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Halleluja. Ein breites Grinsen umspielte die spröden Lippen von Pablo Alvarez. Zweieinhalb Monate war es her, seit er zuletzt eine nackte Frau gesehen hatte. Auf dem Trail gab es nichts als Staub und Longhorns. Und die Girls, die er in einsamen Nächten in sein zerfleddertes Notizbuch zeichnete, zählten nicht.
Endlich war er wieder in der Stadt - und er gedachte die Zeit bis zu seinem nächsten Job weidlich zu nutzen. Miss Myra hatte ihn in ein privates Separee geführt und mit einem Lächeln, das ihm alles versprach, auf das Guckloch gedeutet. Dann war sie gegangen. Breitbeinig ließ er sich auf dem Sessel nieder, schob den Riegel beiseite und spähte durch die Öffnung in der Wand. Sie erlaubte ihm einen Blick in das benachbarte Schlafzimmer. Doch was war das? Jedenfalls nicht das Vergnügen, für das er bezahlt hatte.
"Madre De Dios!" Er zuckte zurück, als hätte er sich verbrannt. "Welcher bastardo macht so etwas?"
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Seitenzahl: 142
Cover
Trailboss auf Abwegen
Vorschau
Impressum
Trailboss auf Abwegen
von Katja Martens
Halleluja. Ich bin zurück.
Ein breites Grinsen umspielte die spröden Lippen von Pablo Alvarez. Zweieinhalb Monate war es her, seit er zuletzt eine nackte Frau gesehen hatte. Viel zu lange für seinen Geschmack. Endlich war er wieder in der Stadt, und er gedachte die Zeit bis zu seinem nächsten Job weidlich zu nutzen.
In Miss Myras Etablissement gab es Räumlichkeiten für jede erdenkliche Art von Vergnügen. Sie hatte ihn in ein privates Separee geführt – mit einem Lächeln, das ihm buchstäblich alles versprach. Breitbeinig ließ er sich auf dem Sessel nieder und harrte der Dinge, die da kommen mochten...
Das Leben auf einem Viehtrieb machte einen Grünschnabel zum Mann oder es brachte ihn um. Dazwischen gab es nichts. So einfach war das.
Alvarez hatte als Wrangler angefangen und sich zum Trailboss hochgearbeitet. Es gab keine Arbeit auf einem Viehtrieb, die er nicht verrichtet hätte. Ganz egal, wie schmutzig oder gefährlich sie war.
Der raue Alltag des Treiberlebens ließ einen Mann über seine Grenzen gehen. Es brachte ihn dazu, den Pferdeschweiß von seinem Sattel zu lecken, wenn im Küchenwagen das Salz ausging. Und seine Stiefel aufzuschneiden, damit seine vom Rheumatismus geschwollenen Beine überhaupt noch hineinpassten.
Der Trail bestand aus Staub, Durst, Blasen und viel zu wenig Schlaf.
Und das vierundzwanzig Stunden am Tag.
Von einer Frau konnte ein Cowboy nur träumen. Dafür drohte ihn so ziemlich alles, was ihm unterwegs begegnete, umzubringen – seien es Hitze, verdorbenes Wasser, Skorpione oder ein Sturz von seinem Pferd. Die Auswahl an Arten, während eines Viehtriebs zu Tode zu kommen, war so vielfältig, dass Alvarez sie manchmal, wenn er nicht einschlafen konnte, in Gedanken aufzählte. Beginnend mit A wie Ameisengift bis zu Z wie Zertrampeln. Meist sank er bei R wie Rasierunfall in den Schlaf.
Alvarez kannte dieses Leben und er wollte kein anderes. Mit zwölf war er von seinem prügelnden Vater weggelaufen und wäre fast unter den Hufen eines Longhorns zerstampft worden. Damals hatte er noch nicht gewusst, dass ihn die Longhorns nie wieder loslassen sollten. Mittlerweile hatte er die Mitte seiner fünfziger Jahre hinter sich gelassen und mehr vom Westen gesehen als die meisten.
Vor dem Bürgerkrieg waren die Longhorns nicht viel wert gewesen. Ihr Fell war für Decken und Teppiche verwendet worden, ihr Fett für Seife, mehr aber auch nicht. Erst das Ende des Krieges hatte das geändert. Im Norden herrschte eine Hungersnot und Fleisch war eine begehrte Ware. Erst ein Mann namens Charles Goodnight war darauf gekommen, die Longhorns von den weiten offenen Feldern von Texas zu den Viehmärkten in den Norden zu bringen. Es hatte ihn zu einem reichen Mann gemacht. War ein Longhorn am Beginn des Trails ungefähr vier Dollar wert, konnte es drei Monate später auf dem Rindermarkt im Norden bis zu fünfzig Dollar einbringen. Kein schlechtes Geschäft.
Seitdem waren viele Rancher Goodnights Beispiel gefolgt.
Alvarez steckte der letzte Viehtrieb noch in den Knochen. Zweitausend Longhorns hatte seine Mannschaft rauf nach Pueblo getrieben. Nun klimperten zweihundert Dollar in seiner Tasche und er war entschlossen, sich etwas Gutes zu gönnen.
Miss Myra wusste genau, was er wollte und brauchte.
Er rutschte auf dem Sessel zurecht, schloss sekundenlang die Augen und genoss die Vorfreude auf den kommenden Genuss, die in seinen Adern pulsierte.
Wie lange hatte er darauf gewartet.
Zu lange hatte ihn seine Arbeit auf Trab gehalten. Der Viehtrieb boomte. Longhorns schafften rund zwölf Meilen am Tag. Sie konnten schneller und länger laufen als andere Rinder, waren genügsamer und kamen länger ohne Gras und Wasser aus. Die Cowboys saßen sechzehn Stunden am Tag im Sattel, um ihre Herde zusammenzuhalten, und sie sahen von früh bis spät nichts als Staub und Longhorns. Wenn sie abends ihr einsames Lager aufschlugen, waren sie weit von einer anschmiegsamen Frau entfernt.
Alvarez ging es nicht anders. Er hatte sich angewöhnt, nirgendwohin ohne sein zerfleddertes Notizbuch zu reiten. Allerdings hielt er keine Notizen darin fest, tatsächlich konnte er überhaupt nicht schreiben, nein, er zeichnete. Unter seinem Bleistiftstummel entstanden rassige Girls mit sinnlichen Kurven, die nichts als einen Hauch von Stoff am Leib trugen.
Träume, die ihm halfen, die langen Nächte zu überstehen.
Der letzte Trail hatte ihm wieder einmal alles abverlangt. Jetzt jedoch waren seine schmerzenden Knochen vergessen. Er hatte sich bei seiner Rückkehr ein Bad, anständige Hosen und ein neues Hemd gegönnt, und nun war er hier. Miss Myra hatte diskret auf ein Guckloch in der Wand gedeutet, dann war sie gegangen.
Alvarez zog tief den Atem ein. Er mochte es, zu beobachten. Zuzuschauen. Das machte ihn hart, ließ sein Blut heißer und drängender fließen. Hölle und Verdammnis, wie er das vermisst hatte!
Er lehnte sich auf dem Sessel vor, schob den Riegel beiseite und spähte durch die kreisrunde Öffnung in der Wand. Sie erlaubte ihm einen ungehinderten Blick in das benachbarte Schlafzimmer. In seinem Unterleib pulsierte es bereits. Voller Erwartung ließ er den Blick schweifen... Doch... was war das? Jedenfalls nicht das Vergnügen, für das er bezahlt hatte.
Ein saurer Geschmack stieg plötzlich in seiner Kehle auf.
Er schluckte, würgte und zuckte zurück, als hätte er sich verbrannt.
»Madre de Dios! Was für ein bastardo macht so etwas?« Alvarez rieb sich die Augen, beugte sich wieder vor – und starrte geradewegs auf ein breites Bett. Es musste einmal sauber bezogen gewesen sein, aber jetzt war es übersät mit Blutspritzern. Eine junge Frau lag auf der mit Stroh gefüllten Matratze. Ihr rechter Arm hing schlaff an der Seite des Bettes herunter. Ihre Haut war zart und weiß wie feines Porzellan. Sie musste einmal bildschön gewesen sein. Nun jedoch verunstalteten Schnitte ihr ebenmäßiges Gesicht, und ihre meerblauen Augen starren ins Leere.
Er hatte schon viele Tote gesehen. Das blieb nicht aus, wenn man den größten Teil seines Lebens durch die Wildnis ritt, aber das hier, das war anders. Diese Frau war weder einem Unglück zum Opfer gefallen noch einem Raubtier. Hier hatte sich nicht die Natur ein Leben geholt, nein, jemand hatte in diesem Zimmer gewütet.
Man hatte sich nicht damit begnügt, sie umzubringen, sondern wieder und wieder auf sie eingestochen. Das verriet die zerfetzte Decke, die mehr schlecht als recht ihre Blöße bedeckte und dunkel vor Blut war.
Was, wenn der Killer noch nebenan war?
Alvarez sprang aus seinem Sessel auf. Während er mit langen Schritten aus dem Zimmer stürmte, verwünschte er Miss Myras Regel, dass Schusswaffen unten am Eingang abzugeben waren. Da war sie eisern. Ein Kunde, der mit einer Waffe auf dem Zimmer erwischt wurde, hatte für immer Hausverbot. Alvarez kannte keinen, der das riskierte. Jetzt jedoch wünschte er sich, er hätte es getan. Es schmeckte ihm gar nicht, unbewaffnet in das Nachbarzimmer zu stürmen. Wenn sich der Killer noch dort aufhielt, würde es ungemütlich werden. Er konnte jedoch auch nicht einfach wegsehen. Das war nicht seine Art.
Als er einen Fuß auf den Korridor setzte, stieß er gegen einen Menschen. Die Berührung durchfuhr ihn wie ein Blitzeinschlag. Sekundenlang flammte etwas in ihm auf, das ihn trieb, seine Faust zu ballen, um sie seinem Gegenüber zwischen die Rippen zu stoßen. Er beherrschte sich gerade noch rechtzeitig, als er in das herzförmige Gesicht von Miss Myra blickte, die erschrocken zu ihm aufsah.
Verdammt, das war knapp gewesen!
Myra trug ein tiefrotes Negligé, unter dem sich ihre üppigen Kurven deutlich abzeichneten. Ihre Lippen stülpten sich zu einem bestürzten »Oh« vor.
»Sind Violet und ihr Gast nicht nach Ihrem Geschmack? Möchten Sie lieber etwas anderes sehen, Mr. Alvarez?«
Er stieß ein dumpfes Grollen aus und packte sie am Arm. »Kommen Sie!«
Sie schien zu verblüfft zu sein, um sich gegen seinen Griff zu sträuben. Alvarez stieß die benachbarte Tür auf. Im nächsten Augenblick drehte sich ihm schier der Magen um, denn ein metallischer Geruch waberte ihm entgegen.
Es war noch viel schlimmer, als er befürchtet hatte. Bett und Bretterboden waren blutgetränkt. Jemand hatte die Frau auf dem Lager regelrecht aufgeschlitzt.
Seine Begleiterin stieß einen hohen, gellenden Schrei aus, der seine Ohren klingeln ließ. Zu spät fiel ihm ein, dass er sie hätte vorwarnen können.
Sein Blick irrlichterte durch das Zimmer.
Es war niemand weiter da.
Der Gentleman, der bei Violet sein sollte, war fort.
»Violet...« Miss Myra schluchzte auf. »Mein Gott, Violet. Nun hat er dich letztlich doch gefunden...«
»Wer? Wen meinen Sie?«
»Ihren Verlobten. Sie... sie war auf der Flucht vor ihm. Das hat sie mir erzählt.« Tränen schimmerten in den schönen Augen der Frau. »Ist hier gestrandet. Sie wollte genug Geld verdienen, um eine kleine Schneiderei aufzumachen. Sie konnte wirklich gut nähen... Wir waren so vorsichtig. Ich weiß nicht, wie er sie aufgespürt hat.«
Alvarez musterte die Schnitte im Gesicht der jungen Frau. Die waren ihr nicht zugefügt worden, um sie zu töten, sondern um sie zu zeichnen. Woher dieser Gedanke gekommen war, wusste er nicht, aber er fühlte sich zutreffend an.
Er machte einen Schritt zur Seite und stieß gegen eine Kommode. Etwas polterte zu Boden. Eine Haarbürste. Er bückte sich, um sie aufzuheben, und erhaschte einen Blick auf etwas, das unter dem Bett lag und sanft schimmerte: ein gebogenes Metallstück mit einem Rädchen, das sich drehen ließ.
Er streckte sich danach und hob es auf.
Es war ein Sporn. Er musste von einem Stiefel abgefallen sein.
Alvarez schaute sich im Zimmer um. Keine Spur von Stiefeln oder Sporen.
»W-was haben Sie denn da?« Miss Myra reckte den Hals und musterte seinen Fund. »Wie seltsam. Der könnte dem Mörder gehören.«
»Oder er liegt schon lange unter dem Bett.«
»Nein, nicht lange. Wir putzen die Zimmer jeden Tag. Ordentlich.« Sie wurde plötzlich blasser und presste sich eine Hand auf die Brust.
»Werden Sie mir bloß nicht ohnmächtig, Lady«, brummte er. Im nächsten Moment sank sie schon in sich zusammen. Er fluchte in sich hinein. Dabei ahnte er noch nicht, dass der Ärger gerade erst begonnen hatte...
✰
Lassiter döste im Sattel.
Er war die ganze Nacht durchgeritten. Seinem Pferd und sich selbst hatte er nur die nötigsten Pausen gegönnt, um die kühleren Temperaturen so gut wie möglich zu nutzen. Nun stand die Sonne hoch am blauen Texashimmel und heizte die Luft auf. Mit jedem Atemzug schien er pures Feuer zu inhalieren. Sandwirbel tanzten über dem Boden, trieben Halme von vertrocknetem Gras vor sich her. Der Wind brachte keine Erleichterung, sondern verteilte die Hitze nur besser.
Vor ihm lagen noch ungefähr vierzig Meilen, dann sollte er Corpus Christi erreichen. Er bezweifelte, dass sein Wasservorrat so lange reichen würde. Er teilte sich das kostbare Nass mit seinem Pferd und sie beide hatten Durst.
Die flache Landschaft schien sich endlos vor ihm zu erstrecken. Flimmernd verschmolzen Horizont und Himmel, als wären sie eins. Hier und da sprenkelten blassgrüne Bäume die Ebene. Ihr Schatten machte die Temperaturen allerdings kaum erträglicher. Lediglich die Reptilien schienen die Hitze zu genießen. Auf den flachen Steinen, welche den Trail säumten, saßen Eidechsen und ließen ihre schuppigen Körper von der Sonne bescheinen – Texas Alligator Eidechsen, so lang wie sein Unterarm.
Lassiter ließ seinen Braunen das Tempo bestimmen. Der Wallach war ein kräftiges Tier mit einer breiten Brust, die den ausdauernden Läufer verriet. Sie kamen gut voran. Trotzdem konnte er es kaum erwarten, sein Ziel zu erreichen und sich ein Bad und eine anständige Mahlzeit zu gönnen, ehe er wieder an die Arbeit ging.
In Corpus Christi wartete sein nächster Auftrag auf ihn.
Er war geschickt worden, um eine Reihe von Morden aufzuklären. Acht Frauen waren in den vergangenen drei Monaten ums Leben gekommen. Alle im Südosten von Texas – eine jede jedoch in einer anderen Stadt. Die Häufung wäre vielleicht niemals aufgefallen, wenn nicht ein Reporter hinter einem der Morde eine spannende Story gewittert und Telegramme mit Fragen nach ähnlichen Fällen an Marshals in alle Himmelsrichtungen verschickt hätte. So war er auf die anderen Morde gestoßen. Der Reporter war davon überzeugt, es nicht mit acht Mördern zu tun zu haben, sondern nur mit einem. Eine gewagte Theorie, die es zu beweisen galt.
In Washington war man auf seine Artikel aufmerksam geworden. Seine Vermutung hatte bis in die höchsten Kreise für Stirnrunzeln gesorgt.
Acht tote Frauen – so etwas zog natürlich Kreise.
Erst recht, wenn eine jede von ihnen in einem Bordell gearbeitet hatte.
Die örtlichen Sternträger konnten noch keinen Verdächtigen vorzeigen, deshalb war Lassiter beauftragt worden, den Killer zu finden und aufzuhalten, bevor der sein nächstes Opfer fand. Natürlich bestand die Möglichkeit, dass die Theorie falsch war und dass es doch mehr als einen Killer gab. Freudenmädchen lebten gefährlich. Das war kein Geheimnis. Jedoch acht tote Girls innerhalb weniger Monate, nein, das wirkte nicht wie ein Zufall. Da steckte mehr dahinter. Das verriet ihm seine Erfahrung.
Lassiter war auf dem Weg nach Corpus Christi, dem Ort des letzten Verbrechens. Er wollte nach einer Verbindung zwischen den Frauen suchen, in der Hoffnung, dass die ihn zu ihrem Mörder führen würde.
In seiner Tasche knisterte das Telegramm mit seinem Auftrag. Lassiter ritt für die Brigade Sieben, eine geheime Organisation, die immer dann tätig wurde, wenn die Kacke am Dampfen war. Von der Brigade Sieben hatte er auch den Namen des letzten Opfers erhalten: Violet Thompson.
Sobald er die Stadt erreichte, wollte er als Erstes dem Bordell einen Besuch abstatten, in dem Violet gearbeitet hatte. Noch war ihm der Killer drei Schritte voraus und das gefiel ihm ganz und gar nicht. Er brauchte dringend eine Spur. Irgendeinen Hinweis, der ihm mehr über den Killer verriet und ihm helfen konnte, einen weiteren Mord zu verhindern und... Verdammte Scheiße!
In der Ferne krachten plötzlich Schüsse!
Lassiter blickte sich um, bemerkte eine Staubwolke und eine Kutsche, die in halsbrecherischem Tempo über den Trail auf ihn zu jagte. Verfolgt von vier Reitern, die ihre Pferde antrieben. Wer den Einsitzer lenkte, war über die Entfernung nicht auszumachen, aber derjenige musste ein Schießeisen in der Hand halten, denn er drehte sich immer wieder um und feuerte auf die Verfolger. Auf dem rumpelnden Wagen war das Zielen jedoch reine Glückssache und so verfehlten die Bleistücke den Trupp um mehrere Pferdelängen.
Die Verfolger rückten näher an den Einspänner heran. Staub wirbelte unter den Hufen ihrer Reittiere auf. Einer der Kerle hielt seine Bleispritze in der Faust und feuerte auf die Kutsche. Seine Kugel zackte in das Holz und riss Splitter heraus.
Ein Schrei gellte. Hell und verzweifelt. Eine Frau kutschierte das Fuhrwerk!
Mit einem Mal war Lassiter hellwach. Er stieß seinem Pferd die Absätze in die Flanken und jagte dem Einspänner entgegen. Seinen Wallach machten die Schüsse nervös. Er wollte ausbrechen und seinem Fluchtinstinkt folgen, doch Lassiter parierte ihn und hielt ihn auf Kurs.
Die Frau knallte mit den Zügeln und trieb ihr Pferd zum Äußersten an. Der Einspänner kam schaukelnd immer näher. Nun wurde offenbar, dass er von einer bildschönen Frau gelenkt wurde. Ihr schlichtes Reisekleid konnte ihre sinnliche Sanduhrfigur nicht verbergen. Unter ihrem Hut quollen goldblonde Locken hervor und ihr roter Mund schien einen Mann regelrecht zum Küssen einzuladen. Lassiter konnte sich denken, worauf die Verfolger bei ihr aus waren, aber diese Suppe würde er ihnen versalzen.
Er zog die Winchester aus dem Sattelschuh, lud durch und jagte dem Pferd eines der Verfolger eine Ladung Blei vor die Hufe. Der Rappe stieg wiehernd, ruderte mit den Vorderbeinen durch die Luft und warf seinen Reiter in hohem Bogen ab. Dann stürmte er kopflos davon, dass Staub und Gras unter seinen Hufen hochwirbelten.
Lassiter schickte den Fremden zwei weitere Geschosse entgegen. Einer drehte ab. Ihm schien die Sache einen Kampf nicht wert zu sein.
Blieben noch zwei Reiter, welche die Kutsche verfolgten. Und die holten rasch auf!
Der Einsitzer preschte gefährlich schnell dahin und rumpelte durch ein Loch im Boden, sodass die Frau fast von ihrem Sitz geschleudert wurde. Trotzdem wurde sie kein bisschen langsamer.
Ihre Verfolger rückten näher. Sie trugen Munitionsgürtel quer über der Brust und waren bis an die Zähne bewaffnet. Beide hielten Gewehre in den Fäusten und aus denen schickten sie Lassiter nun Grüße aus heißem Blei entgegen.
Ein Geschoss schrammte so dicht an seinem Schädel vorbei, dass er die Hitze auf der Wange spürte. Geistesgegenwärtig schwenkte er mit seinem Pferd nach rechts, um den nächsten Geschossen auszuweichen, während er die Freundlichkeit erwiderte. Sein Treffer fetzte einem der beiden verbliebenen Verfolger die Waffe aus der Faust. Sie flog in hohem Bogen in den Staub. Brüllend vor Schmerz blieb der Getroffene zurück, wendete sein Pferd und brachte sich aus der Schusslinie.
Lassiter trieb sein Pferd dem letzten Verfolger entgegen. Der war ein sehniger Hüne mit kahlem Schädel und dunklen Augen. Er schwenkte seine Hawken-Rifle und drückte ab. Das grollende Belfern der alten Waffe dröhnte über die Entfernung wie das Brüllen eines Bären. Lassiters Pferd brach wiehernd nach rechts aus – und rettete ihm damit das Leben. Die Ladung fetzte an ihm vorbei und in den Stamm einer einsamen Eiche.
Lassiter beantwortete den Schuss mit seiner Winchester. Sein Geschoss fuhr dem Hünen in die Brust und riss ihn aus dem Sattel. Er war schon tot, als er im Staub aufkam.
Die beiden Kumpane, die noch auf ihren Pferden saßen, entschieden sich nun endgültig für die Flucht.