Lassiter 2719 - Katja Martens - E-Book

Lassiter 2719 E-Book

Katja Martens

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Beschreibung

Verdammt und zugenäht! Eigentlich wollte Lassiter in Shadow Ridge nur seine Wunden lecken. Sein letzter Einsatz hat ihn bis an seine Grenzen gebracht, da scheinen drei Tage Erholung in der Gesellschaft einer reizenden Lady nicht zu viel verlangt.
Doch plötzlich überschlagen sich die Ereignisse. In der örtlichen Mine soll es nicht mit rechten Dingen zugehen. Die Einwohner erzählen von unheimlichen Vorfällen, seltsamen Lichtern und Erscheinungen - und von vermissten Männern.
Furcht greift um sich. Die letzten verbliebenen Minenarbeiter ergreifen die Flucht. Einzig die resolute Gina ist bereit, sich der Tiefe zu stellen. Ihr Bruder gehört zu den Vermissten. Als sie Lassiter um Hilfe bittet, kann er ihr den Wunsch nicht abschlagen. Er macht sich auf den Weg ins Ungewisse...

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Seitenzahl: 141

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Inhalt

Cover

Die Geister von Shadow Ridge

Vorschau

Impressum

Die Geister von Shadow Ridge

von Katja Martens

»Hast du das auch gehört?« Ed Jenkins ließ seinen Vorschlaghammer sinken und hob lauschend den Kopf. In das unregelmäßige Stakkato der Hämmer und Pickel mischte sich das Stampfen der dampfbetriebenen Pumpen. Die beförderten das Wasser aus der Mine und verhinderten, dass die Stollen überflutet wurden. Das war es jedoch nicht, was dem erfahrenen Miner einen Schauer das Rückgrat hinunterrieseln ließ. Es war... etwas anderes. Etwas, das nicht hierher gehörte.

Neben ihm holte Daniel Grey mit seinem Hammer aus und schlug kräftig auf das Gestein, um es zu lockern. Splitter flogen nach allen Seiten. Sein Oberkörper glänzte vor Schweiß im Schein der Kerze. Er schien ihn nicht einmal gehört zu haben.

Mit Eds Ruhe war es jedoch vorbei. Argwöhnisch sah er sich um und verwünschte die Tiefe und das spärliche Licht. Denn irgendetwas lauerte in den Schatten...

»Brauchst du 'ne Pause?« Dan drehte den Kopf und musterte ihn prüfend. Offenbar war ihm nun doch aufgefallen, dass etwas nicht stimmte.

Bevor Ed auch nur Luft holen konnte, um zu antworten, meldete die Glocke die nächste Pause. Er lehnte seinen Hammer an die Wand und fuhr sich mit dem Handrücken über die schweißnasse Stirn.

Bei der Arbeit in der Silbermine wechselten sich halbstündige Pausen mit einer halben Stunde Arbeit ab. Anders war die Schufterei in der Hitze in dieser Tiefe nicht auszuhalten. Es hatte Tests gegeben, mit längeren Arbeitszeiten, aber bei denen waren die Männer reihenweise umgekippt und teilweise nicht wieder aufgestanden.

Während die Miner nach und nach von dem pyramidenartigen Gerüst kletterten, auf dem sie bei der Arbeit verteilt waren wie die Kerzen auf einem Weihnachtsbaum, blieb Ed, wo er war, und starrte in die Dunkelheit.

»Alles in Ordnung?« Im schummrigen Licht waren die sorgenvoll zusammengekniffenen Augen seines Freundes mehr zu ahnen als zu sehen.

»Nein«, erwiderte Ed gedehnt. »Ich habe etwas gehört.«

»Meinst du die Balken? Steht uns Ärger bevor?« Alarmiert beäugte der jüngere Miner die Stützbalken. Es kam immer wieder vor, dass das Holz dem Druck nicht standhielt und einstürzte. Wehe dem, der sich dann noch hier unten aufhielt. »Sollen wir Alarm schlagen?«

»Nicht die Balken. Etwas anderes.«

»Na ja. Wir entreißen dem Berg seine Schätze ja auch mit reichlich Getöse.« Selbst jetzt, wo das Hämmern verstummt war, stampften die Pumpen weiter.

