Tagebuch meiner Liebe - Kastor Aldebaran - E-Book

Tagebuch meiner Liebe E-Book

Kastor Aldebaran

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  • Herausgeber: BookRix
  • Kategorie: Erotik
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2020
Beschreibung

Eine Geschichte, die bilhaft vor Augen führt, wozu eifersüchtige Männer fähig sind. Man neigt beinahe zum Fremdschämen und man wüsste wirklich gern, wie Ingas Weg witergeht. Vielleicht kann Kastor Aldebaran das nächste Tagebuch ja doch noch finden. Wünschenswert wäre es!

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Kastor Aldebaran

Tagebuch meiner Liebe

BookRix GmbH & Co. KG81371 München

Impressum

 

Tagebuch meiner Liebe

 

 

 

Kastor Aldebaran c/o Block Services Stuttgarter Str. 106 70736 Fellbach

 

[email protected]

 

Cover Gestaltung: Kastor Aldebaran

 

Bild: Pixabay.com

 

Pixabay License

 

Homepage: http://www.kastor-aldebaran.com/

 

Auf meiner Homepage, einmal pro Monat, nach Anmeldung, einen kostenlosen Newsletter inclusive einer exklusiven Kurzgeschichte, nicht im Internet zu bekommen.

 

You Tube: https://www.youtube.com/results?search_query=kastor+aldebaran

 

 

 

Kapitel 1

 

Manchmal geschehen Dinge, über die man sich zuvor keine Gedanken gemacht hat. Sie kommen plötzlich und ohne Ankündigung. Mich überfiel es aus dem Nichts, sozusagen aus dem Hinterhalt, innerhalb kürzester Zeit. Es begann an einem fürchterlich verregneten Tag, einem an dem man keinen Hund vor die Tür jagte. Grau und tief hingen die Wolken, sahen danach aus, als wenn sie ihre gesamte Ladung an diesem einen Tag abladen wollten. Jetzt hatte ich Zeit dafür, Dinge zu tun, nach denen ich kein Verlangen hatte, trotzdem getan werden mussten. Das Ganze hatte einen Namen, der mich erschauern ließ. Aufräumen.

Um es genau zu sagen, meinen Dachboden. Vor ein paar Monaten hatte ich ein kleines Haus gekauft, es möglichst schnell eingeräumt, danach keine Lust mehr dazu gehabt, irgendwas in die Hand zu nehmen. Die Renovierungsarbeiten waren genug gewesen, auch den Keller hatte ich geschafft, zu mehr war ich nicht gekommen. Platz hatte ich genug gehabt, brauchte den Raum unter dem Dach nicht. Ein einziges Mal war ich dort oben gewesen, hatte das Chaos gesehen, das dort herrschte. Diverse Kartons standen vom Vorbesitzer herum, der es nicht mehr hatte aufräumen können. Er war in einem Krankenhaus verstorben, die Erben hatten kein Interesse an dem Haus gehabt und es möglichst schnell verscherbelt. Es war ihnen zu klein gewesen, für mich ausreichend, besonders bei dem günstigen Preis. Später würde ich einen großen Wintergarten anbauen, um mir den Platz zu schaffen, denn ich brauchte. Mehr war für mich alleine nicht nötig.

Trotz des Wetters musste ich mich dazu zwingen, die Treppe heraufzusteigen, um die Dachluke zu öffnen und während ich die wackelige, knarrende Leiter hinaufstieg, waren meinen Gedanken dabei zu überlegen, wohin ich mit dem ganzen Müll sollte. Ich würde es erst sichten, danach entscheiden.

Oben angekommen, gab es zwei kleine Dachfenster und einen nackte Glühbirne, die verstaubt kaum Licht gab. Diese putzte ich zuerst, soweit es ging, um ausreichend sehen zu können. Danach begann ich die Kartons in die Mitte zu ziehen, um sie öffnen zu können, ohne laufend mit dem Kopf gegen die Sparren zu stoßen. Bei der Tätigkeit wirbelte ich Massen von Staub auf, musste kräftig husten, rieb mir die Augen. Sofort öffnete ich die Fenster, soweit es ging, kein Regen in den Raum kam und auf den Holzboden tropfte. Während sich der Dreck langsam absetzte, verzog ich mich in eine Ecke, nahm eine alte Zeitung vom Boden auf, die dort lag, und blätterte lustlos darin herum.

