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Neue Deutsche Rechtschreibung Nataly von Eschstruth war eine deutsche Schriftstellerin und eine der populärsten und berühmtesten Erzählerinnen der Gründerzeit. Null Papier Verlag
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Seitenzahl: 186
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Nataly von Eschstruth
Katz’ und Maus
Roman in Reimen
Nataly von Eschstruth
Katz’ und Maus
Roman in Reimen
Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2019 1. Auflage, ISBN 978-3-962810-95-5
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Inhaltsverzeichnis
Widmung
Im Johanniskloster.
Die Holzenburg.
Katz’ und Maus.
Das Rätsel.
Die Werra-Fuhrt.
Gudula.
Das Kräutlein Wohlverleih.
Ich fürcht’ mich nicht!
Et dimitte nobis debita nostra!
Die Glockenblume.
Der Steg.
Der Katzenritter.
Behüt’ Dich Gott!
Am Rhein.
Ros’ âne dorn – ein tube sunder gallen!
Ein Wiedersehen.
Rheinab!
Der Dombaumeister.
Die Beichte.
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Frau Ignes von Hülsen, geb. Freyin von Ohlen-Adlerskron, in dankbarer und verehrungsvoller Liebe zugeeignet von der Verfasserin.
Rosen werden meine Träume, Lachend Maigrün die Gedanken, Zwischen welchem Fantasien Traumhaft, bleich wie Lilien, schwanken. Von den Rosen und den Lilien Lass mich hier die liebsten bringen, Sie als nimmerwelke Krone Duftend um Dein Haupt zu schlingen!
Berlin, den 11. October 1885.
»Nun so redet!« sprach Abt Wunfried, Griff bedächtig nach dem Humpen, Neigte sich, warf einen schnellen Blick in seine Purpurtiefe, Wo die grellen Lichtreflexe Funken gleich im Weine tanzten, Hob ihn an die schmalen Lippen Und tat einen knappen Zug. – Gegenüber an der Tafel, Vor dem unberührten Becher Saß, dem diese Worte galten, Finsterblickend, stahlgewappnet, Robert von dem Frankensteine, Den man auch nach seinen streichen Rings den »wilden« Junker nannte. Seinen langen, blonden Schnurrbart Zornig in den Fingern zwirbelnd, Düstern Blick zum Abte schickend, Schlug er mit der Rechten dröhnend Auf die eich’ne Tafelplatte Und rief hastig: »Ja, beim schwarzen Höllenfürst und allen Teufeln, Reden will ich, Abt Wunfriedus, Und Ihr sollt der Rede staunen! Haben sich die Lästerzungen Hier im Kloster Sanct Johannis, Mich verketzernd, eingenistet, Dass Ihr mich wie einen Schandbub’, Beichte heischend, vor Euch ladet?« Hob das ernste, bleiche Antlitz Abt Wunfriedus und sprach ruhig: »Fein bedächtig, Junker Robert! Wisst, dass ich Euch hergerufen Unterm scheine alter Freundschaft, Einer Zwiesprach hier zu pflegen, Nicht um Euer Tun zu richten; Ihr hingegen führet Reden, Die ein friedliches Beraten Schier unmöglich machen. – Demut Heisch’ ich hier als Euer Priester, Offenheit als Freund und Oheim. Ist’s Geheimnis denn geblieben, Was in Kreuzburg vorgefallen? Soll allein in Sanct Johannis Niemand ahnen, was im Lande Weit schon über Türing’s Grenzen Kecklich alle Spatzen pfeifen? Und wie wisst Ihr, ob ich’s glaube; Ob ich nicht in schweren sorgen Ängstlich forschte, ob dies Schrecknis Nicht geschah de gravi causa? Seid Ihr schuldig, Junker Robert, Sanct Johannes mög’s verhüten – Wer vermöchte eh’r denn Wunfried Eure Seel’ zu absolvieren? Drum erzählt mir ohne Zaudern Und genau, dass jeglich Wörtlein Auf das Kreuz Ihr könnt beschwören, Wie Ihr streit bekamt zu Kreuzburg!