Larry Brent Classic 085: Die Pestgärten des Dr. Tschang Fu - Dan Shocker - E-Book

Larry Brent Classic 085: Die Pestgärten des Dr. Tschang Fu E-Book

Dan Shocker

0,0

Beschreibung

Ein amerikanischer Tourist wird in Hongkong mit der Pest infiziert. Nicht weit entfernt stürzt ein Kleinflugzeug ab, dabei verschwindet ein deutscher Geschäftsmann auf mysteriöse Weise. Die PSA-Agenten Su Hang und Larry Brent reisen in die chinesische Bergwelt.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 137

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Band 85

Dan Shocker

Die Pestgärten des Dr. Tschang Fu

Erscheinungstermine von „Die Pestgärten des Dr. Tschang Fu“

18.05.1976 als Silber Grusel-Krimi Nr. 117

Januar 1978 als Silber Grusel-Krimi-Neuauflage Nr. 117 angekündigt. Erscheinen fraglich.

© 2016 BLITZ-Verlag

Redaktion: Jörg Kaegelmann

Fachberatung: Robert Linder

Titelbild: Rudolf Sieber-Lonati

Illustration: Ralph Kretschmann

Titelbildgestaltung: Mark Freier

Satz: Winfried Brand

Druck und Bindung: CPI, Clausen & Bosse, Leck

Alle Rechte vorbehalten

www.BLITZ-Verlag.de

ISBN 978-3-95719-885-3 (epub)

Zärtlich schlang sie die Arme um ihren Liebhaber und er vergaß die Welt um sich. Erst der gellende Aufschrei aus dem Nebenraum riss den Mann in die Wirklichkeit zurück. „Was war das?“, fragte er erschrocken und richtete sich blitzschnell auf. Durch die dünnen Wände vernahm er ein Geräusch. Ein schweres Atmen. Ein Tisch fiel polternd um, ein weiterer Aufschrei wurde unterdrückt. Der Amerikaner sprang aus dem Bett.

„Komm, Honey“, sagte die hübsche Chinesin. Sie lehnte sich zurück und streckte die Arme nach ihm aus. Prall und rund waren ihre Brüste, auf denen sich das Licht von der Straße spiegelte, das durch die fadenscheinigen Vorhänge dieses Etablissements sickerte. „Es ist nichts, absolut nichts“, gurrte sie.

Sie war eine schöne Frau. Ted Parker hatte sich schon immer gewünscht, mit einer Chinesin zu schlafen. Am liebsten wäre er jetzt wieder ins Bett gekrochen, aber die alarmierenden Geräusche aus dem Nebenzimmer hielten ihn davon ab.

Er schlüpfte in seine Hose, schlang den Ledergürtel mit der Drachenkopf-Schnalle um seine schmalen Hüften und atmete tief durch.

„Ein etwas lebhafterer Freier als du, scheint mir, ist drüben am Werk. Die Wände hier sind dünn.“ Sie versuchte, ihn zurückzuhalten. „Da hört man jeden Laut. Komm, kümmere dich nicht weiter drum!“

Heftiges Keuchen folgte. Parker glaubte, dass sich direkt neben ihm ein Kampf auf Leben und Tod abspielte.

Eine entsetzte Stimme schrie um Hilfe. Die Angst, das Grauen, das dieser Mensch in diesen Sekunden empfinden musste, lag in diesem Schrei.

„Scheint besonders stürmisch zu sein, der Liebhaber“, knurrte Parker, und aus dunklen Augen warf er einen schnellen Blick auf die Geliebte, die die dünne Decke wegstrampelte und völlig nackt vor ihm lag. „Da stimmt etwas nicht, Chi-Chi-Ma. Von wegen Liebesstündchen. Da drüben wird jemand umgebracht!“ Mit diesen Worten rannte er zur Tür. Parker erinnerte sich genau an die Tipps, aber auch an die Ermahnungen, die man ihm gegeben hatte, bevor er nach Hongkong kam. Diese Stadt bot für jeden Geschmack etwas. Vergnügen und Tod gingen aber oft Hand in Hand. Gerade als Tourist, der allein reiste, musste man sehr vorsichtig sein. Der Fall, dass einer in den engen, abgelegenen Gassen dieser hektischen Stadt auf Nimmerwiedersehen verschwand, war nicht selten. Gerade in gewissen Etablissements waren solche Dinge an der Tagesordnung.

