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Schockschwerenot! Dieser Cowboy ist eine Lady! Verblüfft mustert Lassiter den vermeintlichen Burschen, den er soeben aus den reißenden Fluten des Missouri gerettet hat. Unter dem viel zu weiten Hemd verbergen sich sinnliche Kurven. Und die Schöne hat noch mehr Überraschungen auf Lager. Als sie sich nachts am Feuer aufwärmen, lässt sie die letzten Hüllen fallen.
Ja, Carrie ist alles andere als schüchtern. Sie weiß nur zu gut, dass jede Nacht ihre letzte sein kann. Schließlich ist sie auf einer schier aussichtslosen Mission...
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Seitenzahl: 147
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Gerechtigkeit für einen Killer
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Impressum
Gerechtigkeit für einen Killer
von Katja Martens
Diesmal würde er es nicht lebend zurückschaffen. Die Erkenntnis sickerte allmählich in seinen von Kälte und Entbehrungen umnebelten Verstand. Er würde hier draußen sterben, umgeben von Schnee und der Einsamkeit der Rocky Mountains. Nun, es gab schlechtere Arten, den Tod zu finden, aber er wollte verdammt sein, wenn er seinen Auftrag kampflos verloren gab!
Verbissen trieb Lassiter sein Pferd weiter. Längst schon hatte er kein Gefühl mehr in seinen Fingern. Die Zügel schienen an seinen Lederhandschuhen festgefroren zu sein. Pure Willenskraft hielt ihn noch im Sattel.
Die Brigade Sieben hatte ihn auf einen Killer angesetzt, der schon vielen Sternträgern durchs Netz geschlüpft war. Er war während seiner Suche dicht an ihn herangekommen, aber dann hatte ihn der Bastard im Schneesturm abgehängt. Lassiter war weitergeritten – in sein Verderben...
Sein Brauner trottete mit gesenktem Kopf voran. Der Schnee reichte ihm bis zum Bauch. Dampfwolken stiegen aus seinen Nüstern auf. Schweif und Mähne waren mit Eiszapfen verflochten. Das Pferd war ebenso wie Lassiter weit jenseits von allem, was machbar schien. Und doch waren sie noch unterwegs.
Meile um Meile kämpften sie sich den Wolf Creek Pass hoch. Espen standen hier dicht an dicht, neigten sich unter der Last des Schnees. Das Holz knirschte und ächzte. Der Blick schien sich im allgegenwärtigen Weiß zu verlieren. Und die wenigen Tierfährten verrieten, dass sich das Wild in die niedrigeren Regionen zurückgezogen hatte, wo es leichter an Nahrung gelangte. Einzig die Raubtiere hofften hier oben auf eine leichte Beute – von Alter oder Krankheit geschwächte Tiere würden das nächste Frühjahr nicht mehr erleben.
Irgendwo weiter südlich heulten Wölfe.
Sie klangen nah.
Verdammt nah sogar.
Lassiter knirschte mit den Zähnen.
Die Beutegreifer suchten normalerweise nicht die Nähe von Menschen. Diese hier schienen hungrig zu sein – und das machte sie gefährlich.
Unter anderen Umständen hätte er seine Winchester aus dem Sattelschuh gezogen und schussbereit gemacht. Er wusste sich seiner Haut zu wehren. Allerdings hatte er seit einem Geplänkel mit einer Schar Blackfeet kaum noch Munition. Der Jagdtrupp hatte mit allen Waffen auf ihn gefeuert. Lassiter hatte die bleihaltigen Grüße erwidert. Seine beherzte Gegenwehr hatte ihn am Leben erhalten, seine Vorräte an Kugeln und Patronen jedoch verbraucht.
Ihm waren nur noch seine Klinge und seine Entschlossenheit geblieben.
Beides schien die Wölfe nicht sonderlich zu beeindrucken. Sie zogen ihre Kreise um ihn immer enger.
