Lolo, Bibi und die Mumie - Volker Schoßwald - E-Book

Lolo, Bibi und die Mumie E-Book

Volker Schoßwald

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Beschreibung

Lolo und Bibi treffen sich in Berlin. Eigentlich wollten sich ihre Familien nur die Stadt anschauen. Doch dann kommt es ganz anders und Lolos Vater ins Schwitzen.

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Inhaltsverzeichnis

Ein böser Streich

Ein toller Anruf

Mit der Eisenbahn nach Berlin

Bahnhof Zoo und die Gedächtniskirche

Natürlich Pizza

Waffeln und Küsse am Alex

Totentanz beim roten Rathaus

Im Café am Wittenberger Platz

Am Brandenburger Tor

Mumien statt Döner

Nacht im Pergamonmuseum

Im Dunkeln zwischen Mumien

Das Geheimnis der Stele

Hohle Augen

Alarm

Warten auf die Eltern

Winckelmann und Schliemann

Der Pyramidenbauer

Viertausend Jahre blicken auf euch…

Es bleibt ein Geheimnis…

„Wir sind Helden!“

Picknick am Reichstag

Bilderbuchteil…

Gewidmet den Kindern,

die davon träumen,

Helden zu sein…

(also auch mir…)

1. Ein böser Streich

Lolo saß über seinen Hausaufgaben. Er ging gerne in die Schule. Bei seinen Mitschülern fühlte er sich wohl. Er liebte seine unheimlich nette Lehrerin, Frau Schlagenraither… Aber die Hausaufgaben begeisterten ihn nicht immer. Jetzt zum Beispiel wollte er raus. Er hatte sich mit Jona verabredet.

Wozu? Natürlich Fußballspielen. Marvin war auch dabei – der freche Kerl aus der Prinz-August-Straße. Natürlich war er nicht nur frech, sondern auch ein guter Kumpel. Aber Lolo merkte schon, wie oft die Lehrerin von ihm genervt war.

Er selber war doch so brav und lieb und… Wirklich? Seine Mutter langte sich manchmal an den Kopf, als bekäme sie Migräne, wenn sie nur seine Stimme hören würde.

„Lolo, hör auf!!!“ Stimmt schon, er konnte auch ganz schön frech werden, aber wie soll ein Junge in dieser Welt überleben, wenn er nicht mal frech ist?

Dabei hatte ihn sein Vater kürzlich fast übers Knie gelegt. Das drohte er nur selten an. Lolo fragte sich, wie sich das anfühlte, den Hintern versohlt zu bekommen. Bisher war es noch nicht so weit gekommen. Aber neulich… das ging selbst Papa zu weit. Dabei hatten er und sein Bandenfreund Jona gar nicht gemerkt, was sie da anrichteten.

Er lächelte sogar ein bisschen, als er sich daran erinnerte: Die Pausenklingel war ertönt, die Kinder drängten sich auf den Hof und Jona grinste ihn an: „Die Schlaga… hast du schon gemerkt, was die immer macht?“

Lolo überlegte: Da kam wirklich viel in Frage. Immerhin hatten sie Frau Schlagenraither, wie sie mit vollem Namen hieß, vier Stunden am Tag. In vier Stunden macht eine Lehrerin ganz viel, manchmal sogar zu viel. Aber was meinte Jona?

In Lolos Augen leuchteten vier Fragezeichen. Jonas Grinsen wurde breiter: „Wenn sie reinkommt, haut sie doch immer so deutlich die Tür zu…“

„Dann zieht sie ihre Jacke aus und hängt sie über den Stuhl!“

„Dann stellt sie sich neben das Pult und schaut ganz ernst…“

„Grimmig!“

„Grimmig meinetwegen…Aber worum geht es?“

Jona schaute nicht grimmig, sondern verschmitzt: „Die Schlaga hat doch immer ihren Schlüsselbund in der Hand.“

„Stimmt. Damit klingelt sie, als wäre gleich wieder Pause.“

„Aber sie legt ihn auch ganz schnell auf den Pult.“

„Das Pult?“

„Derdiedas Pult!“ Jona verdrehte die Augen bei Lolos Verbesserung. Er war kribbelig und plante etwas Aufregendes. Vielleicht einen Streich? Da musste Lolo dabei sein. Er zog den Kopf zwischen die Schultern, als wolle er seine Ohren vergrößern. Was hatte Jona vor…

„Ich lasse mich von der Schlaga aufrufen, wenn was an die Tafel zu schreiben ist. Wenn ich zurückgehe, schnappe ich mir den Schlüssel…“

Lolo machte große Augen: „Du klaust der Schlaga ihren Schlüssel? Warum?“

Jona lachte: „Ist doch nur ein Scherz! Mal sehen, was die so ohne Schlüssel macht. Das wird bestimmt spannend.“

„Das merkt die doch sofort. Dann wird’s ungemütlich!“

Jona wuchs um fünf Zentimeter und zeigte sich als gewiefter Held: „Hab ich mir schon überlegt: Wir machen’s in der letzten Stunde. Da rennt sie immer gleich zum Auto und düst ab. Dass der Schlüssel fehlt, merkt sie frühestens zuhause und dort…“ Er prustete los. Offenbar stellte er es sich sehr witzig vor, wie die Schlaga vor ihrer Wohnung stand und ihren Schlüssel nicht fand…