Zehn Minuten später konnte ich mein Werk fortsetzen und öffnete die ersten Kartons.

Sie waren relativ leicht gewesen, daher entsprach der Inhalt meiner Vermutung. Auf den Behältnissen waren zwei Namen vermerkt, entweder Walter oder Inga.

Nach den Unterlagen war ein Mann namens Walter der Eigentümer des Hauses gewesen, Inga sagte mir nichts. Vielleicht seine Frau, wenn auch nicht im Grundbuch vermerkt.

Zuerst öffnete ich zwei Kartons mit männlichem Namen, sah diverse Klamotten darin, die nach der Mode mindestens zwanzig, eher dreißig Jahre alt sein mussten, einige Teile älter. Sie sahen gepflegt aus, waren teilweise einzeln verpackt, als wenn sie hier nicht ihre endgültige Ruhestätte gefunden hatten. Daher fragte ich mich, ob ich sie bei einem Second Hand Shop verkaufen könnte. Ihr Zustand war tadellos, sahen teilweise aus, als wenn sie nie getragen worden waren.

Ich sah die Kartons kurz durch, um sicherzugehen, dass sich nichts anderes in den Schachteln verborgen hielt. Bei dem zweiten Behältnis wurde ich fündig. Ein kleines Kästchen in einer Ecke ließ auf einen Fund hoffen. Leider war es leer.

Ich zuckte mit der Schulter, hatte keine Reichtümer erwartet. Daher nahm ich mir danach die Kartons mit dem weiblichen Namen vor. Sie waren zum Schutz mit Folie umwickelt worden, ließe auch hier drauf schließen, dass sie nicht ewig hier bleiben sollten.

Neugierig öffnete ich den Ersten, sah hinein und erblickte nichts besonders. Jeans, Blusen, Lederröcke. Zu meinem Erstaunen meistens relativ kurz gehalten. Dazu diverse Accessoires, Gürtel, Tücher, teilweise Modeschmuck in kleinen Döschen und Schachteln.

Alles sah farbenfroh aus, hatte Stil. Nach der Größe der Klamotten zu urteilen, musste die Frau Namens Inga recht schlank gewesen sein, modisch gekleidet.

Nachdenklich legte ich die Sachen zurück, öffnete neugierig den nächsten Behälter.

Ich pfiff leise durch die Zähne, als ich den Inhalt erkennen konnte. Schuhe aller Art füllten den Hohlraum aus, wobei sie sich stark unterschieden. Die meisten waren dafür gemacht, unauffällig das Haus zu verlassen, andere nicht dafür geeignet. Genau für diese interessierte ich mich, zog ein Paar nach dem anderen heraus, betrachtete erstaunt die Höhe der Absätze, die Form und die Machart. Diese waren nicht dafür gemacht worden, um darauf lange zu laufen, eher vom Auto in ein Restaurant zu kommen oder für andere Zwecke, die ich mir bildlich vorstellen konnte. Ich ertappte mich dabei, wie meine Finger über die glatte Oberfläche des Leders oder Lacks strichen, die Konturen nachzeichneten. Ein Schauer lief über meinen Rücken und vor meinen Augen erschienen Bilder von Pin-ups, die zum Stil der Schuhe gepasst hätten.

Ich musste grinsen, als ich darüber nachdachte, legte sie vorsichtig zurück und schloss den Karton.

Blieb einer übrig, den ich neugierig betrachtete und versuchte Vermutungen darüber anzustellen, was sich darin befand. Um herauszubekommen, ob sie stimmten, nahm ich den sorgfältig verschlossenen Karton, schnitt vorsichtig die Folie darum auf, öffnete ihn langsam und andächtig.

Meine Vermutung, vielleicht Hoffnung, wurde nicht enttäuscht. Als ich hineinsah, erblickte ich mehrere Kollektionen Unterwäsche, wobei schnell erkennbar wurde, dass Feinripp nicht zur Ausstattung dieser Frau gehört hatte. Im Gegenteil. Sie war eine Dame, die stark darauf ausgerichtete war, sich elegant zu kleiden, auch wenn man es nicht sehen konnte. Feine Spitzenhöschen, teilweise aus Seide, BHs im älterem Stil, in vielen Farben gehalten. Dazu mehrere Korsagen, teilweise, wie Brokat bestickt, glänzend und fein.

