Lore-Roman 208 - Renate Busch - E-Book

Lore-Roman 208 E-Book

Renate Busch

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Beschreibung

In einem kleinen Dorf, wo die Zeit zwischen den Regalen eines Krämerladens stillzustehen scheint, träumt Eva von der großen, weiten Welt. Die Tage vergehen mit dem Duft von Salzheringen und frischem Mehl, während ihr Großvater an der Vergangenheit festhält und ihre Mutter von Sicherheit und Vernunft spricht. Doch Evas Herz schlägt für mehr - für die unbekannten Straßen ferner Städte, für die Verlockung des Neuen. Dann bringt das Schicksal eine unerwartete Begegnung. Ein Fremder, durch Sturm und Unfall in ihrem Leben gespült, berührt Evas Herz. Er ist anders als die Männer, die sie kennt - weltgewandt, geheimnisvoll. Doch kaum hat das Abenteuer begonnen, verschwindet er wieder. Doch wenig später beschert ihr ein Kreuzworträtsel eine Reise ans Meer. Zum ersten Mal verlässt Eva ihr Dorf, taucht ein in die Welt, die sie nur aus Büchern kennt. Als sie in ihrem Hotel ankommt, erstarrt sie - denn dort, im weichen Licht der Abendsonne, steht er. Der Mann aus der stürmischen Nacht. Der Mann, den sie nie vergessen hat ...


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Seitenzahl: 148

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Cover

Es lockt die große Welt

Vorschau

Impressum

Es lockt die große Welt

Eine junge Frau gewinnt eine Reise

Von Renate Busch

In einem kleinen Dorf, wo die Zeit zwischen den Regalen eines Krämerladens stillzustehen scheint, träumt Eva von der großen, weiten Welt. Die Tage vergehen mit dem Duft von Salzheringen und frischem Mehl, während ihr Großvater an der Vergangenheit festhält und ihre Mutter von Sicherheit und Vernunft spricht. Doch Evas Herz schlägt für mehr – für die unbekannten Straßen ferner Städte, für die Verlockung des Neuen.

Dann bringt das Schicksal eine unerwartete Begegnung. Ein Fremder, durch Sturm und Unfall in ihr Leben gespült, berührt Evas Herz. Er ist anders als die Männer, die sie kennt – weltgewandt, geheimnisvoll. Aber kaum hat das Abenteuer begonnen, verschwindet er wieder. Aber wenig später beschert ihr ein Kreuzworträtsel eine Reise ans Meer. Zum ersten Mal verlässt Eva ihr Dorf, taucht ein in die Welt, die sie nur aus Büchern kennt. Als sie in ihrem Hotel ankommt, erstarrt sie – denn dort, im weichen Licht der Abendsonne, steht er. Der Mann aus der stürmischen Nacht. Der Mann, den sie nie vergessen hat ...

Die Ladenklingel schellte. Eva ließ das Staubtuch fallen, mit dem sie die altmodischen Möbel gesäubert hatte und eilte in den kleinen Krämerladen.

»Na, Karli, was möchtest du denn haben?«, erkundigte sie sich freundlich.

Der Dreikäsehoch vor dem Tresen umkrampfte seine zehn Pfennig mit seiner schmutzigen Rechten und schwieg. So schnell konnte man sich schließlich nicht entscheiden, welche Herrlichkeit man für den Groschen eintauschen sollte.

Eva wartete lächelnd. Mit Kindern war es halt immer wieder dasselbe. Sie meinten, für wenig Pfennige ein ganzes Himmelreich kaufen zu können, diese Glücklichen.

»Das da«, sagte Karli endlich und deutete auf ein Glas, in dem leuchtend bunte Zuckerlutscher mit Stiel waren.

Eva angelte einen davon heraus und gab ihn dem Kind in die schmutzige Hand. Karli stob grußlos davon und steckte den Lutscher sofort in den Mund.