„Ich kenn das von meiner Mama: Die verlegt auch dauernd ihren Schlüsselbund. Sie sucht hier und da und dort und in der Handtasche, in der Jackentasche, im Auto, in der Küche, in der Handtasche…“

„Da hat sie doch schon gesucht!“

„Klar, aber da sucht sie noch mal. Wenn es hochkommt, fünfmal – und zwischendurch sucht die ganze Familie.“

„Kenn ich, aber was macht die Schlaga?“

„Da wär ich gern dabei. Aber ich brauch dich natürlich!“

„Mich? Es ist doch nur ein Schlüsselbund, da braucht man nicht zwei Jungs!“

„Doch. Also: Die Stunde ist zu Ende und sie will ihren Schlüssel nehmen. Da fällt selbst der Schlaga auf, dass er nicht da ist.“

„Stimmt. Das ist blöd…“

„Gar nicht blöd. Hier kommst du ins Spiel. Bevor sie nachdenken kann, wollen ja alle aus der Klasse raus. Immer dasselbe Durcheinander. Da gehst du zu ihr und fragst sie was…“

„Was denn?“

„Ist doch egal. Hauptsache, dumm. So dumm, dass sie kaum antworten kann. Wenn sie so genervt ist wie meine Mama, will sie bloß noch weg und vergisst den Schlüssel.“

„Und wie kommt sie ins Lehrerzimmer?“

„Da geht sie doch nach Schulschluss gar nicht mehr hin. Die saust doch immer gleich zu ihrem Freund.“

„Dann merkt sie doch gar nicht, wenn der Schlüssel weg ist.“

„Das ist doch der Witz! Das merkt die erst am nächsten Tag… und bei meiner Mama ist das so: Dann ist die wie ein Huhn auf dem Hühnerhof, total durcheinander. Die weiß bestimmt nicht mehr, wo der Schlüssel am Schluss war.“

Lolo lachte: „Deswegen heißt Schlüssel Schlüssel, weil er am Schluss nirgendwo ist…“

Jona verstand den Witz nicht gleich. Aber das war ihm auch egal. Er wollte seinen Streich spielen.

„Lolo, ich schnapp mir das Schlüsselchen und du musst sie ablenken, so ganz nervig. Das kannst du doch!“

Klar konnte er das. Der Meinung seiner Mutter nach konnte er es sogar hervorragend, manchmal sogar ausschließlich das. Er sägte ganze Nervenstränge durch, meinte sein Papa und lachte, wenn Mama wieder mal Ende war und eine Packung Beruhigungstabletten verlangte.

Am Freitag zogen Jona und er es durch. Es klappte hervorragend. Schlaga durcheinander zu bringen war ein Kinderspiel bei Schulschluss. Jona und er beobachteten, wie sie wegfuhr. Ganz arglos…

„Was machen wir jetzt mit dem Schlüssel?“

Jona dachte kurz nach. „Wir legen ihn einfach wieder aufs Pult. Dann denkt sie, sie hat ihn vergessen…“

Lolo lachte: „Das ist der Hammer!“

Als Sieger und Helden stolzierten sie aus ihrer Schule, hinein ins Wochenende. Frau Schlaga würde sich wundern!

Aber am Montag drehte sich das Blatt. Schon früh, als die ansonsten so freundliche Lehrerin um dreiviertel acht das Zimmer aufschloss, blickte sie grimmig.

„Drei Tage Regenwetter!“, konstatierte Cosma, die sich mit kosmischen Sachen auskennen musste. Aber Schlaga sagte nichts. Sie setzte sich nur hinter ihr Pult und ordnete schweigend ihre Hefter. Ob sie den Schlüssel entdeckte? Jona und Lolo beobachteten sie genau, erkannten aber nichts. Um diese Zeit vor Unterrichtsbeginn konnte man die Lehrerin etwas fragen. Aber heute? Wenn jemand kam und etwas wissen wollte, erhielt er einen unfreundlichen Blick und musste sich wieder verziehen. Jeder merkte: Es liegt was in der Luft.

Schlaga wartete, bis mit dem Glockenläuten die erste Stunde begann. Bedächtig erhob sie sich und schritt durch die Reihen, schweigend. Sie blickte jeden genau an… und jeder fühlte sich schuldig. Keiner wusste, warum, aber jeder fühlte sich schuldig.

Halt! Nein! Jona und Lolo wussten, warum.

Ein paar andere hatten ihre Hausaufgaben nicht sauber gemacht. Die glaubten auch zu wissen, was los war.

Als die Lehrerin einmal durch die ganze Klasse gegangen war und genügend Schuldgefühl verteilt hatte, stellte sie sich vorne neben das Pult, verschränkte die Arme und schaute die Klasse durchdringend an.