Andächtig hob ich sie nacheinander aus dem Karton, betrachtete sie aufmerksam, strich vorsichtig mit den Fingerkuppen über den Stoff. Mit der anderen Bekleidung im Zusammenspiel konnte ich mir ein bestimmtes Bild von Inga machen. Eine moderne Frau zu ihrer Zeit, eine Dame, die auf ihr Äußeres viel Wert legte, den Männern den Kopf verdrehen konnte, wenn sie wollte. Dazu stellte ich sie mir energisch vor, eine Frau, die wusste, was sie wollte. Ob es stimmte, konnte ich nicht beurteilen. In meiner Fantasie war sie ein solcher Mensch. Seltsamerweise konnte ich mir keinen Kopf, kein Gesicht von ihr dazu vorstellen. Es verschwamm, war nicht plastisch genug, um mir einen Eindruck davon zu machen. Ich hatte nicht genug Informationen über sie, um sie abzubilden und mein Gehirn schien es nicht zuzulassen, meiner Fantasie freien Lauf zu lassen. Normalerweise hatte ich damit keine Schwierigkeiten, im Gegenteil.

Verwundert über mich selber, holte ich die letzten Stücke hervor, betrachtete erstaunt mehr Ensemble und sah in den Karton, ob sich Weiteres in ihm verbarg. Dabei entdeckte ich in einer der dunklen Ecken einen viereckigen Gegenstand, der mich neugierig machte. Zuerst dachte ich, dass es ein weiteres Schmuckkästchen wäre. Als ich den Deckel entfernte, war der Inhalt ein ganz anderer.

Ich öffnete die Schachtel und holte ein kleines, mit grünem Samt überzogenes Büchlein hervor, dass durch ein winziges Schloss davor gesichert wurde, es zu öffnen.

Auf der Vorderseite stand ein einziges Wort in goldenen Lettern, kunstvoll verziert.

Tagebuch.

Sonst nichts, kein Name, kein Datum. Einzig dieses Wort.

Vorsichtig hob ich es aus der Schachtel, betrachtete es von vorn und von hinten, spürt dabei den feinen Stoff unter den Fingern.

Es hatte in Ingas Karton gelegen, also ging ich davon aus, dass es ihr gehörte. Die Vermutung war nicht von der Hand zu weisen und ich war neugierig darauf, was darin stand, obwohl mir eine innere Stimme sagte, dass es mich nichts anging.

Einzig das kleine Schloss, hielt mich davon ab, einen Blick hineinzuwerfen. Dieses Hindernis ließ mich zur Vernunft kommen, und eine innere Stimme sagte mir vorwurfsvoll, dass mich der Inhalt nichts anging. Es war nicht für mich geschrieben worden, für niemanden anderen als für Inga.

Andächtig legte ich es in die Schachtel zurück, begrub es unter der Bekleidung und schloss den Karton. Danach machte ich mich über den Rest der auf dem Dachboden befindlichen Dinge her, fand nichts Interessantes mehr. Zwei oder drei Mal würde ich meinen vollgeladenen Combi zur Müllbeseitigungsanlage fahren müssen, dazu ein wenig Sperrmüll und der Boden wäre altlastenfrei. Ausgeschlossen bei dem Regen. Also ordnete ich es soweit, wie es ging, machte es transportfähig und verließ, mit einem Karton in dem Arm den Boden, verschoss ihn und fühlte mich erleichtert, mit dem Aufräumen angefangen zu haben. Am Wochenende hatte ich Zeit, und den Sonnabend reservierte ich mir dafür, alles wegzubringen, was möglich war.

Es war später Nachmittag geworden und ich nahm ein kurzes Mahl ein, machte mir ein Gericht aus der Tüte. Zum längeren Kochen hatte ich keine Lust und gelegentlich konnte man sich mit dem Fertigfutter überwasser halten. Danach schleppte ich mich vor den Fernseher, schaltete das Gerät ein und ließ mich berieseln.