Sein Brauner spürte die nahende Gefahr. Schnaubend warf er den Kopf zurück.
»Hooh, ruhig, Brauner«, murmelte der große Mann. Die Worte kamen ihm kaum über die Lippen, in denen er längst kein Gefühl mehr hatte.
Sein Blick schweifte über die weite, weiße Bergwelt.
Keine Spur von Jack Quinn.
Der Killer schien vom Schnee verschluckt worden zu sein.
Doch Lassiter war sich sicher, dass es nicht so einfach sein würde.
Quinn war ein Mann mit vielen Gesichtern. Wenn auch nur die Hälfte der Geschichten stimmte, die man sich über ihn erzählte, dann hatte er Hunderte Menschen auf dem Gewissen. Noch keinem Sternträger war es gelungen, ihn zu schnappen. Lassiter war ihm von South Fork aus gefolgt. Dort hatte Quinn einen Marshal erschossen – und den Bogen damit überspannt. Den gewaltsamen Tod eines Sternträgers würde man in Washington nicht tolerieren – und so hatten sie einen ihrer besten Männer geschickt, um Quinn zu fassen.
Lassiter.
Er ritt seit vielen Jahren für die Brigade Sieben, eine geheime Organisation, die immer dort eingriff, wo andere scheiterten.
An Quinn jedoch schien auch er sich die Zähne auszubeißen.
Allerdings: Noch war nicht aller Tage Abend, nicht wahr?
Solange er noch atmete, würde er weitersuchen.
Das Heulen wurde allmählich lauter.
Lassiter wusste, was das bedeutete: Die Wölfe kamen näher. Sie zogen ihre Kreise um ihn immer enger und enger. Im Schneetreiben konnte er manchmal schnelle Bewegungen aus dem Augenwinkel wahrnehmen, aber sobald er den Kopf drehte, hatten sich die Angreifer schon wieder zwischen den Bäumen abgeduckt und waren nicht mehr zu sehen. Noch nicht jedenfalls.
Nicht mehr lange, dann würden sie sich auf ihn stürzen.
Lassiter tastete nach seinem Messer. Seine Finger waren von der Kälte taub geworden, deshalb konnte er den Griff kaum umfassen. Die Waffe drohte, ihm zu entgleiten und in den Schnee zu fallen, wo er sie vermutlich nie wiederfinden würde.
Er packte fester zu und wappnete sich.
Ein düsterer, wolkenverhangener Himmel wölbte sich über den Rocky Mountains. Dicke Flocken wirbelten vom Himmel, als würden sie zu einer unhörbaren Melodie tanzen. Einer Melodie des Todes, denn die Kälte, die sie mitbrachten, kroch unter jede Lage Kleidung, in jeden Knochen und jeden Winkel des Körpers.
Lassiter hatte nicht vor, seine Suche nach Quinn aufzugeben. Nein, so einfach würde er den Gesuchten nicht entkommen lassen. Spuren, denen er hätte folgen können, gab es keine. Der Sturm wehte sie im Handumdrehen zu. Und so blieb ihm nur, seinem Gespür zu vertrauen.
Und weiter nach Nordwesten zu reiten.
Ein eisiger Sturm fegte über die Berge heran und schnitt in die Wangen des Agenten wie scharfe Klingen. Eine Schicht aus Schnee und Eis bedeckte seine mit Fell gefütterte Jacke und die ledernen Hosen. Eis klebte in seinem Bart und seinen Wimpern. Schon seit Stunden spürte er seine Füße nicht mehr.
Da! Plötzlich schälte sich eine graue Gestalt aus dem Weiß des Flockenwirbels. Ein Wolf huschte um sein Pferd herum. Der Fluchtinstinkt des Braunen ließ ihn steigen. Lassiter klammerte sich mit seinen kräftigen Oberschenkeln fest und verlagerte das Gewicht nach vorn. Sein Reittier setzte die Hufe wieder auf.