« Heftig an der Lippe nagend, Starrt der Junker auf den Boden, Wo auf weiß gefegten Dielen Sich die langen Schatten malten; Dann erhob er jach das Antlitz, Dieses freie, finster kühne, Wetterbraune Männerantlitz, Und so hob er an zu sprechen: »Hab’ gesündigt, Abt Wunfriedus, Doch so schwer nicht, als Ihr meinet; Wisst ja, heißes, ungestümes, Trotz’ges Blut der Frankensteiner Schäumet hinter meinen Schläfen, Und so kommt es – weiß der Satan! – Gar zu leicht, dass mir die Adern Zornhoch auf der Stirne schwellen. Bös gemeint ist’s niemals, Wunfried, Ist nur so, wie’s unser Herrgott Auch dem jungen Most beschieden, Der erst gährt und schäumt und dränget, Eh’ er sich, zu Gold geläutert, In den besten Wein verwandelt! Wisst, ich habe keine Mutter, Keine Schwester, keine Base, Bin als wie ein herrnlos Füllen, Zwischen Männern aufgewachsen Und entbehrte jeden Zuspruchs. Also ward ich, was ich bin nun, Frei empor geschossen Stämmlein, Dessen wilde Sauersprossen Keine zarte Hand gereutet, Guter Art, doch arg verwahrlost, Seine Kräfte fälschlich nutzend Und nach allen Seiten kecke In die lust’ge Freiheit strebend! Also höret. – War mit Hermann, Herrn von Treffurt und zu Beilstein,1 Wohl befreundet und verbrüdert, Wenn mich gleich sein tückisch Wesen, Seine falsche Schleichermiene Oft auf’s grimmigste verdrossen. Dennoch war ich stets in Frieden Mit ihm Handels einig worden, Seine Nähe meistens meidend, Wie man eklen Spinnen ausweicht. Nun geschah es, dass Herr Hermann Plötzlich ein Gelüst verspüret, Sein Ererbtes zu vergrößern Und die Grenzen seines Lehnes Längs der Werra zu erweitern. Schon seit grauen Jahren sitzen Die von Frankenstein zu Salzung, Bis ich jüngst mir zum Ergötzen, Hier am Petersberg bei Wartburg, Meinen Mittelstein erbaute.2 Solches nutzte der von Treffurt, Und er hob an, mich zu kirren, Ihm die wenig Hufen Landes, So am Werra-Ufer laufen Und auf Salzungen verbrieft sind, Frankensteinisches Ganerbe, Einzutauschen oder gegen Baare Münze zu verkaufen. Ich sann hin und her und dachte, Dass der Landstrich zu entbehren, Wenngleich er zum besten Acker Zählte, den ich je besessen; Tat’s dem Treffurt auch zu Liebe, Denn ich wollt’ ihn nicht zum Feinde; Doch verkaufen gegen Baares Wollt’ ich ungern. – Nun hat Hermann Dicht gelegen meinen Forsten Einen Flecken, heißet: ›Haynich‹3 Dahinein verlor manch’ Wild sich, Wenn ich’s in den Bergen hetzte, Und verleidet’ mir das Jagen. Darum sprach ich: ›Tausch’ die Hufen Gegen jenen Flecken Haynich, Lass sie schätzen und vergleich’ es Dann gerecht mit meinem Acker!