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Von Zuhause auszuziehen und ein eigenes Leben aufzubauen war für Leon ein wichtiger Schritt. Er tat es, geriet dabei in Ereignisse, die er selber nicht für möglich gehalten hätte. Viele neue Eindrücke stürmten auf ihn ein und er genoss die Freiheiten, die ihn überrollten.
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Leons Damen
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Oft frage ich mich, warum etwas ist, wie es ist. Dabei schaue ich von meinem Liegesessel aus durch ein schräges Dachfenster und sehe den Wolken dabei zu, wie sie am Himmel vorbeiziehen. Eine Antwort auf die Frage habe ich nie erhalten.
Es hört sich an, als wenn es von jemandem kommt, der trübe in die Weite schaut und mit allem abgeschlossen, sich selber aufgegeben hat, ist es aber nicht. Ich bin mit mir und der Welt zufrieden, kann auf eine Zeit zurückblicken, die ich nicht missen möchte. Sie ist nicht beendet, vielleicht erst angefangen. Es wird sich zeigen. Gleich werde ich zu den Zwillingen gehen, sie und mich verwöhnen und eine gute Zeit haben. Bis dahin werde ich hier sitzen und vor mich hin sinnieren.
Jetzt werden sich fiele Fragen, wer die Zwillinge sind. Um das zu erklären, werde ich weit ausholen müssen. Sie steht am Ende einer ereignisreichen Kette von Zufällen und gesteuerten Ereignissen, die ich mir vor längerer Zeit nicht hätte träumen lassen.
Eigentlich fing alles damit an, dass ich bei meinen Eltern auszog und mir eine erste eigene Bleibe suchte. Viel Geld hatte ich nicht, war in der Lehre, wollte trotzdem mein eigenes Leben führen. Eine Entscheidung, die ich selber fällte. Meine Eltern hatten mich unterstützt und ich hätte bleiben können, doch ich wollte nicht.
Jeden Samstag sah ich in die Zeitung, durchsuchte die Wohnungsannoncen, stöberte im Internet auf bekannten Portalen, um eine geeignete Wohnung zu finden. Keine leichte Aufgabe, wenn man gewisse Ansprüche hat, jedoch schnell feststellt, dass die dazu gehörenden Mittel nicht vorhanden waren. Sprich, mir fehlte Geld. Was ich mir leisten konnte, wollte ich nicht, was ich wollte, konnte ich nicht bezahlen.
Wochenlang blieb meine Suche ergebnislos, was mit der Zeit nervte. Im Prinzip saß ich auf gepackten Koffern, konnte jedoch nicht abreisen. Dabei hatte es einen Vorteil, den ich später schätzen lernte. Ich konnte eine Weile länger sparen, was sich gut auf meinem Konto auswirkte. Kein Reichtum, aber ein besserer Start stand mir bevor.
Weitere Zeit ging ins Land und ich sah mir aus reiner Neugierde an, was für mein Geld angeboten wurde. Mehrere Wohnungsbesichtigungen führte ich durch, wunderte mich mehrmals, dass entsprechende Objekte überhaupt angeboten wurden. Meistens Ein - oder Zweizimmerwohnungen, die jeder Beschreibung spotteten. Eine war vollkommen dunkel, hatte ein einziges Fenster zum Hinterhof. Die andere hatte eine Kernsanierung nötig, was bereits die Elektrik zeigte. Zwei kümmerliche, alte Schraubsicherungen standen aus einem wenig vertrauenswürdigen Kasten hervor und machten einen traurigen Eindruck.
Bei einer weiteren Wohnung kamen die Tapeten von den Wänden. Eine schnelle Messung mit einem mitgebrachten Feuchtigkeitsmesser zeigte an, dass die Wände voller Wasser waren. Schimmel war vorprogrammiert. Dass man solche Wohnungen überhaupt anbot, war grauenhaft.
Ich hatte zum Glück einen Vorteil. Ich musste nicht, wollte jedoch.
Endlich fand ich eine Wohnung, die nach meinem Geschmack war. Hell, freundlich, zwei Zimmer, finanziell am Rande meiner Möglichkeiten, trotzdem wollte ich es wagen.
Der Vermieter war anderer Meinung. Er wollte lieber eine jung Frau in der Wohnung haben. Sie waren nach seiner Meinung leiser und ordentlicher als junge Männer. Ein Mädel nach seinem Geschmack war unter den Interessenten und sie nahm die Wohnung sofort. Dagegen konnte ich nicht anstinken. Schade.
Ich wollte bereits aufgeben, als ausgerechnet meine Mutter mit einem entsprechenden Angebot kam.
„Junge!“, fing sie oft mit einer Ansprache an, bei der man genau hinhören sollte.
„Ich weiß ja, dass du unbedingt ausziehen willst, und dein Vater und ich, werden uns nicht dagegen stemmen, daher haben wir uns umgehört und was für dich gefunden, wenn du willst. Es ist nicht weit weg und ich glaube, dass es dir gefallen wird!“
Ich nickte, sah sie interessiert an und fragte mich, wo der Haken war. Mutter war viel zu berechnend um keinen im Hinterkopf zu haben.