Konzentrieren konnte ich mich nicht auf das Programm, hatte andere Gedanken im Kopf. Zu meinem Erstaunen ging mir Inga nicht aus dem Sinn. Ihre Bekleidung, die außergewöhnlichen Kollektionen an Unterwäschestücken und Schuhen, ließen mich nicht zur Ruhe kommen. Ich sah sie vor mir, stellte mir dazu einen Körper vor, der sie trug und obwohl es surreal blieb, ohne Persönlichkeit, erwärmte es meinen Leib. Erstaunt darüber sah ich an mir herunter, entdeckte eine gewaltige Beule in der Trainingshose, die ich trug. Viel war mir bereits passiert, doch hier war es außergewöhnlich. Mich schien eine Vorstellung über eine Frau erregen, die ich nicht kannte, nie erblickt hatte, nicht wusste, wer sie war oder wie sie ausgesehen hatte. Kein Bild, nichts hatte es mir verraten. Lediglich drei Kartons mit Klamotten verschiedener Art hatten mir einen winzigen Einblick in ihr Leben gegeben, rein äußerlich. Es verwirrte mich, ließ mich innerlich unruhig werden.

Gedanken gingen mir durch den Kopf, kreiste im Hirn herum.

Wer war sie wohl gewesen, die Frau oder Tochter von Walter, seine Freundin oder Geliebte. Hatten Walter und Inga sich überhaupt gekannt, vielleicht nicht zur selben Zeit im Haus gewohnt. Möglich war es allemal, obwohl ich es nicht glaubte. Nach dem Grundbucheintrag hatte Walter das Haus gekauft, ob er darin die ganze Zeit gewohnt hatte, konnte ich nicht sagen. Ingas und Walters Bekleidungen ließen darauf schließen, dass sie in etwa aus derselben Zeit stammten. Siebziger, Anfang Achtziger, einige Accessoires ließen darauf schließen. Wenn es stimmte, musste Inga im Moment zwischen fünfzig und sechzig Jahren alt sein, vielleicht mehr. Genau konnte ich es nicht bestimmen, dazu fehlte mir der Anhaltspunkt.

Diese und andere Gedanken kreisten mir durch den Kopf, ließen mich nicht mehr los, obwohl es für mich keine besondere Relevanz hatte. Sie waren keine Verwandten gewesen, gingen mich nichts an. Was wusste ich schon von ihnen. Zwei Namen, ein paar Bekleidungsstücke, ein Mann, dem das Haus gehört hatte, nicht mehr. Also versuchte ich die Gedanken abzuschütteln, schaltete den Fernseher aus und machte mich fertig, um ins Fitnesszentrum zu gehen. Ein paar Kilo mehr auf der Hantel und ich würde auf andere Gedanken kommen. Dort konnte ich abschalten, gleichzeitig meinem Körper Gutes tun.

Drei Stunden später war ich zurück, hatte kurzweilig keinen Gedanken an die beiden verschwendet. Kaum war ich zuhause, stand unter der reinigenden Dusche, wusch mir den Schweiß vom Körper, kamen die Gedanken zurück. Walter war dabei außen vor, Inga war es die mich gefangen hielt.

Ohne darüber nachzudenken, schoss ich meine Augen, sah eine der Korsagen an einem wohlgeformten Körper. Daran befestigt, gleichfarbige Strapse, die teildurchsichtige Strümpfe hielten. Ein Höschen war nicht zu erkennen. Frei war meine Sicht auf eine haarlose Scham, die sich meinem Blick wie eingerahmt präsentierte. Weiter oben hielt die Korsage zwei makellose Brüste in Form, nicht zu groß, nicht zu klein. Am Hals endete die Vorstellung, einen Kopf sah ich nicht, dafür wanderte mein Blick herunter, glitt über die Beine nach unten, an deren Ende Heels saßen, die ihnen eine beeindruckende Länge verliehen.

Ein zufriedenes Lächeln verzog meine Lippen nach oben, besonders als ich eine sanfte Hand spürte, die wie selbstverständlich meinen Stamm umschloss, diesen zu reiben begann, während das warme Wasser über meinen Körper perlte.

