Larry Brent Classic 084: Der Turm der Menschenmonster - Dan Shocker - E-Book

Larry Brent Classic 084: Der Turm der Menschenmonster E-Book

Dan Shocker

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Beschreibung

In einer Glasgower Klinik erwacht die Patientin Susan Malitt aus der Narkose. Ihr Herz fehlt, dennoch lebt sie weiter. Die PSA wird eingeschaltet, und Morna Ulbrandson gerät in den Bannkreis einer Druidin.

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Band 84

Dan Shocker

DER TURM DER MENSCHENMONSTER

Erscheinungstermine von „Der Turm der Menschenmonster“

Erschienen am 06.04.1976 als Silber Grusel-Krimi 114 im Zauberkreis-Verlag

November 1977 als Silber Grusel-Krimi-Neuauflage 114 im Zauberkreis-Verlag

© 2015 BLITZ-Verlag

Redaktion: Jörg Kaegelmann

Fachberatung: Robert Linder

Titelbild: Rudolf Sieber-Lonati

Illustration: Ralph Kretschmann

Titelbildgestaltung: Mark Freier

Satz: Winfried Brand

Alle Rechte vorbehalten

www.BLITZ-Verlag.de

ISBN 978-3-95719-884-6

Die hübsche, brünette Frau aus Glasgow litt seit Jahren unter Schwindelanfällen. Manchmal fühlte sie sich so elend und matt, dass sie tagelang überhaupt nicht aus dem Bett kam. Des Öfteren war sie ohnmächtig geworden.

Als man sie nun aus dem Operationssaal in das abgedunkelte Krankenzimmer brachte, war es genau 14.24 Uhr. Regelmäßig wurden Puls und Herzschlag kontrolliert. Der Schrittmacher arbeitete einwandfrei.

„Aufwachen, Missis Malitt! Hallo, Missis Malitt!“ Die Schwester schlug leicht gegen die Wangen der bewusstlosen Frau.

Die schmalen, spröden Lippen in dem bleichen Gesicht zuckten. Susan Malitt murmelte irgendetwas Unverständliches.

„Missis Malitt, wachen Sie auf!“

Die Krankenschwester kippte das Fenster, um frische Luft hereinzulassen, bevor sie an das Bett zurückkehrte.

Sie wollte erneut rufen, um die Patientin aus dem Narkoseschlaf zu reißen, doch dann fuhr sie wie unter einem Peitschenhieb zusammen.

„Missis Ma …“, setzte sie noch an, brach aber mitten im Wort ab.

Susan Malitt lag da und atmete flach. Ihre Augen waren geöffnet, glänzten und schienen bereits alles wahrzunehmen. Sie war bei vollem Bewusstsein!

Die Schwester schluckte. Das hatte sie noch nie erlebt. Wie unnormal! Eine Frau, die eben noch in Narkose gelegen hatte, sah sie an, als wolle sie eine Frage an sie richten. Nur der Ausdruck in den Augen, die kalten Pupillen, der durchbohrende Blick, erschreckten die Schwester.

„Nein, ich will nicht! Er soll nicht in meinen Körper greifen! Er darf ihn nicht öffnen! Nein, niiicht!“ Laut und grell hallte die Stimme der Patientin mit einem Mal durch den Raum. Es klang so schrecklich, dass sich die Krankenschwester zu fürchten begann. Woher nur schöpfte Susan Malitt die Kraft , nach dem Eingriff so gellend zu schreien? Noch erstaunlicher aber war, was danach geschah.

Susan Malitt warf ihren Kopf hin und her, schrie und stöhnte unaufhörlich. Ihre Arme zuckten und sie riss den Arm in die Höhe, in dessen Vene die Kanüle der Infusion steckte.

„Nein, um Himmels willen!“ Die Schwester stürzte auf das Bett zu und umklammerte den Arm, an dem der Schlauch hing. „Das dürfen Sie nicht! Was ist los mit Ihnen?“

Es gelang ihr nicht, die aus der Narkose erwachte Frau zu beruhigen. Diese stöhnte und schrie, und ständig sprach sie davon, dass jemand in ihren Körper eindringen wolle, um ihr etwas wegzunehmen.

