Komtess Simones Glück - Toni Waidacher - E-Book

Komtess Simones Glück E-Book

Toni Waidacher

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Beschreibung

Mit dem Bergpfarrer hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Die Romanserie läuft seit über 13 Jahren, hat sich in ihren Themen stets weiterentwickelt und ist interessant für Jung und Alt! Toni Waidacher versteht es meisterhaft, die Welt um seinen Bergpfarrer herum lebendig, eben lebenswirklich zu gestalten. Er vermittelt heimatliche Gefühle, Sinn, Orientierung, Bodenständigkeit. Zugleich ist er ein Genie der Vielseitigkeit, wovon seine bereits weit über 400 Romane zeugen. Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert. Max Trenker saß in seinem Dienstwagen und lauschte auf die Stimmen aus dem Funkgerät. Der Bruder des Bergpfarrers blickte dabei immer wieder ungeduldig auf die Uhr. Es war kurz vor Mittag, und es war ihm ein Rätsel, wieso sein Vorgesetzter in der Kreisstadt ausgerechnet um diese Zeit eine Verkehrskontrolle angesetzt hatte. Bestenfalls kamen jetzt ein paar Bauern mit ihren Traktoren vom Feld zurück zum Hof, weil die Frau daheim mit dem Essen wartete. Der Streifenwagen stand in einer Waldschneise und war von der Straße aus nicht zu sehen. Einen guten Kilometer entfernt, in Richtung Stadt, hatten sich zwei Kollegen postiert. Der eine Kollege saß, genau wie Max Trenker, am Funkgerät, der andere hockte, mit einer Radarpistole bewaffnet, im Gebüsch und visierte die anfahrenden Autos an. »Max, ein roter Mini, Cabrio, mit offenem Verdeck«, kam jetzt eine Stimme aus dem Lautsprecher. »Elf km/h zu viel.« »Verstanden«, antwortete der Polizeibeamte und beugte sich aus dem Fenster. »Wolfgang, roter Mini, offen.« Wolfgang Werle stand am Rand der Schneise, eine Polizeikelle in der Hand. Er gab Max ein Handzeichen, um zu signalisieren, dass er verstanden habe, und ging auf die Fahrbahn. Die Kelle hoch emporgereckt stand er da und wartete. Der Wagen kam heran. Werle schwang den Arm und dirigierte das Auto in die Waldschneise. Die Fahrerin hatte das Tempo gedrosselt und folgte der Anweisung. Max war ausgestiegen.

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Der Bergpfarrer – 286 –

Komtess Simones Glück

... und die Schatten der Vergangenheit

Toni Waidacher

Max Trenker saß in seinem Dienstwagen und lauschte auf die Stimmen aus dem Funkgerät. Der Bruder des Bergpfarrers blickte dabei immer wieder ungeduldig auf die Uhr. Es war kurz vor Mittag, und es war ihm ein Rätsel, wieso sein Vorgesetzter in der Kreisstadt ausgerechnet um diese Zeit eine Verkehrskontrolle angesetzt hatte.

Bestenfalls kamen jetzt ein paar Bauern mit ihren Traktoren vom Feld zurück zum Hof, weil die Frau daheim mit dem Essen wartete.

Genauso wie Sophie Tappert, die Haushälterin seines Bruders, im Pfarrhaus …

Der Streifenwagen stand in einer Waldschneise und war von der Straße aus nicht zu sehen. Einen guten Kilometer entfernt, in Richtung Stadt, hatten sich zwei Kollegen postiert. Der eine Kollege saß, genau wie Max Trenker, am Funkgerät, der andere hockte, mit einer Radarpistole bewaffnet, im Gebüsch und visierte die anfahrenden Autos an.

»Max, ein roter Mini, Cabrio, mit offenem Verdeck«, kam jetzt eine Stimme aus dem Lautsprecher. »Elf km/h zu viel.«

»Verstanden«, antwortete der Polizeibeamte und beugte sich aus dem Fenster. »Wolfgang, roter Mini, offen.«

Wolfgang Werle stand am Rand der Schneise, eine Polizeikelle in der Hand. Er gab Max ein Handzeichen, um zu signalisieren, dass er verstanden habe, und ging auf die Fahrbahn. Die Kelle hoch emporgereckt stand er da und wartete.