„Gestern haben wir im Tennisclub zusammengestanden und irgendwie sind wir auf das Thema Wohnung gekommen. Sabine, eine meiner Mitspielerinnen hat gemeint, dass sie unter dem Dach eine kleine Wohnung hätte, die sie seit Langem nicht mehr vermietet wäre. Mit dem vorigen Mieter hatte sie ärger gehabt und daher die Wohnung nicht mehr vergeben, nachdem sie ihn endlich losgeworden war. Es müsste einiges gemacht werden, da sie nicht renoviert wurde. Sabine wäre dazu bereit sie an dich zu vermieten. Du kannst es dir ja mal ansehen!“
Jetzt war mir der Haken an der Sache klar. Über Sabine hatte Mutter weiterhin Kontrolle über mich. Natürlich würden die beiden sich alles erzählen, egal was. Trotzdem wollte ich mir die Gelegenheit nicht entgehen lassen. Anschauen kostete nichts.
Eine Woche später hatte ich einen Termin und ging zu der angegebenen Adresse, die nicht weit von meinem Elternhaus entfernt war. Ein weiterer Vorteil für meine Eltern. Hier konnten sie mal eben vorbeikommen, ganz zufällig, weil auf dem Weg. Klar.
Interessant war es trotzdem, obwohl ich nicht wusste, wie groß die Wohnung war, noch was sie kosten sollte. Beides würde ich schnell in Erfahrung bringen.
Wenig später stand ich vor dem gepflegten Einfamilienhaus, vom Aufbau wie eine Villa, zwei Stockwerke mit abschließendem Dach, quadratisch angelegt. Dazu ein gepflegter Vorgarten, der sich vermutlich hinter dem Haus fortsetzte.
Ich wollte gerade die Zaunpforte öffnen, um zum Haus zu gelangen, als ich neben dem Gebäude eine Bewegung wahrnahm. Ich richtete meinen Blick darauf und erkannte in einer Hecke eine gebeugte Person, die diese beschnitt. Sie konnte mich nicht sehen, stand mit dem Rücken zu mir. Daher war das Auffälligste was ich erkannte ein hoch aufgerichteter Po, der sich mir entgegen streckte.
Entweder war es eine Person, die den Garten in Schuss hielt oder Sabine selber. Ich kannte sie vom Namen her, mehr nicht.
Um mir gehört zu verschaffen, räusperte ich mich, machte die Pforte möglichst geräuschvoll auf und sah demonstrativ weg, richtete meinen Blick auf die Haustür.
Aus dem Augenwinkel konnte ich beobachten, dass sich die Person aufrichtete und umdrehte.
Zwei Schritte machte ich auf das Haus zu, als sie mich ansprach.
„Leon?“, war ihre einzige Frage und ich drehte mich zu ihr um, sah in ein fröhlich lächelndes Gesicht, was mir sofort sympathisch war.
Ich nickte und bestätigte damit ihre Frage.
„Das ist schön, dass du da bist. Ich hoffe, es stört dich nicht, dass ich dich in diesem Aufzug begrüße? Ach übrigens, ich bin Sabine!“
Sie kam aus der Hecke, stiefelte durch das davor liegende Blumenbeet. Während sie auf mich zukam, zog sie ihre Handschuhe aus und ich erblickte tadellose Hände, an denen die rot lackierten Fingernägel hervorstachen. Da machten Handschuhe Sinn.
Wenige Sekunden später stand Sabine vor mir, reicht mir die Hand zum Gruß und sah mich mit fröhlichen blauen Augen an, wobei der Ausdruck in ihrem Gesicht von einer Menge Sommersprossen Unterstützung fanden. Ihre rötlich blonden Haare hatte sie in einem dicken Zopf gebunden. Ansonsten sah sie aus, wie man es sich vorstellte, wenn jemand im Garten arbeitete. Latzhose, Stiefel und zu meiner Überraschung ein männliches Holzfällerhemd. Es hatte oben rum die falsche Passform und war zu eng, ließ ihren ausladenden Vorbau besonders hervortreten. Ich zwang mich dazu, ihn nicht zu betrachten, konzentrierte mich auf ihre Augen.
„Hallo!“, war meine Begrüßung und wir schüttelten uns die Hände.
Sabine lächelte mich an und betrachtet mich für einen Moment von oben bis unten.
„Es freut mich, dich kennenzulernen. Du bist unverkennbar das Produkt deiner Eltern, siehst ihnen ähnlich!“
„Das haben mir schon viele gesagt!“, antwortete ich und musste dabei nicht lügen. Ich sah meinem Vater wirklich ähnlich.
„Glaube ich dir aufs Wort. Aber du bist sicher nicht hierher gekommen, um eine Abhandlung über die Vererbung mit mir zu diskutieren. Möchtest du dir jetzt die Wohnung ansehen? Ach übrigens, ich hoffe es stört dich nicht, dass ich Du zu dir sage!“
„Gerne!“, antwortete ich auf beide Fragen und überließ es Sabine mich zum Haus zu führen. Sie ging vor, blieb vor der Haustür stehen, beugte sich tief herunter, um ihre schmutzigen Gummistiefel auszuziehen. Erneut sah ich auf die straffen Backen, die sich unter dem Stoff deutlich abzeichneten.
Wenig später standen wir in einer Art Vorflur, von dem links eine Treppe abging und nach oben führte, vor uns war eine zweite Haustür, die in die untere Etage führte.
Sabine ging auch hier vor, stieg die Treppe vor mir hoch, nahm eine Zweite, die sich der Ersten anschloss und unters Dach führte. Dabei konnte ich Sabine von hinten betrachten und genoss den Anblick, der sich mir bot.
Oben angekommen, folgte eine weitere Tür die Sabine aufschloss. Sie öffnete sie für mich, deutete mir an, dass ich eintreten sollte.