‹ Ihm gefiel’s, und also wurden Schnell wir unsres Handels einig, Setzten fest auch Tag und Stunde, Wo wir uns in Kreuzburg treffen Wollten, Alles zu verbriefen. – War auch zur bestimmten Stunde Hermann Treffurt und sein Bruder, Jener rote Fuchs von Beilstein Mit dem Hinkefuß, Herr Henno, Und sein Beistand, Hinz von Naetter, In Stadt Kreuzburg eingeritten. Fast zu gleicher Zeit mit ihnen Traf auch ich ein. Mir zur Seite Ritt mein wackrer Trautgeselle, Treusch von Buttlar, der zu Schweinsberg Bei dem alten Guntram Schencke Mit mir Knappendienste übte, Und der jetzt mit seiner Hausfrau, Vom Geschlechte der von Malsburg, Auf dem Brandenfelsen sitzet. Wie wir uns bei heitrem Mahle Nun versammeln, und Herr Henno Hundert Sprüchlein, oder mehr noch, Hercitiert, den Krug zu leeren, Wie er ließ die Gäste leben, Jeden Einzelnen mit Namen, Fürst und Landsherr, unsre Vesten Die hochwürd’ge Cleriseia Und zum Scherz Frau Aventiure Und die holde Kön’gin Minne, Kurz – wie er stets Vorwand suchte, Weinesglut aus unserm Becher In die Köpfe zu verpflanzen, – Ja, da darf’s nicht Wunder nehmen, Dass wir, höchlichst aufgeheitert, Endlich von der Tafel schieden, Um den Tauschcontract zu schließen, Den ein Schreiberlein, Claus Pfeiffer, Während dessen aufgesetzet. Henno nimmt das Schreiben jetzo Und beginnt vor allen Zeugen Laut den Inhalt zu verlesen; War just so, wie wir’s bestimmten: Meine Hufen für den Haynich. Buttlar hört’s gleich mir und nicket, Hermann nickt und sagt: ›Herzbruder, Bist Du diesen Brief zufrieden?‹ Und ich antwort’: ›so mir Gott helf’, Ja, ich bin es, Hermann Treffurt!‹ Und… nun soll ich’s durchseh’n, siegeln!« Jetzo unterbrach sich Robert, Und mit wild gefurchter Stirne, Seinen Sessel rückwärts stoßend, Sprang er auf, um hast’gen Schrittes An Abt Wunfried auf und nieder Im Sanctuarium zu schreiten. »Wisst, Abt Wunfried!« grollt er heftig Und ballt vor ihm beide Hände: »Hab’ gelernt, was Rittertugend, Höfische Hantierung fordert, Weiß mein feurig Roß zu tummeln Bei Turnier sowohl wie Fehde, Dass der Name Frankensteiner Just so hell strahlt wie die Krone4 Die Herrschaft Frankenstein im Schild führt einen Löwen, Mit krumbem Hals, dafür man sich muss scheuen, Und auf dem Helm die Cron, darauf zwen Flügel stehn, Womit man hurtig und mit Tapferkeit kann gehn.« Seiner Schildzier, dass man seinen Mut vergleichet mit dem Leuen, Der in seinem Wappen gleißet! Hab’ gelernt, in Hof und Palas Mich als Ritter zu geberden, Aber kaufmännische Tugend, Als da Lesen ist und schreiben, Oheim Wunfried, lernt ich nicht! Hab’ mich stets darauf verlassen Und geglaubt: ›Wozu denn Klöster? Und so viele fromme Brüder? Hochgelahrte Herrn Magister, Wenn der Ritter noch im Schreibsaft Seine Freiheit soll ersäufen?‹ – Aber eingestehen wollt’ ich Das doch nimmermehr dem Beilstein, Hätte doch sein spöttisch Lächeln Meine Galle schäumen lassen; So fuhr ich denn an Herrn Henno, Ob mein Wort allein nicht gültig, Dieses Brieflein zu betät’gen? Und mit listig schlauer Miene Gab der Hinkfuß mir zur Antwort: ›Ist ja nur der Ordnung wegen, Und nun einmal Brauch und Sitte! Uns, Herzbrüderlein, genügt wohl Frankensteiners Wort und Handschlag, Aber was da nach uns kommt, Kind und Kindeskinder, Robert, Die verlangen es besiegelt, Schon um Händeln vorzubeugen.