Anne Fedderson hatte etwas Derartiges noch nie erlebt. Sie bekam es mit der Angst zu tun. Susan Malitt entwickelte eine Kraft, die enorm war.

Nur mit allergrößter Mühe brachte die Schwester es fertig, die Patientin herabzudrücken, sodass sie sich mit ihrer frischen Wunde nicht noch aufrichtete.

Schweiß perlte auf Anne Feddersons Stirn.

„Halten Sie doch Ihren Kopf ruhig“, presste sie hervor. „Sie dürfen das nicht!“

Susan Malitt knurrte wie ein Tier und entwickelte ähnliche Kräfte. Mit ihrem wilden Gebaren schaffte sie es, das Gestell mit der Infusion umzustoßen. Der Pfropfen rutschte heraus und die Flüssigkeit ergoss sich in einer großen Lache über dem Fußboden.

Ein Arzt! Annes Gedanken fieberten. Hier muß etwas geschehen!

Susan Malitt benahm sich wie eine Irre und die Krankenschwester ließ sie los. Anne Fedderson war schweißgebadet und die Kleidung klebte ihr auf der Haut, als sie zur Tür eilte.

Wie von Furien gehetzt rannte sie durch den Korridor. Die Absätze ihrer Schuhe schlugen laut auf den Boden.

„Doktor Shillings! Doktor Shillings!“, rief sie entsetzt, noch ehe sie das Ärztezimmer erreicht hatte. Ihre Rufe hallten durch den weißgekachelten Gang.

Die Tür wurde aufgerissen und Henry Shillings, der Stationsarzt, tauchte in ihrem Rahmen auf.

Es sprudelte nur so aus Anne Fedderson heraus. Sie wusste nicht, was sie alles sagte, sie sah nur, dass Shillings Augen immer größer wurden.

„Unmöglich, ausgeschlossen“, murmelte er, aber dann lief er los. Die Schwester folgte einen Schritt hinter ihm.

Die Aufregung blieb nicht unbemerkt. Andere Schwestern tauchten auf. Die Tür zu einem Krankenzimmer wurde geöffnet und ein Patient starrte hinaus auf den Gang.

Henry Shillings stürzte in Susan Malitts Raum und glaubte, seinen Augen nicht trauen zu können.

Susan Malitt saß im Bett, stöhnte, warf den Kopf herum und kämpfte gegen irgendetwas Unsichtbares, das sie offensichtlich von ihrem Körper fernhalten wollte.

Ständig stieß sie hervor, dass sie nicht wolle, dass jemand ihren Körper öffne, dass ihr Körper ihr gehöre und niemandem sonst.

Shillings wurde kreidebleich.

„Eine Beruhigungsspritze, Schwester, schnell! Und sagen Sie Doktor Russell Bescheid. Er soll so schnell wie möglich hierherkommen!“

Er musste regelrecht mit der Patientin kämpfen, um sie auf ihr Bett zurückzudrücken. Durch die Anstrengung war der Verband rund um ihre Brust schon völlig durchgeblutet.

Diese Frau brachte sich noch selbst um, wenn sie so weitermachte!

Gutes Zureden führte zu nichts. Susan Malitt schien den Arzt überhaupt nicht wahrzunehmen.

Auch die Ankunft von Dr. Arthur Russell entging ihr völlig, was bemerkenswert war, denn der Mann hatte die Statur eines Kleiderschranks. Mit seinen breiten Schultern schaffte er es gerade noch durch die Türöffnung.

Er verabreichte der Patientin schließlich die Beruhigungsspritze, die sofort wirkte, und mutmaßte, dass es sich um eine Art von Trauma handeln müsse.

