1,99 €
Lassiters neuer Auftrag führt ihn in das "Montana Rose", ein Bordell im Nordwesten des Territoriums. Hier suchen gut betuchte Gäste für ein paar Stunden Entspannung. Männer mit Macht und Einfluss: Senatoren, Banker und Eisenbahnunternehmer. Die abgeschiedene Lage macht das Etablissement zu einem Geheimtipp.
Doch jetzt droht mächtiger Ärger. Die Ladys haben dem falschen Mann in die Suppe gespuckt. El Toro und seine Bande sind hinter ihnen her - und mit denen ist nicht zu spaßen.
Lassiter soll sich die Kerle vorknöpfen. Dafür ist ihm der Dank der Ladys gewiss. Doch der Traumjob droht in einem Desaster zu enden, denn nichts ist, wie es scheint. Als Lassiter dämmert, dass er hereingelegt wurde, ist es schon fast zu spät...
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 138
Cover
So schön und so verdorben
Vorschau
Impressum
So schön undso verdorben
von Katja Martens
»Ein Wetter zum Fürchten ist das.« William Cosgrave lehnte sich auf seinem Platz vor und spähte aus dem Fenster. Draußen peitschte der Sturm den Regen gegen die Kutsche. Immer wieder ließ eine Böe das Gefährt erzittern. Der Senator war diese Strecke schon einmal gefahren und wusste, dass sich bei schönem Wetter silbrige Adern aus Wasser auf den Berghängen links und rechts des Trails abzeichneten. An diesem Nachmittag jedoch stürzten reißende Wassermassen in die Tiefe und rissen alles mit sich, das ihnen in den Weg geriet. Und es regnete immer weiter. Längst schien die Straße nur noch aus Schlamm und Geröll zu bestehen.
Ein mulmiges Gefühl breitete sich in Cosgrave aus. »Womöglich hätten wir die Warnung beherzigen und das Unwetter unten in Missoula abwarten sollen«, murmelte er. Doch diese Erkenntnis kam zu spät...
Unversehens rumpelte die Kutsche durch ein Erdloch. Cosgraves Schädel wurde unsanft gegen das Holz geschlagen. Sekundenlang ließ der Schmerz seine Sicht verschwimmen. Einen Fluch verbeißend, rieb er sich die pochende Schläfe.
»Vorsicht, Sir«, empfahl Pickett. Sein Leibwächter war ein sehniger Mann, der nur aus Haut und Knochen zu bestehen schien. Man sah ihm nicht an, dass er zupacken und einem Mann mit bloßen Händen die Kehle herausreißen konnte. Mit dieser Eigenschaft hatte er dem Senator vor drei Monaten bei einem nächtlichen Überfall das Leben gerettet. Er klammerte sich an den Haltegriff, während er auf seinem Sitz hin und her geschleudert wurde.
Neben ihm saß Clint, der Sekretär des Senators. Ein kleiner drahtiger Mann mit weißen Ärmelaufschlägen und einer runden Nickelbrille, hinter der seine Augen stets ein wenig unsicher hin und her huschten, als würde er seiner Umgebung nicht trauen. Er sprach nicht viel, behielt Cosgraves Termine jedoch stets im Blick, las seine Reden und machte Vorschläge, wie man sie verbessern konnte.
Die drei Männer im Inneren der Kutsche wurden gehörig durchgerüttelt.
Während Pickett das Gerüttel stoisch ertrug, wurde Clint immer blasser um die Nase. Cosgrave spürte selbst ein flaues Flattern im Magen und richtete den Blick wieder aus dem Fenster. Viel zu sehen gab es da freilich nicht. Die bewaldeten Berghänge verschwanden hinter dichten Regenschwaden. Das Grau schien alle anderen Farben zu verdrängen.
Eine weitere Böe rüttelte an der Kutsche. In das Fauchen der Naturgewalten mischten sich das Schlagen der Pferdehufe und das Ächzen der Ponderosa-Kiefern, die sich unter dem Sturm neigten. Fernes Grollen kündigte an, dass dies hier nur das Vorspiel war. Das Unwetter hatte seinen Höhepunkt noch lange nicht erreicht.
Die Kutsche rumpelte durch ein weiteres Erdloch. Wasser und Schlamm spritzten zur Seite auf, während die Passagiere fast von ihren Sitzen geschleudert wurden.
Würgend schlug sich Clint eine Hand vor den Mund.
»Verdammt noch mal. Hoffentlich bleiben wir nicht stecken«, murmelte Cosgrave. »Ruby hat uns vor dem Unwetter gewarnt. Wir hätten in ihrem Hotel bleiben und den Sturm abwarten sollen.«
»Dann hätten Sie Ihre Rede verpasst, Sir«, erwiderte Pickett. »Außerdem wage ich zu behaupten, dass Ruby ein Auge auf Clint geworfen hat; nur deshalb wollte sie, dass wir noch verweilen.«
»Auf mich?« Die Augen des Sekretärs weiteten sich. »Ganz bestimmt nicht.«
»Aber ja«, bekräftigte Pickett.
»Dann braucht sie eine Brille«, brummte Clint und nestelte an seiner Halsbinde.
»Möglicherweise«, räumte der Leibwächter ein und grinste. »Wie sonst konnte sie mich übersehen und sich dir zuwenden? An mangelndem Interesse meinerseits lag es sicher nicht.«
»Ich habe keine Ahnung, wovon du redest. Ruby hat mich nicht einmal bemerkt.« Clint lief puterrot an. »Ich falle den Ladys nicht auf.«
»Weil du dich hinter deinen Papieren versteckst. Manchmal glaube ich, du hast Angst vor den Ladys. Du musst dir nur mal ein Herz fassen und eine ansprechen, dann wirst du sehen, dass sie nicht beißen. Wobei... ein zärtlicher Biss im rechten Moment... kann durchaus anregend sein.« Das Grinsen des Leibwächters wurde noch breiter und Clints Gesichtsfarbe noch röter.
»Lasst uns meine Rede noch einmal durchgehen«, machte Cosgrave dem Geplänkel ein Ende, bevor seinen Sekretär noch der Schlag treffen konnte. »Ich will, dass jede Formulierung sitzt. Wenn ich wiedergewählt werden möchte, muss ich dafür sorgen, dass die Menschen erfahren, was mir am Herzen liegt.«
»Die Einführung des Frauenwahlrechts«, murmelte Pickett.
»Ganz genau.« Cosgrave bemerkte den skeptischen Blick seines Begleiters. »Ich weiß, du stimmst mir in diesem Punkt nicht zu.«
»In der Tat, Sir.« Pickett wedelte mit einer Hand, als wollte er eine lästige Fliege vertreiben. »Frauen sind viel zu impulsiv. Sie folgen nur ihren Gefühlen und würden jemanden aus den falschen Gründen in ein Amt wählen. Etwa wegen seines attraktiven Äußeren oder weil er ihnen Komplimente macht. Nein, ihre Stimmen würden unsere Demokratie ins Wanken bringen.«
»So ein Unsinn.« Clint schnaubte leise, aber hörbar.
»Was?«, brummte Pickett. »Stimmst du mir etwa nicht zu?«
»Nein, tue ich nicht. Schwache Männer, Schläger und Trinker dürfen wählen, aber kluge, verständige Frauen nicht? Das scheint mir nicht richtig zu sein.«
»So ist das nun mal. Frauen sollten nur eines wählen – und das ist ein guter Ehemann. Alles andere können sie getrost ihm überlassen.«
»Dann sollen wir Männer also weiterhin über Belange bestimmen, die das Leben von Frauen entscheiden? Zum Beispiel, welche Bildung sie erhalten und wem ihre Kinder zustehen, wenn ihre Männer ums Leben kommen?«
»Ganz genau.« Pickett nickte zufrieden. »So sollte es sein.«
»Nicht, wenn es nach mir geht.« Cosgrave schüttelte entschieden den Kopf. »Wir können keine echte Demokratie haben, wenn wir die Hälfte unserer Nation ausschließen. Wir dürfen die Stimmen der Frauen nicht länger ignorieren.«
»Frauen verstehen aber nichts von Staatenführung.«
»Das tun die meisten Männer auch nicht – und trotzdem dürfen sie wählen.«
»Weil sie vernünftig sind. Frauen hingegen sind... anders. Wenn wir es zulassen, führen sie die Politik in Unheil und Chaos. Womöglich wollen sie am Ende selbst für ein Amt kandidieren.« Nun war es Pickett, der ausgesprochen blass aussah.
Das war ein Punkt, über den sie sich nicht einigen konnten.
Noch nicht jedenfalls.
Cosgrave war jedoch zuversichtlich, seine Wähler zum Nachdenken bringen zu können. Seine Vision war ein Montana, in dem alle Stimmen gehört wurden. Ein Montana, in dem alle Menschen gleichberechtigt leben konnten. Die Stärke der Siederinnen, die unter endlosen Entbehrungen mit ihren Familien den Westen besiedelten, beeindruckte ihn tief. Frauen wie sie würden das Land stärker machen, davon war er fest überzeugt.
Während seine Gedanken um seine bevorstehende Rede kreisten, wurde draußen plötzlich Gebrüll laut. Der Kutscher schrie etwas, das nicht zu verstehen war. Die Pferde wieherten angstvoll. Dann ging ein scharfer Ruck durch das Gefährt, der die drei Männer nun tatsächlich von ihren Sitzen schleuderte.
Cosgrave, der mit dem Rücken in Fahrtrichtung saß, wollte sich noch festhalten, war jedoch nicht schnell genug. Seine Hand griff ins Leere. Dann stürzte er vornüber von seinem Platz und stieß mit seinem Sekretär zusammen. Er wurde zur Seite geschleudert. Sein Schädel schlug hart gegen die Kutschenwand. Sterne flackerten vor seinen Augen. Die Kutsche stürzte um, überschlug sich.
Oben und unten vermischten sich.
Schreie gellten.
Wilde, blutrote Schmerzen rasten durch seinen Körper.
Dann war es plötzlich vorbei.
Totenstille breitete sich aus.
Cosgrave fand sich auf dem Rücken liegend wieder, ein Bein lag auf der Sitzbank der Kutsche, die auf der Seite zum Liegen gekommen war. Sein Schädel dröhnte. Seine rechte Schulter schmerzte, als hätte sich ein Speer hindurchgebohrt.
Er lauschte in sich hinein.
Wie schlimm war er verletzt?
Nun... seine Schulter war ausgerenkt. Nicht zum ersten Mal. Er kannte den Schmerz bereits. Auch sein Schädel hatte einiges abbekommen. In seinen Ohren dröhnte es, als würde er von wütenden Hornissen umschwärmt. Und vermutlich würde er morgen grün und blau sein. Doch als er sich vorsichtig aufrichtete, gehorchte ihm sein Körper. Er hatte Glück gehabt. Nichts schien gebrochen zu sein.
Er setzte sich langsam auf und blickte sich um.
Die Tür der Kutsche war aufgesprungen. Von Pickett und Clint war nichts zu sehen. Seine beiden Begleiter mussten während des Überschlags nach draußen geschleudert worden sein.
Cosgrave tastete nach seiner Schulter und stöhnte vor Schmerzen.
Er wusste, was zu tun war, zögerte jedoch noch.
Ihm graute davor...
Da drang von draußen ein gedämpftes Stöhnen herein.
Verdammt, dort schien jemand seine Hilfe zu brauchen. Mit der ausgerenkten Schulter würde er jedoch nicht viel ausrichten können.
»Also schön«, murmelte er, zog scharf den Atem ein und presste die Zähne zusammen. Dann schmetterte er die Schulter gegen die Kutschenwand.
Ein wilder Schmerz explodierte in seinem Körper.
Ein vernehmliches Knirschen. Dann saß das Gelenk wieder dort, wo es hingehörte.
Der Schmerz verebbte. Cosgrave rappelte sich auf und kletterte durch die offene Kutschentür nach draußen. Schlamm spritzte, als seine Stiefel auf dem Boden aufkamen. Er drehte sich um – und vor ihm breitete sich ein Bild des Grauens aus.
Nur eine Armlänge entfernt lag Pickett im Schlamm. Sein Kopf stand in einem seltsamen Winkel von seinem Körper ab, seine Augen starrten ins Leere.
Er musste sich bei dem Aufschlag das Genick gebrochen haben.
Cosgrave schmeckte bittere Galle.
Ein gewaltiger Felsbrocken lag mitten auf der Straße; er musste vor der Kutsche abgestürzt sein. Offenbar hatte der Lenker nicht mehr rechtzeitig ausweichen können. Das Hindernis hatte die Kutsche umstürzen lassen.
Und die Tiere? Was war mit den Tieren?
Eines der Pferde regte sich nicht mehr. Blut sickerte aus seinen Nüstern auf den aufgeweichten Trail. Die drei übrigen Tiere waren schwerverletzt und mühten sich wiehernd, auf die Beine zu kommen. Vergeblich. Blanke, gesplitterte Knochen ragten unter ihrem Fell hervor. Blut breitete sich unter ihnen aus. Ihre qualvollen Schreie zerrissen dem Senator das Herz.
Er zerbiss einen Fluch zwischen den Lippen.
Der Kutscher und sein Gefolgsmann lagen nicht weit entfernt, beide starr und mit zerschmetterten Gliedern. Der Schädel des Lenkers lag zertrümmert auf einem Stein. Eine gelbliche Flüssigkeit trat aus seinem rechten Ohr aus.
Nein, hier konnte niemand mehr helfen.
Aber wo war sein Sekretär?
»Clint? Clint, melde dich!« Er lauschte, doch nur das Rauschen des Regens antwortete ihm. Also zog er seinen Revolver und wankte zu den Pferden. Einem der Tiere war bei dem Unglück der Leib aufgeschlitzt worden. Cosgrave zwang sich, den Blick nicht von dem malträtierten Pferd zu wenden, dessen Gedärme im Schlamm verteilt lagen. »Ist schon gut, mein Großer, du warst ein treues Tier«, murmelte er und strich dem Braunen über die Stirn. Er setzte ihm den Revolver an die Stirn, biss die Zähne zusammen und drückte ab. Der Knall des Schusses mischte sich in das Gebrüll des Sturms. Der Braune verstummte jäh.
Zweimal noch musste Cosgrave abdrücken. Danach sackte er mit dem Rücken an der Kutsche hinunter in den Schlamm und ließ seine Waffe los. Der Regen auf seinen Wangen mischte sich mit seinen Tränen...
... bis er erneut ein Stöhnen vernahm.
»Clint?« Er fuhr hoch, blickte sich um und entdeckte ein Bein, das hinter einem Gebüsch hervorlugte. Sein Sekretär war durch die Luft geschleudert worden und hinter dem Grün zum Liegen gekommen.
Cosgrave stapfte zu ihm hinüber, während ihm das Regenwasser in den Kragen und seinen Rücken hinunter rann.
»O Clint...« Ein leiser Fluch entfuhr ihm, als er den Busch umrundete und seinen Sekretär im Schlamm liegen sah.
Blut lief dem anderen Mann über das Gesicht, und er blinzelte benommen. »Ich kann meine Beine nicht spüren«, ächzte er. »Könnten Sie nachsehen, ob sie noch da sind?«
»Sie... sind noch da«, zwang sich Cosgrave zu sagen. »Bleib ganz ruhig liegen. Ich werde losgehen und Hilfe holen.«
»Was ist mit den anderen?«
»Denen ist es nicht so gut ergangen, fürchte ich.«
Clint wurde blass. »Pickett?«
»Nein.«
Ein Stöhnen entfuhr dem Sekretär.
Cosgrave fluchte in sich hinein. Sie befanden sich irgendwo im Nirgendwo. Er hatte keine Ahnung, wie weit es bis in die nächste Stadt war – und ob es dort einen Arzt gab. Es widerstrebte ihm, den schwerverletzten Clint hier liegenzulassen, doch welche Wahl hatte er sonst? Wenn er nicht loszog und Hilfe holte, würde sein Sekretär die Nacht nicht überstehen.
»Ich werde einfach weiter der Straße folgen«, murmelte er, mehr zu sich selbst als zu irgendjemandem sonst. »Dann muss ich früher oder später eine Stadt erreichen.«
Er wischte sich das Regenwasser aus dem Gesicht. Dann humpelte er zurück zur Kutsche und holte eine Decke, die er über seinem Sekretär ausbreitete. Die Lider des Verletzten flatterten.
»Schön wach bleiben«, mahnte er.
»Wach bleiben. Verstanden«, kam es matt zurück.
»Ich komme so schnell zurück, wie ich kann«, versprach Cosgrave. »Du musst nur durchhalten.«
Verbissen wandte er sich um und marschierte los.
✰
Der Regen hatte den Trail aufgeweicht.
Mit den Fluten waren Steine und Geröll von den bergigen Hängen herabgespült worden. Die lagen nun auf dem Weg verstreut und drehten sich oder wackelten, wenn man darauf trat. Für ein Pferd bedeuteten sie eine beständige Gefahr, auszugleiten und sich ein Bein zu brechen. Und ein Reiter konnte sich bei einem solchen Sturz durchaus den Hals brechen.
Dazu kamen die schlammigen Pfützen, welche den Trail übersäten und vereinzelt gefährlich tiefe Löcher im Boden verbargen.
Hier in der Wildnis konnte Eile den Tod bedeuten.
