Lassiter 2689 - Katja Martens - E-Book

Lassiter 2689 E-Book

Katja Martens

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Beschreibung

Der Schlamm reichte ihm bis zu den Knöcheln. Bei jedem Schritt sank er so tief ein, dass es ihm beinahe die Stiefel auszog. Doch Jeremiah ignorierte das Schmatzen unter seinen Sohlen ebenso wie den prasselnden Regen. Längst hatte er keinen trockenen Faden mehr am Leib, aber das war ihm egal, denn es war vollbracht. Endlich!
Ein Hochgefühl erfasste ihn, als er die monströse Konstruktion umrundete, die unter seinen Händen entstanden war. Er lehnte sich über den Heizkessel und prüfte die Druckanzeige ein letztes Mal... Da gab das Gefährt plötzlich ein Zischen von sich wie ein ganzes Nest voll wütender Vipern. Jeremiah fuhr zurück und erkannte zwei Dinge gleichzeitig: Seine Erfindung würde ihm jeden Moment um die Ohren fliegen! Und die Zeit reichte nicht mehr, um sich noch in Sicherheit zu bringen!

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Inhalt

Cover

Sieben müssen sterben

Vorschau

Impressum

Sieben müssen sterben

von Katja Martens

Der Schlamm reichte ihm bis zu den Knöcheln. Bei jedem Schritt sank er so tief ein, dass es ihm beinahe die Stiefel auszog. Doch Jeremiah ignorierte das Schmatzen unter seinen Sohlen ebenso wie den prasselnden Regen. Längst hatte er keinen trockenen Faden mehr am Leib, aber das war ihm egal, denn es war vollbracht. Endlich!

Ein Hochgefühl erfasste ihn, als er die monströse Konstruktion umrundete, die unter seinen Händen entstanden war. Er lehnte sich über den Heizkessel und prüfte die Druckanzeige ein letztes Mal... Da gab das Gefährt plötzlich ein Zischen von sich wie ein ganzes Nest voll wütender Vipern. Jeremiah fuhr zurück und erkannte zwei Dinge gleichzeitig: Seine Erfindung würde ihm jeden Moment um die Ohren fliegen! Und die Zeit reichte nicht mehr, um sich noch in Sicherheit zu bringen!

Es sollte der erste Probelauf für den Dampftraktor sein.

So hatte Jeremiah es jedenfalls geplant.

Nun jedoch drohte es auch der letzte zu werden.

Der Zeiger an der Druckanzeige schnellte unerwartet in den roten Bereich... und darüber hinaus. Es knirschte bedrohlich, das Zischen wurde lauter und lauter. Ohne darüber nachzudenken, warf sich Jeremiah flach auf den Boden. Er landete bäuchlings im Schlamm. Sein Gesicht wurde in den weichen Boden gepresst. Er konnte weder atmen noch sehen, aber dafür spürte er im nächsten Augenblick eine enorme Druckwelle, die über ihn hinwegfegte und ihn yardweit mitriss.

Er wurde herumgeschleudert, während eine gewaltige Woge aus Hitze über ihn hinwegraste und ihm die Haut versengte. Oben und unten schienen sich zu vermischen. Der Atem wurde aus seiner Lunge gepresst. Und in seinen Ohren schrillte ein Fiepen, das ihm bis unter die Schädeldecke schoss und jedes klare Denken auslöschte. Sein letztes Stündchen schien geschlagen zu haben.

Trümmerteile hagelten von oben auf ihn herab.

Instinktiv rollte er sich zusammen und riss schützend einen Arm über seinen Kopf.

Schmerz explodierte in seinem Körper, schien seinen Leib in roten Schwaden zu zerfetzen und dann plötzlich... Nichts mehr.

Er fand sich rücklings im Schlamm liegend wieder. Das Fiepen in seinen Ohren ließ allmählich nach und er blickte sich blinzelnd um.

