Larry Brent Classic 041: Die Gespenstervilla - Dan Shocker - E-Book

Larry Brent Classic 041: Die Gespenstervilla E-Book

Dan Shocker

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Beschreibung

Gefangener des Unsichtbaren Der irische Kunstsammler Fred McPherson wird eines Nachts von einem Einbrecher geweckt, welcher sich an einigen wertvollen Gemälden zu schaffen macht. Insbesondere ein Werk mit dem Namen "Die schwarze Dämonensonne" scheint den spitzbärtigen Eindringling zu interessieren. McPherson versucht erfolglos den Diebstahl zu verhindern und muss dabei sein Leben lassen. Ein Jogger entdeckt am nächsten Tag in dem Gelände vor dem Anwesen McPhersons die verbrannten Überreste einer Leiche im Feld. Sofort befürchtet man, dass es sich bei dem Toten um den Hausbewohner handeln könnte, doch die Polizei trifft den Kunstsammler quicklebendig in seinem Domizil an - was diesen Umstand noch unheimlicher macht, als die Identität der Überreste laut der Pathologie mit der McPhersons übereinstimmt. Tod in der Gespenstervilla Die Ereignisse in Irland spitzen sich zu. Und nicht nur dort, denn der besessene Philip Hanton macht sich nach den bestialischen Morden an seiner Frau und deren Schwester auf die Suche nach dem dritten Gemälde der Dämonensonne. Dieses befindet sich im Besitz von Lord Bernhard of Shannon, welcher mit seinen drei Kindern in einer Villa auf dem Berg Ben Wyvis (Schottland) lebt. Dieses Anwesen steht bei den Touristen aufgrund seiner Berühmtheit als Gespenster-Villa ganz hoch im Kurs.

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DAN SHOCKERS LARRY BRENT

BAND 41

© 2014 by BLITZ-Verlag

Redaktion: Jörg Kaegelmann

Fachberatung: Robert Linder

Titelbild: Rudolf Sieber-Lonati

Titelbildgestaltung: Mark Freier

All rights reserved

www.BLITZ-Verlag.de

978-3-95719-841-9

Dan Shockers Larry Brent Band 41

DIE GESPENSTERVILLA

Mystery-Thriller

Gefangener des Unsichtbaren

von

Dan Shocker

Prolog

Fred McPherson hörte das Geräusch und war im nächsten Moment hellwach. Er richtete sich im Bett auf, seine Hand zuckte zum Lichtschalter.

Es war jemand im Haus!

Aber außer ihm konnte niemand hier sein. Der Dreiundsechzigjährige lebte seit zehn Jahren allein. Er war schon immer auf Einbrecher eingestellt, deshalb lag in der obersten Schublade des Nachttisches eine Gaspistole.

McPherson nahm sie in die Hand, stieg aus dem Bett, schlüpfte in die Filzpantoffeln und lief leise zur Tür.

Dumpfes Schaben und Rumoren aus dem Raum über ihm drang an sein Ohr. Dort befand sich der Dachboden. Die Eingedrungenen mussten durch ein Dachfenster geklettert sein. Das war eine Schwachstelle in diesem alten Haus. Der Besitzer hatte sich immer vorgenommen, die Fenster zu erneuern, es dann aber jedes Mal unterlassen.

Vorsichtig öffnete McPherson die Schlafzimmertür, lauschte in die Dunkelheit, huschte dann durch das Wohnzimmer und erreichte den Flur, von dem aus eine steile, gewundene Holztreppe zum Dachgeschoss führte.

Die Tür oben war stets verschlossen.

Einen Moment überlegte der Mann, ob es nicht besser wäre, die Polizei gleich zu verständigen, nicht erst oben nachzusehen und sich vielleicht in Gefahr zu begeben.

Er verwarf den Gedanken jedoch wieder.

Auch Mäuse und Ratten konnten den nächtlichen Lärm dort oben verursacht haben. Dass es welche in diesem alten Haus nahe des Baches gab, davon konnte McPherson ein Lied singen.

An manchen Tagen kamen die Schädlinge sogar durch das Küchenfenster.

McPherson wollte die Polizei nicht unnötig alarmieren. Wenn er grundlos anrief, und die Beamten stellten fest, dass kein Mensch im Haus war, würde man ihm das nächste Mal, wenn wirklich etwas war, vielleicht nicht mehr glauben.

Auf Zehenspitzen ging er im Dunkeln nach oben.

Auf dem Dachboden war ein dumpfer Laut zu vernehmen. Offenbar war ein Bild umgefallen. Dann hörte es sich an, als ob jemand eine Leinwand zerreißen würde.

Dieser Gedanke trieb McPherson zur Eile an.

Auf dem Dachboden hatte er hauptsächlich alte Möbel und sehr viele Bilder untergebracht, die er im Lauf der letzten Jahre in allen möglichen Teilen des Landes aufgestöbert hatte.

Was er im Haus aufbewahrte, war ein Vermögen wert. Niemand aber wusste davon. Absichtlich führte er nach außen hin ein bescheidenes, fast ärmliches Leben. Das ging so weit, dass er auf gewissen Auktionen unter falschem Namen und verkleidet auftrat, um seine Spur nachher zu verwischen. Ihm kam es auf den Besitz des einen oder anderen Stücks an. Er wollte mit niemand teilen, die Kunstwerke, die er besaß, allein genießen und vor allem zwielichtiges Gesindel fernhalten.