„So junger Mann, das kann dein Reich werden, wenn du möchtest. Allerdings muss noch ein wenig Arbeit reingestreckt werden. Der Zustand ist nicht besonders gut, aber das wird dir deine Mutter bereits gesagt haben!“
Ein wenig Arbeit war gut ausgedrückt. Seit Langem war die Wohnung nicht bewohnt und der Vormieter war nicht sorgfältig damit umgegangen. Es gab keine Ecke, in der nichts zu tun war. Die kleine Küche starrte vor Dreck, der von einer Staubschicht überzogen war. Im Bad war die Keramik zertrümmert, das Waschbecken sah nicht besser aus. Hier war eine teure Renovierung vonnöten.
„Hmmmm, hatte ganz vergessen, wie schlimm es hier oben aussieht. Aus den Augen, aus dem Sinn. Ich könnte mir gut vorstellen, dass es dich nicht anspricht!“
Auch wenn der Zustand bemitleidenswert war, sagte mir die Wohnung doch zu. Sie war geräumig, hatte alles, was ich brauchte, wenn sie auf Vordermann gebracht wurde. Dazu benötigte man Zeit und Geld. Vieles konnte ich selber machen, kostete keine Arbeitsleistung.
„Sieht nicht schlecht aus. Ein wenig Farbe hier, ein paar Reparaturen dort und schon könnte ich es mir gemütlich machen. Bliebe die Frage, was kostet der Spaß?“
Sabine sah mich fragend an, schien zu überlegen.
„Darüber habe ich mir keine Gedanken gemacht, bin davon ausgegangen, dass du sie nicht nehmen würdest. Was kannst du denn aufbringen? Ich habe schließlich auch Vorteile durch dich. Es kommt wieder Leben in das große Haus, in dem es einsam ist, wenn man hier alleine wohnt. Das Wissen, das dort noch jemand ist, ist eine Wohltat für die Seele!“
Es war eine seltsame Frage, wenn eine Vermieterin den Mieter danach fragt, was er für die Wohnung bezahlen kann oder möchte. Daher überlegte ich einige Sekunden. Es war verführerisch Sabine einen geringen Mietzins anzubieten, doch mein Anstand brachte das nicht fertig. Sie sollte von mir bekommen, was ich aufbringen konnte. Dafür bekam ich eine entsprechende Leistung.
Ich nannte einen Preis, der mich nicht an den Abgrund der Zahlungsunfähigkeit brachte, mir einen gewissen Spielraum ermöglichte. Normalerweise zu wenig für ein solches Objekt, mehr ging nicht, wenn ich nicht verhungern wollte.
Sabine sah sich einmal um, nickte danach kurz mit dem Kopf.
„OK, abgemacht, wenn du willst. Ich biete dir für die Arbeit, die du hier reinstecken musst, die ersten zwei Monate mietfrei an, sowie die Bezahlung der Materialien die du brauchst. Wenn du damit einverstanden bist, kommen wir ins Geschäft!“
Besser konnte es für mich nicht laufen. Schnell schlug ich in die Hand ein, die mir Sabine zur Besiegelung unseres Geschäfts entgegen hielt.
„Abgemacht!“, sagte ich zur Bestätigung und wir hielten uns gegenseitig die Hände fest, schüttelten sie leicht.
„Wann wirst du hier einziehen?“
„Sobald wie möglich. Ich könnte morgen damit anfangen. Wenn es dir lieb ist?“
Sabine musste nicht lange überlegen. Sie nickte mir zu, setzte dabei ihr bezauberndes Lächeln auf und wir ließen uns endlich los.
„Bis morgen. Ich muss jetzt im Garten weitermachen, sonst werde ich nicht fertig damit. Hier sind die Schlüssel. Den Mietvertrag mache ich fertig, kannst ihn morgen unterschreiben!“
Ohne ein weiteres Wort verließ sie die Wohnung, ließ mich dort stehen und ich hatte die Möglichkeit, mir alles genauer anzusehen. Eine Stunde verbrachte ich damit mir Gedanken darüber zu machen, was ich brauchte, womit ich anfangen wollte und alles andere. Zuerst musste das Bad hergerichtet werden und die Tapeten von den Wänden. Damit wollte ich anfangen. Die Küche konnte warten.
Zufrieden mit mir und der Welt verließ ich später die Wohnung, schloss sie ab und hatte ein gutes Gefühl bei der Sache. Die Wohnung konnte ich mir gut vorstellen, wie sie nach der Renovierung aussah, Sabine mochte ich. Sie hatte eine erfrischende Art, die ich an ihr mochte, war nicht verstaubt wie viele andere in ihrem Alter. Ich war mir sicher, dass wir gut miteinander auskommen würden.
Mit diesen Gedanken im Kopf, verließ ich das Haus, sah mich draußen nach Sabine um, von der ich mich verabschieden wollte. Sie war nicht zu sehen, was ich schade fand. Also lief ich fröhlich pfeifend nach Hause, was nicht mehr lange meins sein würde.
Mutter sagte nicht viel zu der Nachricht von mir. Sie hatte sich inzwischen damit abgefunden, dass ich ausziehen würde. Es war nicht die Frage ob, sondern wann. Immerhin hatte sie mich durch Sabine unter Kontrolle.
Ich hatte Glück, dass mein neues Heim nicht weit weg vom Haus meiner Eltern entfernt war. Vieles konnte ich mithilfe eines Bollerwagens hinschaffen, wobei es mir zugutekam, dass ich nicht viel besaß.