Zu meinem Erstaunen hatte es nicht viel mit Sex, in dem Sinne, zu tun, es war eher darauf aus, mir schöne Gefühle zu schenken, dabei den Anblick meiner Fantasie zu genießen. Einen Schluss brauchte ich nicht, im Gegenteil, ich hielt es nicht für angebracht. In meiner Vorstellung hätte es diesen Moment entweiht. Daher ließ ich es, sah, wie das Bild verschwamm und erwachte wie aus einem kurzen Traum. Nachdenklich schüttelte ich meinen Kopf, trocknete mich ab und zog eine Pyjamahose an, ging ins Bett. Es war spät geworden und ich hatte nichts gegen eine Mütze Schlaf.

In den Federn kam ich nicht zur Ruhe, im Gegenteil, als ich den Versuch einleitete zu schlafen, war ich hellwach, konnte kein Auge zutun. Mehrmals stellte ich mir Inga vor, fragte mich, wer oder wie sie gewesen war und versuchte sie mir erneut vorzustellen. Es gelang mir nicht. Einzig ein bestimmtes Bild kam mir in den Sinn.

Das Tagebuch. Es musste viele Informationen über sie enthalten, worüber sie dachte, was sie gemacht hatte, sicher auch, wie ich sie mir vorzustellen hatte. Viele meiner Fragen würde der Inhalt des Buches beantworten und meine Neugierde stillen.

Unruhig warf ich mich im Bett hin und her und mir wurde schnell klar, dass ich keine Ruhe finden würde. Daher stand ich auf, tappte in die Küche, machte mir ein Warmgetränk und starrte aus dem Fenster, sah ein Auto durch die Dunkelheit der Nacht fahren. Kurz leuchteten die Scheinwerfer durch die Scheibe, ein leiser werdendes Motorengeräusch erzählte mir davon, dass der Wagen sich entfernte. Danach trat Ruhe ein. Mein Haus stand in einer reinen Wohnsiedlung, dazu in einer Nebenstraße. Autos waren hier nicht die Regel, sondern selten. Tags über spielten Kinder auf der Straße, und ich erfreute mich meistens darüber, auch wenn sie gelegentlich zu laut waren. Es spielte keine Rolle, sollten sie sich austoben, der Ernst des Lebens würde sie schnell genug einholen.

Zu meinem Erstaunen verblasste das Bild, das ich im Kopf hatte, wich einem anderen. Draußen sah es aus wie im Frühling, die Bäume trugen frisches, hellgrünes Laub, Blumen streckten ihre farbigen Köpfe zwischen Zaunlatten hervor. In dieser friedlichen Stille, sah ich eine schlanke Frau um die Ecke kommen, die mit trippelnden Schritten auf der gegenüberliegenden Seite entlang ging. Zu meinem Erstaunen war sie leicht bekleidet, trug eine flotte Bluse, die mehr zeigte als sie verbarg, dazu einen Minirock, wenig breiter als ein Gürtel, dazu grasgrüne Heels, die sich besonders stark abhoben und ihr Beine betonten.

Erstaunt sah ich sie vorbeigehen, betrachtete sie, solange ich sie sehen konnte. Sie sah nicht ein einziges Mal in meine Richtung, und als sie aus meiner Sicht gelangte, konnte ich nicht einmal sagen, ob sie lange oder kurze Haare gehabt hatte, auch die Farbe nicht bestimmen. Erstaunt schüttelte ich meinen Kopf, das Bild verblasste vor meinen Augen und die leere, dunkle Straße lag vor mir, als wenn nichts gewesen wäre.

Dachte ich genauer nach, wurde mir klar, wo ich diese Kleidung gesehen hatte. Sie war ein Teil dessen gewesen, das ich auf dem Dachboden gefunden hatte. Eine Kombination aus allein drei Kartons, zusammengestellt in meiner Fantasie.

Erneut versuchte ich zu schlafen, ging ins Bett und löschte das Licht, starrte in die Dunkelheit um mich herum und wie aus dem Nichts erschien das kleine Tagebuch vor meinen Augen, zeigte sich mir von jeder Seite. Es schien mich zu rufen, dazu aufzufordern, es zu öffnen, den Inhalt zu studieren.

Je länger ich darüber nachdachte, umso mehr kam ich zu der Überzeugung, dass es Inga nicht schaden würde. Ich kannte sie nicht, konnte daraus keinen Vorteil erlangen, es gegen sie verwenden. Wahrscheinlich könnte sie an mir vorbei laufen und ich würde sie nicht erkennen. Von daher war es nicht schlimm, darin zu lesen.

