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Kai der Hai und sein Freund Supertrooper sind unzertrennliche Freunde, die gemeinsam Abenteuer in aller Welt erleben. In diesem fünften Band wird Kai der Hai auf die Magie der Mayas in Mexiko stoßen...
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Seitenzahl: 44
Man hatte ihn gewarnt.
Die Kellner im Hotel hatten ihm gesagt, er solle nicht hinter den Zaun gehen, nicht hinter den hohen Zaun, der das Hotelgelände umgab, es sei gefährlich. Nun, was machen kleine Jungs, wenn sie ein solches Verbot hören? Richtig, sie denken immerzu daran, dieses Verbot zu brechen. Er fragte dann – so ganz nebenbei – seinen Vater: „Du, Paps, was glaubst du ist wohl hinter dem Zaun da hinten?“ Kai's Vater war gerade damit beschäftigt, seine Taucherausrüstung zu ordnen und antwortete ohne aufzusehen: „Na, das Grundstück eines Nachbarn, nehme ich an.“
Kai war mit der Antwort zufrieden gewesen und hatte es fast wie eine Einladung zum Stöbern angesehen.
Kurz entschlossen machte er sich auf den Weg, um eventuell ein Loch im Zaun zu finden. Dort, eine Stelle im Holz sah ganz morsch aus.
Er überlegte eine Weile, denn da war sein schlechtes Gewissen, man betrat nicht einfach einen fremden Garten. Aber das Abenteuer lockte einfach zu sehr. Also schloss er mit sich selber einen Vertrag: Er wollte gegen das Holz treten und wenn es fest blieb, würde er alles vergessen und zum Strand gehen. Sollte es jedoch unter seinem Fuß nachgeben, wäre das wie eine Einladung...
Gedacht – getan. Schon bei einer ganz leichten Berührung gab das Holz nach und mit einem Schritt war er in einem Garten voller Kakteen, Blumen und Palmen. Hier war es viel schöner als im Hotelgarten. Es gab keine Plattenwege, alles wuchs wild durcheinander und es duftete nach vielen Blumen, ganz so wie das Parfüm seiner Mutter.
Doch ganz plötzlich stand er dieser uralten Frau gegenüber. Sie starrte ihn an und es lief ihm eiskalt über den Rücken, denn sie hatte nur ein stechendes Auge, das andere war milchig weiss. Ihre faltige Haut hatte die Farbe von hellem Kakao und sie war so furchtbar dünn, dass ihre Haut wie ein zweites Kleid an ihren Knochen hing. Sie trug ein langes, schmutziges Hemd, dass vielleicht einmal weiss gewesen war. In der Mitte wurde es zusammengehalten von einem silbernen Gürtel, der über und über verziert war mit türkisen Steinen. Das tollste aber war ihre Kette, von der Kai kaum den Blick lassen konnte.
Sie war aus schwerem Silber mit einem großen Anhänger. Auf diesem war das Bild eines knienden Mannes im Profil, der auf dem Rücken einen schweren Stein trug. Die alte Frau ließ die Kette langsam hin- und her baumeln und Kai konnte die Augen nicht losreissen. Er wurde ganz schläfrig und hatte plötzlich gar keine Angst mehr. Doch dann musste er niesen, denn die Alte hatte ihm irgendeinen Staub ins Gesicht geblasen. Bis zu diesem Augenblick war ihm gar nicht aufgefallen, dass sie ein paar fremd aussehende Blumen in der Hand hatte. Er rieb seine Augen und als er sie wieder öffnete, war die Alte verschwunden.
Um ihn herum sah er nun große graue Steinblöcke. Teilweise lagen sie kunstvoll aufeinander, als ob sie einmal zu einem Haus gehört hätten, behauen und zusammengefügt ohne Mörtel, wie man sehr gut erkennen konnte.
Merkwürdig, dachte Kai, nach dem Zaun um das Hotel hatte er doch nur eine Wiese gesehen... Und nun stand er in dieser Ruine. Bevor er seine Augen vom Niesen ganz fest geschlossen hatte, war ihm, als hätte die Frau zu ihm gesprochen ohne den Mund zu bewegen, so als hätte sie direkt in sein Gehirn geredet: „Du hast mein Haus betreten, du sollst von meinem Leben kosten. Du wirst meine Freuden und meine Ängste fühlen.“ Dann hatte sie gelacht, in einem meckernden Ton, als wäre sie eine Ziege und hatte ihre langen grauen Haarsträhnen nach hinten geworfen und der Adamsapfel in ihrem faltigen Hals war auf und ab gehüpft.
Jetzt stand Kai etwas verloren in diesem verwilderten Garten und weit und breit war nichts und niemand zu hören, weder Mensch noch Tier. Das war sehr ungewöhnlich, denn die Gärten um das Hotel waren voll mit Urlaubern und es liefen auch viele Tiere herum. Das Hotel hatte sogar einen kleinen Zoo, durch den er gehen musste, bevor er durch den Zaun kriechen konnte. Da brummte, zirpte, zwitscherte und krächzte es wie aus tausend Kehlen – und hier summte noch nicht einmal eine Fliege! Da wusste Kai, dass etwas nicht stimmte und dass die Kellner im Hotel die Wahrheit gesagt hatten. Dies musste ein Spuk sein und es war bestimmt auch gefährlich. Deshalb rannte er so schnell ihn seine kleinen Beine trugen zurück zum Zaun.
Es war ihm egal, dass aus vielen kleinen Wunden und Kratzern nun Blut kam, nur weg von diesem Ort, wo ihn die Ranken der Büsche scheinbar festhalten wollten. Mit einem Schluchzen schob er sich durch die Lücke im Zaun, blieb an einer Spitze hängen und ließ sich einfach nur fallen. Seine Shorts hatten einen langen Riss, aber das war egal, denn er war endlich wieder in Sicherheit auf dem Hotelgelände.
Nachdem er seine Badehose angezogen hatte, lief er direkt zum Strand und warf sich gleich ins Meer, denn er hatte das Gefühl, er müsse das Erlebte von sich abwaschen. Seine Eltern schwammen auch und winkten ihn zu sich. Dort, etwa 20 Meter vom Strand, standen sie in einem kleinen Schwarm bunter Fische, die neugierig an ihren Beinen knabberten. Hier, vor der Küste von Yucatan, zwischen dem Riff und dem Strand, war das Fischen verboten und die Meeresbewohner