Wie leicht doch ein Kind glücklich zu machen war, dachte sie und sah sich langsam in dem vollgestopften Laden um. Es roch nach Salzheringen und Sauerkraut. Ihr Großvater bestand darauf, dass alles so gehandhabt wurde wie damals, als er noch als junger Mann diesen kleinen Laden einmal eröffnet hatte. Die Neuzeit war für ihn wie ein rotes Tuch, mit der er nichts zu tun haben wollte. Dass die Einnahmen in dem kleinen Geschäft von Jahr zu Jahr geringer wurden, begriff er einfach nicht.

Eva ertrug den Geruch nach Hering und Sauerkraut oft nicht mehr. Ach, sie sehnte sich fort aus dem kleinen Ort, fort von Zucker, Salz und Mehl, das sie täglich abzuwiegen hatte. Gottlob wussten ihr Großvater und ihre Mutter nichts von diesen geheimen Gedanken. Sie wären entsetzt gewesen.

Eva verließ den Laden wieder, um in der angrenzenden Wohnung weiterhin Staub zu putzen. Vielleicht hätte ihr diese Tätigkeit Spaß gemacht, wenn sie hübsche, moderne Möbel hätte reinigen können. Aber ihre Mutter und sie lebten mit Großvater zusammen noch in der Aussteuer ihrer seligen Großmutter.

Sicher gab es aus jener Zeit noch sehr viele kostbare, hübsche antike Möbel; diese waren es allerdings nicht. Großmutter war eine Tagelöhnertochter gewesen und hatte weder genug Geld noch Geschmack gehabt, um ihre Wohnung mit wirklich wertvollem Mobiliar vollzustellen.

Ihr Großvater kam aus dem Garten, zu dem die hintere Haustür führte, ins Haus.

»Es ist noch sehr kalt, dabei haben wir schon März. Zu meiner Zeit bin ich da schon immer ohne Mantel gegangen«, brummelte er verdrießlich.

Eva widersprach nicht. Er hätte wahrscheinlich nicht eingesehen, dass er als junger Bursche noch nicht so leicht gefroren hatte wie jetzt.

»Setze dich nur an den Kachelofen, Großvater«, riet Eva fürsorglich.

Das tat er dann auch und umfasste die Fliesen mit beiden Armen.

»Das tut gut«, seufzte er. »Wo nur deine Mutter bleibt«, sagte er kurz darauf.

»Es wird auf dem Landratsamt länger dauern, zuweilen muss man warten.«

»Herr Ahlburg lässt deine Mutter nicht warten«, entschied der alte Mann.

Eva unterdrückte ein Seufzen. Bernhard Ahlburg war Oberinspektor auf dem Landratsamt und gleichzeitig ein Freund des Hauses.

»Großvater, Herr Ahlburg hat mit Publikum gar nichts zu tun. Er sitzt in einem Zimmer allein und arbeitet.«

»Wenn deine Mutter kommt, ist er für sie da«, beharrte der alte Herr.

Eva zog es vor, sich nicht auf weitere Diskussionen mit ihrem Großvater einzulassen. Es käme nichts dabei heraus. Ihr Großvater hatte heute wieder seinen quengeligen Tag. Der Arzt hatte bei ihm bereits eine gewisse Gehirnverkalkung festgestellt.

Eva war froh, als nun wieder die Ladenklingel schellte. Allerdings schlurfte ihr Großvater hinter ihr her. Eva bediente eine Kundin und wurde bereits nervös, weil ihr Großvater ihr nur im Wege stand.

»Großvater, im Laden ist es kalt, erkälte dich nicht«, warnte sie.

»Da muss ich Ihrer Enkelin beipflichten«, sagte die Kundin. »Sie haben keinen Rock übergezogen ...«

»In meinem Laden habe ich nie gefroren«, erwiderte der alte Mann darauf unwirsch.

Eva machte der Kundin beschwichtigende Zeichen. Die verstand sie gottlob und lächelte.

Gegen Mittag kam Evas Mutter zurück. Sie war erschöpft.

»Mein Gott, bin ich froh, wieder zu Hause zu sein«, sagte sie. »Die vielen Menschen und der Verkehr in der Stadt machen einen ja richtiggehend nervös.«

»Es geht eben nichts über unser Dorf«, stimmte ihr Vater sofort bei.