‹ Solches fand ich recht und billig, Fasste ruhig nach dem Wachse, Drückt’ auf’s Pergament mein Siegel Und gab’s weiter an den Buttlar. Dem geht’s just wie mir. – Er setzte Auf gut Glück sein Zeichen drunter, Treffurt, Naetter, – und nur Hinkfuß Konnt’ allein den Namen schreiben. Drauf in weineslust’ger Stimmung Ging’s zurücke an die Tafel, Unsern Tausch mit manchem Becher Edlen Feuerweins zu taufen. Endlich schlug die Trennungsstunde. ›Bruder‹, sprach ich zu Herrn Hermann, ›Lass uns Alles heute enden, Gib mir, wie es mir nun zusteht, Für den Handel meinen Kaufpreis.‹ Lachte wild und laut der Treffurt: ›Bist Du rein des Teufels, Freundchen? Hast Du denn den Brief vergessen, Den Du eben unterzeichnet?!‹ – Wieder machte Junker Robert Hier, fast keuchend, eine Pause, Presste die geballte Rechte Auf die Brust und sah zum Abte, Der in regungslosem Lauschen In die Hand die Wange stützte, Wuterfüllten Blickes nieder. Lasst mich kurz sein, Abt Wunfriedus, Ahnt wohl schon, was mich betroffen? Fluch der ehrlos falschen Sippe, Die, der Ritterschaft zur Schande, Solche Büberei verübte! Den Contract, den man verlesen, Hatte ich nicht untersiegelt, Nein, beim Teufel! einen andern, Den sie listig unterschoben, Der mir für die fetten Hufen Jenes dürre, unfruchtbare, Abgebrannte Dörflein Borsla, Weit entlegen meinen Grenzen, Statt des Haynichforsts verschrieben! Als Herr Hermann mir dies Schriftstück Höhnisch lachend vorgetragen Und behauptet, ich sei trunken Wohl gewesen, da’s gebrieft ward, Jetzo sei’s nicht mehr zu ändern … Da erfasste namenlose, Ungeheuer hitz’ge Wut mich. ›Bube!‹ rief ich, und ich packte Wie ein Wehrwolf seine Gurgel: ›Reißt Du nicht den Lügenfetzen, Dieses Gott verfluchte Schriftstück, Hier vor mir und meinen Augen Und sofort in tausend Stücken, Würg’ ich Dich, beim Satan, Schurke, Wie ’nen Hund mit eignen Fäusten!‹ – ›Henno! – Naetter!‹ – keuchte Jener Nur statt Antwort, und ich sehe, Wie die niederträcht’gen Burschen Blank ziehn und zu Hülfe eilen. ›Waffâ! … Waffâ!‹ schrie Treusch Buttlar, Sprang dazwischen und warf jählings Einen schweren Eichensessel Dem von Naetter in die Füße, Dass er strauchelnd rückwärts stürzte. ›Waffâ! – Waffâ!‹ wiederholt’ ich, Meiner Sinne nicht mehr mächtig, Ließ den Treffurt fahren, Suchte Nach dem Schwert an meiner Seite … Ha! – und griff den leeren Riemen! Gleicher Zeit sah ich den Hinkfuß Seine Waffe in des Bruders Unbewehrte Rechte drücken, Und mit wildem Rachefluche Stürzt’ sich nun der eh’ Gewürgte Wider mich mit blanker Klinge. Ich such’ Deckung an der Tafel, Fasse – mir ist’s jetzt als träumt’ ich – Während meine Pulse rasen – Einen jener schwer gewicht’gen Humpen, steinern, weingefüllet, Schleudre ihn mit starkem Arme Meinem Angreifer entgegen. Gut getroffen hatt’ ich, Wunfried, Besser als ich wollt’ und wünschte, Denn mit klaffend blut’gem Schädel, Überströmt von Wein und Scherben, Lag der Treffurt auf den Dielen, Röchelnd, … und ein Mann des Todes. – ›Fort von hier! – Bei Deinem Leben!‹ Hört’ ich Buttlar’s Stimme flüstern, Und er fasst’ mich, reißt mich mit sich – ›Auf die Rosse! – Fort, Freund Robert!‹