Das meiste musste ich bestellen oder besorgen, eine Aussteuer hatte ich nicht und die vielen Kleinigkeiten fraßen das Guthaben auf meinem Konto schnell auf. Ich konnte das Geld nicht in der Geschwindigkeit verdienen, wie es durch meine Hände rann. Dabei waren die großen Anschaffungen noch nicht dabei, musste mit dem auskommen, was ich hatte. Ein alter Fernseher tat es auch, genauso wie mein Bett, was ich mitnehmen würde. Ich hatte nie Wert auf darauf gelegt, daher war es eines dieser Stahlrohrbetten, versehen mit einer einfachen Matratze. Man konnte gut damit auskommen, solange man alleine war. Es war zu eng für zwei, wobei ich bis jetzt nie in die Verlegenheit gekommen war, es auszuprobieren. Wenn ich eine Freundin hatte, was selten vorkam, schliefen sie nie bei mir. Ich war nicht der Frauentyp, auf den die jungen Dinger standen. Wenig Geld, wohnte Zuhause, fuhr Fahrrad, hatte kein Auto. Ein Durchschnittstyp, nach dem sich niemand umdrehte. Mir machte es wenig aus, war jedoch oft erstaunt, auf was für Typen die Mädels standen. Aufschneider, Lügner, Männer, die auf dicke Tasche machten. Besonders wenn es Machos waren, die den Frauen nichts gaben, sondern nahmen, konnte ich es nicht verstehen. Aufgeblasene Gockel, denen die Frauen hinterherliefen. Ich schüttelte meinen Kopf, wenn ich es sah. Es bewahrheitete sich oft, was mir jemand gesagt hat. Frauen wollen keine lieben Männer, zumindest nicht für das eine. Sie mögen mit uns reden, diskutieren, uns ihre Geheimnisse anvertrauen, doch mehr nicht. Mit uns wollten sie sich nicht in der Öffentlichkeit zeigen, wollen was anderes im Bett. Dieser Realität musste ich ins Auge sehen, konnte mich nicht in diese Richtung entwickeln. Das war nicht ich, man hätte es mir nicht geglaubt.
Immerhin konnte ich jetzt eines dieser Dinge ändern. Ich verließ mein Elternhaus, hatte eine eigene Wohnung. Das war ein Anfang in die richtige Richtung, auch wenn die Einrichtung bescheiden war.
Drei Tage brauchte ich für die Tapeten, wobei es danach nicht professionell aussah. Mir reicht es. Sabine hatte inzwischen eine Firma damit beauftragt, die Armaturen im Bad auszuwechseln. Leider hatten Handwerker die Angewohnheit einen Auftrag schnell anzunehmen, mit der Ausführung dauerte es länger. Es blieb mir nichts anderes übrig als bei Sabine zu klingeln, wenn es nicht mehr anders ging, auch wenn es mir peinlich war.
Auch wenn ich Sabine damit störte, lächelte sie mich an, wenn ich vor der Tür stand.
„Kann ich mal!“, sagte ich einfach und sah zu der Tür des Gäste-WC, die direkt gegenüber der Eingangstür war. Sabine grinste dabei breit übers Gesicht, machte den Weg frei und ließ mich vorbei.
„Natürlich Leon, kein Problem!“, waren ihre Worte, wenn ich an ihr vorbei ging. Dabei fiel mir ihr schweres, süßes Parfüm auf, was sie auftrug, wenn sie nicht im Garten arbeitete. Die ganze Wohnung roch danach, wenn man die Luft tief einatmete. Ich fand, dass es nicht zu ihr passte. Sie war eher der sportliche Typ, zu dem ein leichter Duft gepasst hätte. Dies sagte ich ihr nicht, behielt es für mich. Ich wollte ihren Geschmack nicht kritisieren.
Endlich war ich fertig, konnte jedoch nicht einziehen, da das Bad einfach nicht fertig wurde. Kein Klo, kein Waschbecken. Ohne ging einfach nicht.
Ich sprach mein Bedauern bei Sabine an und sie verdrehte die Augen.
„Handwerker!“, sprach sie aus, schüttelte dabei den Kopf.
„Wir können es auch anders machen. Ich gebe dir meinen Hausschlüssel und du kannst ins Bad gehen, wenn du willst. Es macht mir nichts aus, ich vertraue dir in dieser Sache. Wenn ich mal verreise, werde ich dich darum bitten, meine Blumen zu gießen. Was hältst du davon?“
Ich musste nicht lange überlegen, auch wenn es mir seltsam vorkam, ihr Bad zu benutzen. Besonders wenn es über das Gästebad hinaus ging. Ich musste auch Körperpflege betreiben und das war was anders als zu pinkeln. Es blieb mir nichts anders übrig, da mir Sabine eröffnete, dass es sich weiter verzögern würde. Ich wollte endlich einziehen.
„Ok, wenn es dir nichts ausmacht?“
„Nein, sonst würde ich dir das Angebot nicht machen!“, kam als Antwort und ich nickte.
„Dann werde ich am Wochenende meine letzten Sachen holen!“, entschied ich und Sabine nickte zustimmend.
Als ich meinen Eltern meine Entscheidung mitteilte, herrschte für einen Moment betretenes Schweigen. Dass es dazu kommen musste, war klar gewesen, trotzdem traf es sie stärker als ich gedacht hätte und sie taten mir leid. Es muste sein, darüber waren wir uns einig. Ein neuer Lebensabschnitt für mich, auch für sie, kam unweigerlich auf uns zu. Es konnte nicht ewig weitergehen wie zuvor. Am Freitag Nachmittag baute ich meine Möbel auseinander, schleppte die Sachen in die Wohnung und war gegen Mitternacht fertig sie aufzubauen. Lediglich meine Matratze war zurückgeblieben. Eine letzte Nacht wollte ich in meinem alten Zimmer verbringen.