Der schlammige Boden rings um ihn war gespickt mit Bauteilen, die noch vor wenigen Minuten eine Feuerbüchse, ein Heizkessel, eine Rauchkammer und ein Schornstein gewesen waren. Von seinem wunderbaren Dampftraktor war nur das Untergestell übrig geblieben. Getragen von zwei großen und zwei kleinen Rädern, dazu gedacht, über riesige Felder zu rollen. Doch dieser Traum war ausgeträumt.

Schon wieder!

Jeremiah stieß den Atem aus, gefolgt von einem gedämpften Fluch, weil jede Bewegung weitere eine Flut von Schmerzen durch seinen Körper jagte.

»Jeremiah!« Der Lärm hatte seine Frau aus dem Haus gelockt. Nun raffte sie ihre Röcke und rannte zu ihm, dass der Schlamm unter ihren Füßen hochspritzte. Ihr hübsches Gesicht war von Angst verzerrt. Einige rötliche Locken lösten sich beim Rennen aus ihrer Hochsteckfrisur und fielen ihr über den Rücken.

»Jeremiah!«, wiederholte sie. »Geht es dir gut?«

»Nicht besonders, nein.« Seine eigene Stimme klang dumpf in seinen Ohren. Er richtete sich auf, rutschte mit den Händen im Schlamm sogleich wieder weg und sackte zurück auf den Boden. Ein Zischen entfuhr ihm, als ihm ein scharfer Schmerz durch die Brust raste, als wäre er von einem Bullen getreten worden.

Jeremiah raffte sich zu einem zweiten Versuch auf und diesmal gelang es ihm, sich in eine sitzende Position zu bringen.

Der Ausblick freilich war alles andere als ermutigend.

Stinkender Qualm waberte über den Platz vor seiner Scheune. Rauch stieg von den Überresten seiner Maschine auf. Die Bruchstücke hatten sich bis zum Ufer von Millers Creek hinüber verstreut.

Der Rückschlag war bitter.

Dampfmaschinen waren die Zukunft. Es gab bereits Dampfzugmaschinen, die Menschen und Material von A nach B schaffen konnten. Die waren jedoch für den Einsatz auf Straßen und Schienen gebaut und zu schwer für den weicheren Boden der Felder. Jeremiah hatte viele Stunden Schlaf geopfert und einen Weg ersonnen, seinen Dampftraktor für den Einsatz auf unbefestigten Wegen anzupassen. Seine Maschine hatte eine Traktionshilfe, die das Durchdrehen der Räder verhindern sollte, und sie war insgesamt leichter gehalten. Sie sollte das Leben Tausender Farmer erleichtern. Ein Traktor, der die Kraft der Dampfmaschinen auf den Feldern einsetzbar machte.

Doch es war ein kolossaler Reinfall. Jeremiah konnte froh sein, dass er noch lebte.

Er murmelte einen gedämpften Fluch.

Seine Frau stemmte die Hände auf die Hüften und musterte ihn von dem schlammverkrusteten Gesicht bis zu den Stiefeln.

»Jeremiah Nickleberry! Wage es nicht, mir je wieder so eine Angst einzujagen. Hast du gehört?«

»Ja.« Er griff nach einem Stück Metall, das die Wucht der Explosion neben seinen Stiefeln in den Boden gerammt hatte. Prompt verbrannte sich die Finger, ließ hastig wieder los. Die Ränder des Metalls waren zerfetzt. Es hatte der Wucht des Kesseldrucks nichts standgehalten. »Der Stahl taugt nichts. Ich muss die Mischung ganz neu berechnen. Das kann ich auch tun, aber es würde nichts nutzen.«

»Warum denn nicht?«

»Weil mir für den Bau einer zweiten Maschine das Geld fehlt. Alles, was wir hatten, steckt in diesem Kessel.«