Noch ehe Parker die Türklinke herunterdrücken konnte, war Chi-Chi-Ma aus dem Bett gesprungen und eilte auf ihn zu. Sie legte ihre Hände auf seine Unterarme, schmiegte sich an ihn, und er spürte ihre warme, samtweiche Haut auf seiner Brust.

„Bleib hier, bitte!“, flehte sie ihn an. Angst beherrschte ihre Stimme. „Ich möchte nicht, dass dir etwas zustößt. Was da nebenan geschieht, geht uns nichts an. Glaub mir! Tu so, als hättest du nichts gehört.“

Doch er stieß sie zur Seite und lief hinaus in den düsteren, engen Korridor. Seine nackten Füße klatschten auf den gewachsten Dielenboden. Rechts neben dem Zimmer, in dem er sich mit seiner Gespielin einquartiert hatte, wurde in diesem Augenblick die Tür geöffnet. Parker sah sich einem bulligen Chinesen gegenüber, der eine blaue Hose und eine himbeerrote Jacke trug, die weit offenstand und eine dicht behaarte Brust offenbarte. Über die Schultern hatte sich der Mann ein Mädchen geworfen, dessen schlanke Arme schlaff nach unten baumelten.

Ted Parker sah in dem düsteren Korridor nicht allzu viel, und die Zeit, die ihm zum Wahrnehmen blieb, war auch viel zu kurz. Er starrte in das große, schwammige Gesicht seines Gegenübers. Und da fiel es ihm auf. Das Gesicht des Eindringlings war mit dicken, aufgeplatzten Beulen übersät, die auf seinem Hals, seinen Armen, auf seinen Handrücken und sogar zwischen den Fingern zu erkennen waren. Ein widerlicher Geruch ging von dem Fremden aus.

„Was soll das?“, fragte Ted Parker mit belegter Stimme. „Lassen Sie das Mädchen in Ruhe!“ Er fand selbst, dass das, was er sagte, nutzloses Gerede war. Er erkannte, dass er sich auf etwas eingelassen hatte, was er nicht hätte tun sollen. Wenn es hart auf hart ging, hatte er überhaupt keine Chance.

Der Bullige machte kurzen Prozess mit ihm. Die Rechte des Mannes stieß nach vorn. Widerlich süßer Eitergeruch schlug Parker ins Gesicht. Die nässende Hand traf ihn voll. Der Amerikaner taumelte zurück und flog wie ein Insekt gegen die Wand. Der Bullige kümmerte sich nicht weiter um ihn. Er lief mit der Entführten, die von alledem nichts merkte, durch den Gang.

Parker riss sich zusammen. Hier in diesem Haus hielten sich zahlreiche Menschen auf. Er vernahm Geräusche hinter den dünnen Türen und sah durch die Türritzen Licht fallen. Aber keiner kümmerte sich um das, was sich hier draußen abspielte. Ohnmächtige Wut stieg in dem fünfundzwanzigjährigen Amerikaner auf. Er warf sich nach vorn und sah das lange, dunkle Haar der offenbar bewusstlosen Frau über den Kopf hängen, sodass er ihr Gesicht nicht erkennen konnte. Er sprang den Bulligen von hinten an und versetzte ihm mehrere Faustschläge zwischen die Schultern.

Der Chinese blieb kurz stehen, machte eine halbe Drehung nach links, und Parker nahm sich vor, den Massigen in eine Auseinandersetzung zu verwickeln, in deren Verlauf er gezwungen sein würde, seine Beute loszulassen, sodass das Mädchen, vorausgesetzt es lebte noch, entkommen und Hilfe herbeiholen konnte.

Doch leider kam es anders als von Parker gedacht. Der Chinese gab nur ein dumpfes Knurren von sich, blockte Parkers Arm mit einem blitzschnellen Vorstoß seiner Rechten ab, riss ein Bein hoch und trat dem Amerikaner exakt unter die Kinnspitze.

Ted Parker glaubte, von einem Dampfhammer geschlagen worden zu sein. Er riss die Arme hoch, um den Sturz abzufangen. Sein Schädel dröhnte. Vor seinen Augen drehten sich flackernde Sterne und Kringel.

Ted Parker stürzte und landete auf dem schmutzigen Dielenboden. Verbissen kämpfte er gegen die Ohnmacht an, die ihn zu überwältigen drohte. Er wusste nicht mehr, wie er auf die Beine kam, um durch den düsteren Korridor in Richtung der Treppen zu schwanken. Dort würde er am besten sehen können, wohin der krank aussehende Mann verschwand. Parker erreichte die untersten Stufen und taumelte auf die offenstehende Tür zu. Ein penetranter Geruch von Schweiß, Öl, Fisch und faulem Wasser schlug ihm entgegen.