Der Wolf verschwand so lautlos, wie er aufgetaucht war.
»Nun kommt schon.« Die Worte entrangen sich wie ein Knurren seiner Kehle.
Und als hätte es nur dieser Aufforderung bedurft, schnellten vier große, kräftige Grauwölfe aus dem Weiß. Sie schienen sich vor ihm aus dem Nichts zu materialisieren und stürmten pfeilschnell heran.
Einer der Wölfe war ein massiges Tier, dem ein Ohr fehlte. Was ihm an Gehör abging, machte er mit Schnelligkeit wett. Einohr stieß sich vom Boden ab und schien auf Lassiter zuzufliegen – geradewegs in das Messer des großen Mannes hinein.
Die Klinge schnitt durch dichten Pelz, Fleisch und die Kehle des Wolfes.
Jaulend landete er im Schnee, der sich rasend schnell tiefrot unter ihm färbte.
Dem großen Mann blieb keine Zeit, um darüber nachzudenken.
Zwei weitere Wölfe griffen ihn nun gleichzeitig an.
Einer hechtete auf ihn zu. Ein ungeheurer Schmerz explodierte im Arm des Agenten, als sich das riesige Tier darin verbiss. Lassiter riss den freien Arm hoch, holte aus und stach dem Angreifer in den Leib. Seine Klinge glitt jedoch von einem Knochen ab – und der Griff entglitt dem großen Mann. So blieb ihm nur noch eines: Er schmetterte dem Angreifer die bloße Faust gegen die empfindliche Nase. Einmal... zweimal... Endlich ließ das Tier von ihm ab. Lassiter zog tief den Atem ein, spürte, wie ihm das Blut über den Arm rann und sich die Welt um ihn herum zu drehen begann. Dabei entging ihm, dass sich der andere Wolf zum Sprung anspannte und seine Kehle anvisierte.
Als der mächtige graue Schatten auf ihn zusprang, starrte Lassiter in weit aufgerissene Kiefer mit Zähnen, die dazu geschaffen waren, mühelos durch Fleisch und Muskeln zu dringen. Der Wolf hechtete geradewegs auf ihn zu, bereit, ihm die Kehle durchzubeißen...
Der Blutverlust machte ihn langsam.
Zu langsam.
Bevor er reagieren konnte, krachte es plötzlich in der Ferne.
Eine ungeheure Wucht riss den Angreifer im Sprung zur Seite und schleuderte ihn in den Schnee. Auf der Seite blieb er liegen. Blut sickerte aus der Höhle, in der sich einmal sein Auge befunden hatte.
Etwas flammte auf dem Hügel rechts von Lassiter auf.
Mündungsfeuer!
Der vierte Wolf fiel. Er war schon tot, als er im Schnee aufkam.
Lassiter schwankte im Sattel, hielt sich gerade noch so aufrecht. In seinen Ohren rauschte es. Sein Herz hämmerte wild gegen seine Rippen.
Blinzelnd starrte er zu dem Hügel hinüber.
Undeutlich konnte er einen Mann erkennen, der sein Pferd nun hinter einer tief verschneiten Baumgruppe hervorlenkte und grüßend sein Gewehr hob, bevor er es wieder senkte – und davonritt.
Wenig später hatte ihn der Flockenwirbel verschluckt, als wäre er niemals dort gewesen.
Lassiter schüttelte ungläubig den Kopf.
Seine Sinne mussten ihm einen Streich spielen. Anders war es nicht zu erklären, dass der Mann dort drüben aussah wie eben jener, hinter dem er seit Wochen her war. Der Mann, der scheinbar wahllos mordete und dessen bärtiges, von Narben zerpflügtes Konterfei auf zahlreichen Steckbriefen zu sehen war: Jack Quinn.
»Verdammt noch mal«, murmelte Lassiter. »Der Kerl ist ein Killer, kein Heiliger. Und doch hat er gerade mein Leben gerettet. Wie zum Geier passt das zusammen?«
Das war eine Frage, auf die er lange Zeit keine Antwort finden sollte...