»Dann lassen wir uns eben etwas einfallen.«

Er gab ein Brummen von sich. Mit seiner Erfindung wollte er das Leben vieler Menschen leichter machen. Doch wie sollte ihm das gelingen, wenn er kein Geld dafür hatte? Die Farm brachte seine Familie mal mehr, mal weniger gut über die Runden, aber Extraausgaben für seine Erfindungen rissen immer wieder Löcher in das Familiensäckel. Seine Frau schalt ihn deswegen nie, aber er wusste, dass die Sorgen sie so manches Mal um den Schlaf brachten. Womöglich wäre es leichter, die nötigen Mittel aufzutreiben, wenn sie in einer großen Stadt im Osten wohnen würden. Hier jedoch, in einer Kleinstadt im einsamen Norden von Colorado, waren die Möglichkeiten, Geld zu verdienen, begrenzt. Wenige Häuser klammerten sich an einen Rest Zivilisation. Hinter den Hügeln begann die Wildnis.

»Was sollen wir uns denn einfallen lassen?«, murmelte er.

»Das weiß ich noch nicht, aber wir finden einen Weg. Wir haben immer einen gefunden, nicht wahr?« Deborah reckte ihm die Hand hin und lächelte ihn so zuversichtlich an, dass Wärme zu seinem Herzen strömte. Ja, das hatten sie in der Tat. Ihre Ehe war von Höhen und Tiefen gezeichnet, aber gemeinsam hatten sie alles überstanden.

Er nahm ihre Hand, stemmte sich hoch und zog seine Frau impulsiv an seine Brust. Sie stieß einen leisen, protestierenden Laut aus. »Jeremiah, mein Kleid!«

Zu spät entsann er sich, dass er von Kopf bis Fuß mit Schlamm bedeckt war. Schlamm, der nun auch ihr Kleid verkrustete. Da half nun nichts mehr. Er gab ihr einen Kuss, bei dem sie ganz warm und weich in seinen Armen wurde.

Ein wahrer Dauerbrenner wurde es, der erst endete, als lebhafte Kinderstimmen zu vernehmen waren. Wenig später traten Sarah und ihr jüngerer Bruder Daniel durch das niedrige Holztor. Die Elfjährige führte Betsy an einem Seil hinter sich her. An der Viehtränke band sie die Kuh an. Ihr Bruder flitzte auf seine Eltern zu.

»Hei, hab' ich einen Hunger!« Damit rieb er sich den Bauch.

»Als wäre das etwas Neues«, tadelte seine Schwester. »Du hast immer Hunger.«

»Ich wachse eben noch«, verteidigte sich der Siebenjährige.

»Ja, in die Breite.« Lachend wich Sarah aus, als er nach ihr griff. »Hilfe, nicht kitzeln!« Ihr fröhliches Glucksen endete abrupt, als ein Mann durch das Gartentor trat, das die Kinder eben erst passiert hatten. Es war Jeremiahs Gehilfe. Niemand in der Stadt wusste noch, wie sein echter Name war. Alle nannten ihn Silent Slim, seiner langen, hageren Statur wegen und weil er kein Mann vieler Worte war.

Was ihm an Körpermasse fehlte, machte er mit purer Willenskraft wett.

Was dem Mädchen wohl die Sprache verschlagen hatte, war der zottelige dunkelgraue Pelz, den er über seinen Schultern trug... nein, kein Pelz...

»Heiliger Rauch!« Jeremiah stieß scharf den Atem aus.

Silent Slim wuchtete das tote Tier von seinen Schultern und legte es vor ihm ab. Es war ein alter Grauwolf. Zahlreiche Kämpfe hatten seinen Körper mit Narben gezeichnet. Sein rechtes Ohr fehlte, das linke war eingerissen. Ein Einzelgänger, der sich allein durchschlug, weil ein Jüngerer sein Rudel übernommen hatte. Seit Monaten trieb er sich in der Gegend herum, holte sich Hühner und einmal auch ein Kalb. Er hatte Jeremiah schon so manche schlaflose Nacht beschert.

Sein Gehilfe grinste und entblößte dabei zwei Reihen gelber Pferdezähne. Er wirkte überaus zufrieden mit sich. »Hab' ihn erwischt, als er sich an die Ferkel herangepirscht hat.« Er legte eine Hand an seinen Gürtel. Darin steckte ein Messer.

»Hast du es etwa bloß mit deiner Klinge gegen ihn aufgenommen?«

»Hatte nix anderes.« Silent Slim nickte bedächtig. »War nötig.«

Er würde alles für diese Farm tun. Für diese Familie.

Genau wie Jeremiah.

Mit einem Mal kam Jeremiah eine Idee. Gewagt war sie, aber wenn er erfolgreich war, standen ihm bald genügend Mittel für seine Erfindungen zur Verfügung. Dann könnte er all seine Pläne in die Tat umsetzen, das Leben so vieler Menschen zum Guten zu verändern. Und dafür würde er nur eines tun müssen:

Ein einziges Mal vom Pfad des Gesetzes abweichen...

Jeremiah brummte der Schädel.

Er konnte sich nicht einmal mehr entsinnen, wann er zuletzt eine Nacht durchgeschlafen hatte. Stattdessen machte er nachts kaum noch ein Auge zu. Er wälzte sich in seinem Bett, grübelte und sorgte sich. Genau genommen ging das schon so, seitdem er seinen waghalsigen Plan gefasst und sich auf die Suche nach Männern begeben hatte, die ihm bei seinem Vorhaben zur Hand gehen konnten.

Silent Slim war es gewesen, der ihm geholfen hatte, einen Trupp Männer zusammenzustellen. Sieben erprobte Männer. Sie scheuten keinen Kampf und waren bereit, für einen angemessenen Anteil an allen Einnahmen für ihn zu arbeiten.

Einnahmen. Jeremiah knirschte mit den Zähnen. Wem wollte er hier etwas vormachen? Beute, nichts anderes war es, was sie ihm heimbrachten.

Er hatte eine Macht entfesselt, von der er nicht sicher war, ob er sie kontrollieren konnte. Nicht zum ersten Mal. Als Erfinder bewegte er sich oft genug an der Grenze des Machbaren. Doch zum ersten Mal befürchtete er, zu weit gegangen zu sein.

Der Geist war aus der Flasche und nun musste er zusehen, wie er damit klarkam.

»Es läuft!« Sarahs fröhliches Lachen riss ihn aus seinem Grübeln. Sie klatschte in die Hände. »Sieh nur, Pa! Und wie es läuft!«

Tatsächlich bewegte sich das Schiffchen des Webstuhls flink von einer Seite zur anderen. Wie von Zauberhand entstand ein Stoff, wurde größer und größer. Doch Jeremiah konnte sich nicht darüber freuen. Der Lärm, den seine Erfindung bei ihrer Arbeit verursachte, dröhnte ihm bis unter die Haarwurzeln und verschlimmerte das Hämmern in seinem Schädel auf ein unerträgliches Maß. Er presste die Fäuste gegen seine Schläfen, weil es sich anfühlte, als würde ihm sein Gehirn jeden Augenblick aus dem Schädel springen.

Er hatte einen mit Dampf betriebenen Webstuhl gebaut. Damit würden sich Stoffe im Handumdrehen weben lassen. Zehnmal schneller als von Hand.

So weit, so gut.

Doch seine Erfindung war alles andere als praktisch.

Die Dampfmaschine heizte ihre Umgebung auf unerträgliche Temperaturen auf. Das Gesicht seiner Tochter glänzte vor Nässe und auch er musste sich immer wieder den Schweiß vom Gesicht wischen, weil der ihm sonst in den Augen brannte. Niemand hielt es länger als ein paar Minuten in der Nähe der Maschine aus. Sie stundenlang zu überwachen, nein, daran war nicht einmal zu denken.

Zudem war sie ein Monstrum, nahm viel zu Platz weg.

Doch der Anfang war gemacht. Nun würde er daran arbeiten, sie zu verkleinern und die Hitze abzufangen, bevor sie ganze Arbeitshallen in Brand stecken konnte. Er hatte nun schließlich genügend Mittel, um an seinen Erfindungen zu arbeiten, sie zu verbessern und damit etwas Gutes zu bewirken.

Das wenigstens hatte er erreicht.

Wenn auch um den Preis seiner ruhigen Nächte.

Seine Tochter hatte eine Hand auf die Hüfte gestemmt und betrachtete prüfend die Bewegungen des Schiffchens. Sarah war ihm eine echte Hilfe geworden in den vergangenen Monaten. Sie war neugierig und lernte schnell, hatte viele Einfälle und das Geschick, sie auch umzusetzen. Sie hatte eine Rührschüssel gebaut, die über ein Pedal betrieben wurde und mit der ein Teig dreimal schneller geknetet werden konnte als von Hand. Das sparte nicht nur Zeit, sondern auch Kraft. Anselm Burton, der ein Lokal in der Stadt betrieb, hatte eine solche Schüssel für seine Küche geordert, und auch einige Nachbarinnen wollten eine haben. Jeremiah hätte nicht stolzer auf seine Tochter sein können. Sie hatte Erfinderblut in sich.

»Sie ist zu groß und zu heiß.« Sarah kniff die Augen zusammen wie immer, wenn sie angestrengt über etwas nachdachte. »Vielleicht hätten wir auf den Einsatz von Elektrizität setzen sollen, wie dieser Erfinder in New York. Nicht auf Dampf.«

»Nein.« Jeremiah stieß den Atem aus. »Ich weiß, wie verlockend das klingt, aber ich will nicht von der Versorgung mit Elektrizität abhängig sein. Was, wenn man durch Krieg und Not davon abgeschnitten wird? Dann steht man hilflos da und ist plötzlich um Jahrhunderte zurückgeworfen. Dampfmaschinen jedoch, die kann man immer betreiben. Wir werden daran arbeiten, sie zu verbessern.«

»Was ist mit den Gefahren? Du wärst schon einmal beinahe von einem explodierenden Kessel getötet worden.«

»Auch daran werden wir arbeiten. Damit das nicht mehr passiert.« Jeremiah stellte die Maschine ab. In der nachfolgenden Stille dröhnten ihm noch immer die Ohren.

Er verließ mit Sarah seine Werkstatt, die er wohlweislich in einiger Entfernung zum Haus gebaut hatte. Sie traten gerade rechtzeitig hinaus ins Freie, um die sieben Reiter zu sehen, die gerade auf den Hof ritten und von seinem Sohn beäugt wurden. Daniel saß vor dem Haus und spielte mit seinem Welpen.

Die Reiter führten zwei voll beladene Packtiere mit sich.

Und ihre Kleidung war von Schlamm übersät.

Jeremiah ahnte nichts Gutes.

»Nimm deinen Bruder und geht ins Haus, Sarah«, sagte er rau.

»Aber...«

»Tu es. Und sag deiner Mutter, sie soll mit euch drinnen bleiben.«

»Aber...«

»Jetzt gleich, Sarah.«

Sie stieß den Atem aus, raffte jedoch ihre Röcke, setzte sich in Bewegung und strebte zu ihrem Bruder. Nach einem kurzen Wortwechsel verschwanden die beiden Kinder mit dem Welpen im Haus.

Jeremiah wartete, bis die Tür hinter ihnen zugefallen war, ehe er zu den Besuchern hinüberging. Aus der Nähe betrachtet wurde offenbar, dass sie nicht nur mit Schlamm besudelt waren. Nein, ihre Kleidung war auch voller dunkelroter Flecken. Getrocknetes Blut!

»Was ist passiert?« Jeremiah ließ den Blick von Slater über Wade und Baxter, Pete, Randy und den Schotten bis hin zu Silent Slim schweifen. »Seid ihr verletzt?«

»Das ist nicht unser Blut, Boss«, antwortete Slim ihm.

»Wessen dann? Und wo kommt ihr überhaupt her?«

»Es hat sich eine günstige Gelegenheit ergeben.«

»Was für eine Gelegenheit?«

»Die Gelder von Viehauktion drüben in Billingsley. Wir haben sie uns geholt.«

»Das war aber nicht abgesprochen.« Jeremiah tat allmählich der Nacken weh, weil er zu den Reitern aufblicken musste. Doch das war ihm jetzt gleichgültig. Alles, was zählte, war der Überfall, den seine Männer verübt hatten, ohne vorher mit ihm darüber zu sprechen. »Wir hatten vereinbart, dass ihr nur ausrückt, wenn wir alles sorgfältig geplant haben. Niemand sollte bei den Überfällen zu Schaden kommen.«

»Das war auch nicht geplant«, verteidigte sich Baxter. »Wir wollten nur rasch zuschlagen und wieder verschwinden. Konnte doch keiner ahnen, dass sich plötzlich ein Dutzend Schießteufel finden würden, die aus allen Rohren auf uns ballern. Da mussten wir uns doch verteidigen.«

Jeremiah blickte zwischen den sieben Reitern hin und her.

»Wie viele Tote?«, fragte er rau.

Niemand antwortete ihm.

Die Stille, die sich auf den Hof legte, war laut genug, um in den Ohren zu dröhnen.

»Wie viele?«, hakte er nach.

»Elf«, gab Randy leise zurück.

Elf tote Menschen.

Jeremiah wurde kurzzeitig schwarz vor Augen.

Er wollte mit seinen Erfindungen das Leben der Menschen verbessern und ihnen nicht schaden. Um an das nötige Geld zu gelangen, hatte er die sieben Reiter angeheuert. Sie sollten sorgfältig geplante Überfälle begehen. Überfälle auf Banken und die Army, keine Privatpersonen. Der Schaden sollte so gering wie möglich ausfallen und niemand, das war seine eiserne Regel, niemand sollte zu Schaden kommen. Und nun waren elf Menschen tot.

»Es war eine Gelegenheit«, sagte Jack Slater kalt. »Hätten wir die ungenutzt verstreichen lassen sollen?«

»Ja, das hättet ihr. Wir verletzen niemanden und wir töten niemanden.«

»Nein, du nicht, Boss. Dafür hast du ja uns.«

»Aber das will ich nicht!«, fuhr Jeremiah verzweifelt auf. »So war das nicht geplant! Wir wollen Gutes bewirken. Nicht den Tod bringen.«

»Manchmal gibt es das eine nicht ohne das andere.«

Silent Slim deutete auf die Packtiere. »Wir haben reichlich Geld eingenommen, Boss«, sagte er versöhnlich.

»Und wir teilen wie immer«, ergänzte Pete. »Auch wenn du nicht an der Planung beteiligt warst. Ehrensache. Sieben Teile für uns und ein Teil für dich.«

Jeremiah schüttelte den Kopf. »Ich will das Geld nicht. Es klebt Blut daran.«

Die Reiter stießen unwillige Laute aus.

»Ich will es nicht«, wiederholte er. »Wir wollten kein Blut vergießen, das war der Plan.«

»Wach auf, Nickleberry«, grollte Jack Slater. »Das eine gibt es nicht ohne das andere. Früher oder später musste so etwas passieren.«

»Ihr seid gierig geworden«, warf Jeremiah ihm vor.

Sein Gegenüber griente. »Das waren wir schon immer. Warum sich mit dem begnügen, was man hat, wenn man mehr haben kann?«

Ein bitterer Geschmack breitete sich auf seiner Zunge aus.