Es konnte nur ein Zufall sein, dass da einer oder mehrere eingedrungen waren ...

Aber so recht daran glauben wollte McPherson nicht.

Er lauschte an der Tür. Es rumorte noch immer. Dahinter machte sich jemand zu schaffen.

McPherson hatte keine Angst. Mutig drehte er den von außen steckenden Schlüssel herum, jedoch so vorsichtig, dass dabei nicht das leiseste Geräusch entstand.

Er hielt den Atem an und spähte angespannt durch den Türspalt.

Wenn der oder die Einbrecher intensiv beschäftigt waren, würden sie das Öffnen der gutgeölten Tür nicht bemerken.

Und da McPherson in weiser Voraussicht im Korridor kein Licht angeschaltet hatte, lag alles im Dunkeln.

Völlige Dunkelheit aber herrschte nicht in der Bodenkammer.

Der Schein einer Taschenlampe wanderte hin und her ...

Der Lichtkegel führte schräg von ihm weg auf ein Gestell zu, wo mehrere Gemälde lagen.

Eine dunkelgekleidete Gestalt machte sich dort vorn zu schaffen, rund fünf Schritte von dem Beobachter entfernt.

McPherson konnte das Profil des Eindringlings sehen. Es war nur ein einzelner Mann, der hantierte.

Er war schätzungsweise fünfzig Jahre alt, dunkelhaarig, hatte buschige Augenbrauen, eine scharfgebogene Adlernase und einen Spitzbart. Der Fremde machte nicht den Eindruck eines Einbrechers, wirkte im Gegenteil seriös, fast aristokratisch.

Es ging um die Bilder! Da war ein Fachmann am Werk, der wusste, welche Kostbarkeiten unter diesem Dach aufbewahrt wurden.

Fred McPherson schluckte trocken.

Der nächtliche Eindringling hatte mehrere Bilder aus den Rahmen geschnitten und dann achtlos beiseite geworfen.

In McPherson stieg der Zorn auf.

Er musste an sich halten, nicht loszubrüllen und in die Dachkammer zu stürzen.

Damit hätte er alles nur noch schlimmer gemacht.

Der Fremde war so in seine Arbeit vertieft, dass er nichts von dem Beobachter bemerkte.

McPherson zog die Tür zu, verschloss sie und lief nach unten, langsam, um kein verräterisches Geräusch zu verursachen.

Die Mühe hätte er sich sparen können.

Im Korridor vor ihm flammte plötzlich Licht auf.

Wie unter einer eiskalten Dusche zuckte der Mann zusammen. Jemand kam ihm entgegen, ein maliziöses, gefährliches Lächeln auf den Lippen.

Der Mann, den er eben in der Dachkammer eingesperrt hatte!

McPherson schüttelte sich, er glaubte zu träumen.

Er wandte blitzschnell den Kopf und starrte nach oben auf die verschlossene Tür. Durch sie war der Fremde jedenfalls nicht gekommen.

»Wie ... wie ... kommen Sie jetzt ... hierher?«, stammelte er erschrocken.

»Ich bin immer geradeaus gegangen«, erwiderte der andere. In der rechten Hand hielt er eine Leinwandrolle. Sie war farbverschmiert. Es handelte sich um eines der aus den Rahmen geschnittenen Bilder.

Ungeachtet der Tatsache über das gespenstische Auftauchen des Mannes mit dem Spitzbart, berührte ihn das Diebesgut in der Hand des Fremden offenbar am meisten.

»Das ist eine Barbarei!«, entfuhr es ihm. Er hielt die Gaspistole auf den Mann gerichtet. »Sie haben meine Bilder zerstört ...«

»Aber nein«, entgegnete der Unbekannte, ohne sich durch die Waffe in der Hand des Hausbesitzers einschüchtern zu lassen. »Von Zerstörung kann überhaupt keine Rede sein! Ich habe nur etwas ganz Bestimmtes gesucht ...«

»Und wie es scheint, haben Sie es auch gefunden.«

»Richtig. Der Weg hierher hat sich gelohnt.«

»Wahrscheinlich lohnt sich für Sie auch der Weg woanders hin«, sagte Fred McPherson. Er ging zwei Stufen tiefer. Der Eindringling war nicht bewaffnet. »Legen Sie das Bild neben die Treppe und gehen Sie mir dann langsam ins Wohnzimmer voraus! Und keine falsche Bewegung! Sonst knallt's ...«

Diese Drohung konnte er riskieren.

Die Gaspistole sah aus wie eine echte Schusswaffe. Auf den ersten Blick konnte man als Uneingeweihter nicht erkennen, dass es sich nur um eine Gaspistole handelte. Sie war einer richtigen Pistole nachgebildet.

Der andere lachte. »Seien Sie doch froh, McPherson, dass ich Ihnen nichts tue. Ich habe mir etwas geholt und werde ohne großen Aufwand wieder von hier fortgehen. Tun Sie so, als wären wir uns nie begegnet. Sie müssen doch ehrlich sagen, dass ich sehr bescheiden gewesen bin. Sie haben Hunderte von Gemälden im Haus herumliegen. Wahrscheinlich wissen Sie selbst nicht, was Sie alles besitzen. Ich gebe mich mit diesem einen Stück zufrieden, wie Sie sehen. Und Sie wüssten nicht mal, dass es sich in Ihrem Besitz befand.«

»Ich kenne jedes Bild.«

»Nicht dieses eine. Es befand sich hinter der Leinwand eines anderen. Sie haben es nie gesehen.« Der Fremde wollte sich umdrehen und demonstrativ durch die Haustür davongehen, als wäre nichts geschehen.

