Lassiter 2714 - Katja Martens - E-Book

Lassiter 2714 E-Book

Katja Martens

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Beschreibung

"Verdammter Bastard." Chad Hardwick bewegte seinen Zigarrenstummel von einem Mundwinkel in den anderen, während er auf seinen Gefangenen hinabstarrte. Sekundenlang war es so still im Lager, dass nichts als das Schlagen der Wellen auf dem Missouri zu hören war.
Wie eine mächtige Schlange wand sich der Fluss durch die endlosen Weiten des Westens. Hier war das Gesetz dünn gesät, und die Zivilisation hatte ihre Fesseln noch nicht ausgebreitet. Männer wie Hardwick standen dafür, dass das auch so blieb. Sein Gefangener hielt schützend die Arme vor das zerschlagene Gesicht.
"Wo ist er?" Hardwick holte aus und versenkte seine Faust in der Magengrube des anderen Mannes. Er war noch lange nicht fertig mit dem Kerl. Wenn die Bewohner von Riverdale glaubten, eine Chance gegen ihn zu haben, würde er ihnen eine Botschaft zukommen lassen. Eine, die das Schicksal der Stadt besiegelte...

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Inhalt

Cover

Die letzte Fahrt der Southern Belle

Vorschau

Impressum

Die letzte Fahrt der Southern Belle

von Katja Martens

»Verdammter Bastard.« Chad Hardwick bewegte seinen Zigarrenstummel von einem Mundwinkel in den anderen, während er auf seinen Gefangenen hinabstarrte. Sekundenlang war es so still im Lager, dass nichts als das Schlagen der Wellen auf dem Missouri zu hören war.

Wie eine mächtige Schlange wand sich der Fluss durch die endlosen Weiten des Westens. Hier war das Gesetz dünn gesät, und die Zivilisation hatte ihre Fesseln noch nicht ausgebreitet. Männer wie Hardwick standen dafür, dass das auch so blieb. Sein Gefangener hielt schützend die Arme vor das zerschlagene Gesicht.

»Wo ist er?« Hardwick holte aus und versenkte seine Faust in der Magengrube des anderen Mannes. Er war noch lange nicht fertig mit dem Kerl. Wenn die Bewohner von Riverdale glaubten, eine Chance gegen ihn zu haben, würde er ihnen eine Botschaft zukommen lassen. Eine, die das Schicksal der Stadt besiegelte...

Noch vor wenigen Wochen hatte der Missouri Hochwasser geführt. Frühjahrsregenfälle und Schneeschmelze hatten das Flusstal mit einer schier endlosen Flut wogender brauner Wassermassen überschwemmt. Abertausende entwurzelter Bäume waren den Fluss entlang geschossen wie Speere, und der Fluss war über und über mit Treibholz bedeckt gewesen. Inzwischen war der Flusspegel gesunken, aber noch immer stellten die Bäume, welche sich der Fluss geholt hatte, eine Gefahr dar. Viele waren an Sandbänken hängen geblieben. Teilweise oberhalb der Wasserkante, teilweise unterhalb und verborgen von den Fluten des Big Muddy.

Ein Verhängnis für jeden unerfahrenen Schiffsführer auf dem Fluss.

So manches Schiff havarierte.

Auch jetzt saß ein Frachter eine halbe Meile flussabwärts an einer Sandbank fest. Das Schaufelrad musste sich im Geäst verfangen haben, das im Wasser verborgen gewesen war. Die Mannschaft kämpfte seit über einer Stunde darum, das Schiff wieder flottzubekommen. Die schaukelnden Lichter an Deck bewegten sich kein Inch und verrieten, dass sie noch immer festsaßen. Unter anderen Umständen hätte Chad Hardwick die Gelegenheit genutzt, um sich die Ladung mit seinen Männern unter den Nagel zu reißen und zu verschwinden, bevor die Crew ihnen folgen konnte.

Nicht so jedoch an diesem Abend.

An diesem Abend gab es etwas anderes für ihn zu tun.

Er musste sich Antworten holen.

Genauer gesagt, nur eine Antwort.

»Wo ist mein Bruder?«, knurrte er. »Rede endlich?«

»Ich –« Sein Gefangener spuckte einen Schwall Blut aus. »Ich weiß es nicht.«

»Und warum glaube ich dir das nicht?«

»Weil Sie noch dümmer sind, als Sie aussehen?«

Wompf!

Es gab ein dumpfes Geräusch, als Hardwicks Faust erneut in den Magen des anderen Mannes fuhr. Der kippte seitlich in den Dreck und gab ein unterdrücktes Geräusch von sich, das ein Stöhnen, aber auch ein Fluch sein konnte.