Die Häuser in der Gasse lagen dicht am Hafen. Man hörte das Plätschern der Wellen gegen die felsige Bucht, gegen die Schiffe und Boote, die hier zu Tausenden Anker geworfen hatten und im Wasser dümpelten. Flackernde Lichter in bunten Lampions, die einen Großteil der Boote und Dschunken beleuchteten, spiegelten sich in dem schwarzen Wasser. Heller Lichtschein wogte unter dem nächtlichen Sternenhimmel. Wie in Trance taumelte Parker durch die Nacht. Menschen, durchweg Chinesen, befanden sich in der Gasse. Einige standen in Gruppen beisammen, andere hielten sich vor den Häusern auf. Blutjunge Mädchen, die der Prostitution nachgingen, flanierten über die Straße.

Parker wurde angerempelt. Er achtete nicht darauf und lief weiter bis zu einer Hausecke. Von hier aus ging es direkt zur Bucht. Unten legte eine kleinere Dschunke ab. Das dunkelrote Segel blähte sich, lautlos glitt das Fahrzeug in die Nacht hinaus. Von dem bulligen Chinesen mit den pestartigen Beulen und der Entführten war in dem Menschengewimmel am Hafen nichts mehr zu sehen.

Mit dröhnendem Schädel kehrte Parker in das Haus zurück, aus dem er gekommen war. Chi-Chi-Ma stand oben an der Treppe, auf das wackelige Geländer gestützt, und blickte ihm entgegen. Sie hatte ein seidenes, einfarbiges Kleid übergezogen, das ihre vollendeten Formen noch besser zur Geltung brachte. Ihre prallen Brüste, die Schenkel und Hüften zeichneten sich deutlich ab. Chi-Chi-Ma trug weder einen BH noch einen Slip.

„Er ist verschwunden … Er hat eines der Mädchen mitgenommen, Chi. Warum hat ihn niemand aufgehalten?“

Sie wich vor ihm zurück und musterte ihn argwöhnisch. „Hat er dich berührt?“

„Dumme Frage. Glaubst du, ich bin nur ausgerutscht?“, fragte er brummig und ging in das Zimmer zurück, um sich in einem Spiegel zu betrachten. Die Haut an seinem Kinn war aufgeplatzt und hatte eine hässliche Wunde hinterlassen. Wütend griff Parker nach seinem Hemd, das über einem Bambusstuhl hing, und tupfte sich das Blut von der klaffenden Wunde. „Hast du ein Pflaster da?“

Chi-Chi-Ma stand einen Schritt von ihm entfernt. Er streckte die Hand nach ihr aus und wollte sie zu sich heranziehen. „Du hattest Recht. Ich hätte hier bleiben sollen. Bei dir ist es gemütlicher, aber es war nur eine Unterbrechung, Baby. Vergessen wir die letzten Minuten.“

Sie entzog sich seinem Zugriff.

Auf seiner Stirn bildete sich eine Unmutsfalte, seine Augen wurden schmal. „Was soll der Unfug, Baby?“, fragte er hart. „Ich habe ein Recht auf dich, kapiert!“

„Geh!“

„Wie bitte?“ Ted Parker fuhr sich über das Gesicht und strich die verschwitzten Haarsträhnen aus der Stirn. „Vorhin warst du aber noch ganz anders zu mir.“

„Vorhin ist nicht mehr jetzt, Yankee!“

„Was ist denn los? Ist dir eine Laus über die Leber gelaufen?“

„Geh!“, sagte sie noch einmal. Ihre Stimme war hart wie Metall.

„Ich denke nicht daran.“ Er machte einen schnellen Schritt nach vorn.

Sie sprang auf das Bett, leichtfüßig wie eine Katze, und sie sah wunderschön aus.

„Na schön.“ Er grinste. „Dann eben auf diese Weise. Ich hab’ gehört, dass Chinesinnen verdammt viel Phantasie aufbringen, um einen Mann anzuregen. Gut so.“

Sie sah böse auf ihn herab. „Bleib, wo du bist, Yankee!“

„Vorhin war ich noch Darling und Honey für dich.“

„Nimm deine Sachen und verschwinde! Wenn du auch nur einen Schritt näher kommst, schreie ich.“ Ihre Stimme war immer noch hart und keineswegs so, dass man das, was sie sagte, als Spaß hätte auffassen können.