Da handelte McPherson.

Er drückte ab.

Er erwartete das Zischen der aktivierten Gaspatrone.

Der Mann mit dem Spitzbart blieb stehen und drehte sich um. »Wie Sie sehen, bestimme ich in diesem Haus, was geschieht und was nicht ... Ich wollte Sie nur prüfen. Sie haben die Prüfung nicht bestanden, McPherson ...«

Noch während der Unbekannte sprach, schnellte seine Linke blitzschnell vor.

Eigentlich konnte nicht sein, was geschah, und doch passierte es.

Die defekte Gaspistole wurde McPherson aus der Hand gerissen, ehe er sich recht versah.

Dabei stand der Eindringling zwei Schritte von ihm entfernt, und seine Hand konnte unmöglich über diese Entfernung hinwegreichen!

McPherson stöhnte, schloss eine Sekunde die Augen und weigerte sich zu glauben, dass er wach war. Wahrscheinlich lag er noch in seinem Bett und träumte diese verrückte Einbrechergeschichte nur ...

Die Pistole befand sich wie durch Zauberei plötzlich in der Hand des Fremden, der abdrückte.

Der Gasstrahl traf McPherson ins Gesicht.

Wie von einem Faustschlag getroffen, schrie der Mann auf, taumelte die letzten Stufen nach unten und schlug die Hände vors Gesicht. Die Augen tränten ihm, er hustete und japste nach Luft.

»Wie Sie sehen«, sagte der Fremde ungerührt, funktioniert das Ding doch. Es kommt nur darauf an, wer es bedient. Und nun zurück ins Wohnzimmer! Ich habe viel zu lange Geduld mit Ihnen gehabt. Wir hätten uns gütlich einigen können. Aber davon wollten Sie nichts wissen. Nun dann eben anders.«

Er versetzte McPherson einen Stoß in den Rücken, dass er nach vorn torkelte. Er war halbblind von der Einwirkung des Gases, das ihn voll getroffen hatte.

Ihm war übel, und seine Augen brannten wie Feuer.

Fred McPherson stolperte über den Teppich, ließ sich in einen Sessel plumpsen und hielt einen Zipfel seines Nachthemdes gegen die Augen, um sie auszuwischen.

Er japste nach Luft und verlangte, ins Bad gehen und die Augen auswaschen zu dürfen.

Der Unbekannte erlaubte es ihm.

McPherson hielt seinen Kopf unter den Wasserstrahl, spülte seine Augen aus und tupfte sie mit einem weichen Frotteetuch ab.

Danach fühlte er sich schon wieder etwas besser.

»Was wollen Sie von ... mir?«, stieß er hervor. Noch immer blickte er aus verschleierten Augen auf seinen Widersacher, der im Sessel ihm gegenübersaß und die Beine von sich streckte, als wäre er hier zu Hause.

»Zuallererst das Bild.«

»Welches Bild? Was ist Besonderes daran, dass Sie sich mit einem einzigen zufriedengeben.«

»Vor kurzem wurde der Besitz der Familie Evelon aufgelöst. Unter anderem waren auch Sie dabei, als die Dinge unter den Hammer kamen. Sie haben einige Gemälde erstanden, von denen eines präpariert war.«

»Ich verstehe nicht.«

»Das kann ich mir denken. Denn Sie hatten keine Ahnung. Die Evelons führten ein stilles, zurückgezogenes Leben. So glaubte man jedenfalls. In Wirklichkeit befassten sie sich mit Dingen, die keiner außer ihnen wissen sollte und durfte. Verbotene Wissenschaften, geheimnisvolle Praktiken ... Okkultismus und Magie wurde in dem Haus betrieben. Aber einen wirklichen Erfolg haben sie nie errungen. Dabei besaßen sie das Bild. Aber ebenso wenig wie Sie davon eine Ahnung hatten, wussten es die Evelons nicht.«

»Welches Bild?«

McPherson wurde immer neugieriger, und er begann zu vergessen, dass er mit einem Einbrecher sprach, den er eigentlich der Polizei hatte melden wollen.

»Die schwarze Dämonensonne ...«

»Was ist denn das für ... ein Quatsch? Ein Bild mit diesem Titel kenne ich nicht.«

»Und doch liegt es seit der Nachlassauflösung bei den Evelons auf dem Dachboden, McPherson.«

»Das muss ein Irrtum sein.«

Sein Gegenüber legte die Gaspistole auf die rechte Armlehne des Sessels und entrollte dann die Leinwand.

»Ist das ein Irrtum, McPherson?« Der Gefragte sah das Motiv.

Das Bild war in einem düsteren Braunton gehalten. Über einer menschenleeren, öden Mondlandschaft ging eine schwarze Sonne auf. Sie war von einer hellen Aura umgeben. Aus ihr wuchsen gespenstische, bleiche Arme, die in gierig ins Nichts greifenden Händen ausliefen. Wie Protuberanzen schossen sie in die Endlosigkeit des Universums hinaus.

McPherson starrte auf das Bild.

Es besaß künstlerisch keinen großen Wert, das erkannte er als Fachmann auf diesem Gebiet sofort. Aber er spürte etwas beim Anblick dieses Gemäldes. Es strahlte Feindseligkeit, Beklemmung und Tod aus. Diese Sonne symbolisierte in ihrer Schwärze und gespenstischen Verfremdung das Sterben, die Angst, das Grauen ...