»Ich gebe dir noch eine Chance«, sagte Hardwick mit erzwungener Ruhe. »Wenn du mir sagst, was ich wissen will, lassen wir dich ziehen. Wenn nicht, werde ich dich meinen Männern überlassen. Dann dürfen sie dich foltern und umlegen, auf welche Weise auch immer es ihnen beliebt.«

Sein Gefangener blinzelte aus seinem einen noch nicht zugeschwollenen Auge zu ihm hoch. Blut sickerte von einem Riss in seiner Unterlippe. Er war ein kleiner, untersetzter Mann und von einer Zähigkeit, die Hardwick ihm nicht zugetraut hätte. Sie hatten ihm schon deutlich zugesetzt. Trotzdem schwieg er sich aus.

Hardwick presste die Zähne so fest aufeinander, dass sie knirschten.

Er packte seinen Gefangenen am Kragen und zog ihn zu sich hoch.

»Wo. Ist. Mein. Bruder?« Jedes einzelne Wort wurde von einem Fausthieb gegen den Kiefer des anderen Mannes begleitet. Der schwoll zusehends blau an.

Der letzte Treffer ließ einen abgebrochenen Zahn durch die Luft fliegen. Blut quoll zwischen den Lippen des Gefangenen hervor.

»Ich weiß es nicht.« Henry Bouchard spuckte noch mehr Blut aus. Ihm gehörte der Generalstore drüben in Riverdale, einer kleinen Stadt am oberen Missouri. Riverdale war umgeben von dichten Wäldern und einer Wildnis, die einen Mann verschlucken und nie wieder ausspucken konnte.

Der Fluss war die Lebensader und der Zugang zur Stadt. Der einzige Trail über Land führte durchs Indianerland und war entsprechend gefürchtet.

Doch Bouchard war das Wagnis eingegangen.

Mit zwei Gehilfen war er unterwegs gewesen, um einen voll beladenen Frachtwagen mit Waren für seinen Laden nach Riverdale zu bringen.

Ein böser Fehler.

Hardwick griente in sich hinein.

Er hatte von der Unternehmung erfahren und die Kutsche samt Ladung an sich gebracht. Die beiden Gehilfen waren unter seinen Kugeln gefallen, während Bouchard nun in seinem Lager festsaß. Umringt von einem Dutzend Männern, die den Fluss befuhren und sich nahmen, was sie wollten und von wem sie es wollten. Hardwick hatte nur eine Handvoll verlässlicher Handlanger bei seinem Schiff zurückgelassen.

»Wir lassen dir deine Fracht«, lockte Hardwick nun – und ignorierte das unwillige Brummen seiner Männer, die bereits mit den frischen Lebensmitteln und dem Whisky liebäugelten. »Du darfst alles mitnehmen, wenn du mir sagst, wo sie Dylan festhalten.«

»Das weiß ich nicht. Und wenn ich es wüsste, würde ich es Ihnen nicht verraten. Sie und Ihre Bande von Halsabschneidern machen unser Leben schon lange zur Hölle. Ich würde mir eher einen Finger abbeißen, als Ihnen behilflich zu sein.«

»Du glaubst, wir machen euch das Leben zur Hölle?« Ein breites Grinsen schlich sich auf Hardwicks bärtiges Gesicht. »Wir haben noch nicht mal richtig damit angefangen, mein Freund.«

»Ich bin nicht Ihr Freund«, nuschelte der Ladenbesitzer an seinen abgebrochenen Zähnen vorbei. »Sie sind ein dreckiger Flusspirat und weiter nichts!«

»Sag mir, was ich wissen will, oder du kehrst Stück für Stück zu deinen liebreizenden Töchtern heim. Finger für Finger. Fuß um Fuß.« Hardwick fuhr vielsagend mit der Hand über die die Messerscheide, die er am Gürtel trug.

Sein Gegenüber wurde eine Spur blasser – und schwieg weiterhin.

Hardwick fluchte in sich hinein. Sein Geduldsfaden wurde allmählich dünner. Dachte der Kerl etwa, er würde nur bluffen? Wenn Bouchard nicht endlich redete, würde er seine Drohung wahrmachen. Womöglich half es, dem Kerl mit einem glimmenden Holzscheit im Hemd die Zunge zu lockern?

Hardwick war nicht zu Späßen aufgelegt.