»Ich meine auch nicht die Maschinen. Ach, ich kann es nicht beschreiben. Es war ein Ruf, aber er klang nicht menschlich.«

»Vielleicht hat sich ein Kojote hier runter verirrt. Gab es alles schon. Weißt du nicht mehr? Letzten Winter starben zwei Arbeiter, weil...«

»Kein Kojote«, unterbrach Ed ihn. »Es hat sich nicht so angehört wie etwas, das es auf Gottes weiter Erde geben sollte. Es war... unnatürlich.«

»Unnatürlich?« Dan legte seinen Hammer ab und kam ein paar Schritte näher. »Fang du nicht auch noch an. Allmählich reicht es mir mit diesen Geistergeschichten. Ich weiß, was die Männer erzählen, aber das ist Unfug. Geschichten, die man sich abends am Lagerfeuer erzählt. Nichts davon ist real. Es spukt nicht in dieser Mine. Mir jedenfalls ist hier unten noch kein Geist begegnet. Dir etwa?«

»Dass wir sie nicht sehen, heißt nicht, dass sie nicht da sind.«

»Ich arbeite hier seit mehr als drei Jahren. Man sollte meinen, dass wer auch immer hier herumspukt genügend Anstand hätte, um sich wenigstens einmal vorzustellen.« Dan grinste und entblößte dabei zwei Reihen weißer Zähne.

»Nimm das nicht auf die leichte Schulter. Oder hast du schon vergessen, dass Männer verschwunden sind? Von jetzt auf gleich. Einfach weg.«

»Die Shadow-Ridge-Mine ist uralt. Niemand kennt mehr alle Gänge. Die Stollen sind ein Labyrinth, in dem man sich leicht verirren kann, wenn man nicht aufpasst.«

»Du glaubst, sie haben sich verirrt und sind gestorben?« Ed strich seine Handflächen an seinem Arschleder ab. Abgesehen von seinem Filzhut war es das einzige Kleidungsstück, das er trug. Ebenso wie die anderen reduzierte er seine Garderobe bei der Arbeit auf das absolut Notwendigste. Er schützte seinen Kopf vor Stößen und seinen Hintern beim Sitzen und Rutschen durch enge Gänge. »Und der Boss?«, gab er zu bedenken.

Sein Einwand ließ sein Gegenüber eine Spur blasser werden.

Dan ging nicht auf die Bemerkung ein, aber sein Schnaufen verriet nichts Gutes.

»Ich sag dir, ich hab was gehört«, beharrte Ed.

»Das liegt nur an dieser elenden Hitze. Die macht einem Sachen weis. Gehen wir was trinken.« Dan wandte sich der Leiter zu und machte sich an den Abstieg.

Ed zögerte. An dem, was Dan gesagt hatte, war etwas dran. Hier unten herrschten Temperaturen wie in einem türkischen Bad. Die Kerzen und die Körperwärme der schwitzenden Arbeiter taten ihr Übriges, um die Stollen aufzuheizen. Die einzige Erleichterung verschaffte die kühlere Luft, die über Rohre von einem halben Yard Durchmesser in die Tiefe geblasen wurde. Trotzdem war die Hitze mörderisch und konnte einem Mann zusammen mit der Schufterei Dinge vorgaukeln, die nicht da waren. Diesen Gedanken konnte Ed nicht von der Hand weisen.

Hatten ihm seine Sinne nur einen Streich gespielt?

Sie arbeiteten in einer Tiefe von knapp fünfhundert Yards. Mit Vorschlaghämmern lockerten sie das Erz und zerkleinerten es mit ihren Picken. Dann wurde es mit Schubkarren zum Förderschacht transportiert und nach oben geschafft. Ihre Ausbeute war Silbererz, auch wenn das noch kaum als Silber zu erkennen war, denn es schimmerte nicht etwa silbern, sondern war blaugrau bis tiefschwarz.

Eds Blick schweifte über die Wände. Der Berg war hier unten nicht einfach nur schwarz und düster. Nein, an vielen Stellen glitzerten die Wände im Kerzenlicht, als wären sie mit Diamanten besetzt. Das waren Pyrit und Kupferkies. Das Erz war überall damit durchsetzt. Außerdem gab es große Nester von durchsichtigen Quarzkristallen, die wie das Wasser eines klaren Waldsees glitzerten.

Wunderschön, ging es Ed durch den Kopf. Wunderschön und tödlich zugleich. Man weiß nie, was einen erwartet. Wie bei einer verführerischen Frau.

Er schüttelte den seltsamen Gedanken ab, setzte sich in Bewegung und folgte seinem Freund die Leiter nach unten zu den Wasserfässern, aus denen sie sich großzügig bedienten. Während ihrer Pausen tranken sie literweise Wasser.