»Eine Sonne ... das bedeutet normalerweise Licht ... und Leben«, murmelte er verwirrt und fühlte sich seltsamerweise zu einer Bemerkung veranlasst.

»Das ist eine ... Gegensonne ... sie hat kein Licht, also auch kein Leben ...«

»Gut beobachtet«, lobte ihn der andere wie ein Lehrer. »Alles organische Leben auf der Erde ist von der Sonne abhängig. Jede Pflanze, jedes Tier, jeder Mensch ... Wärme und Licht ... Die Dämonensonne hat ebenfalls einen Einfluss auf alles, was lebt. Im negativen Sinn, McPherson! Die Strahlen aus diesem schwarzen Koloss sind nur gemalt und doch ist eine gewisse Wirkung spürbar. Finden Sie nicht auch?«

»Wollen Sie damit sagen, dass es diese Sonne wirklich gibt?«

»Das brauche ich nicht anzudeuten. Es ist eine Tatsache.«

»Unsinn!« McPherson reagierte heftiger, als es seine Absicht war. Er musste vorsichtig sein mit dem, was er sagte und wie er sich verhielt.

Sein Gegenüber war ein Verrückter! Wie solche Menschen plötzlich reagierten, konnte niemand voraussehen.

»Die Dämonensonne scheint in der Welt der Dämonen ...« Der Unbekannte senkte unwillkürlich seine Stimme und starrte McPherson unverwandt an. »Wie die Strahlen und die Wärme des Tagesgestirns jeden Menschen beeinflussen, beeinflussen die Strahlen der schwarzen Sonne und ihre Kälte ihn ebenso. Seinen Körper und seine Psyche ...«

Er sprach beinahe beschwörend, und McPhersons Angst nahm zu. Der nächtliche Eindringling war nicht nur ein Einbrecher, er war ein psychisch Kranker.

Verzweifelt suchte McPherson nach einer Möglichkeit, das Ruder zu seinen Gunsten herumzuwerfen.

Aber es fiel ihm nichts ein, und er wollte durch eine unbedachte Handlung seine Situation nicht noch verschlimmern.

Die Plauderei, in die er mit dem Fremden geraten war, war gar nicht so übel. Verrückte musste man ständig ablenken. Man sagte, dass sie dann vergaßen, was sie ursprünglich beabsichtigten.

Doch im Zusammenhang mit dem merkwürdigen Fremden hatte er einige Beobachtungen gemacht, bei denen er sich fragen musste, ob nicht er an seinem Verstand zweifeln musste. Jemand, der eben noch auf dem Dachboden hantierte, konnte nicht im nächsten Moment aus einer völlig entgegengesetzten Richtung auf ihn zukommen!

Hier stimmte etwas nicht ... Die Ereignisse widersprachen allen physikalischen Gesetzen.

Der andere rollte das Bild wieder zusammen.

Instinktiv spürte McPherson, dass etwas in der Luft lag, vor dem er sich in acht nehmen musste.

»Wie haben Sie von dem Bild erfahren?«, fragte Fred McPherson schnell. Es kam ihm darauf an, das Gespräch in Gang zu halten.

»Sie werden es nicht glauben: durch einen Traum.«

Die Antwort verblüffte den Kunst- und Antiquitätensammler in der Tat.

»Sie haben geträumt, dass Sie hier ... in meinem Haus ... versteckt hinter einem anderen Bild ... das Gemälde der schwarzen Dämonensonne entdecken würden?«, fragte McPherson einigermaßen verwirrt.

»So genau nicht. Ich wusste plötzlich nur: In Ihrem Haus würde ich es finden.«

»Aber Sie wussten nichts von mir. Nichts von diesem Haus. Wir sind uns niemals zuvor im Leben begegnet.«

»Ich habe Sie ebenfalls im Traum gesehen. Ich wusste, wie Sie aussehen, wie Sie wohnen ... wo es am leichtesten für mich sein würde, einzudringen.«

»Aber ... so etwas gibt es doch nicht!«

»Doch! Wenn man den Strahlen der Sonne einmal ausgesetzt war, dann kann es das geben. Ich habe Ihnen gesagt, dass die Dämonensonne die Menschen verändert. Ich bin so ein Fall, Mister McPherson, und deshalb werde ich Sie jetzt töten!«

Es lief ihm eiskalt den Rücken runter.

Seine Muskeln und Sehnen spannten sich. Kampflos würde er den anderen nicht an sich heranlassen. Er war körperlich dem Eindringling unterlegen, das war ihm von vornherein klar. Aber sich einfach abmurksen lassen, das ... Da zuckte er zusammen. Sein Gegenüber tat gar nichts, erhob sich nicht, kam nicht auf ihn zu und nahm nicht mal die Gaspistole in die Hand. Stark wie Stahlklammern aber waren die Hände, die sich plötzlich von hinten um Fred McPhersons Hals legten und unbarmherzig zudrückten. Jemand stand hinter ihm! Er konnte nicht feststellen, wer es war, und er konnte sich dem Würgegriff auch nicht entziehen. Fred McPherson starb, wie der unheimliche nächtliche Eindringling es ihm prophezeit hatte.

Der Tote rutschte in sich zusammen. Sein Gegenüber erhob sich, warf sich die Leiche über die Schulter und trug sie aus dem Haus.

Das Anwesen war umgeben von einem niedrigen Holzzaun. Büsche und Sträucher versperrten die Sicht nach draußen.