Sein jüngerer Bruder hatte sich heimlich nach Riverdale geschlichen, um einem der Girls aus dem Bordell einen Besuch abzustatten. Hardwick hatte ihn tausendmal gewarnt, aber Dylan hatte nun mal eine Schwäche für Gina. Das rothaarige Girl konnte einem Mann aber auch einheizen. Oha. Doch ihr war nicht zu trauen. Das wussten sie nun. Gina hatte ihn verpfiffen und dafür gesorgt, dass Dylan vom Marshal geschnappt worden war.

Den Weibern kannst du nicht über den Weg trauen, dachte Hardwick grimmig. Ich hoffe, der Kleine hat seine Lektion gelernt. Wir müssen ihn befreien, bevor der Richter wieder in der Stadt ist, sonst endet er vor seiner Zeit am Galgen. Und das darf einfach nicht geschehen.

»Der Kerl ist verstockt.« Birdie schob sich neben Hardwick und strich sacht, beinahe liebevoll über das Rasiermesser in seiner Hand. »Lass mich mal mit ihm reden, Boss. Ich werde ihm garantiert die Zunge lockern.«

Hardwick stockte kurz – und nickte dann. »Lockern, nicht rausschneiden«, mahnte er dann. »Er soll hinterher noch reden können.«

»Kann ich nicht versprechen.« Birdie gluckste. Er war ein hagerer Kerl mit kahlem Schädel und Gliedern, die zu lang und dürr zu sein schienen. Eine tote Krähe war in seine rechte Schläfe geritzt. Er war ein Künstler mit dem Messer – auf jede nur erdenkliche Art.

Sein Ruf schien ihm vorauszueilen, denn Bouchard wurde bleich und presste die blutverschmierten Lippen zusammen. Das zuckende Licht des Lagerfeuers warf gespenstische Schatten auf sein Gesicht und enthüllte die nackte Angst in seinen grauen Augen.

Gut so. Sollte er sich ruhig fürchten. Vielleicht würde er nun endlich reden.

Hardwick ballte die Hände zu Fäusten.

Sein Bruder war in die Fänge des Marshals geraten. Und der war nicht so dumm wie seine Vorgänger. Die hatten ihr Amt kaum lange genug innegehabt, um sich an dem funkelnden Stern an ihrer Brust zu erfreuen. Pickett jedoch war anders. Gerissen. Hardwick hätte ihn bewundert, hätten sie nicht auf verschiedenen Seiten des Gesetzes gestanden. Der Marshal hielt seinen Bruder an einem unbekannten Ort fest, bis der Richter wieder nach Riverdale kam.

Die Frage war nur: Wo?

Hardwick hatte sich in die Stadt geschlichen und nach Dylan gesucht.

Vergebens.

Sein Bruder war weder im Jail noch im Haus des Marshals gewesen.

Hardwick warf Birdie einen Blick zu, bevor er seinen Gefangenen scharf in den Blick fasste. »Wenn mein Bruder nicht wohlbehalten auf mein Schiff zurückkehrt«, sagte er rau, »dann machen wir die Stadt dem Erdboden gleich. Mit allen ihren Einwohnern. Du kennst meinen Ruf, Bouchard, du weißt, dass ich keine leeren Drohungen ausspreche. Wir werden deinen Laden anzünden und deine Töchter verschleppen. Zuerst nehme ich sie mir vor. Eine nach der anderen. Was dann von ihnen übrig ist, überlasse ich meinen Männern.«

Die Angst in den grauen Augen des Ladenbesitzers wich einem ohnmächtigen Zorn. »Wagen Sie es nicht, sich an meinen Mädchen zu vergreifen!«

»Es liegt in deiner Hand. Sag mir, was ich wissen will, und ich verschone euch.«

»Ich kann es Ihnen nicht sagen, weil ich es nicht weiß. Niemand außer dem Marshal weiß es. Und darüber sollten Sie froh sein. Wenn wir wüssten, wo er ist, hätten wir ihn uns schon längst geholt und gelyncht! Das ist es, was Sie alle verdienen. Das und nichts anderes!« Der Owner stieß eine Faust in den Himmel.

Hardwick verengte die Augen zu Schlitzen.

»Also wirst du uns nicht helfen, ihn zu finden?«

»Nicht einmal, wenn ich wüsste, wo er ist.«

»Nun, das ändert nichts. Wir werden ihn auf die eine oder andere Art schon finden.« Hardwick bedeutete Birdie, mit der Befragung weiterzumachen.

Der Dürrländer leckte sich über die Lippen, trat vor und fasste in den Schopf des Ladenbesitzers, um ihn zu sich hochzuziehen.