Dan schob sich gerade einen Eiswürfel in den Mund, den er sich aus einem der Fässer in der Nähe der Kaltluftrohre geholt hatte.

Die Männer unterhielten sich scheinbar unbekümmert, aber Ed wusste, dass sie dabei stets mit einem Ohr auf das Knirschen und Knarzen der Balken achteten. Ein Konzert, das ihre Arbeit tagein, tagaus begleitete. Sobald die Melodie vom Gewohnten abwich – oder die Ratten nicht gemächlich nach ihren Krümeln haschten, sondern davonstoben – wussten sie, dass sie von hier wegmussten.

Es kam immer wieder mal vor, dass das Gebälk nicht hielt, dass sie aus dem falschen Holz waren oder nicht fest genug gegen das Erz gepresst.

Ed tauchte seinen Becher in das Wasserfass und ließ sich damit auf dem Boden nieder. Während er trank, glommen die Augen einer Ratte dicht neben seinem Fuß im Licht einer Kerze. Er störte sich nicht daran. Hier unten wimmelte es vor Ratten. Die meisten waren zahm. Lästig wurden sie nur, wenn sie einem das Essen stahlen.

»Noch zehn Monate.« Dan lutschte genüsslich auf seinem Eiswürfel herum.

Ed trank einen langen Schluck. »Was ist dann?«, hakte er nach und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund.

»Dann habe ich genug Geld gespart, um mir eine kleine Farm zu kaufen und mich mit meiner Familie niederzulassen. Ich will eine Arbeit, bei der ich die Sonne sehe und etwas mit meinen Händen aufbauen kann. Nicht ewig im Dunkeln malochen.«

»Du willst Farmer werden?« Ed klaffte der Mund auf.

»Warum nicht? Kannst du dir das nicht vorstellen?«

»Ich kann mir vorstellen, wie du Kartoffeln verspeist, aber nicht, wie du sie anbaust.«

»Warte es nur ab. Molly und ich haben alles genau ausgerechnet. Sie arbeitet noch im Laden, bis das Baby da ist. Dann nicht mehr. Und wenn wir uns einschränken, haben wir in zehn Monaten genug Geld, um die Farm vom alten O'Cleary zu kaufen.«

»Kein übler Plan.«

»Sag ich doch. Ich hab jedenfalls nicht vor, hier unten draufzugehen und Molly mit dem Baby allein zu lassen.«

Ed nickte bedächtig. Es gab nicht viele alte Miner. Das hatte auch seinen Grund: Hier unten verging kaum ein Tag ohne einen Unfall.

»Was ist mit dir?« Dan zerkaute den Rest seines Eiswürfels. »Hast du nicht auch Pläne für später?«

»Sicher habe ich die. Nach der Arbeit werde ich bei Jolene und ihren Mädchen reinschauen.« Ed griente.

»Ich meine, was willst du in ein paar Jahren machen? Willst du dir dann immer noch hier unten den Buckel krumm schuften?«

»Warum nicht? Hab nichts anderes gelernt. Der Berg ist mein Schicksal.«

»Das klingt beinahe wie in einer Ehe.«

»Schon möglich. Nur hab ich es nicht mit einer zänkischen Schwiegermutter zu tun.« Ed griente.

Nur mit etwas, das in der Dunkelheit lauert, ging es ihm plötzlich durch den Kopf.

Dan murmelte etwas, das er nicht verstand. Dann stellte er seinen Becher hin und deutete hinter sich. »Ich muss mich kurz erleichtern.« Damit stapfte er davon.

In einem Seitenstollen standen mehrere Abortkübel, in denen sie ihre Notdurft verrichten konnten. Es war verpönt, sich einfach irgendwo in den Grubenbauen zu erleichtern. Nicht nur wegen des Gestanks, der von der Hitze noch befeuert wurde, sondern auch, weil es Krankheiten und Würmer verbreitete. Grubenjungen waren dafür zuständig, die Abortkübel alle drei Tage zu Tage zu fördern, mit Kalkmilch zu reinigen und zurück in die Grube zu bringen.

Ed sickerte der Schweiß von der Stirn und brannte in seinen Augen. Kurzerhand steuerte er das Fass mit dem Eis an und stopfte sich zwei Brocken in den Mund.

Schon besser.

Er lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand und beobachtete, wie einer der Männer einer Ratte einen Brocken Brot hinhielt und sie dazu brachte, sich danach zu recken. Als er »Tanz!«, sagte und den Brocken drehte, vollführte die Ratte eine formvollendete Pirouette.