Der Drang in mir wurde stärker, schlafen war nicht möglich. Letztendlich gab ich mir selber einen Stoß, machte Licht, stand auf und tappte zum Dachboden herauf, zog den Karton hervor und öffnete ihn, wühlte kurz darin herum und hielt wenig später die Schachtel in den Händen.

Mit besonnenen Schritten ging ich nach unten, hielt dabei den Behälter wie eine Kostbarkeit vor mir fest, starrte auf den Pappdeckel der Schachtel.

Ich ging nicht ins Schlafzimmer, sondern in die Stube, schaltete meine Leselampe ein, die direkt an einem alten, neu gepolsterten Sessel stand, und legte das Artefakt daneben auf einen kleinen Tisch, auf dem normalerweise Zeitschriften lagen. Hier entspannte ich oft, las Zeitung oder ein gutes Buch, verlor mich in den Schlagzeilen oder den Geschichten.

Danach holte ich mir eine Flasche zu trinken, ein Glas, etwas zum Knabbern und eine Kneifzange, die das Schloss knacken konnte. Es würde nicht genug Widerstand leisten können.

Gut vorbereitete, setzte ich mich hin, nahm die Schachtel, holte das Buch heraus und legte es auf meine Knie, betrachtete es, währen dich die Hülle zurück auf den Tisch legte.

Länger sah ich mir den samtigen Einband an, ließ mehrmals meine Finger darüber gleiten, spürte die weiche, zugleich warme Oberfläche. Dabei betrachtete ich das kleine Schloss, ebenfalls in Grün gehalten mit einem goldenen Bügel, dass durch zwei kleine Ösen gezogen worden war.

Es war viel zu schade es aufzubrechen, und wenn es eine andere Möglichkeit gegeben hätte, hätte ich es nicht geknackt. Einen Schlüssel hatte ich nicht gefunden.

Vorsichtig setzte ich die Zange an, wollte nicht mehr beschädigen als nötig.

Der Bügel leistete keinen Widerstand, knackte innerhalb einer Sekunde durch und ich verzog mein Gesicht, als ich das widerliche Geräusch hörte, das dabei entstand. Es tat mir in der Seele weh, als das Schloss abfiel, zwischen meine Beine purzelte. Ich nahm es hervor, legte es behutsam auf den Tisch und schwor mir, es aufzuheben.

Danach betrachtete ich mein Werk, das Büchlein, das jetzt unverschossen war, wagte kaum es zu öffnen. Irgendwas in mir hielt mich davon ab, diese Grenze zu überschreiten. Also goss ich einen Drink in mein Glas ein, nahm einen Schluck, bevor ich einen Finger an den Deckel legte, ihn sanft anhob und beiseitelegte.

Die erste Seite war weiß, bis auf zwei einfache Wörter, die in einer geschwungenen Schrift darauf geschrieben worden waren.

Für mich.

Lange betrachtete ich sie, konnte sehen, dass sie mit Füller und blauer Tinte geschrieben worden waren. Diese zwei Worte hatten eine einfache Botschaft. Der Inhalt war nicht für mich bestimmt.

Das Buch zu öffnen war eine Sache gewesen, es war ein Ding, ein Gegenstand ohne persönliche Note, diese zwei Wörter umso mehr. Inga hatte sie geschrieben, ein erster Hinweis auf ihre tatsächliche Existenz. Sanft strich ich mit einem Finger über die Buchstaben, als wenn ich damit etwas von ihr spüren könnte. Eine faszinierende Vorstellung, die mich für einen Moment gefangen hielt.

Was sollte ich jetzt machen, jeder weitere Schritt, jede gelesene Zeile in diesem Buch, würde mir einen Teil ihrer Gedankenwelt offenbaren, mir ihre Persönlichkeit zeigen.

Für einen Moment zögerte ich, war drauf und dran das Buch zurückzulegen, es aus meiner Reichweite zu entfernen, am besten soweit wie möglich, damit ich nicht mehr in Versuchung kommen konnte. Doch ich konnte es nicht, zog mich an wie ein Magnet das Eisen. Ob ich wollte oder nicht. Also legte ich einen zitternden Finger an die erste Seite, schlug sie um und sah eine kleinere Schrift, die genauso geschwungen war wie die ersten zwei Wörter. Sie stammten von derselben Person, von Inga.