Das nächste Haus stand mehrere hundert Meter weit zurück in der Dunkelheit.

Da vorn begann auch der eigentliche Ort.

Gesellschaftliche Kontakte unterhielt McPherson keine. In dem kleinen Ort kannte man ihn als weltfremden Sonderling und ließ ihn in Ruhe. Sein Verschwinden würde niemand merken.

Und erst recht nicht, wenn der Mörder, wie er dachte, sämtliche Spuren verwischte.

Er trug den Toten quer über das Feld, legte ihn in eine Erdmulde und kehrte dann noch mal zu dem Anwesen zurück.

Neben dem Haus stand ein alter Schuppen, in dem McPherson sein Auto unterstellte und Geräte aufbewahrte.

Da standen drei Zehnliter-Kanister, die randvoll mit Benzin gefüllt waren.

Einen nahm der Mörder an sich und kehrte an die Stelle zurück, wo er die Leiche zurückgelassen hatte.

Er übergoss sie mit Benzin und zündete sie an.

Prasselnd stiegen die Flammen empor und hüllten den toten Körper ein. Der Widerschein spiegelte sich auf dem scharfgeschnittenen Gesicht des Mannes mit den kühn geschwungenen Augenbrauen und der Adlernase. Mit einer mechanischen Bewegung strich er sich über den gepflegten Spitzbart.

Der Mann war ein dunkelhaariger Typ von aristokratischem Äußeren. Er sah nicht aus wie ein Mörder. Und doch war er zu einem geworden.

Aus der Ferne warf er noch mal einen Blick auf die Brandstelle zurück. Die Flammen loderten noch immer hoch.

Der Mann mit dem Spitzbart zog die Tür hinter sich zu. Wenige Sekunden später erloschen sämtliche Lichter im Haus.

1. Kapitel

Zäh verging die Zeit.

Die Frau konnte kein Auge schließen und lauschte in die Dunkelheit des fremden Raumes, in dem sie lag.

Die Schwestern der Station hatten ihr ein leichtes Schlafmittel gegeben, damit sie Ruhe finden konnte. Trotzdem konnte sie nicht einschlafen. Ständig musste sie an ihren Mann denken, der, frischoperiert, zwei Räume weiter vorn lag, und mit dem es wahrscheinlich zu Ende ging.

Zwanzig Stunden hatte sie an seinem Bett ausgeharrt. Dann hatten die Ärzte sie dringend gebeten, eine Ruhepause einzulegen. Sie müsste doch todmüde sein ...

Seltsamerweise war sie das nicht. Ganz im Gegenteil! Sie hatte das Gefühl, überhaupt keinen Schlaf mehr zu benötigen. Sie war aufgedreht wie eine Uhr.

Eileen Hanton atmete tief durch und fühlte den ungeheuren Druck auf ihrer Brust, der nicht weichen wollte, als säße ein Nachtmahr darauf.

Im Korridor draußen hörte sie eilige Schritte.

Weiter vorn klappte eine Tür, dann folgten Stimmen ...

Philip? fragte die Frau sich besorgt.

Sie musste raus hier und wissen, wie es ihm ging. Vielleicht war er schon tot. Aber es gab eine Abmachung zwischen ihnen. Sie hatten vereinbart, dass der eine den anderen in seiner letzten Stunde nicht allein lassen sollte. Gleich, was war. Ein Sterbender spürte die Nähe des anderen, und oft war es auch so, dass er kurz vor dem ewigen Schlaf noch mal wach wurde und dem anderen eine Mitteilung machte.

Eileen Hanton hielt es nicht länger im Bett.

Sie schlug die Decke zurück und betätigte den Lichtschalter. Eileen Hanton war Anfang fünfzig und hatte volles schwarzes Haar. Das war noch die natürliche Farbe. Keine graue Strähne zeigte sich bisher.

Der Gedanke, dass Philip im Sterben lag, war so unwirklich und zog nicht recht. Sie glaubte immer noch, dass alles nur ein tragischer Irrtum war. Die Röntgenaufnahmen waren vielleicht verwechselt worden ...

Aber die Operation konnte sie nicht verdrängen, der Beweis, dass Philip an einer schrecklichen Krankheit litt. Die Geschwulst war ihm entfernt worden, und die Ärzte waren sicher, dass sie alles beseitigt hatten. Zwei kleinere Eingriffe vorher aber hatten Philip Hantons Widerstandskraft gelähmt, und so war zu allem Unglück noch eine hartnäckige Lungenentzündung hinzugekommen, die seine letzten Kräfte verzehrt hatte. Die Lungenentzündung schien er nicht zu überstehen.

Eileen Hanton war angezogen bis auf ein dunkelgemustertes Kleid, das über einer Stuhllehne hing. Sie schlüpfte schnell hinein, fuhr sich mechanisch durch das duftige, hochgesteckte Haar und verließ den einfachen Raum, in dem außer einem Notbett, einem winzigen Tisch und einem Stuhl kein weiteres Mobiliar stand.

In dem nüchternen, weißgekachelten Korridor leuchteten die Neonröhren, sie verstärkten die sterile, schattenlose Umgebung.

Der Blick der Frau fiel zuerst zu der Tür, hinter der ihr Mann allein lag. Sie hörte das Geräusch der Sauerstoffpumpe.

Das bedeutete: Er lebte noch.

Weit und breit war keine Schwester zu sehen.

Eileen Hanton huschte in das Einzelzimmer, das mit technischem Gerät vollgestopft war.