In den Sessel war zurücke Der Erzähler hier gesunken, Stützte schwer das Haupt und starrte Schweigend auf die Tafelplatte, Dann hob er das stolze Antlitz Und sprach ruhig: »Ist zu Ende Meine Beichte, Abt Wunfriedus, Nun in Gottes Namen – richtet!« Lang’ noch schwieg der Abt. Er wiegte Auf den Schultern, ernst erwägend, Sein ergrautes Haupt und nickte Vor sich hin, als wollt’ er sagen: »Ja, so ist es! Wer kann’s ändern Oder ungeschehen machen!« Und aus seinem Auge huschte Jäh ein Blick nach Junker Robert, Just so scharf, als wollt’ er dringen In des Ritters tiefste Seele, Just so prüfend, als erwäg’ er, Wie auf diesen Mann zu bau’n sei. Und so hob er an zu sprechen: »Also hat der Herr befohlen Unser Gott: ›Du sollst nicht töten!‹ Und sein Himmelreich verschlossen Allen, so dawider handeln! Schwer habt Ihr gesündigt, Junker, Und den Blutfleck Hermann Treffurt’s Wascht Ihr nicht von Eurer Seele, Ob Ihr auch die Tat bereuet, Keine Reu’ erweckt die Toten!« – Brach ein jäher Blitz aus Robert’s Nachdenklich gesenkten Augen: »Hab’ ich etwa hinterlistig Oder gar mit Überlegung, Wie ein Schandbub’, ihn erschlagen? Hat er mich nicht wild gereizet, Mich betrogen! – seine Waffe Drohend gegen mich gezücket?! War das Blut in meinen Adern Etwa kühl wie sonst am Tage? Hat der Wein nicht meine Sinne So erhitzt, dass jeglich Denken, Überlegen mir gestört war? Und – zum Teufel – war nicht Alles, Was ich tat, nur eitel Notwehr? Wenn ich mir mein Leben wahre Und den Feind zu Boden strecke, Bin ich dann ein Mörder, Wunfried?« »Vor dem weltlichen Gerichte Nicht! – denn diese Gründe, Junker, Dienen wohl, Euch zu entschuld’gen, Aber doch nicht zu entlasten. Und Gerechtigkeit auf Erden, Die ein Menschengeist erklügelt, Kränkelt auch an Menschenschwäche Und sieht nur mit ird’schem Auge Und misst nur mit eignem Maaße, Das sie dehnt ganz nach Behagen Und verkürzt in eitel Willkür! Ich hingegen, als der Kirche Diener und als Gottes Stimme, Sehe rechts und links nicht, sehe Einzig Eure nackte Sünde, Kahl und unbemäntelt, sehe Hermann Treffurt’s Blut und spreche: ›Der’s vergossen – der ist schuldig.‹« – »So verdammt Ihr mich?« – – Von seinem Stuhl erhob sich langsam Wunfried, Trat zum Junker dicht und legte Seine kühle, bleiche Rechte Auf das trotzig junge Haupt; »Robert!« – sprach er und sah lange, Lange in des Jünglings Auge: »Nein, ich kann Dich nicht verdammen, Aber Dich erlösen kann ich, Und ich will’s auch, so mir Gott helf!« – »Nennt mir meine Buße, Oheim, Reinigt mich, Herr Abt Wunfriedus!