Die Männer lachten.

»Noch mal, Joe!«

Der Miner blickte in die Runde, aber bevor er dazu kam, die Ratte das Kunststück wiederholen zu lassen, erklang ganz in der Nähe ein gellender Schrei.

»Arrrgh!«

Er brach so jäh ab, wie er erklungen war.

Trotzdem fuhr Ed blitzschnell hoch, und die anderen taten es ihm gleich.

»Dan?« Er war sich sicher, dass es sein Freund gewesen war, der geschrien hatte. »Dan, was ist los? Wo bist du?« Er setzte sich in Bewegung, steuerte den schummrigen Seitenstollen an, in dem die Abortkübel standen, und fand ihn verlassen vor. Das flackernde Kerzenlicht zeigte einen leeren Gang. Von dem anderen Miner war nichts zu sehen. Wohl aber zu hören!

Irgendwo brüllte plötzlich eine raue Stimme.

»Es holt mich... Helft mir!... es holt mich...«

Ein dumpfer Schlag war zu hören.

Danach: nichts mehr.

Es holt mich? Ed rieselte ein Schauer durch den Körper. Es?

Seine Nackenhärchen stellten sich auf, während er eine brennende Kerze aus der Halterung riss und mit langen Schritten tiefer in den Stollen eintauchte. Angestrengt versuchte er, die Dunkelheit weiter vorn mit den Augen zu durchdringen.

Was verbarg sich nur in den Schatten der Mine?

Diese Kutschfahrt schien kein Ende zu nehmen.

Unbarmherzig brannte die Sonne vom wolkenlosen Nevada-Himmel. Von Westen wehte ein leichter Wind heran, aber der brachte nicht etwa Abkühlung, sondern schien die Glut sogar noch anzufachen. Staub wirbelte unter den Hufen der Kutschpferde hoch und drang in das Innere des Gefährts, legte sich über Kleidung, Gepäck und Haare.

Die Postkutsche rumpelte über den unebenen Trail. Dabei wurden die Fahrgäste im Inneren gehörig durchgeschüttelt. Ein Prediger saß am Fenster und murmelte immer wieder tonlos etwas, das ein Gebet oder auch ein Fluch sein mochte. Ihm gegenüber beschwerte sich eine grauhaarige Lady in einem dunklen Reisekostüm lautstark bei ihrem Begleiter über die unbequeme Reise. Der nahm es schweigend hin und hielt den Blick auf seine Zeitung gesenkt.

Lassiter hatte den Platz neben dem Geistlichen inne. Er ertrug das ständige Rütteln ebenso gelassen wie das unliebsame Ziehen in seinen Wunden, die er sich bei seinem vorigen Auftrag zugezogen hatte und die beileibe noch nicht verheilt waren. Er war sich recht sicher, dass an diesem Tag noch ein paar blaue Flecken dazukommen würden.

Bei seiner vorigen Mission wäre er um ein Haar draufgegangen. Knapp war es gewesen. Verdammt knapp sogar. Als Mann der Brigade Sieben wurde er überall dorthin geschickt, wo die Kacke am Dampfen war und die örtlichen Sternträger kein Land sahen. Er arbeitete allein und wollte es auch gar nicht anders haben. Das bedeutete jedoch auch, dass er sich aus Schwierigkeiten selbst befreien musste. Ihm kam keine Kavallerie zu Hilfe. Er war die verdammte Kavallerie.

Trotz der Schaukelei verbrachte er eine Weile dösend... bis plötzlich ein gewaltiger Ruck durch die Kutsche ging. Gefolgt von einem ohrenbetäubenden Krachen und Knirschen. Die Lady wurde vom Sitz katapultiert. Geradewegs auf den Schoß des Predigers. Der stieß ein dumpfes »Uff« aus, als sie sich Haltsuchend an seinen Schritt klammerte. Ihr Begleiter behielt seinen Platz bei und ließ nicht einmal seine Zeitung los.

Lassiter wurde unsanft in das Sitzpolster gedrückt.

Die Lady erholte sich recht schnell von ihrem Schrecken. »Ich muss doch sehr bitten!« Sie funkelte den Prediger empört an, als hätte er sie eingeladen, sich auf ihn zu werfen. Ihr Kleid glattstreichend, bewegte sie sich auf ihren Platz zurück, dabei immer weiter vor sich hin schimpfend.

Die Postkutsche war jäh stehen geblieben.