Shillings jedoch schüttelte den Kopf. Er schien anderer Meinung zu sein als der fünfzehn Jahre ältere Chefarzt. „Ihr unnormales Verhalten, ihre außergewöhnliche Kraft unmittelbar nach der Operation, das ist doch kein Trauma.“

„Aber Doktor, sie konnte in den letzten Wochen an nichts anderes mehr denken als an diese Operation“, warf Russell ein. „Sie hatte Angst davor. Jeder fürchtet sich vor einem Eingriff, doch sie hat es ganz besonders intensiv empfunden. Der Gedanke, dass wir ihren Körper öffnen würden, ließ sie nicht mehr los, und dieser Gedanke muss es gewesen sein, der ihr jetzt, unmittelbar nach dem Aufwachen, Kräfte verlieh, die ihren normalen physischen Zustand übersteigen.“

Henry Shillings presste die Lippen aufeinander. Man sah ihm an, dass er versuchte, eine plausible Erklärung für den außergewöhnlichen Vorfall zu finden.

„Während der Narkose befindet sich der Körper in tiefem Schlaf, und doch gibt es Menschen, deren Unterbewusstsein Geräusche und Lichteinflüsse registriert. Die meisten vergessen das wieder, aber bei dieser Patientin war das eben nicht der Fall. Ich nehme an, es war ein einmaliger Zustand. Nach der Spritze wird sie die nächsten drei bis vier Stunden tief schlafen.“

Doch das war nur einer von vielen Irrtümern.

Sie untersuchten die Wunde und legten einen neuen Verband an. Es wurden Geräte in das Krankenzimmer geschafft. Eine Überwachungs-Kamera wurde installiert und ein Oszillograph. Atmung und Herzfrequenz wurden laufend überwacht.

Dr. Russell war ernst, aber zufrieden. „Das Herz schlägt gleichmäßig, der Schrittmacher funktioniert ganz hervorragend.“ Er beobachtete drei Minuten lang die rhythmischen Linien auf dem Oszillographenschirm und verließ dann zusammen mit Henry Shillings das Krankenzimmer.

Schon eine Stunde später wurden beide Ärzte erneut alarmiert.

Die Wirkung der Spritze hatte schlagartig nachgelassen. Susan Malitt tobte wieder, doch diesmal war ihre Unruhe rechtzeitig von den Instrumenten registriert worden.

Als Dr. Russell und Dr. Shillings in das Krankenzimmer kamen, fing die Patientin gerade wieder an zu schreien.

„Meine Brust! Oh mein Gott! Diese Schmerzen! Die Hände, sie sind wieder da! Und das Messer! Er will mir das Herz aus der Brust schneiden.“

Arthur Russell sprach beruhigend auf Susan Malitt ein und Schwester Anne Fedderson stand schon mit der Injektion bereit, die sich wohl auch dieses Mal nicht vermeiden lassen würde.

Shillings Blick fiel auf den Oszillographen. Die grünen Signale tauchten rhythmisch auf. Sie zeigten Susan Malitts Herzschlag.

Plötzlich erfolgte kein Ausschlag mehr … Nulllinie!

Shillings stockte der Atem.

Sein Blick irrte hinüber zum Chefarzt, der mit ruhiger Hand die Spritze von Schwester Anne entgegennahm.

Susan Malitt atmete schnell und flach. Und schrie.

Shillings schüttelte sich leicht und blickte erneut auf den Oszillographenschirm.

Die Linie dort lief ruhig über die gesamte Breite des Schirms. Susan Malitts Herz stand still, aber die Frau lebte. Und sie schrie noch immer.

Lionel O’Maine hatte schon den ganzen Tag das dumpfe Gefühl, dass etwas schiefgehen würde.

Und genauso kam es auch.

Als er am Abend die Glasgower Möbelfirma Bannisters verließ, in der er seit zehn Jahren als Schreiner arbeitete, war der letzte Bus schon weg.

O’Maine schluckte einen Fluch hinunter, klemmte wütend seine zerknautschte Aktentasche unter den Arm und stapfte los.

Die Luft war kühl und feucht. Nebel lag über den Häusern.

Lionel O’Maine kam aus einem kleinen Dorf namens Woodham. Der Ort lag zwischen Motherwell und Lanark, knapp 50 km südöstlich von Glasgow.