Vielleicht ein Teil ihres Spiels, dachte Parker. „Du kannst so laut schreien, wie du willst, China-Girl. Kein Mensch wird sich hier darum kümmern. Das hast du doch gerade selbst erlebt, deine Kollegin hat doch …“

Als er diese Worte sprach, ging er weiter auf sie zu. Und Chi-Chi-Ma begann im gleichen Augenblick wie am Spieß zu schreien. Sie rief mehrere Namen, ihre Stimme überschlug sich. Schweiß perlte auf ihrer Stirn. Sie hatte offenbar unglaubliche Angst. Ihre Schreie ähnelten denen, die das Mädchen im Zimmer nebenan von sich gegeben hatte.

Parker blieb wie erstarrt stehen. Das Mädchen musste den Verstand verloren haben! Er tat ihr doch nichts und wollte nur das, was er vorhin auch von ihr bekommen hatte, als sie ihn sogar noch darum bat, das Zimmer nicht zu verlassen. Doch Parker kam nicht mehr dazu, weiter über dieses seltsame Verhalten nachzudenken. Draußen auf dem Korridor vernahm er eilige Schritte. Die Dielen knarrten. Jemand hetzte in großen Sätzen die Treppe hinauf. Die Tür zum Raum wurde aufgerissen. Mehrere junge Männer stürmten herein. Sie strotzten vor Kraft und trugen lange Stangen und Knüppel in der Hand. Chi-Chi-Ma rief ihnen auf Chinesisch etwas zu, das Ted Parker nicht verstand.

Dann machten die jungen Männer kurzen Prozess. Schläge hagelten auf ihn herab. Sie prasselten auf seine Schultern und seinen Kopf, den er zu schützen versuchte. Mit ihren langen Stangen schlugen sie auf seinen Körper ein. Er stürzte zu Boden. Eine Stange krachte gegen seine Brust und riss ihm die Haut auf. Ted Parker begriff nichts mehr und registrierte kaum noch etwas. Er hatte nur noch einen Gedanken: Weg von hier! Keine Sekunde länger wollte er in diesem teuflischen Haus bleiben.

Seltsamerweise versuchte ihn niemand zu berühren. Man machte sich nur mit Stangen und Schlagstöcken über ihn her. Parker rutschte über den schmutzigen Boden und sah die steil nach unten führende Treppe vor sich. Er fand nicht mehr die Kraft, sich aufzurichten oder den Sturz in die Tiefe zu verhindern. Der Amerikaner überschlug sich. Es krachte, als er mit einem Fuß im Geländer hängen blieb und morsches Gestänge mitriss. Wie ein Häufchen Elend landete er vor der untersten Stufe. Jemand sprang über ihn hinweg. Ein Mann riss die Tür auf. Die nach Wasser und Fisch geschwängerte Hafenluft schlug ihm entgegen. Mit Stangen drückten sie Parker auf die Straße. Sämtliche Glieder taten ihm weh. Mühsam versuchte er, sich aufzurichten, doch er kam nicht in die Höhe. Es war, als hätten die Männer alle Kräfte aus ihm herausgeschlagen. Er stöhnte und hörte das Blut in seinen Ohren rauschen. Er musste husten und glaubte, sein Brustkasten würde von innen her gespalten. Wunden bedeckten seinen Körper, Blutgeschmack füllte seinen Mund. Parker wusste nicht, warum dies gerade mit ihm geschah.

Schattengleich tauchte eine Gestalt vor ihm auf. Schlanke Beine, hauteng anliegendes Seidenkleid. Chi-Chi-Ma. „Es tut mir leid“, sagte die Chinesin leise. „Hättest du nur auf mich gehört … Warum bist du nicht bei mir geblieben, Yankee. Du hast dich von ihm berühren lassen. Er hat die Pest. Nun wirst auch du sie bekommen!“

Wie aus weiter Ferne vernahm er ihre Worte. Er wollte etwas darauf erwidern, doch da verließen ihn seine Kräfte. Sein Kopf fiel nach vorn und blieb in einer schmutzigen Wasserlache liegen. Chi-Chi-Ma verschwand.

Hans Schweikart saß neben dem Piloten, der die einmotorige Privatmaschine über die zerklüftete Berglandschaft steuerte. Die hohen Felsen wuchsen wie steinerne Wände und Pfähle dem klaren Himmel entgegen. Schweikart starrte aus dem Fenster und ließ die gewaltige Landschaft, die kein Ende zu nehmen schien, auf sich wirken.