« Und der wilde Frankensteiner Beugte demutsvoll die Kniee, Und sein übermütig Antlitz War zum ersten Mal im Leben Bleich und ernst, und feucht sein Auge. Von der Erde hob ihn Wunfried, Winkte schweigend nach dem Sessel, Setzte nieder sich und strich sich Mehrmals über seine Stirne, Just als wollt’ er noch zum letzten Mal sich’s reiflich überlegen. Sinnend schaute auf ihn Robert. War ein Mann in reifern Jahren, Dieser Abt von Sanct Johannis, Hochgewachsen, schlank und schmeidig, Und noch völlig ungebeuget, Wenn auch grau das dichte Haar sich Unter sammtnem Käpplein lockte. Scharfgeschnitten seine Züge, Kühn gebogne Adlernase, Drüber groß und klug und forschend Seine grauen Augen wachten. Schmal und fest geschlossen legten Sich die Lippen auf die Zähne, Und sie gaben leicht dem Antlitz Einen Zug entschlossner Härte, Einen grausam starren Hochmut, Der wohl eh’r für einen Kriegsmann, Denn für einen Priester taugte. Endlich legte sich entschlossen Wunfried’s Rechte auf die Tafel, Und fast hastig sprach er also: »Wohl! will Euch die Buße künden, Junker Robert, und ich glaube, Werdet niemals Euch im Leben So erstaunen mehr, denn jetzo! Wunderliche Buße ist es, Und drum, eh’ ich sie verkünde, Gebt den Handschlag mir als Ritter, Dass jedwedes meiner Worte Soll in Eurer Brust versargt sein, Bei den Wunden Jesu Christi!« – Überrascht schlug ein der Junker, Und er murmelte betreten: »Habt mein Ehrenwort drauf, Wunfried!« Und zurück in seinen Sessel Lehnt’ sich Wunfried und erzählte: »Zum Verständnis meiner Ford’rung Lasst mich kurz Euch erst verkünden, Wie’s zur Zeit da draußen aussieht In dem Reich der Welt und Kirche, Denn ich glaube, Junker Robert, Bei Euch auf dem Mittelsteine Treibt man nicht viel Politik.« »Nein, beim Ew’gen!« lachte Jener, Und Abt Wunfried dreht am Finger Spielend einen güld’nen Reifen Und fuhr fort: »Im Jahr zwölfhundert Wählt’ ein Teil des Dom-Capitels Zu Stadt Mainz den Freiherrn Sigfrid,5 Herrn zu Eppstein, zum Erzbischof, Während dess’ der Kaiser Philipp, Ihm zuwider, Leopolden, Bischof zu Stadt Worms, erwählte. Sigfrid eilt voll Hass zum Papste, Ward in Gnaden auch empfangen Und ernannt zum Cardinale In der Ordnung Sanct Sabinen Auf dem Monte Aventino. Blieb daselbst, bis Kaiser Philipp Von dem Wittelsbach, dem Pfalzgraf, Meuchlings umgebracht ward, und man Sagt es, dass der Sigfrid Eppstein Auch darum gewusst soll haben; War damals ein bös Gerüchte. Soviel aber ist ganz sicher, Dass Herr Sigfrid schleunigst reiste Hin nach Mainz, und vom Capitel Ward er nach Gebühr empfangen, Und erwählt zum Erzbischofe. Darin sah der Kaiser Otto Nun gar gröbliche Beschimpfung, Sandte Schreiben zu dem Papste Und erfuhr, dass Sigfrid Eppstein Sich so sicher eingenistet, Dass sich Rom für ihn erklärte Und statt seiner Kaiser Otto Schmählich mit dem Bann belegte. Ja soweit ging man im Hasse, Dass der Eppstein selbst betraut ward, An die Churfürsten zu schreiben, Einen neuen Herrn zu wählen! Wilder Zorn erfasste Otto, Er verstieß den Eppensteiner Und bedrängt’ ihn so gewaltig, Dass der Erzbischof musst’ flüchten Und