Bouchard brüllte vor Schmerz. »Was habt ihr Mistkerle vor?«

»Das, mein Freund«, raunte Hardwick, »wirst du nicht mehr erleben.«

»Ist sie nicht eine Schönheit?« Kapitän Carlton Porter nahm seine Pfeife aus dem Mund und blies eine Rauchwolke in den dunklen Abendhimmel. »Meine Southern Belle hat schon etliche Kämpfe geschlagen, aber verdammt will ich sein, wenn sie nicht immer noch die schönste Lady auf dem Missouri ist.«

Lassiter folgte dem Blick des Schiffsführers, der über das Deck zu den schlanken langen Schornsteinen schweifte, die Dampf ausstießen, während das Dröhnen des Motors durch das Schiff lief wie das lustvolle Beben durch eine schöne Frau.

»Sie ist exquisit«, bestätigte er.

Ein Lächeln breitete sich auf dem bärtigen Gesicht des Kapitäns aus. »Das ist sie.«

Sein Dampfschiff war in der Tat eine Schönheit, wie man sie selten fand. Ein Schaufelraddampfer mit zwei Passagierdecks – eines für das Vergnügen der Fahrgäste und eines mit Kabinen für die Nacht. Die Lichter des Schiffes schienen mit den Sternen um die Wette zu glitzern.

»Meine Lady hat eine bewegte Vergangenheit«, erzählte der Kapitän, während das Schiff vorwärtsstampfte. »So, wie jede interessante Frau.«

»Sie war nicht immer ein Passagierschiff, nicht wahr?«

»Nein, man hat sie im Krieg um die Black Hills eingesetzt. Mit ihr wurden Soldaten, Nachrichten und Verletzte transportiert. Vorbei an feindlichen Sioux und Cheyenne. Sie war schneller als deren brennende Pfeile, ist jedem Angriff entgangen.« Der Kapitän strich über die Reling wie über den Arm einer zärtlichen Geliebten.

Der Nachtwind strich Lassiter über das Gesicht, während das Schiff seine Fahrt fortsetzte. Nachts bewegten sie sich langsamer fort als bei Tag, weil Hindernisse in der Dunkelheit später in Sicht kamen und sie vorsichtiger fahren mussten.

Von dem unteren Deck drangen lebhaftes Pianoklimpern, Lachen und Stimmen herauf. Die meisten Passagiere vergnügten sich an den Spieltischen oder saßen beim Essen. Das unterste Deck teilten sich die Kabinen und der Frachtraum.

Lassiter waren der Lärm und die Hitze auf dem Passagierdeck zu viel geworden, deshalb war er heraufgekommen, um sich die frische Nachtluft um die Nase wehen zu lassen.

Der Missouri schlängelte sich wie ein dunkles Band durch die flache Landschaft. Das dichte Grün an beiden Ufern wirkte undurchdringlich. Fremdartige Vogelrufe wehten von dort herüber, aber nur selten ließ sich einer der Vögel sehen.

Der Missouri war der längste Fluss des nordamerikanischen Kontinents, sogar länger als der Mississippi, doch er galt bei vielen als der gefährlichere Fluss und war durch Untiefen und Sandbänke schwerer befahrbar.

Die Southern Belle war so gebaut, dass sie wenig Tiefgang hatte und selbst in flacherem Gewässer vorankam. Außerdem verfügte sie über die nötigen Spieren und Dampfspillen, um sie notfalls am Bug über Sandbänke ziehen zu können. ›Grasshopping‹ nannte man diese Methode, die weitaus schweißtreibender war, als der Name es vermuten ließ.

Lassiter war im Auftrag der Brigade Sieben auf dem oberen Missouri unterwegs. Flusspiraten überfielen immer wieder Schiffe, metzelten Mannschaften und Passagiere nieder und verschwanden in den zahlreichen, weit verzweigten Nebenarmen des Flusses – einem Labyrinth, dem kein Sternträger gewachsen war. Es gab nicht genug Männer und Schiffe, um sie alle abzusuchen.

In Washington sah man nur noch eine Möglichkeit, um die Outlaws festzunageln:

Lassiter wurde geschickt, um die Banditen aufzuspüren und ihrem Treiben ein Ende zu setzen. Sein Job begann dort, wo sich die örtlichen Gesetzeshüter die Zähne ausbissen. Und an den Flusspiraten waren schon etliche Marshals gescheitert. Von etlichen war nicht genug übrig geblieben, um sie anständig begraben zu können. Das Treiben der Flusspiraten musste ein Ende haben.

Sein Auftrag war geheim. Lassiter arbeitete allein und ohne Rückendeckung, aber das störte ihn nicht. Er verließ sich nur auf einen Menschen – und das war er selbst.

Er hatte bislang nur einen vagen Plan, um seine Mission zu erfüllen: Die Flusspiraten waren in dem Gewirr aus Wasserwegen und Wildnis so gut wie unaufspürbar. Er hatte sich seinen Lederanzug gegen einen teuren Zwirn getauscht und verkörperte mit seiner goldenen Taschenuhr, dem Gehstock und dem modischen Hut einen erfolgreichen Unternehmer, den es sich auszurauben lohnte. Er hatte schon etliche Meilen auf dem Fluss hinter sich, bislang jedoch ohne eine Spur von den Banditen zu finden.

Am vergangenen Tag hatte er sich eine Passage auf der Southern Belle gebucht. Seine Kabine bot gerade genug Platz für eine Pritsche und einen Waschtisch. Sie lag unmittelbar neben den Maschinen und so würde an Schlaf nicht zu denken sein. Lassiter war jedoch auch nicht hier, um sich auszuruhen. Er wollte die Augen offenhalten für den Fall, dass die Banditen die Southern Belle für einen Raubzug ausspähten. Wenn sie nicht aufzufinden waren, konnte er sich vielleicht von ihnen finden lassen?

Der Kapitän lud Lassiter ein, sich am nächsten Abend zum Dinner zu ihm an den Tisch zu gesellen. Dann kehrte er auf die Brücke zurück.

Lassiter lehnte sich gegen die Reling. Nachdenklich schweifte sein Blick über das Deck. Ein Mann stand am Bug des Schiffes und hielt Ausschau nach Hindernissen im Wasser. Ein anderer schrubbte die Planken. Ein dritter, jüngerer Mann saß im Schein einer schaukelnden Laterne und ließ ein Stück Zeichenkohle über sein Papier tanzen.

Er schien Lassiters Blick auf sich zu spüren, denn er blickte auf und deutete auf seine Zeichnung. »Ich bin im Auftrag einer New Yorker Zeitung hier. Sie wollen Bilder vom Abenteuer einer Schiffsreise den Missouri hinauf. Arthur Wilkins«, stellte er sich vor und lüftete seinen Bowler-Hut.

»Mein Name ist Lassiter.«

»Ist das Ihre erste Passage auf dem Old Misery, Sir?«

»Nein. Allerdings habe ich noch nie gehört, dass ihn jemand so bezeichnet hätte.«

»Altes Elend? Ich habe den Namen bei einem Schiffsjungen aufgeschnappt. Auf meine Frage hin, erklärte man mir, der Name käme von den zahlreichen Gefahren, denen man hier ausgesetzt ist. Indianer. Untiefen. Flusspiraten, Treibholz und so weiter und so fort.« Der junge Maler zuckte die Achseln. »Leider ist uns noch nichts davon begegnet.«

»Leider?«

»Nun, was soll ich malen, wenn wir keine Abenteuer erleben?« Ein Lächeln huschte über das bartlose Gesicht des anderen Mannes. »Ich hoffe wirklich, die weitere Fahrt verläuft nicht so eintönig wie die bisherige.«

»Hoffen wir lieber, dass alle an Bord das Abenteuer überleben, das Sie sich herbeiwünschen.«

»Natürlich. Ich möchte nicht, dass jemand zu Schaden kommt. Wie unbedacht von mir.« Eine leichte Röte stieg in die Wangen des Malers. Er beugte den Rücken wieder über seine Zeichnung und schien für den Rest der Welt verloren zu sein.

Lassiter blickte flussauf- und flussabwärts, konnte jedoch keinen Hinweis auf ein anderes Schiff ausmachen. Seine Augen durchbohrten die Schwärze und schmerzten bald von dem vergeblichen Versuch, einen Hinweis auf die Piraten zu erhaschen.

Er entschied sich, unter Deck zu gehen.

In den Salons herrschte eine ausgelassene Stimmung. An den Tischen wurden Poker und Faro gespielt. Tanzgirls schwangen auf einer Bühne die langen Beine zu der Musik des Pianospielers. Und der Whisky floss wie das Wasser des Missouri. Das wiederum brachte nicht nur gute Seiten bei den Fahrgästen zum Vorschein.

»Nehmen Sie Ihre Finger da weg oder ich beiße sie Ihnen ab«, sagte eine Frauenstimme so kühl, dass Lassiter sich verblüfft umdrehte.