Die Strecke mit dem Bus nach Lanark fuhr O’Maine täglich. Es machte ihm nichts aus, denn er hatte Zeit. Außer seiner älteren Schwester, in deren Haus er lebte, wartete niemand auf ihn. Er hatte nicht den Ehrgeiz, sich in Glasgow ein Zimmer zu mieten, lieber nahm er die tägliche Fahrerei auf sich. Unabhängiger wäre er sicher mit einem eigenen Auto gewesen, doch auch davon wollte der eingefleischte Junggeselle nichts wissen. Er lebte sein einfaches und bescheidenes Leben in Woodham, wo er in seinem großen Garten Hühner und Tauben züchtete und wo das Leben noch einen geruhsameren Gang ging als in Glasgow.

Lionel O’Maine lief zu der nächsten Haltestelle, um mit einem Stadtbus zur Peripherie Glasgows zu fahren. Von hier führte der Weg auf der Ausfallstraße Richtung Motherwell.

Der Asphalt glänzte. Es hatte geregnet und der Schreiner hoffte, dass kein weiterer Schauer vom Himmel herabkommen würde. Autos begegneten ihm, deren Scheinwerfer auf der nassen Straße grell reflektiert wurden und sich somit scheinbar verdoppelten. Mehr als einmal musste er die Augen schließen, weil die Fahrer der entgegenkommenden Wagen nicht abblendeten.

Nach einer knappen Stunde strammen Laufens, vorbei an Wiesen und Feldern, erreichte O’Maine das große Waldgebiet vor Motherwell. Wenn man sich hier aufhielt, konnte man kaum glauben, dass fünf Kilometer entfernt die riesige, von Leben erfüllte Stadt lag, in der er arbeitete.

Je weiter er ins Hinterland marschierte, desto dichter wurde der Nebel. Es kamen um diese Zeit noch viele Autos aus Glasgow, Wagen von Angestellten und Arbeitern. Die Insassen hatten es eilig und nur die wenigsten nahmen den einsamen Wanderer auf der gegenüberliegenden Straßenseite wahr, der dem Verkehr aus der Provinz entgegen ging.

O’Maine lief noch bis zur nächsten Kreuzung, die weitere drei Kilometer vor ihm lag. Hier mussten die Fahrzeuge anhalten und es war leichter, per Anhalter weiterzukommen. Ganz so einfach war es für ihn dann freilich trotzdem nicht. Einen Mann seines Alters, der noch dazu allein unterwegs war, nahm man nicht gerne mit.

Nicht ganz unschuldig an dieser Tatsache war der Umstand, dass O‘Maine nicht gerade einen vertrauenerweckenden Eindruck machte.

Sein widerborstiges Haar, das ihm stets ins bleiche Gesicht hing, die hochstehenden Wangenknochen, der kräftige Bartschatten und die scharfgebogene Nase, verliehen ihm ein Aussehen, das ihn auf den ersten Blick unsympathisch erscheinen ließ. Außerdem hatte er den Kragen seines abgetragenen Trenchcoats hochgeschlagen, um sich vor dem kühlen, feuchten Wind zu schützen. Wer O’Maine so sah, konnte glauben, einen Landstreicher vor sich zu haben.

Doch Lionel O’Maine tat keiner Fliege etwas zuleide.

Er wartete an der Kreuzung und bekam die Kälte zu spüren, die durch seinen Mantel drang. Der Nebel benetzte sein Haar und seine Augenbrauen. Hier auf der kleinen Anhöhe, an der zwei untergeordnete Straßen auf die Hauptverbindung nach Glasgow stießen, blies der Wind besonders heftig.

Nach über einer Stunde hatte O’Maine endlich Glück. Ein schwarzer Ford stoppte. Darin saßen ein etwa zwanzigjähriger Mann und eine wohl gleichaltrige aschblonde Frau.

Sie fragten ihn nach seinem Ziel und er nannte Woodham.

„Soweit kommen wir nicht. Wir fahren bis Motherwell. Wenn Sie bis dahin mitfahren wollen …“

„Aber gern, selbstverständlich.“ O’Maine nickte eifrig. Die Hintertür wurde ihm geöffnet und er ließ sich auf die verschlissenen Polster fallen. „Vielen Dank für Ihre Freundlichkeit!“

O’Maine atmete tief durch. Bis Motherwell, überschlug er in Gedanken. Das war immerhin schon etwas. Im Nu lagen damit zwanzig Kilometer hinter ihm.