Bei meinen Eltern angekommen, setzte ich mich auf die Matratze, die auf dem Boden lag und sah um mich herum. Es war seltsam in dem ausgeräumten Raum zu sein, die Ränder an der Tapete zu sehen, wo zuvor Bilder hingen, oder mein Kleiderschrank gestanden hatte. Um es einfach zu sagen, war ich eine kurze Zeit am Zweifeln, ob ich es richtig machte. Dies wischte ich beiseite, versuchte an andere Dinge zu denken, was nicht vollständig gelang.
Lange lag ich wach, starrte an die Decke, lauschte auf die Geräusche der Nacht, die mich mein ganzes Leben begleitet hatten. Alltägliche Laute, die es in der Form nicht mehr geben würde. Andere würden an meine Ohren dringen, zu meinem neuen Alltag werden.
Am frühen Morgen schlief ich endlich ein, fiel in einen traumlosen Schlaf.
Als ich aufwachte, blieb ich für einen Moment liegen, sah jedoch ein, dass ich es nicht ewig aufschieben konnte. Ich zog mich an, rollte die Matratze zusammen, brachte sie nach unten, schnallte sie auf den Bollerwagen und ging ein letztes Mal zu meinen Eltern, die mich mit großen Augen ansahen.
Ich hatte den Eindruck, als wenn ich nach Australien auswandern, und wir uns für lange Zeit nicht mehr sehen würden. Es war ein Akt, bis ich endlich los konnte. Meine Eltern standen an der Tür, sahen mir hinterher, bis ich aus ihrem Blickwinkel verschwand. Hier hielt ich kurz an, atmete tief durch und ging erleichtert weiter. Dafür, dass wir wenige Hundert Meter voneinander getrennt waren, war es mächtig viel gewesen.
In meinem neuen Heim angekommen, machte ich das Bett fertig und setzte mich auch hier eine Weile darauf. Jetzt war ich in meinem neuen Reich angekommen, eine Tatsache, die ich vor zwei Monaten nicht in Aussicht gestellt hatte.
Wenig später ging ich was essen. Die kleine Küche, die ich bestellt hatte, war nicht geliefert worden. Es erging mir wie beim Bad. Termine platzen schnell. Ich hoffte dabei, dass es schnell ging, meine finanziellen Reserven waren verbraucht und lange konnte ich es mir nicht leisten, außerhalb zu essen. Wobei Essen nicht das richtige Wort war. Nahrungsaufnahme würde ich es nennen. Restaurants waren mir zu teuer, Pommes mit Bratwurst mussten reichen. Danach kaufte ich einige Getränke und trug sie nach oben. Als ich zum zweiten Mal nach oben lief, kam Sabine aus ihrer Tür und sah mich schleppen.
„Ah, fertig geworden. Bist schon eingezogen?“
„Ja, endlich. Heute ist die erste Nacht in meinem neuen Heim!“
„Schön. Freut mich für dich. Eigentlich sollten wir darauf anstoßen. Hast du heute Abend eine Stunde Zeit, dann könnte wir uns zusammensetzen und ein Gläschen auf unsere neue Wohngemeinschaft heben!“
Ich hatte nichts vor und es war Wochenende. Es sprach nichts dagegen und es gab mir die Möglichkeit, Sabine besser kennenzulernen. Sie war eine interessante und angenehme Persönlichkeit, die mir als Mensch gefiel, mehr nicht.
„Gerne. Wann denn?“
„Gegen acht?“
„Bis heute Abend!“
Ich verschwand in meiner Wohnung, fragte mich, ob ich zu diesem Anlass etwas mitbringen sollte. Konfekt fand ich unpassend, Blumen waren besser. Die nächste Frage war, ob Schnittblumen oder was im Topf. Ich überließ es dem Zufall, ging zum nächsten Gartencenter und sah mich um, ließ mich von dem inspirieren, was sich meinen Augen präsentierte.
Ein kleiner Garten in einem dickbauchigen Glas fiel mir sofort in die Augen. Hier waren einige Sukkulenten hübsch auf kleine Steine angerichtete worden und machten einen interessanten Eindruck. Leider war es teurer als ich veranschlagt hatte. Was Besseres fand ich jedoch nicht. Mehrmals kam ich zu dem Glas zurück, wusste innerlich, dieses und nichts anderes. Ich kratzte mein letztes Geld zusammen, erwarb das Glas und brachte es überaus vorsichtig nach Hause, damit das Arrangement nicht unter dem Transport litt.
Ohne einen Unfall und heilfroh kam ich an, brachte es möglichst leise nach oben, damit Sabine nicht mitbekam, dass ich zurück war. Es sollte eine Überraschung werden, daher durfte sie es vorher nicht sehen.
Gegen sieben Uhr ging ich nach unten, schloss ihre Tür auf und rief nach ihr, um ihr anzuzeigen, dass ich ihr Reich betreten hatte. Ich bekam keine Antwort, daher ging ich davon aus, dass sie nicht da war.
Schnell stieg ich in die Dusche, machte mich für den Abend fertig, wollte zu dem Anlass gut aussehen und riechen. Zehn Minuten später war ich fertig, trocknete mich ab und wickelte mir das Handtuch um die Lenden. Es war niemand im Haus, also konnte ich den kurzen Weg bis in meine Wohnung erreichen, ohne mich vorher vollständig zu bekleiden. Oben wollte ich was anders anziehen.
Mit schnellen Schritten verließ ich das Bad, öffnete die Wohnungstür und bekam einen gewaltigen Schrecken, als Sabine mit dem Schlüssel in der Hand vor mir stand, den sie gerade ins Schloss stecken wollte. Sabine ging es nicht anders. Sie zuckte zurück, war von meinem plötzlichen Auftauchen überrascht.
