinsatz gerufen. In den Kliniken herrschte allerdings Hochbetrieb, auch in der Behnisch-Klinik, aber dort mussten die Patienten meist nur ambulant behandelt werden, bis auf einen Passanten, der von einem umstürzenden Baum getroffen und schwer verletzt worden war.
Am Morgen häuften sich dann die Hiobsbotschaften, aber Fee bekam auch viele besorgte Anrufe.
Johannes und Anne Cornelius hatten zwar schon in den Spätnachrichten von der Katastrophe gehört, aber sie hatten dann keine telefonische Verbindung mehr bekommen. Für sie war es eine Erleichterung zu hören, dass Fee, Daniel und die Kinder wohlauf waren. Wie schrecklich es in vielen Vierteln aussah, hatten sie auch schon aus dem Radio gehört.
Nun, Fee neigte nicht dazu, alles noch aufzubauschen. Sie sagte ihnen auch nicht, dass Daniels Wagen kaputt war. Er war natürlich schon am frühen Morgen zu seinen Kranken gerufen worden und fuhr jetzt mit Fees Wagen.
Fee kam vom Telefon vorerst nicht weg. Aus Zürich riefen Katja und David Delorme an, und Fee wäre zu gar nichts gekommen, wenn sie dann nicht den Anrufbeantworter eingeschaltet hätte, auf den sie gesprochen hatte, dass sie alle wohlauf wären, aber ständig beschäftigt und unterwegs.
Sie wollte ja Jürgen Rohden seinen Wagen zurückbringen. Seppi Wagner hatte Daniels Wagen bereits in die Werkstatt gefahren und auch geholfen, die Scheiben einzusetzen. Für Dr. Norden war man sofort zur Hilfe bereit, wusste doch jeder in der Umgebung, dass man sich auch auf ihn verlassen konnte.
Fee konnte sich wiederum auf die gute Lenni verlassen. Die Zwillinge waren noch zu klein, um zu begreifen, welches Chaos herrschte. Die drei Größeren, Danny, Felix und Anneka, waren noch verschreckt und tief betrübt, als sie nun, bei Sonnenschein, die Verwüstungen im Garten sahen. Aber sie sammelten dann die abgebrochenen Zweige ein, die Früchte, die der Hagel von den Obstbäumen heruntergeschlagen hatte.
»Und heuer wären die Kirschen so gut gewesen«, sagte Felix unter Tränen.
»Und die Erdbeeren bei Meyers sind auch alle hin«, sagte Danny.
»Ich darf ja sowieso keine essen«, meinte Anneka, »aber unsere schönen Äpfel, und dann Mamis Rosen.«
»Die kommen schon wieder«, sagte Danny tröstend. »Schau mal, die richten sich schon wieder auf, und die Knospen hat es nicht erwischt. Ich überlege bloß, ob das nicht doch die vom Mars gewesen sind, die uns bombardiert haben.«
»Red nicht solchen Unsinn, Danny«, sagte Lenni. »Bomben haben eine viel schlimmere Wirkung.«
»Ich meine ja nur, dass sie vielleicht bloß zeigen wollen, dass es sie gibt. In der Schule reden nämlich schon viele von den Filmen, die sie schon gesehen haben, und was sich da im Weltraum für Kämpfe abspielen.«
»Oh, die lieben Herrgöttle«, sagte Lenni seufzend, »lass das bloß nicht deine Eltern hören. Wann sehen sich die Kinder denn solche Filme an?«
»Die haben doch alle Videogeräte«, sagte Danny. »Die gucken einen ganz blöd an, wenn man sagt, dass wir so was nicht haben.«
»Ihr habt Eltern, die sich mit euch beschäftigen«, sagte Lenni. »Das ist bedeutend wichtiger. Oder wollt ihr etwa lieber solche blöden Filme sehen, wenn euer Papi zu Hause ist?«
»Hab’ ich doch nicht gesagt«, erwiderte Danny kleinlaut, »aber vielleicht gibt es wirklich fliegende Untertassen oder grüne Männchen.«
»Warum die ausgerechnet grün sein sollen, wenn sie aus dem Weltraum kommen, möchte ich ja gern wissen«, sagte Lenni unwillig. »Schaut euch lieber unsere Bäume und Sträucher an. Die sind grün. Sie haben allerhand Federn, nein, Blätter und Zweige lassen müssen, aber sie sind gesund, und darüber können wir uns freuen. Aber jetzt kommt ihr wieder ins Haus. Es schaut schon wieder nach Regen aus.«
»Und wenn es nun wieder hagelt und Mami ist auch nicht da?«, fragte Anneka ängstlich.
»So rasch kommt so ein Hagel nicht wieder«, erwiderte Lenni. »Das war dieses verrückte Wetter.«
»Endlich war es mal schön warm, und nun wird es gleich wieder kalt, und wir können nicht baden gehen«, murrte Danny.