✰
Fünf Jahre später
Redfield war eine kleine blühende Stadt im Herzen von South Dakota. Der karge Boden eignete sich kaum für Landwirtschaft, aber die Siedler bauten Getreide an, das mit den spärlichen Bedingungen zurechtkam. Auch Rinder gediehen hier und wurden auf großen Ranches gehalten. Auf diese Weise hatten es die Menschen zu einigem Wohlstand gebracht. Ein Netz aus Straßen zog sich durch den Ort, dazu gab es anständige Gehsteige und sogar Straßenlaternen, die mit Öl betrieben wurden.
Jack Quinn lebte seit nahezu fünf Jahren in Redfield. Freilich hatte niemand von seinen Nachbarn auch nur den Hauch einer Ahnung, wer er wirklich war. Andernfalls hätte man ihn, und daran hatte er nicht den geringsten Zweifel, schon längst an dem einsamen Schwarznussbaum aufgehängt, der auf dem Hügel vor der Stadt stand.
An diesem Nachmittag hatte er gerade sein Pferd vor dem Generalstore angebunden, als Miss Stockton aus dem Schulgebäude trat. Das Alter der Lehrerin war unmöglich zu schätzen, weil man sie nie anders als ganz in Grau gekleidet und mit fest zusammengepresstem Mund sah, sodass ihre Lippen schier verschwanden.
»Schön, Sie zu sehen, Miss Stockton«, grüßte er freundlich. »Reizender Hut, den Sie da tragen.«
»Oh, ich danke Ihnen.« Seine Worte hatten eine unerwartete Wirkung auf sie. Sie tastete nach dem mit einer einzelnen Feder geschmückten Hut auf ihrem Kopf und errötete dabei wie ein junges Mädchen. »Ich habe ihn selbst gemacht, müssen Sie wissen.«
»Er steht Ihnen ganz ausgezeichnet.« Jack Quinn nickte bedächtig und meinte jedes Wort so, wie er es sagte. Er wusste, dass jeder Mensch eine Geschichte mit sich herumtrug. Etwas war der Lehrerin widerfahren, das sie zu einer schweigsamen Frau gemacht hatte, die nie eine andere Farbe als Grau trug, als würde sie sich am liebsten unsichtbar machen. Er wusste nicht, was ihr zugestoßen war, aber er hielt es verdammt noch mal für seine Pflicht, ihr mit Respekt und einem gewissen Maß an Freundlichkeit zu begegnen.
»Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend.« Sie senkte grüßend das Kinn, ehe sie ihre Handtasche an sich presste und mit wehenden Röcken davonstrebte.
Jack Quinn stiefelte zu dem Geschäft, in dem man alles kaufen konnte, das täglich in Redfield gebraucht wurde.
Der Ladeninhaber war Vince Wheeler, ein untersetzter Mittvierziger mit einem gepflegten dunklen Bart und einem Lachen, das die Wände wackeln lassen konnte. Er galt als gutmütig und hilfsbereit. Nur eines konnte er auf den Tod nicht ausstehen: wenn jemand in seinem Laden lange Finger machte. Schon so mancher Bengel hatte sich bei ihm einen Satz heiße Ohren geholt, weil er geglaubt hatte, heimlich in das Glas mit bunten Bonbons fassen zu können, während Wheeler gerade einen Kunden bediente.
Als Jack Quinn den Laden betrat, läutete die Klingel über der Tür.
»Ah, gerade zur rechten Zeit«, dröhnte der Owner und legte ein großes, in braunes Papier gewickeltes Paket auf den Ladentisch. »Ich habe Ihre Bestellung zusammengestellt und verpackt. Ist alles dabei, was Sie haben wollten.«
»Sogar die speziellen Kaffeebohnen?«
»Sogar die.«
»Großartig. Ich danke Ihnen, Mr. Wheeler.« Quinn bezahlte seine Einkäufe, bevor er sich im Laden umsah. »Ist das da ein neuer Katalog?« Er deutete auf die Broschüre neben der Kasse.