„Huch!“, war ihr einziges Wort, wobei ihre Augen für einen kurzen Moment über meinen Körper wanderten.
„Ohhh, entschuldige. Ich wusste nicht, dass du jetzt kommst!“, versuchte ich eine Ausrede für meinen Aufzug zu finden. Es war mir peinlich halb nackt vor ihr zu stehen. Außer dem knappen Handtuch und meinen Klamotten unter einem Arm, war ich nicht bekleidet. Oberkörper und Beine waren unbedeckt.
„Schon gut. Ist ja nichts passiert!“, urteilte Sabine über die Situation, machte mir den Weg frei und ließ mich passieren. Sie sah mir hinterher, als ich an ihr vorbei war und die Treppe hochging. Dabei war mir nicht bewusst, dass man von unten durch das Geländer hindurchsehen konnte.
Als ich oben angekommen war, hörte ich ihre Stimme von unten.
„Bis gleich!“, rief sie zu mir herauf und schloss danach dir Tür hinter sich.
In meiner Wohnung angekommen, suchte ich ein entsprechendes Outfit heraus. Ich wollte gut aussehen, daher war ein Hemd angesagt, dazu eine Stoffhose und entsprechende Schuhe, die ich selten trug. Sie waren unbequem und eigentlich mochte ich sie nicht. Schuhe hatten für mich ausgelatscht zu sein, nicht neu. Diese waren es und fristeten seit langer Zeit ihr Dasein in einer Schachtel. Mutter hatte sie mir gekauft und war der Meinung gewesen, dass man ein Paar davon haben müsste. Zeitlos chic, Ledersohle, in einem tiefen kastanienrot gehalten. Sie passten zu der sandbraunen Bundfaltenhose genauso wie das dunkle Hemd. Es kam mir ein wenig viel vor, aber warum nicht.
Kurz vor Acht, ging ich nach unten, hatte das eingepackte Glas unter dem Arm und klingelte an der Tür. Ich hatte zwar einen Schlüssel, fand es hier unangebracht ihn zu benutzen. Ein Gast ging nicht einfach in die Wohnung eines anderen.
Sabine machte auf, hatte sich ebenfalls umgezogen. Beide sahen wir uns einen Moment an, hatten uns beide verwandelt, sahen nicht aus wie sonst.
„Das ist aber eine tolle Überraschung, kommt rein, damit habe ich nicht gerechnet!“, meinte Sabine, ließ mich an ihr vorbei in die Wohnung.
Erneut stieg mir ihr Geruch in die Nase, intensiver als zuvor. Dazu betrachtete ich kurz ihr Outfit.
Sie trug eine einfache, weiße Bluse ohne Schnörkel, dazu einen halblangen dunkelblauen Rock und schwarze, halbhohe Pumps, nichts Aufdringliches. Dadurch, dass ich es sie das erste Mal in einem solchen Aufzug sah, war es was besonders. Sonst kannte ich sie nur in Jeans oder Latzhose, Holzfällerhemd oder Pullover mit sportlichen Tretern oder Gummistiefeln.
Sabine führte mich in ihr großes Wohnzimmer, dessen Einrichtung altbacken aussah. Anscheinend stand sie auf Antiquitäten, entsprechend sah es dort aus. Zumeist dunkle Möbel aus Mahagoni. Ein großer Stubenschrank mit vielen Schubladen und zwei verglasten Türen. An einer anderen Wand stand ein Sekretär aus derselben Zeit. Die Sitzgarnitur bestand aus drei Zweiersofas, die ursprüngliche nicht zusammengehörten. Sie waren jedoch mit demselben Stoff bespannt, daher ging ich davon aus, dass sie neu aufgepolstert worden waren. Ein niedriges Buffet und eine große Standuhr rundeten das Bild ab.
Trotz allem war es nicht dunkel und muffig im Raum, wie man es sich vorstellen würde. Das Wohnzimmer lag zur Gartenseite nach hinten heraus und war über die ganze Seite verglast. Davor war ein großer Wintergarten angebaut worden, der dafür sorgte, dass es heller und freundlicher wirkte. Im Gegensatz zu dem Wohnzimmer, war hier eine moderne Rattangarnitur aufgestellt worden. Zu meinem Erstaunen biss sie sich nicht mit den alten Möbeln des Wohnzimmers, da sie bis auf die dicken, beigefarbenen Polster, ebenfalls in einen dunklen Ton gehalten waren, was sich an den Farbton der alten Möbel anglich.
In diesen Wintergarten gingen wir und Sabine bot mir Platz auf der U-förmigen Sitzgelegenheit an. Ich setzte mich, fühlte mich sofort wohl, als ich in dem weichen Polster versank. Es war nicht dafür gemacht, normal sitzen zu können. Die Sitzfläche war zu tief. Entweder man lümmelte sich auf das Polster oder musste auf dem Rand sitzen bleiben, sonst musste man sich weit zurücklehnen, was liegen gleichkam.
Sabine sah es mit einem leichten Lächeln auf den Lippen, sagte nicht dazu. Stattdessen fragte sie mich: „Sekt?“
Ich überlegte einen Moment, länger als Sabine vermutete hatte.
„Kannst auch ein Bier haben!“
Erleichtert willigte ich ein.
„Von Sekt werde ich immer schnell wuschig, geht mir sofort ins Blut!“, sagte ich als Entschuldigung und Erklärung für die Ablehnung ihres ersten Angebots.