Philip lag unter einem durchsichtigen Sauerstoffzelt. Sein linker Arm war an eine Infusion angeschlossen, aus der jede Sekunde eine gelbliche Flüssigkeit in seine Vene tropfte.

Elektroden an den Armen, dem Brustkorb und den Schläfen wiesen darauf hin, dass Herz, Kreislauf und Hirnfunktion ständig überwacht wurden. In einem separaten Zimmer standen die Bildschirme und Oszillographen, die von einer Schwester ständig im Auge behalten wurden.

Philip Hanton lag da mit geschlossenen Augen.

Sein markant geschnittenes Gesicht war bleich, die gesunde braune Farbe, die sonst so typisch für ihn war, suchte sie vergebens.

Philip Hanton war einundfünfzig. Ein kräftiger Mann, elegant, mit aristokratischen Zügen. Die kühngeschwungenen Brauen und das dichte Haupthaar waren kohlschwarz. Hanton hatte eine Adlernase und einen Spitzbart.

Eins fiel ihr sofort auf: Sein Röcheln war nicht mehr so stark und laut wie vorhin ...

Vorhin? Wie lange lag das schon zurück? Eine Stunde ... oder länger?

Sie warf einen schnellen Blick auf ihre Armbanduhr.

Wenige Minuten nach drei Uhr nachts ... Um zweiundzwanzig Uhr war sie das letztemal im Krankenzimmer gewesen.

Eileen Hanton zog sich den Stuhl an den Bettrand und griff behutsam nach der Rechten ihres Mannes, die schwach, weiß, aderndurchzogen auf der Kante lag.

In dem Moment, als sie seine Hand berührte, öffnete er leicht die Augen. Das Röcheln verstummte.

»Eileen ...?«, fragte er leise. »Bist du ... es?« Sie war so überrascht von seiner Reaktion, dass sie zusammenzuckte.

»Phil?«, entfuhr es ihr dann, und ihr Herz begann wie rasend zu schlagen.

»Du ... sprichst! Oh, Phil, es geht ... dir besser ... dein Atem ... als ich hereinkam, ist es mir schon aufgefallen ... dein Atem ist viel ruhiger und gleichmäßiger geworden ... Wie fühlst du dich?«

Tränen stiegen ihr in die Augen. Sie wusste nicht, ob sie weinen oder lachen sollte.

»Es ist alles okay, Darling, ich glaube, ich hab's geschafft ... ich fühle mich leichter, kräftiger ...«

»Wie lange liegst du schon wach? Ich hoffe, ich habe dich nicht geweckt?«

»Ich glaube nicht ... ich bin plötzlich zu mir gekommen ... grundlos ...schön, dass du da bist. Wie spät haben wir's denn?«

Schon wollte sie drei Uhr nachts sagen, als sie es sich im letzten Augenblick anders überlegte.

»Noch früh am Abend«, flüsterte sie. »Es ist gerade dunkel geworden ...«

»Dann musst du bald nach Hause gehen ...«

»Nur noch ein paar Minuten, Phil ...«

Er wusste nicht, dass sie seit zwei Tagen ständig hier im Krankenhaus weilte und seit dem Anruf der Schwester vor zwei Tagen mit seinem Ableben rechnete.

Und nun ging es ihm besser. Es war ein Wunder geschehen!

Er drehte ihr leicht das Gesicht zu und versuchte zu lächeln.

»Wenn die Schwester oder der Arzt hereinkommen«, konnte sie nicht an sich halten, »na, die werden Augen machen.«

Er lächelte zaghaft. »Es ist schön, dich zu sehen ...«, sagte er leise. »Es ist angenehm, dich in der Nähe zu wissen ... ich habe so viel Schreckliches erlebt.«

»Schreckliches erlebt? Wovon sprichst du, Phil?«

»Träume ... Fieber-Phantasien ... sie verblassen langsam.«

Als er das sagte, legte sie seine Hand auf seine Stirn. Sie fühlte sich noch immer sehr heiß an.

»Du musst dich noch schonen, nicht so viel sprechen«, ermahnte sie ihn.

»Das kostet dich Kraft.«

Er nickte kaum merklich. »Trotzdem ... ich muss darüber sprechen, es bedrückt mich ...«

»Was bedrückt dich?«

»Die Träume ... die Dinge, die ich gesehen und erlebt habe ...«

Eileen Hanton konnte sich eines gewissen Unbehagens nicht erwehren. Die Stimme des Todkranken wurde deutlich fester, kräftiger, als erhole er sich zusehends. »Du hast nichts erlebt, Phil. Das kommt dir nur so vor ... Phantasien können manchmal sehr real wirken ...«

»Real, Eileen, das ist es ja ... ich stand mitten drin ... in dem fremden Haus ... sah den Mann genau vor mir ... erst wollte ich weggehen und mich nicht um ihn kümmern. Aber dann drehte ich mich um ... und blieb ...«

Er sprach plötzlich wie in Trance. Seine Augen waren weit geöffnet, als starre er in unwirkliche Ferne.