Der Wagen kam heran. Werle schwang den Arm und dirigierte das Auto in die Waldschneise. Die Fahrerin hatte das Tempo gedrosselt und folgte der Anweisung.

Max war ausgestiegen. Er setzte sich die Dienstmütze auf den Kopf und schlenderte zu dem Kleinwagen hinüber.

»Allgemeine Verkehrskontrolle, mein Name ist Max Trenker, Polizeistation St. Johann«, stellte er sich vor. »Die Fahrzeugpapiere und Ihren Ausweis, bitt’ schön.«

Die blonde Frau lächelte frech und zwinkerte ihm zu.

»Seit wann bist du denn unter die Raubritter und Wegelagerer gegangen, Max?«, fragte sie. »Früher hast’ schon mal ein Auge zugedrückt.«

Der Polizeibeamte hatte schon überlegt, wieso die Frau ihm so bekannt vorkam. Als er jetzt das freche Lächeln sah, wusste er es sofort.

»Simone!«

»Grüß dich«, sagte sie und öffnete die Wagentür um auszusteigen.

Sie holte ihre Handtasche vom Beifahrersitz und kramte darin herum. Der Bruder des Bergpfarrers winkte ab.

»Schon gut, ich kenn dich ja. Sag mal, seit wann bist’ denn wieder im Land?«

»Seit ich heut’ Morgen in München gelandet bin«, antwortete Simone Komtess Aspacher. »Und ich muss sagen, das Wetter hier ist viel schöner, als in England.«

Sie sah ihn schuldbewusst an. »Ich war wohl zu schnell, was? Ich geb’ zu, das Temperament ist mir ein bissel durchgegangen. Aber nur, weil ich mich so freu, wieder zu Haus zu sein.«

»Na ja, elf Stundenkilometer waren’s«, nickte Max. »Ich belass’ es mal bei einer mündlichen Verwarnung. Willst wohl schnell zum Schloss, was?«

Die blonde Frau nickte. »Ja, Vater wartet schon auf mich. Drei Jahre war ich fort, du verstehst sicher, dass ich es eilig hab’?«

»Schon, fahr aber trotzdem vorsichtig. Du hast es ja net mehr weit.«

»Mach’ ich«, versprach Simone und stieg wieder ein. »Und grüß’ deinen Bruder. Ich hab’ die Touren mit ihm vermisst. Hoffentlich können wir bald mal wieder zusammen aufsteigen.«

»Ich werd’s ihm ausrichten«, rief Max und winkte ihr hinterher.

*

Sie preschte die Auffahrt zum Schloss hoch und drückte übermütig die Hupe. Vor dem breiten Portal mit der großen Freitreppe brachte sie den Wagen zum Stehen und stieg aus. Verwundert schaute sie zur Eingangstür und hupte noch einmal. Längst hätte dort oben jemand vom Personal erscheinen müssen. Zumindest Johann, der langjährige Diener ihres Vaters, oder Lydia von Hohensand, die Hausdame. Doch die Tür blieb verschlossen. Kein Mensch zeigte sich.

Simone blickte sich um. Erst jetzt fiel ihr auf, dass alles – der Schlosshof, der Garten, der Weg von der Auffahrt zum Portal irgendwie – vernachlässigt aussah. Gerade so, als habe sich seit einer Ewigkeit niemand mehr darunter gekümmert …

Simone lief die Treppe hinauf und drückte die Klinke herunter. Sie musste sich mit aller Kraft dagegenstemmen. Offenbar war die Eingangstür lange nicht geölt worden.

In der Halle war es düster. Lediglich über dem Treppenaufgang brannte eine Lampe. Der Blick der Komtess glitt zu den Fenstern. Sie erschrak, Glasscheiben waren von einer dicken Staubschicht überzogen und hielten das Sonnenlicht davon ab, hereinzuscheinen und die Halle zu erhellen.

»Ist niemand da?«, rief sie kopfschüttelnd.

Endlich hörte sie ein Geräusch von oben. Jemand ging über die Galerie.

»Johann? Frau von Hohensand?«, rief sie empor.

»Komtess! Willkommen daheim.«

Der Diener eilte die Treppe hinunter und kam ihr lächelnd entgegen.

»Sagen Sie mal, was ist denn hier los?«, fragte Simone.