Lassiter hielt die Zügel locker in der Hand und überließ es seinem Braunen, das Tempo zu bestimmen. Er vertraute dem Instinkt seines Reittieres. Es würde einen sicheren Weg finden. Nicht Hast, sondern Umsicht brachte einen Mann ans Ziel.
Er saß seit zwei Tagen im Sattel, war beinahe ununterbrochen geritten und hatte seinem Pferd und sich selbst nur die nötigsten Pausen gegönnt.
Das Telegramm hatte ihn vor zwei Tagen erreicht – und keinen Zweifel daran gelassen, dass die Lage brenzlig war.
Senator William Cosgrave war verschwunden.
Er hatte sich auf dem Weg in den Norden von Montana befunden, wo er mehrere Siedlungen besuchen und für seine Politik werben wollte. Die nächste Wahl war nicht mehr fern und sein Amt würde neu vergeben werden, wenn er nicht erneut gewählt wurde. Cosgrave galt als fortschrittlich. Ein Mann, der Montana zu Stabilität und Frieden verhelfen konnte. In Washington war sein Verschwinden mit Besorgnis registriert worden. Aus diesem Grund hatte man die Brigade Sieben beauftragt, ihn zu finden, und die hatte ihren besten Mann geschickt.
Lassiter ritt seit vielen Jahren für diese geheime Organisation, die immer dann tätig wurde, wenn die Lage brenzlig war. Sein Körper war gezeichnet von den Narben ungezählter Kämpfe, aber ans Aufhören dachte er nicht.
Nicht, solange Männer wie er gebraucht wurden.
Er hatte seine Suche in dem Hotel begonnen, in dem der Senator und seine beiden Begleiter zuletzt abgestiegen waren. Die Wirtin hatte ihm verraten, dass der Politiker trotz ihrer Warnung im Unwetter aufgebrochen war.
Seither galt er als verschollen.
Lassiter folgte der Straße, die weiter in den Norden führte.
Schlamm und Geröll machten das Vorankommen schwierig. Der Tag war so trübe, dass die Sonne keinen Schatten warf. Die Luft war schwül und schwer und verhieß weitere Regenfälle. Lassiter klebte das Hemd bald am Körper und er sehnte sich nach einem Bad, doch er hütete sich davor, in den Fluss zu steigen, der sich zu seiner Linken gurgelnd und sprudelnd durch das Tal wälzte. Die Fluten rissen alles mit, das so unvorsichtig war, ihnen in den Weg zu geraten. Immer wieder tanzten abgerissene Äste auf den Wogen, hin und wieder wurde auch das braune Fell mitgerissener kleiner Tiere sichtbar.
Lassiter behielt die Umgebung fest im Blick – und doch war es sein Pferd, das die Gefahr zuerst wahrnahm. Unruhig riss es den Kopf nach oben und wieherte.
»Ho, Großer, ganz ruhig.« Lassiter presste die Schenkel zusammen, beugte sich im Sattel vor und strich seinem Reittier über die Flanke.
In diesem Augenblick hörte er es ebenfalls.
Ein unschönes Knirschen und Knacken.
Dazu zufriedenes Gebrumm.
Nicht weit entfernt.
Lassiter zog die Winchester aus dem Sattelschuh, lud durch und ließ sein Pferd langsam weitergehen.
Der Braune scheute, aber ein kurzer, kräftiger Schenkeldruck ermutigte ihn, sich wieder in Bewegung zu setzen.
Vor ihnen machte der Trail eine Kurve. Steile Berghänge ragten links und rechts von ihnen auf. Mehrere Wasserfälle stürzten sich talwärts und vereinten sich mit dem wild sprudelnden Fluss.
Mehrere Felsbrocken lagen weiter vorn auf dem Trail verstreut. Einer davon groß wie eine Dampflokomotive. Vermutlich hatte der Regen die Brocken gelockert und abstürzen lassen. Eine helle Schleifspur auf dem grünen Untergrund verriet, wo das Gestein abgegangen war.
Hinter den Brocken lag eine Kutsche. Sie war auf die Seite gestürzt und sichtlich ramponiert. Vier tote Gespannpferde zählte Lassiter.
Und einen Grizzly.
Der tat sich soeben an den sterblichen Überresten eines Mannes gütlich, der in der Nähe der Kutsche lag.
Heiliger Rauch!
Lassiter zögerte nicht. Er hob die Winchester, zielte über den Kopf des Beutegreifers und drückte ab.
Der Knall seines Schusses zerriss die Stille.