allhier bei Landgraf Hermann, Seinem Freunde, Zuflucht heischte. Später erst, als König Friedrich, Herr zu Böhmen, ward erwählet Zu des Reiches deutschem König, Kehrte er nach Mainz zurücke In sein Amt und seine Würden. Doch beliebt an Friedrichs Hofe Ist der Bischof nie geworden, Denn man konnt’s ihm nicht vergessen, Dass er mit dem Wittelsbacher Einverstanden einst gewesen, Und man sah gewaltig sauer Dazu drein, als nach dem Tode Dieses Sigfrids dann sein Vetter6 Ward zum Erzbischof erwählet. Jetzo ist nun dieser Herre, Ein gar wackrer Gottesstreiter, Der zu Marburg die Gebeine Sanct Elisabeths gehütet Und mit Conradus von Hessen Weiland schwere Kriege führte, Plötzlich auch zu Tode kommen, Nicht beklagt von König Conrad, Der es niemals ihm vergessen, Dass er seinen heft’gen Gegner, Heinrich, Fürst zu Hessen, anstatt Seiner, einst zum König wählte. Und auf diesen Hass, Freund Robert, Gründet sich nun Eure Buße. – Nach all’ dem, was ich erzählet, Werdet Ihr es wohl begreifen, Dass die Kön’ge für die Eppsteins Nicht grad große Vorlieb haben, Sonderlich der König Conrad! Nun bedenkt das Unerhörte, Dass man wieder einen Gerhard7 Eppstein, Waldgraf aus dem Rheingau, Wählt in Mainz zum Erzbischofe.« Abt Wunfriedus drehte längst schon Nicht den Reif mehr an dem Finger, Die geballte Rechte klopfte Zornesmutig auf die Tafel, Und die Stimme war erhoben, Scholl im dem gewölbten Raume Mächtig wie Trompetenschmettern, Das zu Schlacht und Angriff ruft! »Und nun wisset auch, Herr Robert, Was er ist, der Auserwählte, Der auf einem Bischofstuhle Mächtig Regiment soll führen! Ist ein simples, schlichtes Mönchlein, Sitzt zu Erfurt in der Klause, Und bei Gott, hieß er nicht Eppstein, Würd’ kein Hahn selbst nach ihm krähen! Gibt es denn nicht in den Klöstern Würd’ge Männer noch genugsam? Ist nicht das Johanniskloster Eins der ältsten seines Ordens? Hab’ ich nicht mein Amt verwaltet, Gut gemehrt und Würd’ gehoben, Wie kein andrer Abt je vor mir? Bin ich nicht von altem Stamme, Aus dem ritterlichen Blute Der von Frankenstein entsprossen, Deren Stammbaum man zurückführt Bis auf Königliche Wurzel? Ja, beim Blute Christi, Robert, ’s ist ein Schimpf, den man mir antut, Mir, und auch dem König Conrad, Dem zum Trotz man dieses Mönchlein, Nur weil es ein Eppensteiner, Also willkürlich bevorzugt!« Wieder machte Abt Wunfriedus Atemschöpfend eine Pause, Und es nagten seine Zähne Zornig an der Unterlippe. Robert aber blickte ratlos In des Priesters finstre Züge, Schüttelte das Haupt und fragte: »Was hat Alles dies für Einfluss Auf die Buß’, die meiner harret? Wäre ich der Papst höchst selber, Ja, dann sollte wohl mein Machtspruch Euch zum Mainzer Stuhl verhelfen, So jedoch, als simpler Ritter, Ist’s mir unklar, wie die Lage Dieser Dinge ich soll ändern!