»Verzeihen Sie, Komtess«, entgegnete der grauaarige Mann, »dass niemand Ihre Ankunft gehört hat. Ich …«

»Johann!«, unterbrach sie ihn. »Sagen Sie mir endlich, was hier gespielt wird! Wo ist mein Vater? Frau von Hohensand? Warum sieht es draußen so unordentlich aus? Haben wir keinen Gärtner mehr?«

In dem Gesicht des Dieners zuckte es.

»Verzeihen Sie«, bat er noch einmal, »nein, wir beschäftigen keinen Gärtner mehr, und Frau von Hohensand hat Schloss Aspacher vor drei Monaten verlassen.«

»Wie bitte?«

Simone fiel aus allen Wolken.

»Aber wieso weiß ich nichts davon? Und warum ist das alles so merkwürdig hier?«

»Ich bitte nochmals um Verzeihung«, sagte Johann, »Ihr Herr Vater …«

Die Komtess machte eine ärgerliche Handbewegung.

»Himmel, hören Sie endlich auf, mich ständig um Verzeihung zu bitten«, rief sie. »Wo ist mein Vater?«

»Der Herr Graf befindet sich in seinem Arbeitszimmer oben, im ersten Stock.«

»Danke, ich weiß, wo das ist«, entgegnete sie. »Immerhin bin ich hier im Schloss geboren und aufgewachsen. Im Übrigen wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie jemanden beauftragen würden, der sich um mein Gepäck kümmert. Und hier müsste mal wieder Staub gewischt und die Fenster geputzt werden.«

»Ich werde das Gepäck sofort auf Ihr Zimmer schaffen. Allerdings muss ich Sie bitten, es noch nicht zu betreten. Ich bin noch nicht dazu gekommen, es für Ihre Ankunft herzurichten«, entschuldigte er sich.

Simone Komtess Aspacher sah ihn irritiert an.

»Höre ich nicht richtig?«, sagte sie. »Sie werden mein Gepäck hinauftragen und mein Zimmer herrichten? Ja, haben wir denn überhaupt kein Personal mehr?«

Der Diener schüttelte den Kopf. »Bedaure, nein«, antwortete er mit todernster Miene. »Graf Berthold sah sich leider gezwungen, die Mädchen und den Hausburschen zu entlassen, den Gärtner ebenfalls. Nur Frau Frieda, die Köchin, und meine Wenigkeit befinden sich noch in Diensten Ihres Herrn Vaters.«

»Das glaube ich nicht!«

Simone sah sich um. Lauerte hier irgendwo ein Spaßvogel mit einer versteckten Kamera? Würde sie sich und ihr dummes Gesicht, das sie jetzt zweifellos machte, demnächst im Fernsehen anschauen können?

Der maskenhaft starre Gesichtsausdruck des Dieners belehrte sie eines Besseren. Das war nicht gespielt. Das war echt!

Was ging hier vor?

Simone rannte die Treppe hinauf, die Galerie entlang, bis zum Ende, wo das Arbeitszimmer ihres Vaters lag. Ohne anzuklopfen riss sie die Tür auf und stürmte hinein.

»Was um alles in der Welt ist hier los?«, rief sie.

Berthold Graf Aspacher, saß an seinem Schreibtisch. Er blickte auf und starrte sie wie eine Fremde an.

Simone erschrak, ihr Vater war um Jahre gealtert!

*

»Soso, Komtess Simone ist also wieder da«, bemerkte Sebastian Trenker.

Der gute Hirte von St. Johann saß bei seinem Bruder am Küchentisch. Max war rasch noch zu einem verspäteten Mittagessen ins Pfarrhaus gekommen, Sophie Tappert hatte es ihm warm gehalten.

»Warum sagst’ denn das so merkwürdig?«, forschte der Polizeibeamte nach.

Der gute Hirte von St. Johann runzelte die Stirn.

»Tja, ich fürcht’, es wird eine böse Überraschung für die Komtess geben«, antwortete er. »Graf Berthold wird seiner Tochter kaum mitgeteilt haben, was sich auf Schloss Aspacher ereignet hat.«

Max hatte die zweite Portion seines Lieblingsessens verschlungen, Königsberger Klopse mit Roter Beete, und widmete sich nun mit gleicher Hingabe dem Nachtisch, einem Kompott mit Grießpudding.

»Was genau ist denn eigentlich geschehen?«, wollte er wissen.

»Sei net bös’, wenn ich jetzt noch net darüber reden kann«, entgegnete der Bergpfarrer, »aber ich hab’s dem Grafen versprochen. Und vielleicht ist es ihm ja doch noch gelungen, das drohende Unheil abzuwehren.«

Sein Bruder nickte verstehend.

»Simone freut sich jedenfalls schon auf eine Tour mit dir«, meinte er nur.

Sebastian nickte. »Dann werd’ ich wohl mal morgen zum Schloss hinausfahren. Heut’ sollen Vater und Tochter Zeit für sich haben.«

Allerdings sah er die schöne Komtess doch noch an diesem Nachmittag. Seine Haushälterin hatte gerade Kaffee gekocht, als es an der Tür des Pfarrhauses klingelte.

Simone von Aspacher stand völlig aufgelöst vor der Tür.

»Hochwürden, haben Sie einen Moment Zeit für mich?«, fragte sie.

»Freilich«, antwortete Sebastian und nickte ihr zu, »komm nur herein.«

Er führte die Besucherin auf die Terrasse, wo Sophie Tappert den Tisch gedeckt hatte. Sie holte eine weitere Tasse für die Besucherin.

»Setz dich, Simone«, forderte der Bergpfarrer sie auf und nahm selbst ihr gegenüber Platz.

»Ich … weiß gar nicht, wo ich anfangen soll«, sagte Simone. »Da komm’ ich heute nach drei Jahren aus England zurück und erkenne mein Zuhause nicht wieder! Zum einen ist da das Schloss. Der Garten, der Park – alles verwildert. Im Schloss selbst ist seit Wochen nicht mehr sauber gemacht worden. Vater hat fast das gesamte Personal entlassen, und er ist um Jahre gealtert. Und nun sollen wir auch noch das Schloss verlassen, das seit Jahrhunderten im Familienbesitz ist! Hochwürden, bitte, können Sie mir sagen, was da los ist?«

Der Geistliche holte tief Luft.

»Dann hat dir dein Vater also nix erzählt.«

Die blonde Frau schüttelte den Kopf. »Nur Ausflüchte habe ich zu hören bekommen …«

Simone von Aspacher hatte ihren Vater entsetzt angesehen. Der Graf reagierte kaum auf die Frage seiner Tochter. Nach einer schier endlosen langen Zeit stand er schwerfällig auf und kam hinter seinem Schreibtisch hervor. Endlich glitt ein Lächeln über seine Lippen und er breitete die Arme aus.

»Willkommen daheim«, sagte Berthold von Aspacher und wollte sie umarmen.

Doch Simone wich zurück.

»Sag mir endlich was hier los ist!«, forderte sie ihn auf. »Wieso ist das Personal entlassen? Vater, was ist geschehen?«

Der Graf schüttelte den Kopf.

»Nicht jetzt«, sagte er und zog sie in seine Arme.

Die Komtess küsste ihren Vater auf die Wange. Sie hatte das Gefühl, einen Fremden in den Armen zu halten. Der sportliche, vor Kraft strotzende Mann, der ihr Vater einmal gewesen war, kam ihr vor, wie ein Häufchen Elend.

»Es ist viel geschehen, seit du fortgegangen bist«, bequemte er sich endlich zu einer Antwort. »Du hast selbstverständlich das Recht, Antworten auf deine Fragen zu bekommen, aber lass uns später darüber sprechen. Ich habe jetzt zu tun. Wir sehen uns nachher zum Kaffee.«

Mit diesen Worten komplimentierte er sie mehr oder weniger aus dem Arbeitszimmer hinaus.

Simone blieb einen Moment vor der Tür stehen und fragte sich, ob sie gerade einen Albtraum erlebte. Schließlich straffte sich ihre schlanke Gestalt, und sie lief die Treppe in den zweiten Stock hinauf, wo die Privaträume lagen.

Der Diener hatte nicht nur ihr Gepäck heraufgeschafft, sondern auch das Bett bezogen und gelüftet. Er stand gerade mit dem Staubwedel in der Hand an der Stehlampe in der Sitzecke, als die Komtess ihr Zimmer betrat.

»Johann, jetzt sagen Sie mir endlich, was hier los ist!«, forderte sie ihn auf.