Eva widersprach zwar nicht, aber sie war jedes Mal glücklich, wenn sie in die Kreisstadt reisen durfte. Sie sehnte sich zuweilen von hier fort. Sie schlug heimlich den Atlas auf. Ihre Finger glitten an großen Flussläufen entlang. Sie versuchte, sich hohe Gebirge und Meere vorzustellen. Ihre eigene Welt kam ihr so schrecklich eng und klein vor. Sie hatte das Gefühl, in ihr erdrückt zu werden. Von ihrer Sehnsucht erzählte sie jedoch weder ihrer Mutter noch ihrem Großvater etwas. Beide hätten sie nicht verstanden, das wusste sie.

Ihr Großvater liebte aus Prinzip seine Heimat und hielt sie für den Nabel der Welt. Und Evas Mutter war als junge Frau in die Welt hinausgezogen und bald darauf müde, verzweifelt und mit einem Säugling auf dem Arm in ihren Heimatort zurückgekehrt.

Obwohl Eva inzwischen erwachsen war, hatte ihre Mutter bisher noch niemals zu ihr über ihre Erlebnisse außerhalb des Elternhauses und ihren Vater gesprochen.

***

Als der Laden am Abend abgeschlossen war, saß Eva über ein Kreuzworträtsel gebeugt und versuchte es zu lösen.

»Du kennst weiter nichts als rätseln«, nörgelte ihr Großvater, der heute wirklich seinen schlimmen Tag hatte.

Eva zuckte schuldbewusst zusammen. Ganz unrecht hatte ihr Großvater nicht. Als sie damit einst begonnen hatte, hatte sie erst gemerkt, wie viel sie eigentlich nicht wusste. Von da an wurde ihr Ehrgeiz angestachelt.

Sie beschäftigte sich viel mit Erdkunde, mit der griechischen, römischen und germanischen Mythologie. Sie las viele Bücher über Tiere und prägte sich die Namen ein. Wie bildungshungrig sie war, begriff wohl nur Bernhard Ahlburg, der abends oftmals vorbeischaute und ihr aus der Stadtbibliothek auch Bücher mitbrachte.

»Das ist ein Preisrätsel, Großvater. Ich könnte eine Reise gewinnen, wenn ich es richtig löse und die Glückliche wäre, die danach durch das Los als Gewinnerin ausgemacht wird.«

»Papperlapapp!« Der alte Mann winkte ab. »An solch einen Schnickschnack solltest du doch nicht glauben. Wenn man eine Reise verlost, fällt die bestimmt Verlagsangehörigen zu. Oder kennst du jemand, der schon einmal bei irgendeinem Preisrätsel oder Quiz gewonnen hat?«

»Nein«, musste Eva zugeben.

»Na, siehst du«, rief der alte Mann triumphierend. Er war glücklich, weil er wieder einmal recht gehabt hatte.

Eva hatte gerade die letzte Frage gelöst, als es klingelte.

»Das wird der Herr Oberinspektor sein!« Großvater Friedrich war immer ganz aufgeregt, wenn Bernhard Ahlburg kam. Ihn schätzte er sehr und hatte ihn ins Herz geschlossen.

»Ich öffne schon, Vater«, sagte Frau Annegret und lächelte.

Sie gönnte dem alten Mann die kleine Abwechslung. Sie selbst schätzte Bernhard Ahlburg ja auch sehr.

Genauso erging es Eva. Mit Bernhard Ahlburg konnte sie sich über andere Themen als über die Dorfbewohner und den täglichen Alltag unterhalten.

Er verreiste jedes Jahr in den Ferien und hatte schon manches von der Welt gesehen.

»Guten Abend zusammen«, grüßte der Beamte des Landratsamtes, als er eintrat.

Sein erster Blick flog zu Eva, die noch immer am Tisch saß. Eva lächelte ihm harmlos zu, aber ihre Mutter registrierte befriedigt diesen Blick.

Eva war noch sehr jung und unreif, gerade zwanzig Jahre alt. Das Alter allein würde Bernhard Ahlburg davon abhalten, um ihre Hand anzuhalten, davon war Annegret Lammer überzeugt. Aber der Tag war sicher nicht mehr weit.