« Lächelte der Abt und sagte: »Höre an, welch’ einen Auftrag Ich – zugleich in Königs Namen – Dir und Deinem Mute gebe! Wird in wenig Tagen Gerhard, Erzbischof und Graf zu Eppstein, Über’n Rennstieg her von Erfurt Graden Wegs zum Mainzer Stuhl ziehn.Das nun sicher zu vereiteln, Junker Robert, ist die Buße, Die ich Deiner Schuld diktiere. Doch zum Schlusse noch ein Zweites: Kurze Wegstund durch die Berge Liegt das Dörflein Etterwinden, Wo allselbst nach langem Leiden Frau von Wangenheim, Margreta, Wittib längst und ohne Kinder, Ihren Pilgerlauf beschlossen. Statt nun dem Johanniskloster, Wie es billig und gerechtsam, Lehn und Pfründe zu verschreiben, Hat der schlaue Abt zu Fulda, Namens Bertholdus der Zweite,8 Herr zu Leupolz, der ihr Vetter, So fein klüglich sie beredet, Dass sie uns, – von Rechteswegen Ihre Erben! – hintergangen Und das Lehn vergab an Fulda. Nun soll einer mit dem Brieflein, Drin sie alles dies besiegelt, Hin nach Fulda und Bertholdus In des Erbes Rechte setzen. Dieses pergamentne Streiflein Reißt von dem Johanniskloster Ein beträchtlich Stücklein Seele, Kostet uns manch fetten Hufen. Wehe uns, wenn wir es litten, Dass ein Jeder dürfte schmälern An den Grenzen Sanct Johannis! Drum – das Brieflein zu vernichten, Junker Robert, – Deine Buße! Und den Plan, den ich geschmiedet, Höre nun in kurzen Worten.« Näher rückte Abt Wunfriedus Seinen Sessel; leiser wurde, Ernst und heimlich seine Sprache, Und wie seine Augen blitzten, Wie das Blut der Frankensteiner Heißer in den Adern rollte, Wie der rote Wein im Kruge Immer weniger ward und weniger, Und die Sanduhr auf dem Simse Rastlos ihre Körnlein streute. Sprang empor der Junker Robert, Stieß das Schwert auf, dass es klirrte, Und rief jauchzend: »Tausend Teufel Haben diesen Plan ersonnen, Und ich führ’ ihn aus, Herr Oheim, Just so wahr als diesen Krug ich Auf das Wohl des Klosters leere!« Und er hob den schweren Humpen, Setzt’ ihn an und leert’ ihn redlich, Sodass keine rote Perle Seinen Nagel netzte, als er Übermütig gab die Probe. Ernster ward des Mönches Antlitz, Und in feierlichem Tone Fragt er: »schwörst Du’s bei dem Kreuze, Dass der Plan mit allen Folgen, Sollte ja man uns entdecken, Nur auf Dich und Deinen Namen, Einzig auf Dein Haupt dann falle? In des Königs Namen, Robert, Sich’re ich Dir Schutz und Hülfe, Dich, den Ritter, kann er decken, Aber mich und dieses Kloster Schirmt kein königlicher Machtspruch, Und drum muss ich Sanct Johannis Hier vor Allem sicher stellen. Bist Du Willens, Frankensteiner, Sollst Du vollen Ablass haben Für jedwede Schuld und Fehle, Und drum sag’ ich Dir: Beschwör’ es!« Aus den heitern Zügen Roberts Schwand das Lächeln. Ernsthaft legte Er die Hand aufs Kreuzeszeichen, Und mit feierlicher Würde Sprach er langsam: »Ja, ich schwöre!« –
Winkelm. Chron. Hessenlandes Beschreibung, II. Th. 11. Cap.: er saße zu Dreffurt und führte diesen Titul: ›Hermann zu Dreffurt, Herr zu Beilstein und Frauenberg, Ritter.‹ <<<
Winkelm. Chron., s. 293: darnach erbauete ein Frankensteiner ein Schloss nahe bei Eysenach, da es dan nahe lage am St. Petersberg bei der Mülbruken, und nannte es den Mittelstein. <<<
Hessenl. Beschreib., II. Th. 11. Cap.: