Lassiter 2697 - Katja Martens - E-Book

Lassiter 2697 E-Book

Katja Martens

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Beschreibung

Sein neuer Auftrag führt Lassiter nach Colorado. Colonel Freeman bittet ihn, das Schicksal einer Gruppe Goldschürfer aufzuklären. Die Männer waren dem Gerücht eines reichen Goldvorkommens gefolgt und im November nach Leadville aufgebrochen. Weder der siebenhundert Meilen lange Ritt noch der drohende Winter oder die gefährlichen Pässe der Rocky Mountains konnten sie abschrecken. Das letzte Lebenszeichen der Männer kam aus Little Bow. Seitdem hat niemand mehr etwas von ihnen gehört.
Zu den Goldschürfern gehört auch Freemans Sohn. Eine alte Kriegsverletzung hindert den Colonel, selbst zu reiten und nach ihm zu suchen. Also bittet er Lassiter um Hilfe - und schickt ihn geradewegs ins Verderben...


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Inhalt

Cover

Gefallener Engel

Vorschau

Impressum

Gefallener Engel

von Katja Martens

Das ist 'n verdammt mieser Plan. Grant Hadwick kniff die Augen zusammen und spähte zu dem dreistöckigen Gebäude auf der anderen Straßenseite hinüber. Dort lagerte mehr Geld, als ein einzelner Mann in seinem ganzen Leben ausgeben konnte. Genug, um ihn von seinen Sorgen zu befreien. Er musste nur zugreifen.

Doch diesen Plan hatten schon andere gefasst. Die Versuchung zog regelmäßig Diebe und Schlitzohren an. Viele hatten versucht, die Bank von Redfield auszurauben. Und jeder einzelne hatte am Ende einen Strick um den Hals gehabt.

Hadwick knirschte mit den Zähnen. Sei's drum. Was ihn erwartete, wenn er es nicht versuchte, war nicht besser. Entschlossen zog er sein Bandana über Mund und Nase, spannte den Hahn seines Army-Colts und marschierte los...

»Was zum Geier glaubst du eigentlich, was du da machst, hä?«

Eine schwere Pranke legte sich auf Hadwicks Schulter und hielt ihn auf.

Fluchend fuhr er herum und blickte geradewegs in das bärtige Gesicht von Charley Pearson. Jahrelang hatten sie Seite an Seite Erz geschürft, hatten geschwitzt, geblutet und Staub geatmet. Charley war sein Freund – nur nicht gerade in diesem Augenblick, wo er ihn davon abhielt zu tun, was getan werden musste.

»Lass mich gehen«, brummte Hadwick.

»Das kann ich nicht tun. Und irgendwann wirst du mir verdammt dankbar dafür sein. Vielleicht noch nicht heute, aber eines Tages schon. Wenn du alt und grau bist und dich an den Mann erinnerst, der deine Verabredung mit dem Henker verhindert hat.« Charley war ein kräftiger Kerl mit den vernarbten Händen eines Minenarbeiters, und der blassen Haut eines Mannes, der kein Sonnenlicht kannte. Im Winter sahen sie das Tageslicht monatelang nicht. Morgens fuhren sie im Dunkeln in die Grube ein und abends kehrten sie im Dunkeln heim.

»Ich muss meinen Plan zu Ende bringen«, knurrte Hadwick, »und daran wirst du mich nicht hindern.«

»Das kannst du vergessen, Grant.« Mit einem Ruck zog Charley ihm das Bandana herunter. »Glaubst du etwa, ich sehe zu, wie du in dein Verderben läufst?«

»Verdammt! Lass mich sofort gehen!«

»Still!« Charley zog ihn mit sich in den Schatten hinter der Kirche. Er legte eine Hand an seine Lippen und deutete mit der anderen auf den Mann, der soeben aus Rosies Steakhouse kam und sich mit dem Messer die Fleischreste aus den Zähnen pulte. Ein goldener Stern schimmerte an seiner Weste.

Der Marshal!

Hadwick verschluckte beinahe seine Zunge. Es hätte nicht viel gefehlt, und er wäre dem Sternschlepper geradewegs in die Arme gelaufen! Mit der Waffe in seiner Hand und dem Tuch vor seinem Gesicht hätte der Marshal nicht lange rätseln müssen, was ihn zur Mainstreet geführt hatte. Dann wäre er vermutlich jetzt schon auf dem Weg in eine Zelle – oder läge mit einer Kugel im Bauch im Staub.

Das Pech klebte ihm wirklich an den Fersen wie Pferdedreck.

Er stieß den Atem aus und schloss die Finger fester um seine Waffe.

»Ruhig«, mahnte Charley mit gesenkter Stimme. »Oder bist du scharf auf ein Tänzchen am Galgen?«

»Das nun wirklich nicht. Aber was soll ich machen? Ich brauche die Bucks – und das lieber heute als morgen. Ich habe keine Wahl.«

»Ein Mann hat immer die Wahl, sich zwischen richtig und falsch zu entscheiden.«

»Ach, tatsächlich? Dann sieh dir das mal an!« Mit diesen Worten zog Hadwick die Mütze von seinem Kopf. Darunter kam ein Verband zum Vorschein, von dem er wusste, dass er dunkelrote Flecken hatte. Er wickelte ihn ab – und hörte seinen Freund zischend den Atem einziehen.

Charley warf einen Blick auf seinen Schädel und wurde noch eine Spur blasser, als er ohnehin schon war. »Dein Ohr, Grant! Dein Ohr!«

»Sie haben es mir abgeschnitten.«

»Heiliger Rauch! Wie ist das passiert?«

Hadwick wickelte den Verband mehr schlecht als recht wieder um seinen Schädel und setzte seine Mütze wieder auf, bevor er erwiderte: »In letzter Zeit hatte ich nichts als Pech. Du weißt selbst, dass die Erzminen hier in der Gegend nahezu erschöpft sind. Silber, Blei und Kupfer gibt es nur noch in homöopathischen Mengen.«

»Und das ist noch geprahlt«, murmelte sein Gegenüber trübe.

»Eben. Mein Geld reicht kaum für 'n Dach über dem Kopf, geschweige denn zum Leben. Also hab ich mir was geliehen. Wollte mir 'nen Claim oben am Mount Beaver sichern. Dort sollte es noch Erz geben, in Hülle und Fülle, hieß es, aber das war nichts als ein Schwindel. Der Boden gibt rein gar nichts her, und nun sitze ich auf einem Sack voller Schulden. Ich hab mir das Gel bei Mr. Dixon geliehen.«

»Grant! Du verdammter Idiot!«

»Ich war mir sicher, alles im Handumdrehen wieder hereinzuholen, wenn ich nur hart genug arbeite.«

»Dixon ist niemand, dem man auch nur einen Cent schulden sollte.«

»Ich weiß. Seine Handlanger werden sich mein zweites Ohr auch noch holen, wenn ich ihm sein Geld nicht bis zum Ende der Woche gebe.«

»Davon kriegt er sein Geld aber auch nicht wieder.«

»Das nicht, aber er schreckt andere ab, ihn nicht zu bezahlen.«

»Verstehe.« Charley rieb sich den rötlichen Bart. »Die Bank zu überfallen und am Galgen zu enden, ist aber auch nicht besser.«

»Ist mir klar, aber irgendetwas muss ich tun. Kampflos werde ich jedenfalls nicht untergehen.« Hadwick zuckte die Achseln.

»Sollst du auch nicht.« Sein Freund nickte ihm zu. »Komm mit. Ich weiß etwas Besseres für dich.«

»Aber...«

»Komm schon. Hör es dir wenigstens an. Der Galgen läuft dir schon nicht weg.« Damit stapfte Charley los, ohne abzuwarten, ob er ihm folgen würde.

Widerstrebend setzte sich Hadwick in Bewegung.

Charley führte ihn zu einer Hütte am Rand von Redfield. Sie bestand aus wenig mehr als grob zusammengezimmerten Wänden, zwei kleinen Fenster und einem Kamin, aus dem Rauch aufstieg.

Drinnen gab es genau einen Raum, der zum Schlafen, Kochen und Essen diente. Ein bunter Fleckenteppich lag vor dem Bett, auf dem eine Matratze lag, aus der Strohhalme nach allen Richtungen ragten. Ein knisterndes Feuer vertrieb die Kälte dieses Novembertages. Über den Flammen hing ein dampfender Kessel.

Am Holztisch saßen vier Männer beieinander und schaufelten Suppe in sich hinein. Einem lag ein Hund zu Füßen – ein schwarz-weißes Fellbündel, mit spitzen Ohren und wachen schwarzen Augen. Einer der Männer fischte die Fleischbrocken aus seiner Schale und warf sie ihm hin. Hungrig schlang der Hund sie hinunter.

»Ich sag's dir«, dröhnte Charley, »dein Köter ist besser ernährt als du, Robert.«

Der Angesprochene war ein großer, sehniger Mann mit mehreren Narben am Kinn. Er zuckte mit den Schultern, als wollte er sagen: Erzähl mir was Neues. Dann beugte er sich nach unten und streichelte seinen Hund. An seiner linken Hand hatte er nur noch drei Finger. Zwei hatte er bei einem Unfall in der Mine verloren.

Neben ihm saß Hunter, ein hagerer Kerl, der ganz in Leder und Pelz gekleidet war und von niemand wusste, wie er wirklich hieß. Womöglich nicht einmal mehr er selber. Alle nannten ihn Hunter, weil er jahrelang als Jäger umhergezogen war. Doch mit den Jahren waren seine Augen trüb geworden, er sah alles durch einen grauen Schleier und tat sich schwer mit dem Jagen. Also hatte er sich Arbeit in der Kupfermine gesucht. Unter Tage sah er genauso viel oder so wenig wie die anderen.

Schweigend löffelte er seine Suppe.

Ihm gegenüber schärfte Billy gerade sein Messer. Er führte den Schleifstein so liebevoll über die Klinge, als wäre es die Haut einer schönen Geliebten. Er nannte sein Messer Claudine – nach dem rassigen Freudenmädchen, für das jeder Mann in Redfield schwärmte – sei er nun siebzehn oder siebzig.

»Setzt euch und esst mit uns.« Martin Foley deutete einladend auf die freien Stühle. Er war klein und untersetzt und hätte keine Unwahrheit über die Lippen gebracht, wenn sein Leben davon abgehangen hätte.

Die vier Männer teilten sich die Hütte, seitdem das Schicksal sie nach Redfield gespült hatte.

Charley schlug Hadwig erneut auf die Schulter und drücke ihn auf einen der Stühle nieder. Dann sah er Martin auffordernd an. »Erzähl Hadwick, was du uns erzählt hast.«

Der Angesprochene musterte Hadwick prüfend. Was er sah, veranlasste ihn zu einem Stirnrunzeln. Trotzdem begann er: »Man erzählt sich, drüben in Leadville gäbe es reiche Goldvorkommen.«

»Wer erzählt das?«, fragte Hadwick skeptisch. Er war bereits auf einen Schwindel hereingefallen und hatte keine Lust, sich noch mehr in die Bredouille zu bringen.

»Mein Bruder. Er hat mir telegrafiert, ich solle zu ihm kommen und mir einen Teil des Kuchens sichern, bevor alles verteilt wäre.«

»Und vertraust du ihm?«

»Mit meinem Leben.«

Hadwick blickte in die Runde. »Und was haltet ihr davon?«

»Wird schon was dran sein«, bekräftigte Hunter. »Oder habt ihr vergessen, dass vor ungefähr zehn Jahren im San-Juan-Gebirge reichlich Gold gefunden wurde? Das ist nur 'n Katzensprung von Leadville entfernt. Der Boden dort birgt mit Sicherheit noch weitere Schätze.«

»Eben.« Billy blickte von seinem Messer auf. »Ich glaube an das Gold, und wenn wir dorthin aufbrechen, bin ich auf jeden Fall dabei.«

»Ich auch«, meine Charley.

»Wartet mal.« Hadwick stemmte die Daumen in den Gürtel und sah von einem zum anderen. »Ihr wollt nach Leadville reiten? Seid ihr verrückt?«

»Du meinst verrückter als ein Mann, der ganz allein die schwer gesicherte Bank von Redfield ausrauben will?«, erwiderte Charley trocken.

Mehrere Kehlen schnappten nach Luft.

»Du wolltest wirklich die Bank ausrauben?« Billy sah ihn interessiert an. »Wie wolltest du es anfangen?«

»Wie man so was eben anfängt«, brummte Hadwick. »Mit der Waffe rein und mit den Bucks wieder raus.«

»Du meinst, du hattest überhaupt keinen Plan?«

»Mein Plan war, mir Geld zu beschaffen.«

»Das hätte ins Auge gehen können.«

»Auch nicht schlimmer als das, was ihr vorhabt. Nach Leadville ist es ein siebenhundert Meilen langer Ritt. Im Februar. Also mitten im Winter. Ihr werdet es nie und nimmer über die Pässe der Rocky Mountains schaffen.«

»Je mehr wir sind, umso besser stehen unsere Chancen.« Charley zwinkerte ihm unternehmungslustig zu. »Also? Was sagst du? Kommst du mit uns?«

»In den sicheren Tod? Danke, aber da versuche ich mein Heil lieber bei der Bank.«

»Überleg es dir. Hier haben wir keine Zukunft. Die Minen sind nahezu erschöpft. Leadville jedoch verspricht Gold im Übermaß.«

»Wenn ihr es dorthin schafft, ohne zu erfrieren, zu verhungern oder von Indianern und Straßenräubern aufgeschlitzt zu werden.«

»Das werden wir.« Robert nickte bekräftigend. »Wir brauchen Pferde, Vorräte und genug Munition, um uns unterwegs Halunken vom Hals zu halten.«

»Es ist machbar«, war Foley überzeugt.

»Nun?«, fragte Charley.

»Siebenhundert Meilen durch Schnee und Eis?« Hadwick rieb sich sein verbliebenes Ohr. War das wirklich schlimmer als eine zweite Runde mit Dixons Handlangern? Nein, was das anging, musste er nicht lange überlegen. »Bin dabei.«

»Bestens. Dann sind wir uns einig.« Charley hieb ihm so kräftig auf die Schulter, dass er in die Knie geht. »Auf uns wartet ein famoses Abenteuer.«

»Es wird uns den Tod bringen.«

»Oder es macht uns zu reichen Männern.«

Die sechs Erzschürfer tauschten unternehmungslustige Blicke.

Ja, sie waren sich einig.

Der Lockruf des Goldes war lauter als Stimme des Zweifels. Und so nahm das Schicksal seinen Lauf...

»Der verdammte Schnee nimmt einfach kein Ende.« Hadwick hatte längst kein Gefühl mehr in seinen Händen. Seine Finger steckten in Pelzhandschuhen, aber die konnten die Kälte schon lange nicht mehr fernhalten. Seine Hände waren steif und schienen am Zügel seines Pferdes festgefroren zu sein. Schnee und Eiskristalle hafteten an seinem Bart wie weiße Perlen. Auch seine Pelzjacke war mit einer Schicht aus Schnee und Eis bestäubt.

Alles rings um ihn war weiß. Horizont und Himmel schienen ineinander überzugehen, sodass man unmöglich sagen konnte, wo der Eine anfing und der Andere aufhörte. Von den Bergen sah er hin und wieder ein Schemen, das im Schnee verschwamm und nicht mit Sicherheit als Gipfel auszumachen war.

Seit gut einer Woche war er mit den anderen Goldschürfern schon unterwegs, und seither war kein Tag vergangen, an dem es nicht geschneit hätte. Manchmal steckten ihre Pferde bis zum Bauch im Weiß und kämpften sich mühsam voran. So schnell, wie sie gehofft hatten, würden sie nicht in Leadville sein.

Sein Körper fühlte sich an wie ein tauber Klumpen Eis. Hadwick sehnte sich nach einer Rast, einem Feuer und heißem Kaffee. Ganz zu schweigen von einer warmen, willigen Frau, die... Nein, verdammt, es half nichts, mit dem Schicksal zu hadern. As hatte er schon vor langer Zeit gelernt.

Sollten sie nicht längst eine Siedlung erreichen?

Er kniff die Augen zusammen, aber in dem allgegenwärtigen Weiß schien es fast, als wäre er blind geworden. Es schneite ohne Unterlass, seitdem sie ihr Nachtlager an diesem Morgen aufgegeben und ihren Ritt fortgesetzt hatten. Dazu fauchte ein bitterkalter Wind von Nordosten heran und schnitt in die Haut wie scharfe Klingen.

Hadwick presste knirschend die Kiefer zusammen und trieb sein Pferd weiter.

Sie ritten hintereinander, sodass einer den Weg durch den Schnee bahnte und die Übrigen folgen konnten. In regelmäßigen Abständen wechselten sie sich ab, um die Pferde zu schonen. Gerade ritt Martin Foley voraus. Der kleine Mann war vor zwei Tagen von Wölfen angegriffen worden, als er sich nachts vom Lager entfernt hatte, um sich zu erleichtern. Seine Schreie hatten sie alle aus dem Schlaf gerissen. Blitzschnell waren sie bei ihm gewesen und hatten die Beutegreifer mit ein paar Schüssen vertrieben, aber der Biss in Foleys Bein sah übel aus.

Verdammt übel sogar.

Er schwankte im Sattel hin und her, als säße er nicht auf einem braven Apfelschimmel, sondern auf einem Kamel. Bei dem Tempo, das er vorlegte, hätte man ihm gut und gern im Gehen das Pferd beschlagen können.

Wie lange würde er noch durchhalten?

Hadwick knirschte mit den Zähnen.

Wie lange würden sie alle noch durchhalten?

Freemans Hund lief ihnen immer wieder voraus, nur um dann einzuschwenken und eine Weile nebenher zu trotten, ehe es ihn wieder packte und er losstürmte. Gerade verschwand er wieder im Flockenwirbel... als Foley plötzlich aus dem Sattel kippte und im Schnee landete, ohne auch nur den leisesten Laut von sich zu geben.

»Halt!«, gellte es durch die Reihe.

Hadwick, der hinter Foley geritten war, ließ sein Pferd anhalten. Das Packtier, das er am Zügel führte, blieb ebenfalls stehen. Er stürmte zu Foley und senkte ein Knie.

Foley war aschfahl und ein Blick auf sein Bein verriet auch, warum: Der Stoff seiner Hosen war blutgetränkt. Die Wunde hatte sich wieder geöffnet!

»Der Mann verblutet, wenn wir nichts unternehmen.« Hadwick zerbiss einen Fluch und mühte sich mit steifen Fingern, seinen Gürtel zu lösen. Es gelang ihm nicht gleich. Allmählich färbte sich der Schnee neben Foley tiefrot und mahnte ihn zur Eile... Endlich, endlich war es geschafft. Er schlang den Gürtel um das Bein des anderen Mannes und schnürte zu. »Das sollte für den Moment helfen.« Er musste rufen, um über das Fauchen des Sturms gehört zu werden. »Aber er braucht einen Arzt, sonst übersteht er nicht Nacht nicht.«

»Woher nehmen wir den auf die Schnelle?«, grollte Billy.

»Ich werde mich mal ein bisschen umschauen. Vielleicht finde ich einen Hinweis auf eine Siedlung in der Nähe.« Das kam von Hunter.

Kurz darauf hatte der Schnee auch ihn verschluckt.

Hadwick rüttelte an Foley. »Bleib bei uns, Mann, hörst du?«

Der Verletzte stöhnte verhalten.

»Trink erst mal was. Du brauchst Flüssigkeit.« Er löste seine Trinkflasche vom Sattel und setzte sie an die Lippen seines Begleiters, doch es kam kein Tropfen heraus. Das Wasser war gefroren.

»Hier, nimm die.« Charley reichte ihm seinen eigenen Lederbeutel mit Wasser.

»Das wird auch gefroren sein.«

»Nein, wird es nicht.«

»Wird es nicht?«

»Ich hab es zu 'n paar Teilen mit Whisky versetzt. Dadurch friert es nicht ein.«

»Whisky.« Hadwick sog überrascht den Atem ein.

»Das lässt die elende Kälte gleich freundlicher wirken.« Charley grinste von einem Ohr zum anderen.

Hadwick flößte Foley etwas von dem Gebräu seines Freundes ein und bemerkte erleichtert, dass die Wangen des Verletzten wieder etwas Farbe bekamen. Für den Moment war Foley stabil, aber das würde nicht lange halten...

Foley murmelte etwas, das er nicht verstand. Er beugte sich tiefer über ihn und neigte sein Ohr zu ihm. »Was hast du gesagt?«

»Claudine... Oh, meine süße Claudine...«

»Schau lieber noch mal genau hin«, brummte Hadwick.

Daraufhin blinzelte Foley verwirrt. »Du bist nicht Claudine.«

»Damit liegst du richtig, alter Freund.«

»Aber wo... wo ist sie?«

»Mehrere Tagesritte hinter uns.«

Foley strich sich über die Stirn und blickte wieder klarer. »Ich... kann nicht mehr reiten. Mein Bein... es schmerzt wie die Hölle. Noch mal in den Sattel kann ich nicht. Ihr solltet mich hier lassen. Ich halte euch nur auf.«

»Wir lassen niemanden zurück, kapiert?«, schnauzte Hadwick energischer, als er vorgehabt hatte.

»Unsere Vorräte reichen nicht, wenn wir so langsam reiten. Ihr müsst mich hierlassen, sonst sterben wir alle.«

Hadwick fluchte, denn da war etwas dran. Trotzdem verschwendete er keinen Gedanken daran, Foley zum Sterben zurückzulassen.

»Kommt nicht in Frage«, erklärte Billy kategorisch. »Entweder kommen wir alle in Leadville an oder keiner.«

»Ganz recht«, pflichtete Freeman bei. Er stieß einen Pfiff aus. Daraufhin kam sein Hund angestürmt, dass er Schnee unter seinen Pfoten aufstob.

»Hey!« Hunter tauchte im Schneetreiben auf und keuchte wie eine Dampflokomotive am steilen Anstieg. »Da vorn ist eine Siedlung. Nicht mehr als eine Meile oder so entfernt. Wir sind fast da. Ohne das Schneetreiben müssten wir schon die Lichter sehen.«

Hadwick stieß den Atem aus. »Also gut. Helft mir, Foley wieder auf sein Pferd zu bugsieren.«

»Ich kann nicht«, keuchte der Verletzte. »Es... geht einfach nicht.«

»Na schön, dann kommst du mit auf mein Pferd. Ich halte dich.« Hadwick stieg in den Sattel und gab Billy und Charley ein Zeichen, den Verletzten vor ihm aufs Pferd zu heben. Foley stöhnte, aber schließlich saß er im Sattel und es konnte weitergehen. Hunter nahm Foleys Pferd am Zügel und folgte als Letzter.

Tatsächlich zeichneten sich wenig später die Umrisse von Häusern vor ihnen ab. Es dämmerte bereits und so brannten Lichter hinter den Fenstern.

Gleich das erste Haus trug ein Schild mit einem von einer Schlange umwundenen Stab an der Tür. Darunter stand: Doc Reid.

»Nun schau sich da einer an.« Charley pfiff durch die Zähne. »Womöglich sind wir doch nicht ganz vom Glück verlassen.«