Sicher, Ahlburg war nicht mehr ganz jung und zählte bereits zu ihrer Generation. Aber ein Mann durfte schon etliche Jahre älter als eine Frau sein. Er musste schließlich auch der Familie vorstehen.

Vor allem war Bernhard Ahlburg eine sehr gute Partie. Er besaß hier im Dorf ein eigenes Haus. Das hatte er einst von seinen Eltern geerbt und im Laufe der Jahre umgebaut und modernisiert. Eine junge Frau würde sich also in ein gemachtes Nest setzen. Als Gattin eines Beamten in höherer Stellung war das Leben einer Frau ohnehin vollkommen gesichert. Und Frau Annegret wusste, wie wichtig das war!

»Ich freue mich, dass Sie sich wieder einmal bei uns sehen lassen«, sagte Großvater Friedrich. Er lebte direkt auf und holte aus dem Eisschrank die Flasche mit dem Klaren.

»Aber nur einen«, bat Bernhard Ahlburg, als der alte Mann einschenkte.

Ihr Großvater trank nicht gern allein, darum bot er Bernhard Ahlburg regelmäßig ein Schnäpschen an.

»Na, na, Sie sind doch ein Mann. Auf einem Bein kann man bekanntlich nicht stehen«, kam es auch prompt aus Großvaters Mund.

Frau Annegret stellte jedes Mal befriedigt fest, dass der Gast sich wahrhaftig nicht nach Alkohol drängte. Diese Tugend war bei einem zukünftigen Ehemann auch sehr wünschenswert.

»Ich habe Ihnen wieder ein Buch mitgebracht, Eva«, sagte der Oberinspektor und griff in seine Ledertasche.

»O wie schön«, rief Eva impulsiv und strahlte ihn an. »Der schwarze Kontinent«, las sie.

»Sie setzen dem Mädchen noch Flausen in den Kopf«, brummelte Großvater Friedrich.

»Aber Herr Humpert, seien Sie froh, wenn Ihre Enkelin aufgeschlossen ist und wenigstens durch Bücher Land und Leute kennenlernen möchte.«

»Na ja, meinetwegen. Dann wird sie allerdings immer wieder einsehen, dass nichts über die Heimat geht.« Der alte Mann nickte.

»Ich glaube nicht, dass Fräulein Eva das je vergessen würde.«

Als Eva darauf ein Blick des Beamten traf, fühlte sie sich plötzlich leicht beunruhigt. Sie war Bernhard Ahlburg dankbar, dass er jedes Mal so für sie einsprang und ihre Leseleidenschaft verteidigte. Aber warum er sie so angesehen hatte, konnte sie sich nicht erklären.

Bernhard Ahlburg blieb ein gutes Stündchen, dann erhob er sich.

»Eva, bringe den Gast zur Tür«, forderte Frau Annegret wie jedes andere Mal zuvor. Eva tat es. Offenbar suchte Bernhard Ahlburg nun noch ein Gespräch mit ihr. Er stand zwischen Tür und Angel und schien vergessen zu haben, ihre Hand freizugeben.

»Es ist zwar noch empfindlich kühl, aber der Frühling liegt in der Luft.«

»Ja, das stimmt.« Eva nickte und zog endlich ihre Rechte zurück.

»Wir haben ja auch schon in drei Wochen Ostern«, stellte der Oberinspektor danach fest.

»Wollen Sie wieder verreisen?«, fragte Eva sofort interessiert.

»Ja, ich habe vor, der Sonne entgegenzufliegen. Mein Ziel ist diesmal Südspanien.«

»Wie herrlich«, bekannte Eva sofort.

»Ja, nur allein zu reisen macht nicht immer Freude.« Wieder suchte er Evas Blicke.

Die fühlte sich plötzlich ganz befangen und wünschte, Bernhard Ahlburg möge endlich gehen.

»Nun muss ich aber wirklich gehen, Fräulein Eva«, sagte der Beamte hastig. »Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend.«

Sie drückten sich noch einmal flüchtig die Hände, dann verschwand er.