Zuerst flogen meinen Augen für einen Moment über die Schrift, nahmen es in sich auf, folgten den sanften Linien, die das Blatt ausfüllen. Erst danach kam ich zum ersten Satz zurück, begann den Sinn der Worte zu verstehen, die dort geschrieben standen.

Inga hatte kein Datum benutzt, die einzelnen Kapitel durchnummeriert, somit war nicht ersichtlich, wie alt die Eintragungen waren. Vielleicht würde ich aus dem Zusammenhang erkennen, aus welcher Zeit es stammte. Nach dieser Erkenntnis las ich die ersten Sätze, Zeilen, die ganze Seite, vertiefte mich in Ingas Gedanken und ihre Erlebnisse. Dabei las ich langsam, wollte nichts überstürzen, mir die Aussage des Geschriebenen einprägen. Hier lag ein Zeugnis der Vergangenheit vor mir, dem ich meinen Respekt entgegen brachte. Eine Einleitung gab es nicht, Inga hatte es nicht nötig gehabt, musste sich selber nichts erklären. Personen oder Handlungen waren ihr klar, bedurften keiner Erläuterung.

Kapitel 2

Ich weiß nicht, ob ich überhaupt diese Zeilen schreiben soll. Oft habe ich darüber gelächelt, wenn andere Menschen ein Tagebuch führten, und um ehrlich zu sein, weiß ich nicht genau, warum ich es jetzt mache. Vielleicht um meine Gedanken zu sortieren, sie mir von der Seele zu schreiben. Wem soll ich es sonst sagen, keiner will oder wird mich verstehen. Sie werden es mir nicht glauben, weder meine Freunde noch meine Familie. Daher vertraue ich diesem Buch die Erlebnisse an, die mir in den letzten, turbulenten Wochen und Monaten passiert sind, um mich später daran zu erinnern. Wer weiß, wozu es gut sein wird.

Hier endete die erste Seite und ich klappte das Buch zu, hielt einen Moment inne. Diese wenigen Zeilen hatten mir zu erkennen gegeben, dass diese Blätter nicht vor Freude beschrieben worden waren. Sie klangen traurig, nicht die erwartete Heiterkeit schlug mir entgegen. Sofort fragte ich mich, ob ich weiterlesen sollte. Was würde mich erwarten, wie deprimiert würde ich sein, wenn es in der Art weiterging. Vielleicht würde Ingas Geschichte mich herunterziehen, in mir Traurigkeit und Hoffnungslosigkeit auslösen. Ich kannte es gut, konnte mich gut in andere Menschen hineinversetzen, war oft nah am Wasser gebaut, wie man sagte. Emotionen sprangen schnell auf mich über, besonders die schlechten. Depressionen waren mir nicht unbekannt. Darum lebte ich alleine, wollte keinem anderen Menschen antun, sich mit mir abgeben zu müssen, Antidepressiva waren meine besten Freunde. Es gab Tage, an denen ich keine klaren Gedanken fassen konnte, die ganze Zeit lang über alles Mögliche grübelte, darüber hinweg keinen Schlaf finden konnte. Genauso wie in dieser Nacht, eine von vielen die ich mir um die Ohren schlug. War ich müde, konnte ich nicht schlafen, tagsüber schleppte ich mich dahin, suchte nach Ablenkung, konnte wenig Freude empfinden. Wie würde es sein, wenn ich mich mit Inga beschäftigte, die offensichtlich kein Zeugnis des Glücks erstellt hatte. Eigentlich war es für mich, in meinem Zustand, das reinste Gift. Trotzdem sagte eine Stimme in mir, dass ich nicht davon lassen könnte, und je mehr ich mich dagegen wehrte, umso stärker würde es mich anziehen. Es gab kein Entkommen mehr, das wurde mir innerhalb kürzester Zeit klar. Ich musste weiterlesen, sonst würde ich keine Ruhe mehr finden, mich fragen, was mit Inga los war, warum sie unglücklich war, welches Schicksal sie ereilt hatte. Daher nahm ich einen weiteren Schluck von meinem Drink, blätterte die Seite um und las die folgende Seite.