»Das ist einer.« Der Owner schob ihm das Gewünschte hin. »Diesmal sind besonders hübsche Stoffe darin. Vielleicht finden Sie etwas für Ihre Tochter?«
Quinn blätterte durch die Auswahl. O ja, Carrie würde glänzende Augen bekommen, wenn sie diese Stoffe sah. Sie war flink mit der Nadel und hatte einen ausgezeichneten Geschmack. »Hier, dieser gelb gemusterte Baumwollstoff, den würde ich gern bestellen. Und auch noch etwas von dem Blauen hier.« Er tippte auf das Gewünschte.
»Eine gute Wahl«, bestätigte ihm Wheeler. »Die Farbe passt zu den Augen Ihrer Tochter. Ich werde die Stoffe für Sie bestellen, dann kommen sie mit der nächsten Lieferung mit.«
»Gut. Ich hole sie dann bei meinem nächsten Besuch ab.«
»Wollen Sie auch eine Flasche von Dr. Westons Elixier? Die Gentlemen reißen es mir aus den Fingern, wissen Sie? Aber eine Flasche habe ich für einen guten Kunden wie Sie aufgehoben.« Der Owner senkte verschwörerisch die Stimme. »Das Zeug hilft ganz ausgezeichnet, müssen Sie wissen.«
»Wobei denn?«
»Oh, gegen allerlei Beschwerden. Ich habe es einem fahrenden Händler abgekauft. Es hilft gegen Rheumatismus, Katarrh und auch bei einigen anderen Dingen. Und es macht aus einem müden Kätzchen eine Wildkatze, wenn Sie verstehen, was ich meine.« Er zwinkerte vertraulich.
Quinn presste die Kiefer so fest aufeinander, dass es in seinen Ohren knirschte. Sekundenlang raste ein scharfer Schmerz durch sein Inneres. Trotzdem schaffte er es, nach außen hin ruhig zu erwidern: »Danke, aber dafür habe ich keinen Bedarf.«
»Wie Sie meinen, dann hebe ich es für jemand anderen auf.« Wheeler schien zu dämmern, dass sein Angebot unpassend gewesen war. »Es tut mir leid, ich hatte angenommen... Ich hätte nicht...«, stammelte er.
»Ist schon gut.« Quinn winkte ab. Nicht viele Menschen in der Stadt wussten, dass seine Frau vor fünf Jahren am Fieber gestorben war. Er ging damit nicht hausieren, behielt seine Vergangenheit lieber für sich. Wheeler hatte nicht wissen können, dass seine leicht dahingesagten Worte, eine alte Wunde wieder aufgerissen hatten.
Eva war sein ein und alles gewesen, auch wenn seine Arbeit ihn den größten Teil des Jahres fort von zuhause geführt hatte. Es war zu gefährlich gewesen, sie öfter zu besuchen. Und doch war sie seinem Herzen nah gewesen.
Kurz vor ihrem Tod hatte sie ihm das Versprechen abgenommen, für seine Tochter zu sorgen. Carrie war damals gerade mal siebzehn gewesen. Das Leben, das er geführt hatte, war kein Leben für sie gewesen. Also hatte er es geändert.
Aus dem Mann, der seine Waffe an jeden verkaufte, der genug dafür bezahlte, war ein einfacher Farmer geworden. Niemand in Redfield kannte ihn unter seinem richtigen Namen. Hier war er Rudolf Fichtner, ein deutscher Bauer, der hart auf seiner Farm arbeitete. Jack Quinn war damals mit Eva gestorben...
Er nahm sein Paket an sich, machte es draußen auf seinem Pferd fest und wollte sich gerade in den Sattel schwingen, als aus einer kleinen Seitengasse ein heller, angstvoller Schrei kam.