Doch er schüttelte nur den Kopf.

»Bedaure, Komtess«, antwortete er, »der Herr Graf hat mir verboten, über die Angelegenheit zu sprechen. Das Verbot gilt auch Ihnen gegenüber.«

Simone blickte ihn hilflos an, dann drehte sie sich um und ging hinaus.

Jedes einzelne der insgesamt vierundsechzig Zimmer des Schlosses betrat sie und schaute sich um. In fast allen Räumen bot sich ihr dasselbe Bild – die Vorhänge waren heruntergelassen, die Möbel mit weißen Laken abgedeckt, und über allem lag eine dicke Staubschicht.

Simone ging mutlos die Treppe hinunter.

Wie sehr hatte sie sich auf das Heimkommen und das Wiedersehen mit dem Vater gefreut – und jetzt das!

Fieberhaft überlegte sie, was geschehen sein könnte, indes war alles nur reine Spekulation, bevor nicht ihr Vater mit ihr gesprochen hatte, würde sie nichts erfahren.

Es sei denn, sie fragte einen Außenstehenden, einen Menschen, der nichts mit dem Schloss und ihrer Familie zu tun hatte.

Simone von Aspacher stand auf der Freitreppe und dachte nach, als Johann aus der Tür trat und sich räusperte.

»Ich habe Ihnen einen kleinen Imbiss hergerichtet«, meldete er.

Die Komtess drehte sich nach ihm um.

»Essen Sie ihn selbst«, entgegnete sie und lief die Treppe hinunter.

Verblüfft starrte der Diener ihr hinterher, als die Komtess in ihren Wagen sprang und mit Vollgas vom Hof fuhr, dass der Kies nur so spritzte.

*

»Ich wusste mir keinen anderen Rat und bin zu Ihnen gefahren«, erklärte die Komtess.

Der Bergpfarrer hatte ihr Kaffee eingeschenkt. Er sah sie nachdenklich an.

»Es ist gut, dass du hergekommen bist«, sagte Sebastian. »Sicher wird dein Vater mit dir über alles reden, aber ich denk’, es ist besser, wenn du net ganz unvorbereitet in dieses Gespräch gehst.« Er hatte sich ihr gegenüber gesetzt und trank einen Schluck.

»Dein Vater ist in eine ganz böse Falle getappt, die ihm fast euer ganzes Vermögen gekostet hat«, fuhr der Geistliche fort und stellte die Tassen ab. »Sagt dir der Name Patricia Vangaalen etwas?«

»Sie meinen diese reiche Unternehmerin, die diese ›Wachnertaler Ferienwelt‹ bauen wollte?«

Sebastian nickte.

»Genau die. Sie ist von diesem Plan auch noch immer net abgerückt. Aber auch in anderen Unternehmungen hat sie ihre Finger drin. Drüben in England hast’ sicher net alles erfahren können, was hier geschehen ist.

Also, Frau Vangaalen betreibt hier im Ort eine Bank. Dein Vater hat sich vor gut zwei Jahren, gegen meinen Rat, dazu entschlossen, mit der ›Vangaalen Privatbank‹ Geschäfte zu machen und ist wohl kläglich dabei gescheitert.«

Simone war entsetzt.

»Aber wieso? Unsere Familie arbeitet seit Generationen mit dem Bankhaus ›Oppermann und Söhne‹ zusammen. Wie kommt er dazu?«

Der Bergpfarrer zuckte die Schultern. »Er wurde durch Versprechungen dazu verleitet. Man hat ihm Renditen in Aussicht gestellt, die jene eurer Hausbank übertrafen. Freilich sind solche Geschäfte net ohne Risiko, sonst würd’ sie ein jeder machen wollen. Die Fonds, in die dein Vater investiert hat, sind im Zuge der internationalen Finanzkrise sämtlich geplatzt, ihr Wert ist rapide in den Keller gegangen, und das Geld der Anleger hat sich im wahrsten Sinne des Wortes in Luft aufgelöst.«

Simone von Aspacher war wie vor den Kopf geschlagen. Mit allem hatte sie gerechnet, nur nicht mit einem solchen Rundumschlag. Sie schnappte nach Luft, ihre Schultern zuckten, und die Tränen rannen ihr über das hübsche Gesicht.