Lassiter öffnete die Tür, ignorierte die Trittstufen und sprang auf den staubigen Boden. Ein Rundumblick verriet, dass sie ihr Ziel noch nicht erreicht hatten. Sie standen auf dem Trail zwischen spärlich bewachsenen Hügeln. Das Gelb von Sand und Staub dominierte die Umgebung. Hier und da lugte ein stacheliges Gewächs aus dem Boden, das er nicht genauer definieren konnte.

»Das hat uns grade noch gefehlt.« Der Kutscher war vor seinem Begleiter von seinem Platz gesprungen, spähte unter sein Gefährt und fluchte dann unterdrückt. »Die Achse ist gebrochen.«

Hinter Lassiter begann die alte Lady lautstark über die Raserei zu beschweren und dass es gar nicht anders hatte kommen können. Sie waren irgendwo im Nirgendwo gestrandet und saßen allem Anschein nach vorerst hier fest.

Der bewaffnete Begleiter hatte sein Pferd angehalten und glitt nun aus dem Sattel, um sich der Sache anzunehmen.

»Kannst du das reparieren, Rich?«, fragte er, sich den graumelierten Bart reibend.

»Nicht ohne das richtige Holz. Das muss ich erst beschaffen und das kann dauern.« Der Kutscher schüttelte bedächtig den Kopf. »Wir sind in ein Loch gekracht. Das verdammte Ding hab ich nicht gesehen.«

»Und was jetzt?«, schnaufte der Reverend. »Sollen wir stundenlang hier in der prallen Hitze herumstehen und darauf warten, dass Sie die Kutsche reparieren?«

»Das würde ich nicht empfehlen.«

»Aber hier gibt es weit und breit kaum Schatten.«

»Ungefähr drei Meilen in dieser Richtung gibt es eine kleine Stadt.« Der Kutsche nahm seinen Hut ab und deutete damit gen Westen. »Ihr Name ist Shadow Ridge. Dort gibt es ein kleines Hotel, in dem Sie Quartier nehmen und auch etwas essen können. Ich hole Sie dort ab, sobald ich die Achse repariert habe.«

»Drei Meilen in dieser Hitze?« Die Lady wirkte, als würde sie jeden Moment in Ohnmacht fallen.

»Entweder das – oder Sie gehen mir hier zur Hand.«

»Das ist doch wohl nicht Ihr Ernst!« Sie bedachte ihn mit einem Blick, der einen weniger standhaften Mann auf der Stelle in eine Salzsäule hätte verwandeln können. Dann winkte sie ihrem Begleiter. »Komm, Eugen, machen wir uns auf den Weg. Du trägst unser Gepäck.«

»Das können Sie ruhig hier lassen. Wir werden es gut bewachen«, versicherte der Kutscher. Das entlockte ihr ein Schnauben.

»Wir nehmen unsere Sachen mit! Komm, Eugen!«

Schweigend wuchtete ihr Mann eine Teppichstofftasche vom Dach der Kutsche und stapfte neben ihr in Richtung Stadt.

Auch der Reverend setzte sich in Bewegung.

Nur Lassiter blieb zurück. »Kann ich bei der Reparatur helfen?«

»Nett von Ihnen, Sir.« Der Kutscher fächelte sich kühle Luft mit seinem Hut zu, ehe er ihn wieder aufstülpte. »Aber ich muss erst Holz beschaffen. Das kann einige Zeit dauern. Thomas wird mir dann später zur Hand gehen.« Er deutete auf seinen bewaffneten Begleiter. Der hatte sein Pferd derweil an die Kutsche gebunden und besah sich den Schaden.

»In Ordnung. Dann sehen wir uns in Shadow Ridge.« Lassiter erwog, nicht wie geplant weiterzufahren, sondern ein paar Tage in der Stadt Station zu machen und seine Wunden zu lecken. Vielleicht gab es ein Badehaus, in dem er sich erholen konnte. Und gegen eine anständige Mahlzeit hätte er auch nichts einzuwenden gehabt. Vielleicht fand sich sogar etwas weibliche Gesellschaft...

So weit war er gerade mit seinen Gedanken gekommen, als ein gedämpftes Krachen seine Aufmerksamkeit auf sich zog.

Das waren Gewehrschüsse. Kein Zweifel.

Er fuhr herum und bemerkte eine Staubwolke, die hinter einem der Hügel aufstieg. Gefolgt von einer zweiten, größeren. Er wusste sofort, was das hieß: Dort drüben wurde jemand verfolgt – und zwar von einer Übermacht.