»Nehmen Sie sofort Ihre Hände da weg, Sir!«
Raues, höhnisches Gelächter war die Antwort.
Einige Passanten mussten es ebenfalls gehört haben, aber niemand machte Anstalten, sich einzumischen. Stattdessen schienen alle ihre Schritte zu beschleunigen, um nur fort von dem Ärger zu gelangen.
Quinn fluchte in sich hinein.
Seine Finger krallten sich in die Mähne seines Pferdes.
Nein, nein, nein, das war nicht seine Angelegenheit. Nicht mehr. Er wollte hier nur seine Ruhe haben und sonst gar nichts.
»Bitte, Sir, lassen Sie mich gehen... Nein, ich will das nicht... mein Kleid!«
Wieder Gelächter.
Dann das Ratschen von reißendem Stoff.
Eine Frau stieß einen Angstschrei aus.
Da war Quinn schon herumgewirbelt und stürmte mit langen Schritten in die Gasse hinter der Kirche. Hier stand ein Einspänner, dem von zwei Pferden der Weg versperrt wurde. Es waren ein gesatteltes Reittier und ein Packtier, auf ein Bündel festgeschnallt war. Auf dem Bock des Einspänners saß eine große, schlanke Frau in einem dunkelblauen Kleid. Sie hielt die Zügel so fest in den Fingern, dass ihre Knöchel weiß hervortraten. Ihr Kinn war hoch erhoben, aber sie konnte ihr Zittern ebenso wenig verbergen wie ihre weit aufgerissenen Augen.
Er fluchte verhalten.
Er kannte diese Frau.
Es war Rosemary Yates.
Ihr Mann hatte eine Ranch vor der Stadt aufgebaut. Vor einem Jahr war er ums Leben gekommen – war auf dem Heimweg von hinten erschossen worden. Damals hatte man einen Spieler aus der Stadt verdächtigt, ihn niedergestreckt zu haben, weil Yates ihm kurz davor beim Pokern all sein Geld aus der Tasche gezogen hatte. Aus Mangel an Beweisen war der Spieler freigekommen. Doch der Kerl, der sich nun vor Rosemary Yates aufgebaut hatte und sie mit einem schmierigen Grinsen bedachte, war niemand anderes als eben jener Spieler!
»Hartley«, knurrte Quinn. »Lass die Lady ziehen oder du handelst dir Ärger ein.«
»Ärger?« Betont langsam drehte sich der Raufbold zu ihm um. »Etwa von dir? Oh, da schlottern mir aber die Knie.«
»Das sollten sie auch. Ich werde sie dir nämlich zerschießen, wenn du nicht auf der Stelle verschwindest und Mrs. Yates in Frieden lässt.«
»Wir haben uns nur unterhalten, weiter nichts.«
»Das hat sich für mich aber ganz anders angehört.«
»Dann solltest du deine Ohren untersuchen lassen.«
»Verschwinde, Hartley, auf der Stelle.«
»Was sonst? Hä?«
»Sonst brauchst du demnächst 'n Satz neuer Knie.« Quinn griff an seine Hüfte – und fluchte in sich hinein, denn er griff ins Leere. Die Macht der Gewohnheit. Doch seit Carrie bei ihm lebte, trug er keine Waffe mehr. Hölle und Verdammnis!
»Was? Willst du mich etwa mit deinem bösen Blick durchbohren?« Sein Gegenüber feixte. Das jedoch verging ihm rasch, als Quinn aus dem Sattel hechtete – geradewegs auf ihn zusprang und ihn mit sich zu Boden riss.
Mit einem dumpfen Aufschlag landeten sie im Staub.
Früher hätte er den Bastard getötet, der die Witwe bedrängt hatte. Damals hatte er Probleme mit Blei gelöst, wo die Faust des Gesetzes versagte. Doch nun führte er das einfache Leben eines Farmers – also musste er handeln, wie ein Farmer und Blutvergießen vermeiden.