„So so, wuschig!“, wiederholte sie, nickte dabei mit dem Kopf und ihre Lippen formten ein hintergründiges Lächeln. Danach drehte sie sich um, ging ins Haus, um das Gewünschte zu holen.
Währenddessen sah ich mir den hinteren Garten an, den ich durch das Glas in seiner ganzen Pracht überschauen konnte.
Hier zeigte sich mir, was ich bereits vermutete hatte. Sabine hatte ein Händchen dafür, den Garten aussehen zu lassen, als wenn alles natürlich wuchs, sich dort selber angesiedelte hatte, wo es wollte. Eine geordnete Unordnung gestaltet wie eine winzige Parkanlage. Zu meinem Erstaunen erblickte ich in dem ganzen Durcheinander eine kleine Fläche, auf der jede Menge Unkraut wuchs. Brennnesseln, Disteln, diverse Wiesenblumen. Es passte nicht ins Gesamtbild.
Als ich mir Gedanken darüber machte, kam Sabine zurück, trug vor sich ein kleines Tablet mit den Getränken. Eine geöffnete Flasche Sekt, eine Bierflasche, entsprechende Gläser.
Sie stellte alles auf den niedrigen Tisch, der vor der Garnitur stand, sah mich fragend an, als sie das Bierglas in der Hand hielt.
„Glas oder Flasche?“
Normalerweise trank ich Bier aus der Flasche. Es konnte nicht überlaufen, weniger abzuwaschen, zumindest in meiner Wohnung, eine Spülmaschine hatte ich nicht.
Kurz überlegte ich, frage mich, ob es dem Anlass entsprechend war, mein Bier aus der Flasche zu trinken, kam dabei zu dem Schluss, dass es eine Veranstaltung war, in der man sich keiner Etikette hingeben musste.
„Wenn es nichts ausmacht, ohne Glas!“, antwortet ich und sah in Sabines zufriedenes Gesicht.
„Mag ich auch lieber!“, gestand sie, stellte trotzdem das Glas auf den Tisch.
Ihre Flasche mit Glas stellte sie direkt daneben, setzte sich mit schräg angewinkelten Beinen auf das Sofa, griff nach unten, zog die Schuhe aus, ließ ein wohliges Stöhnen hören und hob ihre Beine mit auf das Sofa. Hier drehte sie sich zu mir, saß in einem der Winkel des Sofas, legte einen Arm ausgestreckt oberhalb der Rückenlehne ab.
„Besser so!“, flüsterte sie, richtete ihren Blick auf ihr Glas, dass sie von dort aus nicht erreichen konnte.
„Würdest du bitte?“, meinte sie in meine Richtung und nickte mit ihrem Kopf in Richtung der Flasche.
Diese Andeutung war nicht schwer zu verstehen. Ich beugte mich vor, goss ihre Glas soweit voll, dass ich es ihr herüberreichen konnte, ohne dass unterwegs ein Unfall geschah. Sie nahm es dankend an, nippte am Rand und verdrehte ihre Augen.
„Es ist wunderbar nach der Arbeit des Tages hier zwanglos zu sitzen, in den Garten zu schauen und die Seele baumeln zu lassen. Wie findest du ihn übrigens?“
Ich sah erneut in den Garten, obwohl ich ihn bereits ausführlich begutachtete hatte.
„Wunderschön. Es ist erstaunlich, was man mit dem wenigen Platz machen kann, wenn man ein Händchen dafür hat!“
„Danke für das Kompliment. Es ist mein zeitintensivstes Hobby. Es macht mir Spaß mit den Händen zu arbeiten, es zu formen, dabei zuzusehen, wie es wächst und gedeiht. Im Winter machte es mich traurig, dass nichts zu tun ist. Dann bin ich oft im Keller und töpfer ein wenig. Mit Ton zu arbeiten ist auch kreativ. Der Werkstoff hat eine wunderbar geschmeidige Konsistenz, fühlt sich glatt und glitschig zwischen den Fingern an. Ein schönes Gefühl!“
Ich sah weiterhin in den Garten, wobei meine Gedanken abschweiften. Ich sah Sabine im Keller sitzen, zwischen ihren Beinen die Töpferscheibe, darauf ein großer Klumpen Ton, den ihre geschmeidigen Finger in Form brachten. Er drehte sich schnell, während sich ihre Finger in die Masse drückten. Der Werkstoff bekam einen länglichen Zustand, bildete oben einen dickeren Kopf aus. Nass drehte er sich um die eigene Achse und ich sah Sabines rote Fingernägel, die von der Grundfarbe des Tons deutlich abstachen. Mir wurde anders bei dem Gedanken und ich versuchte ihn aus meinen Gedanken zu tilgen, was mir nicht gelang. Es hatte eine Auswirkung auf mich, was nicht sein sollte. Dabei war gut, dass ich aufrecht auf der Kante des Sofas saß, eine andere Position wäre nicht ratsam gewesen.
In diesem Moment griff ich nach meiner Flasche, setzte sie an die Lippen an und nahm einen tiefen Schluck, ließ das gut gekühlte, prickelnde Getränk durch meine Kehle rinnen. Dies brachte mich schnell auf den Boden der Tatsachen zurück.
„Sag mal, ist das nicht unbequem so zu sitzen? Sieht ja aus, als wenn du einen Stock im Hintern hast!“
Ich drehte mich zu ihr um, sah in ihr breit grinsendes Gesicht, hätte nicht gedacht, dass sie einen derartigen Ton anstimmen würde.