Sie flogen in dreitausend Metern Höhe. Das Gelände war von ewigem Schnee bedeckt. Weiter nördlich ragten Bergspitzen empor, die fünftausend Meter und höher waren. Eine unberührte, abenteuerliche Landschaft. Der Deutsche Hans Schweikart hielt sich im Auftrag eines großen Reiseunternehmens in China auf. Die hiesigen Geschäftspartner waren an einer Öffnung ihres Landes westlichen Touristen gegenüber interessiert. Schweikart hatte bei dieser Gelegenheit einige der Vertragshotels in Peking und Wuhan besucht und alte Freunde getroffen. Seinen derzeitigen Aufenthalt wollte er jedoch anders nutzen. Seine Auftraggeber hatten etwas Besonderes im Sinn. Ein spezieller Urlaub, besonders auf junge Menschen zugeschnitten, war derzeit aktuell, und Schweikarts Auftraggeber wollten diesen neuen Markt rasch ausbauen, solange der sich noch im Wachstum befand. Es ging um Abenteuer-Trecks.

Hans Schweikart, fünfunddreißig, dunkelblond, Brillenträger, machte sich emsig Notizen und verfolgte die Karte, die auf seinen Knien lag. Nur zwei Routen kamen in Frage, die von der Regierung erlaubt wurden. Da war zunächst der Weg, der von der Provinz Sikiang aus in das Himalaya-Gebirge führte. Diese Route fand der Stuttgarter jedoch weniger ansprechend als die zweite. Ankunft in Peking, Weiterreise durch die fruchtbare Ebene von Wuhan. Dort ging es dann mit dem Geländewagen weiter durch kleine Dörfer, durch das Hinterland der Randgebirge, die hauptsächlich von Steppen und Wüsten eingenommen wurden, bis zu den Ausläufern des Himalaya. Hier begannen die Strapazen und Abenteuer. Zu Fuß auf verschlungenen Pfaden in die zerklüftete, schweigende Bergwelt. Träger standen bereit, die das Gepäck für die Touristen trugen. Übernachtet wurde in selbstaufgestellten Zelten oder in einsamen Hütten. Für drei Wochen gab es kein fließendes Wasser, keinen elektrischen Strom und keine Möglichkeit zu baden. Alles, was die Zivilisation so angenehm machte, fehlte. Die Männer, die sich diesem Treck anschlossen, verzichteten freiwillig auf die Bequemlichkeiten der modernen Welt und lebten wie die Steinzeitmenschen. Und gerade darin lag der Reiz des Unternehmens.

Höhepunkt des Trecks würde der Aufenthalt in einem alten, von Mönchen verlassenen Kloster sein, das an einem Bergvorsprung klebte und in 3490 Metern Höhe lag.

Der chinesische Pilot, der Mann sprach ein ausgezeichnetes Englisch, erklärte mit ruhiger Stimme die Besonderheiten der Landschaft unter ihnen und steuerte die Maschine über eine mit Schnee und Eis bedeckte Anhöhe hinweg. Dies war der äußerste Zipfel, der für den Treck bestimmt war. Schweikart zuliebe flog der Pilot die Maschine jedoch tiefer in die Gebirgswelt hinein. Ein Beauftragter der Regierung, der sie begleitete und der hinter dem Deutschen saß, hatte bisher nur wenig gesprochen, obwohl er hervorragend Deutsch beherrschte. Er hatte in Frankfurt und Berlin studiert, und während ihrer Vorgespräche in Peking und Wuhan hatte Hans Schweikart Gelegenheit gehabt, das Wissen und Einfühlungsvermögen dieses Mannes zu bewundern.

Sie überflogen ein Hochtal. Der Himmel war mit dünnen Wolkenschleiern überzogen, die sich verdichteten, je weiter die Maschine nach Nordwesten flog. Der eisige Wind fegte über das Plateau, und eine weiße Wand aus Schneestaub wirbelte über die Felsen hinweg. Der Pilot tauchte in die Wolkenbank ein. Wie Schemen wirkten die Bergmassive in der Ferne.

„Er will Ihnen etwas Besonderes zeigen, Herr Schweikart“, sagte der Chinese aus dem Hintergrund. Der Deutsche bewunderte diesen Mann, der es fertigbrachte, klar, akzentfrei und auch das R wie ein R