Nach Motherwell würde es schwieriger werden, per Anhalter weiterzukommen, aber das machte nichts. O’Maine kannte einen vortrefflichen Weg quer durch den Wald. Die Abkürzung ersparte ihm gut drei Kilometer. Wenn er stramm lief, war er doch noch vor zehn Uhr abends zu Hause.

Er lehnte sich zurück. Der Ford klapperte und das Geräusch, das der Motor von sich gab, erinnerte an ein asthmatisches Nilpferd. Manchmal zuckte O’Maine zusammen, weil er meinte, der Motor bliebe stehen. Aber das Fahrzeug schaffte in der Tat den Weg nach Motherwell und dort verließ O’Maine den Ford, bedankte sich nochmals und überquerte die Fahrbahn.

Zehn Minuten später erreichte er den Waldrand. Er lief noch ein paar hundert Meter auf der schmalen, schlecht asphaltierten Straße Richtung Woodham, ehe er auf den Weg einbog, der für forstwirtschaftliche Fahrzeuge geschaffen worden war. Bald darauf ging er querfeldein, um die Abkürzung zu nehmen, die er kannte.

Laub und Zweige raschelten unter seinen Schritten. Ein großer Nachtvogel schwang sich erschreckt von einem Baumstumpf in die Höhe, als der späte Spaziergänger auftauchte. Im fahlen Mondlicht erkannte er zwei Kaninchen, die hakenschlagend vor ihm davonpreschten.

Die Stille und Einsamkeit des großen Waldes hüllte ihn ein und Nebel umwogte ihn.

Öfter, als er selbst erwartet hatte, musste O’Maine stehenbleiben und sich vergewissern, dass er in die richtige Richtung unterwegs war.

Im Sommer und im Herbst durchstreifte er diese Wälder recht oft, tagsüber allerdings. Bei Nacht und Nebel sah die vertraute Umgebung jedoch ganz anders aus.

Als eine halbe Stunde vergangen war, wusste er nicht mehr genau, wo er sich befand.

Der Nebel war zu dicht, alles Grau in Grau. Man sah stellenweise nicht die Hand vor Augen und Lionel O’Maine musste sich eingestehen, dass er sich verlaufen hatte.

Unruhe befiel ihn. Er fluchte und schalt sich im Stillen einen Narren, dass er nicht auf der Landstraße geblieben war. Vielleicht hätte ihn dort doch noch jemand mitgenommen.

Er stolperte über eine Wurzel und schlug der Länge nach hin. Mit nassen Händen richtete er sich wieder auf.

Vorsichtig setzte er einen Fuß vor den anderen, doch die Umgebung schien sich überhaupt nicht zu verändern. Es gab bestimmte Anhaltspunkte, die er sich auf seinen früheren Spaziergängen eingeprägt hatte, nur schienen diese mit einem Mal alle verschwunden zu sein. Alles kam ihm fremd vor.

Mehr als einmal glaubte er, eine Stelle zu erreichen, die er wenige Minuten zuvor erst passiert hatte. Lief er im Kreis?

Es kam ihm so vor, als wäre der Nebel gerade in den letzten Minuten noch dichter geworden. Eine unheimliche Stille umgab ihn und es lief ihm eiskalt über den Rücken. Er fühlte sich nicht mehr wohl in seiner Haut, hätte aber nicht zu sagen vermocht, warum das so war. Eigentlich war er kein ängstlicher Mensch, aber nun fühlte er sich mulmig.

Er irrte weiter durch die Nacht, als er plötzlich einen schwachen Lichtpunkt sah.

Erschrocken blieb O’Maine stehen.

Woher kam das Licht? Befand er sich in Straßennähe? Parkte dort ein Wagen? Nur das konnte es sein, denn das Licht entfernte sich nicht und kam auch nicht näher.

O’Maine beschleunigte seine Schritte. Seinem Empfinden nach lag die Straße in der anderen Richtung, aber er konnte sich täuschen.

Nur langsam näherte er sich dem Schein, der verschwommen im Nebel schimmerte. Wie schwarze Schemen wirkten die Baumstämme, an denen er vorüberkam.