»Warum sagst du das so merkwürdig, Phil?«

»Ich weiß nicht, Eileen ... es beschäftigt mich, verstehst du? ... Ich kenne den Mann nicht ... und doch ... ist er mir nicht fremd ... er ist eine Gefahr für mich ... das habe ich sofort gespürt ... deshalb musste ich ihn töten ...«

Ihre Augen verengten sich. »Du hast geträumt, du würdest ... jemand töten?«

»Ich habe es erlebt ... mit jeder Faser meines Körpers ... ich habe ihn erwürgt, die Leiche mit Benzin übergossen und dann verbrannt.«

»Makaber ...«

»Ja, das ist es ... die Bilder stehen ganz deutlich vor mir ... Sie verblassen nicht Eileen.«

»Fieber-Phantasien ... du solltest nicht weiter darüber nachdenken ...«

»Das Ganze geschah nicht unmotiviert«, fuhr er fort. »Es ergab einen Sinn, wenn auch einen schrecklichen. Der Mann besaß etwas, was ich unbedingt haben wollte ... ein Gemälde ...«

»Was für ein Gemälde, Phil?«

»Eine unheimlich wirkende Sonne war darauf abgebildet.«

»Wie kann eine Sonne unheimlich wirken, Phil? Eine Sonne, das ist ein gutes Omen. Sie bedeutet Licht, Leben, Wärme ...«

»Diese Sonne symbolisierte die Nacht, den Tod und die Kälte, Eileen ...« Die Art und Weise, wie er das sagte, ließ sie zusammenfahren.

»Aber es war ein schönes Bild, ein schaurig-schönes Bild ..., wenn du verstehst, was ich meine ... Es war mir nicht unbekannt. Es erinnerte mich an einen Traum, den ich als Junge mal hatte ... nach einer Nacht im Crowden-House, wo ich mich mit einer Tante aufhielt.«

»Was ist das Crowden-House, Phil? Ich kenne es nicht.«

»Wahrscheinlich habe ich nie darüber gesprochen ... kein Mensch erzählt schließlich alle Einzelheiten aus seinem Leben, schon gar nicht Träume, die dreißig, vierzig oder gar mehr Jahre zurückliegen. Oder erinnerst du dich daran, was du als junges Mädchen geträumt hast?«

»Natürlich nicht, Phil.« Sie streichelte seine Stirn.

»Etwas stimmt da nicht, Eileen ...« kam er mit seinen Gedanken nicht von dem Thema los.

»Nicht mehr dran denken ... du phantasierst ... das Fieber, Phil, es ist nur das Fieber ... morgen wird es besser sein ... Versuch zu schlafen, ich bleib noch etwas hier und halte deine Hand. Nun wird alles wieder gut werden, Phil, glaub mir ...«

Ein kaum merkliches Nicken schien ihre Worte zu bestätigen. Philip Hanton hörte nur mit halbem Ohr hin. Er war mit seinen Gedanken ganz woanders. Aber darüber sprach er nicht mehr.

Noch während Eileen Hanton bei ihrem Mann am Bett saß, warf die Nachtschwester beim Kontrollgang einen Blick in den Raum.

Sie war überrascht und ein wenig verärgert, Eileen Hanton zu sehen.

»Sie sollten zu Bett gehen, Missis Hanton«, sagte sie schnippisch. »Mit Ihrer Unruhe helfen Sie weder Ihrem Mann noch sich. Es ist niemand damit gedient, wenn auch Sie noch krank werden. Gehen Sie schlafen! Der Zustand Ihres Mannes ist unverändert. Sollte etwas sein, werden wir Sie wecken.«

Eileen Hanton ließ sich durch die Aufforderung nicht irritieren. Sie legte den Finger an die Lippen. »Pst! Er ist gerade wieder eingeschlafen ... Verhalten Sie sich bitte ganz leise, Schwester ...«

Die Angesprochene glaubte nicht richtig zu hören. Sie kam näher, streifte die Besucherin mit einem unwilligen Blick und legte ihre Hand auf die Stirn des Mannes, der auffallend ruhig und tief atmete. Das Gesicht der Krankenschwester nahm einen ungläubigen Ausdruck an.

»Seine Stirn fühlt sich tatsächlich kühler an«, sagte sie, und es klang fast erschrocken, als hätte sie mit einer solchen Möglichkeit gar nicht mehr gerechnet. Sie nahm das Thermometer aus dem Glas mit der Desinfektionsflüssigkeit und steckte es dem Schlafenden vorsichtig unter den Arm. Zehn Minuten später hatte sie die Gewissheit, dass die Temperatur um ein Grad gefallen war.

»Er schläft seiner Genesung entgegen«, sagte Eileen Hanton zuversichtlich. »Er hat es geschafft. Ich fühle es ganz deutlich ...«

Sie behielt recht.

Am Morgen bei der Krankenvisite mussten sich auch die Ärzte gestehen, dass ohne ihr Dazutun etwas eingetreten war, womit niemand mehr gerechnet hatte. Die künstliche Sauerstoffversorgung konnte eingestellt werden. Philip Hantons Zustand besserte sich von Stunde zu Stunde ...

Der Morgen graute, als William Monners wie stets um diese Zeit mit seinem Hund ausging.

Monners joggte grundsätzlich zwei Stunden vor seiner Abfahrt ins Büro. Bei Wind und Wetter war er unterwegs.

Noch ehe der Ort zu neuem Leben erwachte, hatte Monners mit seinem Schäferhund schon eine beachtliche Runde gedreht.

Von seinem Haus lief er die Straße bis zum Ortsende, dann benutzte er den Weg zwischen Feldern und Äckern, beschrieb einen großen Bogen, der einen Durchmesser von etwa zwei Meilen hatte und kehrte danach von der anderen Seite wieder zu seinem Haus zurück.