„Am Freitag,“ erklärte sie in strengem Ton, „hat einer von euch etwas ganz Freches gemacht. Er hat mir etwas gestohlen!“

Die Klasse erstarrte. Gestohlen? Einer von ihnen? Nein, ein Dieb war keiner von ihnen, auch wenn man sich immer wieder stritt oder mit anderen nicht spielte, Diebe gab es hier nicht.

Die Schlaga blieb streng: „Ich kann mir schon vorstellen, dass du gar nichts stehlen wolltest. Du hast mir etwas weggenommen, um mir einen Streich zu spielen. Aber das war ganz schlecht.“

Sie wartete – und in der Klasse war es mucksmäuschen still.

„Also, ich hole jetzt nicht die Polizei. Aber in der nächsten Pause kommt der, der das gemacht hat, zu mir. Dann werden wir ein ernstes Wörtchen miteinander reden. Ich sage nur so viel: Ihr habt mich sehr enttäuscht!“

Die Kinder schwiegen betroffen. Doch dann meldete sich Shiva, das kluge, schwarzhaarige Mädchen mit dem seltsamen Namen: „Aber Frau Schlaga… äh, Frau Schlagenraither, Sie können doch gar nicht von uns allen enttäuscht sein. Das war doch nur einer! Wir anderen sind doch unschuldig!“

Frau Schlagenraither dachte einen Augenblick nach: „Da hast du recht, Shiva, aber…“ sie schien kurz nach Worten zu suchen: „…auch wenn es nur einer war, es ist diese Klasse. Er gehört zur Klasse und dann ist es die Klasse, mit der was nicht stimmt. Das ist, wie wenn du einen Löffel Salz in ein Glas Wasser tust: Da ist dann das ganze Wasser salzig, nicht nur ein bisschen davon…“

Lolo wurde ganz heiß, und ein Blick zu Jona verriet ihm, dass der ganz blass geworden war. So hatten sie sich diesen Streich nicht vorgestellt.

Frau Schlagenraither schaute noch einmal durch die Klasse: „Ich gebe dem, der das gemacht hat, eine Chance. Du kommst in der Pause zu mir und erklärst mir, warum du das gemacht hast. Dann sehen wir weiter…“

Sie begann mit dem Unterricht, aber in der Klasse war eine seltsame Stimmung. Am meisten vermutlich bei Lolo und Jona. Was sollten sie tun?

Es war ganz klar und sie waren erleichtert, als die Schulglocke zur Pause erklang. Die Kinder drängten sich aus dem Zimmer und schoben sich zum Pausenhof. Nur Jona und Lolo gelangten auf einen anderen Gang und standen bald vor dem Lehrerzimmer. Sollten sie klopfen?

Nein, das würde nichts bringen, denn Frau Schlagenraither war doch noch hinter ihnen. Sie drehten sich um, um sie abzupassen und das dauerte auch nicht sehr lange.

Die nette Lehrerin wirkte etwas müde und abgekämpft. Sie schaute nur auf den Boden, während sie Richtung Lehrerzimmer ging. Dann holte sie ihren Schlüssel aus der Tasche und entdeckte plötzlich Jona und Lolo. Ihre Augen wurden groß: „Ihr zwei?“

Das war nicht nur eine Frage. Darin steckte Überraschung und ein bisschen Vorwurf. Schnell öffnete sie die Tür, schob die beiden Jungs hinein und dort gleich ins Nebenzimmer. Zum Glück war kein anderer Lehrer da. Sie waren mit ihrer Lehrerin allein.

„Ihr zwei?“

Lolo spürte einen Kloß im Hals. Die Jungen nickten.

„Das hätte ich nicht von euch gedacht!“ Frau Schlagenraither klang sehr enttäuscht. „Was habt ihr euch denn dabei gedacht.“

Die beiden blieben erst einmal stumm. Frau Schlagenraither wurde ernst: „Wisst ihr, was ich durchgemacht habe? Ich habe es ja nicht gleich gemerkt. Ich war noch lange unterwegs. Erst spät abends kam ich nach Hause. Dann suchte ich nach meinem Schlüssel. Ich konnte es nicht fassen: Der Schlüssel war weg! – Was glaubt ihr wohl, was ich gemacht habe? Mitten in der Nacht und ich komme nicht in meine Wohnung?“

Die beiden blickten betroffen. Sie konnten es sich nicht vorstellen.

„Ich musste bei meinem Vermieter läuten und ihn bitten, die Wohnung aufzuschließen. Ein Glück, dass es noch vor Mitternacht war, sonst hätte ich im Auto schlafen müssen. Aber er war trotzdem sehr sauer. Ich konnte ihm nicht mal erklären, was los war, denn ich wusste es ja selbst nicht; und wenn ich ihm begegne, schaut er mich immer noch ganz ärgerlich an…

Das habt ihr geschafft! Na, herzlichen Glückwunsch! Ich hätte nicht gedacht, dass ihr so gemein seid!“

Gemein? Das waren sie doch nicht wirklich. Lolo wollte es ihr schon erklären, als Jona in Tränen ausbrach: „Ich habe das doch gar nicht so gemeint! Ich wollte doch nur einen lustigen Streich spielen.“