„Kannst ruhig die Schuhe ausziehen und es dir bequem machen. Oder wolltest du gleich gehen?“
Ich schüttelte meinen Kopf, zog wie mechanisch die Schuhe aus und schob meinen Körper auf das Sofa, hielt dabei die Flasche fest.
Sabine hatte recht, es war wesentlich bequemer als vorher. Man konnte entspannen und den Rücken entlasten.
„Na also. Geht doch!“, meinte Sabine, nickte mir wohlwollend zu.
War unsere Unterhaltung bis dahin stockend gewesen, änderte es sich mit der Zeit, wobei Sabine den größeren Anteil an der Konversation hatte. Es ging meistens um den Garten, was sie damit vorhatte, welche Veränderungen sie daran vornehme wollte. Mehrmals fragte sie mich, was ich davon halten würde, ich konnte wenig dazu sagen, hatte wenige Ahnung davon, was wo und wie wuchs. Später durfte ich ein wenig von mir erzählen, was jedoch schnell endete. Mein Leben beinhaltete wenige Höhepunkte und daher war mein Part an der Unterhaltung dürftig.
Trotzdem hörte mir Sabine genau zu, unterbrach mich höchstens durch eine Frage. Dabei gab es nicht viel, was ich darauf antworten konnte. Eine Frage brachte mich jedoch ins schwanken.
„Hast du eine Freundin?“, fragte Sabine mich an einer Stelle, an der ich es nicht vermutet hatte.
„Nein. Zurzeit nicht!“, dabei ließ ich aus, dass dieser Zustand seit geraumer Zeit anhielt.
„Schade!“, meine Sabine wie nebenbei, was ich nicht verstand, äußerte sich jedoch nicht direkt dazu. Stattdessen meinte sie: „Mein Mann ist leider vor ein paar Jahren verstorben, habe danach niemanden mehr gefunden, der zu mir passt. Je länger man alleine lebt, umso seltsamer wird man, stellt seltsamerweise höhere Ansprüche als zuvor, arrangier sich damit, alleine zu sein. Ich hatte immer gedacht, dass es anders herum wäre, man würde weniger voraussetzen, um einen neuen Partner zu bekommen. Ist aber nicht so. Ich werde wohl als alte, ausgetrocknete Jungfer enden, die griesgrämig in die Welt schaut und jeden verflucht, der glücklich ist!“
Ich sah Sabine an, konnte mir einen entsprechenden Kommentar nicht verkneifen.
„Glaube ich nicht, du siehst gut aus, kannst einen Mann sicher viel bieten!“
„Und das kannst du nach dieser kurzen Zeit beurteilen, die wir uns kennen?“, fragte Sabine mich, sah mich dabei mit einem schelmischen Gesichtsausdruck an.
„Ich glaube schon!“, antwortete ich mit fester Stimme, war von meiner Aussage überzeugt.
Sabine ließ es dabei bewenden, lenkte mich darauf hin, ihr ein weiteres Glas Sekt einzuschenken. Sie nahm es entgegen, strich dabei mit der Fingerkuppe eines Fingers über einen von Meinen. Es war kurz, dauerte einen winzigen Moment, war kaum zu spüren, trotzdem nahm ich es wahr. Sabine schien es nicht zu bemerkten oder tat einfach, als wenn es zufällig passiert wäre.
Sofort zog sie ihre Hand zurück, nippte an dem prickelnden Getränk, dessen Kohlensäure in feinen Perlen nach oben stieg. Mein Bier war leer. Ich stellte die Flasche auf den Tisch, sah für einen Moment verträumt in den Garten, bekam kaum mit, was Sabine erzählte.
„Noch ein Bier?“, war die Frage, die ich zwischendurch überhörte. Sabine musste sie wiederholen, damit es in mein Bewusstsein aufstieg.
„Sabine an Leon, hörst du mich?“, fragte sie und ich drehte meinen Kopf in ihrer Richtung.
„Noch ein Bier?“, fragte sie umso eindringlicher und ich nickte.
„Macht es dir was aus, es dir selber zu holen?“
Ich schüttelte meinen Kopf, stand auf und bekam von ihr die Erklärung, wo sich die Küche befand. Mit der Beschreibung im Kopf ging ich in die entsprechende Richtung, öffnete die Tür und stand in ihrem Schlafzimmer. Ich hatte nicht richtig zugehört, wie oft in meinem Leben.
War ich schon mal hier, riskierte ich einen kurzen Blick. Ein riesiges Bett, höher als normal, stand an der gegenüberliegenden Wand. Daneben zwei entsprechend hohe Nachttischchen, größer als ich es kannte. Zu meinem Erstaunen gab es ein bodentiefes, breites Fenster, was durch einen weißen, langen Vorhang verhängt wurde. Der Stoff war dünn, ließ viel Licht hindurch, war eher eine Gardine, ein Schleier. Zu meinem großen Erstaunen stand davor eine frei stehende, große Badewanne, weiß mit goldenen Wasserhähnen. Daran befestigt, zwei Vorrichtungen, für weiße, kuschelig aussehende Badehandtücher. Zwei teuer aussehende Karaffen mit farbiger Flüssigkeit standen auf dem Rand, enthielten wohl Badezusätze.
Ich hätte mich gerne umgesehen, doch die Zeit reichte nicht dafür. Schnell machte ich die Tür zu, ging in die Küche, die ich ohne Umstände fand, öffnete den Kühlschrank und fand mehrere, verschiedene Sorten Bier, teilweise unbekannt. Ich schnappte mir wahllos eine Flasche davon, ging damit zurück zu Sabine, die wie zuvor auf ihrem Platz saß und nach draußen starrte.