Da gab es aber so viele, die ganz andere Sorgen hatten, als die Kinder, die nicht begriffen, welche Schäden dieses Unwetter mit sich gebracht hatte. Abgedeckte Dächer, kaputte Fenster, von der Ernte ganz zu schweigen, und die Gärtner, deren ganze mühevolle Arbeit umsonst gewesen war.
Fee fuhr indessen an demolierten Autos vorbei, bei denen fassungslose Menschen standen, redeten und gestikulierten. Dann kamen die Straßen, die noch von Laub und abgebrochenen Zweigen bedeckt waren. Da fing man mit den Aufräumungsarbeiten gerade an. Die Unterführung, durch die sie fahren musste, war noch überschwemmt. Das Wasser spritzte hoch empor, und sie war froh, als sie auch diese Klippe überwunden hatte. Aber in dem Viertel, in dem auch die Parkstraße lag, sah es noch bedeutend schlimmer aus als bei ihnen. Da konnte man wirklich sagen, dass der Seppi Wagner schon mächtig gewerkelt hatte bei den Rohdens.
Es war ein hübsches Haus, ein moderner Bungalow, der aber sehr behaglich wirkte mit seinem Walmdach. Da hockte schon wieder Seppi droben und richtete die letzten Ziegel.
Julia Rohden kam aus dem Haus. Man sah ihr noch den Sonnenbrand an, aber sonst schien sie auch wieder in Ordnung zu sein. Sie war ein bildhübsches Mädchen von achtzehn Jahren.
Sie begrüßte Fee verlegen. »Ich gehe bestimmt nie wieder so lange in die Sonne«, sagte sie. »Aber auf dem Wasser merkt man es halt nicht so schnell. Jetzt habe ich mein Fett weg. Und dann auch noch das. Und ich konnte nicht helfen.«
»Es ist ja ein tüchtiger Helfer am Werk«, sagte Fee.
»Ich finde es so nett, wie Sie sich um alles kümmern. Aber Ihnen schlägt ja auch niemand etwas ab.«
»Es war auch nett von Ihrem Vater, dass er meinem Mann seinen Wagen zur Verfügung stellte.«
»Das war ja wohl selbstverständlich«, sagte Julia. »Sie hätten den Wagen nicht so schnell bringen müssen, Frau Dr. Norden. Annette hat Paps abgeholt. In der Fabrik ist die Hölle los. Da muss es mächtig geklirrt haben.«
Annette, dachte Fee, wer ist das? Julia sagte es so selbstverständlich. Sollte es jetzt doch wieder eine Frau in Jürgen Rohdens Leben geben?
»Ich bin ja froh, dass ich soweit wieder okay bin«, fuhr Julia fort. »Ist bei Ihnen alles in Ordnung?«
»Bis auf den Garten«, erwiderte Fee.
»Da sieht es bei uns auch schlimm aus, aber Annette hat schon gesagt, dass sie am Wochenende helfen wird.« Julia sah Fee an. »Paps hält doch so viel von Dr. Norden«, sagte sie zögernd, »könnte der ihm nicht mal etwas zureden, dass er Annette heiraten soll?«
Fee war leicht verwirrt. Das kam zu plötzlich, und sie hatte bisher eigentlich gedacht, dass Julia Rohden eine recht egoistische Tochter wäre, sehr verwöhnt und sehr auf ihren Vater fixiert, aber warum sollte sie sich nicht auch einmal täuschen?
»Kennt mein Mann denn diese Annette?«, fragte sie.
»Klar doch«, erwiderte Julia. »Annette Uhl, durch sie sind wir doch erst an Dr. Norden gekommen. Ich finde Ihren Mann einfach klasse, Frau Dr. Norden. So ein Mann müsste mir auch mal begegnen. Sie denken doch hoffentlich nicht falsch«, fügte sie schelmisch hinzu. »Sie sind ja auch eine tolle Frau.«
Und sie war ein modernes Mädchen, jung und unbeschwert und so bezaubernd, dass ihre lockere Art keineswegs taktlos wirkte.
Annette Uhl, da hielt sogar Fee Norden den Atem an. Genau musste man sagen, Dr. Dr. Annette Uhl, denn sie hatte nicht nur den Dr. Ing erworben, sondern dazu auch den Doktor der Rechtswissenschaften. Eine Doppelbegabung hatte Daniel sie genannt, aber sie hatte sich es auch leisten können, alles das zu studieren, was sie wissen wollte. Sie brauchte sich nicht um ihren Lebensunterhalt zu sorgen. Sie hätte sich alles leisten können, was sie nur haben wollte, aber für sie gab es nichts anderes als ihren Beruf, jedenfalls bisher nicht. Sie war Expertin für Patentangelegenheiten und dazu eine anerkannte Gutachterin. Sie hatte schon manchem geholfen, den man übervorteilen wollte, und sie hatte auch den Mut, unrechtmäßige Bereicherung zu verhindern, wenn einem Erfinder sein Produkt abgeluchst werden sollte.
So war denn Annette Uhl bei vielen sehr beliebt, aber ebenso wurde sie von anderen gefürchtet. Sie war eine interessante Persönlichkeit.