Kapitel 3

Was ist nur aus Walter geworden. Als wir uns kennenlernten, war er ein zärtlicher Mann, einer der mir die Welt zu Füßen legte, alles für mich tat, was für ihn möglich war. Nichts schien ihm zu teuer oder aufwendig zu sein, um es mir zu schenken. Dabei brauchte ich es nicht, lehnte es ab, wollte nichts anderes als seine Liebe, seine Aufmerksamkeit mir gegenüber. Er konnte es nicht verstehen, war oft betrübt, wenn ich seine materiellen Geschenke ablehnte, sie von mir wies. Ich wollte ihn, keine Präsente. Um ihm eine Freude zu machen, nahm ich sie manchmal an, auch wenn ich keine Verwendung dafür hatte, war glücklich darüber, wenn er mit strahlenden Augen vor mir stand, weil ich ihm das Gefühl gab, das er für sein Leben brauchte. In diesem Moment war er wie ein kleines Kind, dem ein besonders schönes Geschenk gemacht worden war.

Die Sachen, die er mir gab, meistens Klamotten, die er an mir sehen wollte, verstaute ich zuerst in einem Schrank, später verschenkte ich sie oft, meistens an caritative Vereine, wenn es ging, oder lagerte sie in Kartons auf dem Boden. Walter verstand es einfach nicht, dass eine Frau wie ich wenig gefallen daran finden konnte wie er, sein Geschmack war nicht meiner. Er merkte es nicht, für ihn war es eine abgeschlossene Sache, sobald ich sie einmal getragen hatte, über die er sich später keine Gedanken machte. Ich weiß nicht einmal, ob es ihm jemals auffiel, er fragte nie nach, wo die Bekleidung geblieben war.

Dinge, an denen ich mich erfreuen konnte, kaufte ich mir selber. Eins muss man Walter lassen, er sorgte finanziell mehr als ausreichend für mich. An Geld gab es keinen Mangel. Ich konnte mich nicht beklagen, brauchte ich irgendwas, fragte er nicht danach, wofür ich es benötigte. Aus diesem Grund machte ich mir keine Gedanken darüber, als er mir anbot nicht mehr arbeiten zu gehen. Natürlich war ich zuerst darüber erfreut, mein Job war nicht mein Traum, daraus zu entfliehen, schien mir eine tolle Idee zu sein. Ich bereute es schnell.

Ich ließ das Buch sinken, dass ich wie eine Kostbarkeit in beiden Händen hielt, dachte über die Worte nach, die ich gelesen hatte, fragte mich, was geschehen war. Ich konnte es mir nicht vorstellen, war wie in einem Roman neugierig darauf, wie alles zusammenhing. Im Gegensatz zu einem solchen Machwerk, trieb es mir einen Schauer über den Rücken, als mir bewusst wurde, dass es hier um keine erfundene Geschichte ging, sondern um ein wirkliches Leben. Es war geschehen, keine Fiktion sondern die Realität, festgehalten in diesem kleinen Büchlein. Dabei hatte ich den Eindruck, dass es kein wirkliches Tagebuch war, sondern eine Aussprache. Inga vertraute den Seiten ihre Gedanken an, nicht chronologisch, wie ich es kannte, daher auch die Nummern, kein Datum vor den einzelnen Abschnitten. Sie sprang in der Zeit hin und her, folgte keinem starren Ablauf. Geschehnisse wurden zusammengefasst, aus dem eigentlichen Rahmen gerissen, um sie Teilchen für Teilchen aneinanderzufügen, ein gesamtes Bild zu ergeben. Es kam mir als Leser wie ein Puzzle vor, dass langsam ein Bild ergab, wenn ich mich in die Lektüre vertiefen würde. Im Moment war es ein Gerüst, aus dem ich das fertige Bauwerk nicht erkennen konnte. Daher musste ich weiterlesen, es ging nicht anders. In mir stieg ein Gefühl auf, wie eine Sucht, und ich wusste, dass sie erst befriedigt sein würde, wenn ich das letzte Wort gelesen hatte. Dabei kam mir ein schrecklicher Gedanke.

Was war, wenn es kein Ende gab, ein zweites Buch existierte, dass ich nicht hatte, die Geschichte unvollendet bleiben würde. Mit diesem faden Beigeschmack auf der Zunge las ich weiter, auch wenn ich damit rechnen musste, kein Ende vorzufinden.