»Ich möchte heute früh ins Bett gehen«, gestand Eva und täuschte ein Gähnen vor, als sie ins Wohnzimmer zurückkehrte.

»Jetzt schon? Ich dachte, wir spielen noch zusammen ›Mensch ärgere dich nicht‹!« Der alte Mann sah Eva vorwurfsvoll an.

»Ein anderes Mal gern, Großvater, heute wäre ich vor Müdigkeit unkonzentriert.«

»Vater, lass Eva nur schlafen. Junge Menschen brauchen mehr Bettruhe als alte.«

»Unsinn! Als ich so alt war, kam ich mit wenigen Stunden Schlaf aus«, erwiderte Großvater Friedrich.

Eva zog sich zurück. Als sie in ihrem kleinen Zimmer war, setzte sie sich erst einmal aufs Bett. Der Mond schien voll durch das Fenster. Eva seufzte. Vor ihrem geistigen Auge sah sie Bernhard Ahlburg. Sie betrachtete ihn zum ersten Male als Mann und nicht wie sonst als Mensch.

Er war nicht größer als sie und hatte schon ein wenig schütteres Haar. Seine Gesichtshaut neigte bereits zu Falten. Nein, ein flotter, junger Mann war er nicht mehr. Allerdings lag in seinen Zügen ein sehr gutmütiger Ausdruck, der Eva bisher immer angezogen hatte. Wie alt mag er sein, überlegte Eva und kam zu dem Schluss, dass er nicht viel jünger als ihre Mutter war!

Eva seufzte. Der Held ihrer Träume war er wahrlich nicht. Sie war wie alle Mädchen töricht genug gewesen, oft hier in ihrem kleinen Kämmerlein von Liebe und Glück zu träumen. Dabei spielte selbstverständlich auch jedes Mal ein Mann eine Rolle. Er hatte jedoch niemals so wie Bernhard Ahlburg ausgesehen.

Allerdings musste sie zugeben, dass der Beamte auf der anderen Seite der ausgeglichenste und freundlichste Mensch war, den sie kannte. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass er je so wie Großvater werden würde. Ihre Mutter war zuweilen mürrisch und verschlossen. Diese Eigenschaften besaß er bestimmt auch nicht. Vor allem war er verlässlich, das musste Eva anerkennen. Wenn er etwas versprach, hielt er es auch unbedingt.

Eva ließ sich hinten hinüber auf ihr Bett fallen. Was soll ich ihm antworten, wenn er sich tatsächlich erklärt, dachte Eva bestürzt. Sie wusste keine Antwort. Sie hatte Bernhard Ahlburg gern, gewiss, aber Liebe war es sicher nicht, was sie zu ihm hinzog. Über die Liebe wurde in Büchern ganz anders geschrieben.

Sie sei eine Himmelsmacht und könne Berge versetzen. Sie verändere das Leben ... Eva seufzte wieder und horchte in sich hinein. Aber von Unruhe und Liebeswogen spürte sie nichts. Wenn sie sich doch einmal mit jemandem aussprechen könnte! Aber so gern sie ihre Mutter hatte, über diese intimen Dinge könnte sie sicher niemals mit ihr sprechen

Über diesen vielen Überlegungen schlief Eva endlich ein.

***

Zu Evas Überraschung kam ihre Mutter am nächsten Tag von selbst auf Liebe und die Männer zu sprechen.

»Im Leben kommt es auf die Verlässlichkeit an, das merke dir. Liebe vergeht, sie ist nur ein Rausch. Hinterher kommt das böse Erwachen. Ein Mann muss auch eine Frau ernähren können. Ohne Geld fliegt die größte Liebe zum Schornstein hinaus.«

Eva hörte bang zu. Über dieses Thema hatte sich ihre Mutter bisher noch niemals geäußert. Steckte dahinter eine besondere Absicht?

»Wie – wie war es denn mit dir und Papa?«, fragte Eva endlich zögernd.

Frau Annegrets Gesicht verschloss sich auf der Stelle und nahm einen harten Ausdruck an. Sie unterstrich ihre Mimik durch eine wegwerfende Handbewegung.

»Dein Vater konnte gut reden, aber er war ein Windhund. Wir waren so lange glücklich miteinander, wie ich mitverdienen konnte und schlank war. Dann meldetest du dich an. Ich wurde dick und unförmig und ich musste aufhören zu arbeiten, da ...«

Eva hing atemlos an ihrem Munde. »Da?«, hakte sie endlich nach und hoffte, ihre Mutter würde weitersprechen.

»Was soll ich dich mit Vergangenem belasten. Dein Vater ist tot. Kurz vor deiner Geburt ist er von einem Auto überfahren worden. Er hatte zu viel getrunken. Ich kehrte in mein Elternhaus zurück. Aber das weißt du ja. Du bist hier geboren.«

Ihre Züge wurden nun wieder weicher.

»Darum wähle gut, Eva. Sieh nicht nach Schönheit, such dir einen Mann, der verlässlich und gut ist und der dich und deine Kinder ernähren kann und will«, schloss sie.

»Ja«, sagte Eva befangen und schluckte.

Sie wusste, auf wen ihre Mutter anspielte, wusste, wer der Mann war, der all diese Eigenschaften in sich vereinte.

Sie sagte sich, dass ihre Mutter genug lebenserfahren war, um die Dinge richtig beurteilen zu können, dennoch wurde sie nicht recht froh.

***

»Mama, könntest du veranlassen, dass mein kleiner Koffer gepackt bereitsteht? Ich komme heute Mittag zum Essen und fahre dann gleich auf eine Geschäftsreise.«

»Ja, mein Junge ...« Aber bevor Frau Heidelore noch weitere Fragen stellen konnte, hatte ihr vielbeschäftigter Sohn bereits aufgehängt.

Die alte Dame seufzte nur. Eckhard hatte ja schon immer viel gearbeitet, aber in letzter Zeit wurde er direkt hektisch. Leider war ihr Sohn neuerdings recht verschlossen, aber ihr Mutterinstinkt sagte ihr, dass diese Arbeitswut mit einer unglücklichen Liebe zusammenhing. An wen er sein Herz verloren hatte, glaubte die alte Dame auch zu wissen.

Silvia Kettler hieß die Frau. Sie war über Nacht am hiesigen Gesellschaftshimmel aufgetaucht. Sie hatte einen reichen Onkel beerbt und war seitdem in allen Salons, bei allen Gesellschaften zu finden.

Frau Heidelore hatte die junge Dame nur einmal gesehen und sich allerdings gleich ein Bild von ihr gemacht. Sie kam ihr wie ein schillernder Schmetterling vor, der von einer Blüte zur anderen flatterte.

In diesem Fall waren die Männer die Blüten. Sie spielte einen so geschickt gegen den anderen aus, dass keiner Argwohn schöpfte. Dabei war Martin doch sonst wahrlich nicht auf den Kopf gefallen! Aber Liebe macht bekanntlich blind. Das traf wohl auch bei ihm zu.

Frau Heidelore hoffte, dass ihr Sohn diese unselige Leidenschaft bald überwunden haben würde. Am wenigsten wünschte sie sich diese Silvia Kettler zur Schwiegertochter. Sie würde Martin nur unglücklich machen.

Martin kam pünktlich zum Essen.

»Hallo, Mama!« Er umarmte die zierliche alte Dame innig. Sie musste zu dem baumlangen Kerl aufsehen.

Bei Tisch fragte Frau Heidelore nach Martins Reiseziel.

»In wenigen Stunden bin ich dort, Mama. Ich habe morgen Vormittag eine wichtige geschäftliche Besprechung, von der ein großer Auftrag für unsere Fabrik abhängt.«

»Du nimmst hoffentlich Walter mit?«, fragte die alte Dame hoffnungsfroh.

»Nein, warum? Ich fahre lieber allein. Ich weiß nicht, wie lange die Gespräche dauern. Dann hättest du während der Zeit keinen Chauffeur.«

»Ich könnte mir zur Not ein Taxi nehmen, wenn ich unbedingt fortfahren müsste.«

»Mama, es ist alles schon anders abgemacht, nun lassen wir es auch dabei«, sagte Martin bestimmt.