Das Joggen tat dem Büroangestellten gut, der den ganzen Tag nicht mehr dazu kam, sich ausgiebig Bewegung zu verschaffen, und es freute auch den Hund, der durchs Gelände tollte.

Der Morgen war kühl und frisch. Leichter Nieselregen fiel, und Monners trug einen signalgelben Gummimantel und eine Mütze, die er tief in die Stirn gezogen hatte.

Monners lief gleichmäßig und ruhig und kam an den noch dunklen Häusern vorbei, auch am Anwesen Fred McPhersons, das hinter Gatter und Büschen lag. Das große Gebäude mit den vielen Zimmern war alt und wirkte unbewohnt. McPherson steckte nicht viel Geld in die Erhaltung des Hauses.

Zweihundert Meter weiter begann der Weg zum Feld. Aus Erfahrung wusste der Mann, dass das Anfangsstück des Weges bei Regen besonders viele Pfützen aufwies. So lief er quer über das Feld und stutzte plötzlich, als er rund fünfhundert Meter vom Haus McPhersons entfernt, hinter einer Bodenwelle einen länglichen Aschehaufen entdeckte.

Fast wäre er weiter gerannt. Es kam hin und wieder vor, dass jemand aus dem Ort hier draußen Abfall verbrannte und die Bauern bei nächster Gelegenheit die Asche dann unterpflügten.

Die Form des Aschehaufens irritierte ihn.

Er musste sofort daran denken, dass hier offensichtlich ein Mensch verbrannt worden war!

Bei näherem Hinsehen erhielt er die Gewissheit, und dann rannte Monners, so schnell er konnte, den Weg zurück, den er gekommen war.

In Fred McPhersons Haus gab es ein Telefon.

Die Polizei musste verständigt werden!

Der Hund wich nicht von seiner Seite. William Monners war aufgeregt. Ein Mord im Dorf, das hatte es noch nie gegeben.

Der Entdecker des grauenvollen Verbrechens klingelte an der Zauntür und wartete nicht, bis geöffnet wurde. Kurzerhand sprang er darüber hinweg und eilte zum Hauseingang, an dem vier verwitterte Sandsteinstufen hochführten.

Monners trommelte mit beiden Fäusten an die grüngestrichene Holztür.

»Mister McPherson! Schnell ... Machen Sie mir bitte auf. Ich muss Ihr Telefon benutzen, Mister McPherson!« William Monners kannte den Antiquitäten- und Gemäldesammler. Hier im Dorf war er bekannt wie ein bunter Hund. Monners war überzeugt davon, dass McPherson schon auf war und er ihn nicht aus den Federn trommeln musste. Lichtschein war unter der Türritze zu erkennen. Schritte schlurften über den Korridor.

»Wer klingelt denn um diese Zeit Sturm?«, fragte eine ungehaltene Stimme, noch ehe der Riegel zurückgezogen wurde.

»Hier ist William Monners, Mister McPherson. Ich muss eine Meldung an die Polizei machen.«

Die Haustür öffnete sich.

Fred McPherson stand vor ihm mit einem weinroten Hausmantel, dessen Revers und Manschetten schwarz abgesetzt waren.

»Was ist denn passiert, um Himmels willen?«, fragte der Schotte. »Sie sind ja völlig außer Atem ...«

»Ich habe, glaube ich, eine Leiche gefunden ...«

»Eine Leiche?« McPherson schien nicht recht gehört zu haben.

»Ja. Eine verkohlte Leiche. Dort drüben, auf dem Feld. Etwa fünfhundert Meter von Ihrem Haus entfernt ...«

»Oh, mein Gott«, entfuhr es Fred McPherson. »Das ist ja furchtbar ...«

Der Anruf bei der Polizei brachte den Stein ins Rollen.

Im Ort gab es keine eigene Mordkommission. Aus der nächst größeren Kreisstadt, rund fünfzehn Meilen entfernt, kamen die Beamten.

Inspektor Calink leitete den Einsatz.

Monners Verdacht wurde augenblicklich bestätigt.

Bei dem länglichen Aschehaufen handelte es sich tatsächlich um eine verkohlte menschliche Leiche.

Die Nachricht verbreitete sich trotz strengster Sicherheitsvorkehrungen wie ein Lauffeuer im Ort.

Während Gerichtsmediziner, Staatsanwalt und Spurensicherungsdienst noch bei der Arbeit waren, führte Calink ein erstes Gespräch mit Fred McPherson, dessen Grundstück und Haus dem Tatort am nächsten lagen.

»Vielleicht haben Sie in der Nacht etwas gehört, Mister McPherson«, leitete er das Gespräch ein. »Wir vermuten, dass die Leiche vor etwa zehn Stunden verbrannt wurde. Eine erste Analyse lässt diesen Schluss zu. So müsste sich das Ereignis etwa gegen Mitternacht abgespielt haben. Ist Ihnen etwas aufgefallen?«

»Nein, ich war noch wach ... sogar sehr lang«, antwortete der Schotte.

»Ich habe einige Gemälde katalogisiert ... Ich habe auch ein Geräuschgehört ...«

»Was für ein Geräusch?«

»Es stammte von einem Auto ... einen laufenden Motor ...«

Calink schaltete sofort. »War das Geräusch weiter entfernt ... oder in der Nähe?«

»Es hörte sich ziemlich nahe an. Einige Meter vom Haus entfernt, würde ich sagen.«

»Und das kam Ihnen nicht merkwürdig vor?«

»Was sollte mir daran merkwürdig vorkommen?«